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Nr. 47. XXXII. Jahrgang. Wochenberichte Leipzig, 21. November 1917. Handelsteil der Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie A CJ Zugleich: Wochenschrift für Spinnerei und Weberei. Handelsblatt Allgemeine Zeitschrift für die Textil-Industrie Begründet 1884 in LEIPZIG. für die gesamte Textil-Branche* vormals „Die Textii-Zeitung“. Fachzeitschrift für die Woll-. Baumwoll-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie, für den Garn- und Manufakturwarenhandel. sowie die Tuch- und Konfektionsbraneh». Nachdruck, soweit nicht untersagt, nur mit genauer Quellenangabe gestattet. Organ der HHchsischen Organ der Vereinigung Organ der Norddeutschen Textil-Berufsgenossenschaft. Sächsischer Spinnerei-Besitzer. Textil- Berufsgenossenschaft. LEIPZIG, Brommestr. 9, Ecke Johannis-Allee. Herausgegeben von Theodor Martins Textilverlag in Leipzig. ||| Diese Wochenberichte erscheinen jeden Mittwoch als Beiblatt zur „Leipziger onat schritt für Textil industrie“ und bilden den Handelstell der letzteren. — Der Preis für di • „Leipziger Monatachrlft Tür Textil-Industrie“ mit den vierteljährlich erscheinenden „Sonder-Hummern“ und den 3 Beiblättern: 1. Wochenberichte, 2. Muster-Zeitung und 3._ Mitteilungen aus und für T .xtll-Berufsgenossenschaften beträgt für das Deutsche Reich und Österreich-Un garn pro Halbjahr Mk. 8,—. Die „Wochenberichte“ können auch allein (ohne die Monatschrift) bezogen werden zum halbjährlichen Preise von Mk. 5,— für Deutschland und Österreich-Ungarn. Die Besugs- Gebiihren sind im voraus zahlbar. Wenn ein Bezug spätestens einen Monat vor Schluß des Halbjahres nicht gekündigt wird, gilt derselbe als fortbestahend. — Die Insertions-Gebühren betragen pro Petitzeile (zirka 3 mm hoch und 54 mm breit) oder deren Raum einschließlich Teuerungszuschlag 50 Pfennig. Bei Wiederholungen Rabatt naoh Tarif. Beilagen werden nur für die Gesamtauflage angenommen nach feststehendem Tarif. Adresse für sämtliche Zuschriften und Geldsendungen: Leipziger MonatSCbrlft für Textll-IüdllStrie, Leipzig, BronUDOStF. 9. Die Gefahren eines Staatsmonopols für den Baum wollhandel und für Bremen. Über das vorstehende Thema hat sich auf Veranlassung der .Bremer Nachrichten“ Herr Erich Fabarius, Teilhaber der be kannten Baumwollfirma Knoop & Fabarius in Bremen, wie folgt ausgelassen: .Unter allen Monopol-Gedanken und Monopol-Plänen, die neuerdings häufig erörtert werden, erscheinen mir diejenigen die anfechtbarsten zu sein, die sich mit einem Rohstoff-Einfuhr-Monopol beschäftigen. Wenn irgendwelche Handelszweige von jeder monopolistischen Ein engung frei gehalten werden müssen, so sind es die Zweige, die sich mit solchen Rohstoffen befassen, für deren Bezug wir zur Befriedigung der not wendigsten Lebensbedürfnisse auf das Ausland angewiesen sind. Zu diesen Rohstoffen gehört in erster Linie die Baumwolle. Bei der außerordentlich großen Bedeutung, die dieses Produkt für unser Wirtschafts leben hat, und bei den gigantischen Ziffern, die dasselbe im deutschen Wirt schaftsverkehr aufweist, — der Einfuhrwert von Baumwolle beträgt weit über 500 Millionen Mark im Jahre —, kann es nicht wunder nehmen, daß man in monopolfreundlichen Kreisen sein Auge auf die Baumwolle geworfen hat. Bei der Verfechtung der Baumwollmonopol-Idee geht man in der Hauptsache von zwei Gesichtspunkten aus, nämlich von der Auffassung, ein Monopol ermögliche einerseits eine Verbilligung im Einkauf, andererseits eine Werterhöhung im Verkauf. Beide Auffassungen dürften von Grund aus falsch sein. Wenn man sich klar macht, welche Veränderungen der Baumwollhandel erfahren hat, seitdem Telegraph und Telephon in Amerika jeden einzelnen Ort bis zu kleinen Dörfern hinunter, die eine Eisenbahnstation haben, man kann ruhig sagen, direkt mit dem Welthandel verknüpft, in den Welthandel als selbständiges Glied hineingestellt hat, wird man sich ohne weiteres sagen müssen, daß nur intensive persönliche Bearbeitung dieser einzelnen Glieder aus dem Handel das herauszuholen vermag, was herausgeholt werden kann und herausgeholt werden muß. Der Verkehr zwischen dem deutschen Baumwollhändler und dem ame rikanischen Verschiffer (ich beschränke mich in meinen Ausführungen gänz lich auf die Behandlung amerikanischer Verhältnisse, weil diese für den Bautnwollhandel der Welt ausschlaggebend sind), hat im Laufe der Jahre sich so entwickelt, daß man geradezu von einem persönlichen Verhältnisse zwischen den Firmen sprechen kann, und daß ein solches persönliches Ver hältnis die Geschäftsbeziehungen wesentlich zu fördern geeignet ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Diese für alle Beteiligten vorteilhafte Entwick lung ist schon seit längerer Zeit besonders dadurch günstig beeinflußt worden, daß jahraus jahrein in steigendem Maße die Amerikaner während des Früh jahrs nach Europa kamen, und mit ihren Käufern eingehend Rücksprache über das Geschäft der kommenden Saison nahmen. Wenn früher unsere Kaufleute nach Amerika gingen und dort die Verkäufer aufsuchten und neue Verbindungen anknüpften, die Amerikaner sich aufsuchen ließen, ist nunmehr die Lage gerade umgekehrt, wenn schon die deutschen Baumwollhändler auch hin und wieder noch ihren amerikanischen Verkäufern Besuche abstatten, nm aus eigener Anschauung die Verhältnisse drüben immer von neuem kennen zu lernen. Diese Entwicklung hat entschieden ein gut Teil mit zu dem enormen Aufschwünge beigetragen, den z. B. der Bremer Baumwollhandel genommen hat. Ist es nun denkbar, daß ein Monopolbetrieb jemals in der Lage sein wird, diesen Verkehr in ähnlicher Weise zu pflegen und der Vorteile teil haftig zu werden, die in einem solchen — wie schon erwähnt — persön lichen Verkehre liegen? Ich halte das'einfach für ausgeschlossen und mit mir werden alle diejenigen gleicher Ansicht sein, die das interessante Ge triebe des Baumwollhandels kennen. Und wie sollte es einem Monopolbetriebe möglich sein, billiger einzukaufen als der Kaufmann, der sein eigenes „Ich“ in die Wagschale wirft und damit einen ganz anderen Einfluß auf die Ver hältnisse und Persönlichkeiten, mit denen er sich zu beschäftigen hat, aus zuüben und dadurch den Abschluß von Geschäften viel besser zu fördern vermag, als dies einer Monopolorganisation möglich sein wird. Man versetzte sich nur einmal in die Lage des amerikanischen Abladers. Wird er jemals einer Verbindung mit einer Monopolorganisation das Interesse entgegenbringen, das er an einer Verbindung auf Grundlage persönlicher Beziehungen naturgemäß nimmt, und das in der Regel auf beiden Seiten ein 'durchaus gleiches ist. Im Gegenteil, er wird seinen anderen Verbindungen, also unseren Einkaufskonkurrenten innerlich und auch in der kauf männischen Praxis näher stehen und viel eher bereit sein, diesen besonderes Entgegenkommen zu erweisen als einer Organisation, die er einer staatlichen Behörde gleich zu erachten geneigt sein wird. Die amerikanischen Ablader würden im Verkehr mit Deutschland bei einem Baumwollmonopol gewissermaßen nur mit einem einzigen Kunden zu tun haben, der Wettbewerb, die Seele des Handels, würde dadurch ganz wesentlich eingeschränkt werden und unsere Einkaufskonknrrenz, das Aus land, hätte sicherlich den Vorteil davon. Diese würde billiger kaufen, nicht wir, diese würde durch fortgesetzte Nachfrage und Gebote das Interesse des Einzelnen an seinen einzelnen Verbindungen rege erhalten und den Einzel nen wieder zu Anstellungen und Entgegenkommen veranlassen und das zen tralisierte deutsche Interesse würde unter einer solchen Lage ganz entschieden leiden. Auf Einzelheiten im Baumwollhandel, die zum Teil besonders schwieriger Natur sind, — ich erwähne nur zwei Punkte, die bestmögliche Ausnutzung der Terminmärkte für Deckungen usw. und die heikle Qualitätsfrage im Ver kehr mit der Industrie, die immer höhere Anforderungen an das Rohmaterial stellen muß angesichts der Entwicklung bzw. Vervollkommung der Maschinen —, einzugehen, würde hier zu weit führen. Aber der Ansicht muß ich Ausdruck geben, daß es einem staatlichen Monopolbetriebe absolut unmöglich sein würde, den Anforderungen, die heute an den Einzelnen gestellt werden und gestellt werden müssen, gerecht zu werden. Dieses wichtige Feld kann nur in per sönlicher Anstrengung „richtig“ bearbeitet werden. Der deutsche Baumwollhandel würde in seiner Entwicklung um ein Menschenalter zurückgedrängt werden, wenn bei uns der Einzel Wettbewerb ausgeschaltet würde und als tertii gaudentes würden alle die Länder da stehen, die sich bisher mit uns in die Baumwollernten geteilt haben. Nicht billiger, nein teurer würde Deutschland durch ein Monopol seine Baumwolle kaufen' und wenn auch möglicherweise durch Zentralisation auf dem Konto „Handlungsunkosten“ eine gewisse Ersparnis in der Ver waltung erreicht werden könnte, im Vergleich zu den entsprechenden Ge samtaufwendungen bei freiem Wettbewerb, so würde das doch absolut keine Rolle spielen gegenüber der gewaltigen Preis Verteuerung, die zweifellos durch den Einkauf einer Monopolgesellschaft herbeigeführt werden wird. Hierauf werde ich am Schluß meiner Ausführungen noch einmal zurückkommen. Hält man nun an dem Gedanken fest, daß eine Monopolverwaltung teurer einkaufen wird als der freie Handel, und weiter, daß solch ein Mono pol vor allem auch teurer kaufen wird als unsere Einkaufskonkurrenten auf den amerikanischen .Märkten, dann kommt man ohne weiteres zu dem berech tigten sicheren Schlüsse, daß unser ganzer Ausfuhrhandel durch eine solche Lage enorm geschädigt würde, und zwar nicht nur der Ausfuhrhandel in Rohstoff, sondern weitergehend auch der in den Erzeugnissen unserer Baum wollindustrie. Bremen versorgte seit dem Aufschwung seines Baumwoll handels nach Gründung der Bremer Baumwollbörse zu einem großen Teile fast alle angrenzenden Länder in Ost und Süd, auch bis hinauf nach Skan dinavien, und in den letzten Jahren vor dem Kriege in großem Umfange auch Italien. Wenn nun auch ein Teil dieses Handels durch den Krieg voraussichtlich für uns verloren sein wird, so werden wir doch einen großen Teil uns gewiß wieder sichern können, wenn dem Handel freie Bahn gegeben wird. Aber endgültig verloren werden uns diese Gebiete gehen, wenn der deutsche Baumwollhandel in die Zwangsjacke eines Monopols gesteckt wird. Unsere Nachbarn und früheren Kunden würden ganz automatisch gezwungen werden, bei ihren Baumwolleinkäufen Deutschland zu umgehen, und Amerika würde nur zu gern bereit und zu eifrig beitrebt sein, eine solche Lage nach Kräften auszunutzen. Daß aber durch eine solche Entwicklung unser Ausfuhrhandel in Baumwollfabrikaten außerordentlich geschwächt, derjenige unserer Weltkon kurrenz auf diesem Gebiete aber wesentlich gestärkt werden würde, bedarf keiner Frage. Wenn aber dieser unser Ausfuhrhandel, — er betrug im Jahre 1913 516,4 Millionen Mark, mehr als 5 Proz. der Gesamtausfuhr Deutsch lands im Spezialhandel, — einer der wichtigsten Fakturen für unsere Handels bilanz, in solcher Weise beeinträchtigt würde, dann wäre es vorbei mit unserer günstigen wirtschaftlichen Entwicklung, vorbei mit den Errungenschaften der langen Friedensjahre seit 1871 auf lange lange hinaus. Manche Gene rationen könnten das verlofene Gebiet nicht wieder erringen. Was nun die Auffassung anbetrifft, die in monopolfreundlichen Kreisen zu herrschen scheint, es könne eine Monopolorganisation die Verkaufspreise selbständig regulieren, vor allem nach Bedarf die Preise erhöhen, so ist das ein großer Irrtum, denn ein solches Regulieren, das doch nur eine einseitige Handlung einer einseitigen Stelle in einem Momente, in dem das Interesse dieser einen Stelle ein solches Vorgehen als nötig oder wünschenswert er-