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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.01.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110124019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911012401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911012401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-24
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Be,ug»-Prei» Durch dch Vk! l««h«ld »«ilich.aiw« und l« d««Nch« Vol»nl»> mrrrrULHN. H.I* ^U, ««mU. I.L4 iitllchl. Postdrftrvakld. ,Z«r«r m Vrlgi«», Dtnemark, kx» Donaxslaate«, Jtall«, Uxrrmdunz, Kird«rl»xL«, Ko» w««ro O«slerr«lch Ungar», KxtziaaL, Hchwrdex, Schweiz ». Spanien I» «Le» übrigen Staaten nur direkt durch bt» Gchchäittuelle a«4 Siattee ertzLiUbch. Da« Leipziger Lagedian ericvriui 2 »al Itgitch, Sonn- u zeiknag» »ui Morgen«. Ldonn« >«lt-Lnnatzin«NuguftulplaH bot »uferen lrügern,,Flinten, Lpeioteuron »ch UiuMhmrtzearn, sowie Lolitouer» u»d «vrirlirüger». St«g«l»err«»t«pr«i» »er viorgow- «utgabe I< der iibend >u«gab» » «b. Nebektton and GrschLNbkeLer Z»daa»»g»I>« v. ger»»r«d«i >4ti-L I4ÜU^ 14004. Morgen-Ausgabe. KiWgcr T agcblM Handelszeitung. Amlskkall -es Rates und -es Volizeiamtes -er LtaSt Leipzig. Änzelfleu-Preit B» Sm««» «X «W»I, UN« Umg^a« bch S^paiwn» bv ww a»u» «eltrw«- » 4^ d«, 74 «» d«uo «wSa-WeU. l »mi E«w4r«« Kl cheü«w» UUll xi: 5s»1er»» »»» »ebbrde« >» ewtlich«, Teil die 74 Mw breit, chet»r»a, 4V 4^ »chchLirlanieiaen mu L agoeeichrille» and t» »er Ld«ndan»d»d» >n> «reo, «ryöhr. btadall nach Larck Seilogegebübr b xU p. laniend ^v. Pongedübr. Fefterreiit, iluikrckg, können nichi znrSck. a«zogen werden. Zär »a» >Lricherae» an be»u»»u»n Lage» »nd Bilden wir» kein» Garantie üdernowwe». kanabnwi LngnanSplah b« itwNlche» AUtala» «. »Lea «aaon«»» itxpeditiooeo oe« Ja» an» »utlnnlws Haaot-NUIaU verltwi Tart Dnncke, peizogi vaar. Hotbach» Handlung Ludowftia», XX S-I.bdo» Vl. «t» «40». HaapI-AUlal« LeeSde« Seeili.» 4.1 iLeieptzo» 44U1). Nr. 24. Virnsnig, Len 24. 3snusr lSll. t0S. Zshr-SNg. Das Wichtigste. * Di« streikenden Studenten der Tier- ärzllichen Hochschule in Hannover beschlossen, eine Deputation an den preußischen Landwirt schaftsminister von Schorlemer-Lieser zu ent senden. um die Erfüllung ihrer Wünsche zu erreichen. sS. Dischs. R.) * Der Moabiter Krawallprozeß vor dem Schwurgericht in Berlin wurde gestern be endet. Das Urteil wurde in später Abendstunde gesprochen. lS. Gerichtssaal.) * Mehrere Garnisonen in Jemen sind von den Aufständischen umzingelt, doch glaubt man, daß sich die Truppen bis zum Eintreffen des Ent satzes halten können. sS. Ausl.) * In Ullstadt (Mittelfranken) wurde der Bürger meister von einem Einbrecher ermordet. lS. Taaeschr.) * Wesen der Best werden in Peking und andern chinesischen Städten di« europäischen Stadtteile ab gesperrt. (E. Taaeschr.) „Sin franMilches Derk". Herr Pichon hat kein rechtes Glück mehr. Als Clemenceau den noch wenig bekannten zunstmäßigen Diplomaten zum Minister des Auswärtigen berief, da gelang es dem Neuling verhältnismäßig rasch, zu europäischem Ansehen zu gelangen. Kraft und Be sonnenheit paarten sich in seiner Behandlung der marokkanischen Frage, deren zweiter Akt der Inhalt seiner Ministerschaft geworden ist. Aus der halben Niederlage von Algeciras führte er gewandt die französisck)« Politik auswärts. Lin großer Teil des Sultanats wurde von den französischen Waffen be setzt, und die Bertragsmächre gaben sich mit einem blassen Schein der Buchstabentreue gegen Frankreichs Versprechung zufrieden. Deutschlands Kapitulation im Abkommen von 1909 krönte das Erreichte. Die gallische Nation besaß wieder einen Staatsmann, der die durch DelcastSs Zusammenbruch gerissene Lücke ausfüllte. Das Jahr 1910 bedeutet einen neuen Wendepunkt im Leben des französischen Auslands-Ministers. Sein königlicher Berater, der alljährlich mit den Leitern des Amtes vom Quai d'Orsay Zwiesprache hielt, ehe seine niemals der politischen Bedeutung ermangelnden „Erholungsreisen" ihren Anfang nah men, verließ die Zeitlichkeit. Schlagender kann kaum bewiesen werden, daß Pichons Strahlenkrone diplo matischer Befähigung geborgtes Lrchr eines Wandel sterns war, als dadurch, daß die Neihe seiner Miß griffe mit dem Tode König Eduards begonnen hat. Das Ungeschick, die Interessen der Ottoman- Bank gegen die Pforte aufmarschiercn zu lasten, die Tollheit, über die Ansprüche der Limanowa-Eesell- schaft Oesterreich-Ungarn vor den Kopf zu stoßen, führten schließlich sogar zu der Albernheit, für die Aktionäre der Spielbank gegen die konstitutionellen Wünsche der Monegassen in bi« Schranken zu reiten. Ein unseliger Dämon scheint sich als Ratgeber an die Stelle des klugen Engländer-Königs gesetzt zu haben! Nun hat er auch noch Frankreichs vergleichsweise ausgezeichnete Stellung in Marokko verdorben! Nachdem der Wortführer der Sozialisten mit der Täppigkeit, die nun einmal bei Männern seiner Partei unvermeidbar ist und als artbestimmende Donquijoterie kaum noch beachtet wird, die Frage nach der Räumung des Sultanates angeschnitten hatte, läßt sich der verantwortliche Minister hinreißen zu der entgegengesetzten Unklugheit, Frankreichs recht liche Pflicht zur Räumung rundweg zu verneinen! „Ich kenne diesen Zeitpunkt nicht!" Er existiert also für ihn nicht! Die Welt hat sich ja längst mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß Frankreichs Rück zugsstunde im gewöhnlichen Laufe der Dinge erst am Nimmermehrstage schlagen wird; aber die Offen herzigkeit des Ministers bleibt auf alle Fälle eine arge Entgleisung. Kein englischer Minister hat sich in dieser Weise ausgedrückt, wenn er nach der Räu mung Aegypten» befragt wurde. Nun hat ja freilich im Verlaufe seiner Rede Pichon seine verblüffende Erklärung eingeschränkt. Er hat von den Möglichkeiten gesprochen, die Linien aus dem Schanjagebi«te und aus Casablanca herauszu ziehen. Wenn nämlich einmal die marokkanische Po lizeitruppe ihre Organisation beende: haben wird. Aber eine Trupp«, die dem französischen Ge sandten unterstellt bleiben soll: von dem Befehls- haberrechte de» „souveränen" Sultan» ist keine Rede mehr! An Stelle der Rothosen sollen französierte Mauren, die keinerlei Band mehr an ihr Vaterland und an ihren angestammten Herrscher knüpft, den Moglerib ul Aksa in Unterwerfung unter Frank reichs Gebot halten! Das gilt für Schanja Für Casablanca gibt es noch «ine andere Lesart Dort soll erst die Entschädigungssumme vollständig ab- bezahlt sein. Wo Frankreich schon die Verwaltung der marokkanischen Gefälle an sich gerissen, also die denkbar sicherste „Garantie" gewonnen hat! Dom Malayaufer vollends, von Udjda wird überhaupt kein Wort mehr gesprochen! Die Krönung aber seiner von internationalen Rücksichten unangekränkelten Rede har sich der Herr Minister für den Schluß Vorbehalten: „Wir errichten in Marokko ein französisches Werk, das wir auf keinen Fall im Stiche lasten dürfen." Bisher las man: „Ein europäisches Werk", wenn von der „friedlichen Durchdringung" des Reiches seiner Scherifischen Majestät die Rede war! Wo blieb die Erinnerung an das Vertragsinstrument von Alge ciras, als diese Worte dem Gehege der ministe riellen Zähne entflohen? Es ist wirklich an der Zeit, dem Baron de Schoen ein Wörterbuch zu senden, da mit er einmal am Strande der Seine ein deutsches Wort zu sprechen vermag! Im Zentralsitze der Reichsregierung soll doch jetzt der Geist ausgeschaltet sein, der das Abkommen von 1909 geschaffen, der die Mannesmannschen Ansprüche nach französischen Ge sichtspunkten behandelt hat! Bemerkenswert ist auch, daß selbst Herr Jaurös von der Eifersucht auf Spanien angestrckt ist. Die Ausbreitung der romanischen Brüder an der Grenze der Provinz Oran macht ihm Kopfschmerzen, und schon in dieser Rücksicht gefällt ihm die franzö sische Festsetzung an der atlantischen Küste nicht. Für lldjdas friedliche Aneignung hat er kein Wort des Tadels, nicht einmal der Erwähnung. Aber Spaniens Marokkovertrag und wahrscheinlich auch der Königsbesuch von Melilla ist ihm in die Glieder gefahren. Es ist ja auch eigentümlich, daß Don Alfonso bei seinem Besuche altmarottanischen Bodens nicht einmal ein Begrüßungstelegramm nach Fez an den Landesherrn gerichtet hat. Die spanische Etikette ist sonst von alters her so peinlich. Zn Madrid wird man also nun wissen, daß Frankreichs sämtliche Parteien, selbst die Sozialisten, schwierig gegen spanische Werke in Marokko geworden sind. Man wird Loch einen solideren Anschluß suchen müssen als an die „Schwesternation". Ole Weltteile ües üeutlchen Kronprinzen. Von Dr. Oscar Bongard. VH. Dschaipur, 27. Dezember 1910. Von Haiderabad aus war Dschaipur das nächste Reiseziel. Am 21. Dezember wurde die Fahrt angetreten, die zunächst zurück nach Bombay führte, dann nordwärts unweit des Meeres entlang ging, bis sie bei Baroda nach Osten abzweigte. Zwei Tage und eine Nacht dauerte sie. Mir fiel wieder die Aehnlichteit der durchfahrenen Gegenden mit Süd afrika auf. Die Felsformationen bis Haiderabad, die Lagunen längs der See, die oft tief ins Land ein schneiden, und auch die Buschlandschaft trägt vollkom men südafrikanischen Charakter. Aber ein gewaltiger Unterschied drängt sich auf: die Fülle der bestellten Felder, an denen man vorbeikommt. Sie sind die Folge der dichten Bevölkerung und dann der günsti gen Wasterverhältniste. Baumwoll- und Maisselder >ah ich stundenlang längs der Bahnstrecke und üoerall war deutlich die Bewässerungsanlage zu erkennen; meist liefern Brunnen das Master. Vor Dschaipur aber änderte sich das Bild. An Stelle der Aecker trat Weideland, auf dem große Herden Klein- und Großvieh ihr Futter suchten. Die Höhen trugen feste Burgen und unter ihrem Schutz lagen die Häuser der Bauern und Hörigen zu ihren Füßen. Deutlich war zu sehen, daß dies Land lange Zeiten Hunderte schwere Kämpfe durchtobt haben muß, wenn solche Befestigungen erforderlich waren. Und in der Tat hat die m den kleinen Vasallenstaaten Radschputanas lebende Bevölkerung unter yelden- haftem Ringen mit den mohammedanischen Eroberern sich nicht von der oft sehr dürftigen Scholle vertreiben lasten und hat ihre Eigenart bewahrt. Don weitem say man es auch den Lanzenreitern an, di« längs der Bahnlinie den Sicherheit»- und Ehrendienst versahen, daß jeder von ihnen sich trotz seiner zerlumpten Ge wandung ein Fürst dünkte. Auf dieses Ringen und auf dieses Selbstbewußt sein ist es auch zurückzuführen, daß Dschaipur die indischste Stadt von allen geblieben ist. Welch ein Gegensatz zu Haiderabad! Dort das Bestreben, ohne Rücksicht auf Kosten allen nur mög lichen Prunk zu entfalten, wobei die Nachahmung europäischer Aeußerlichkeiten einen immer mehr an wachsenden Raum einnimmt, so daß oft europäischer läppischer und wertloser Zahrmarkttand störend wirkt. Hier aber alles noch wie vor Hunderten von Jahren. Auch hier erschienen die beim Empfang Spalier bil denden Soldaten rosenrot, grün, blau und gelb, aber sie trugen keine nach den Armeen aller europäischen Staaten zusammengestellten Uniformen, sondern ihre eigene malerische Tracht, und sie waren keine Soldner, sondern Gefolgsleute der dem Maharadscha lehenspflichtigen Grundstücksinhaber, die mit ihrem Fähnlein von weither, dem Ruf ihre» Fürsten folgend, herbeigeeilt waren. Die Fußtruppen führten Feuersteingewehre, oft mit präch tiger Silber- oder Elfenbeineinlage, die Reiter Lanzen oder Schwerter. Einige Berittene waren im Kettenpanzer mit Helm, Schild und Schwert er- schienen, gleich Rittern aus dem Mittel - alter. Ich sah Helme und Schilde, die wundervolle Kunstwerke waren. Ganze Schlachten und Jagden waren auf ihnen ziseliert und mit Gold ausgelegt. Dann standen die schönsten der Staatselefanten, mit vergoldeten Haudahs auf ihrem Rücken und mit kunstvoll gestickten Golddecken behangen neben den prächtig geschirrten edelsten Rosten des Marstalls in der Parade. Ihnen schlossen sich Galawagen, mit Ochsen bespannt, und mit wertvollen Teppichen als Sattel geschmückte Reitkamele an. Lor dem Wagen des Kronprinzen, der beim Einzug zusammen mit dem ihn abholenden Maharadscha Madho Singh Bahadur in einer Karosse fuhr, führte eine Schar in grüne Tuniken gekleidete Schwert- und Schildträger während des Laufens einen gewandten Fechterlanz aus, der an die Lungen dieser Leibgarde die höchsten Anforderungen stellte. Der Maharadscha ist eine stattliche Erschei nung mit wohlgepflegtem Vollbart und gescheitem gütigen Gcsichtsausdruck. Sein Palast liegt inmitten der nach einheitlichem Plan angelegten großen Stadt und ist ebenso wie alle Gebäude der breiten Haupt straßen in rosenroter Farbe gehalten. Die einzelnen Häuser, Tempel und Paläste tragen entweder reichen architektonischen Schmuck in Gestalt von Ballonen, Türmchen und Kuppeln oder sind mit weißen Orna menten bemalt. Das Danze wirkt sehr eigenartig und fesselnd, ist aber ohne besonderen Kunstwert. Die 160 000 Einwohner zählende Stadt ist von einer dicken Mauer mit sieben hohen, wirkungsvollen Toren umgeben. Sie wurde 1728 von Zai Sing II. gegründet, als dieser sich yenötigt sah, seine durch Wassermangel oft schwer hermgesuchte Residenz A m - ber aufzugeben. Der Ausflug nach dieser acht Kilo meter entfernten Ruinenstadt ist für jeden Kunst- und Naturfreund ein hoher Genuß, dem sich auch der deutsche Kronprinz voll und ganz hingab. Zunächst wird der Weg auf Wogen zurückgelegt, solange er eben ist, dann aber, wenn er anfängt zu steigen, be nutzt man gewöhnlich Reitelefanten, die der Maha radscha empfohlenen Europäern zur Verfügung stellt. Von einer Anhöhe auf halbem Wege ist eine herrliche Aussicht auf das rosige Dschaipur hinter uns und auf die verlosten« Trümmerstadt im Felsental vor uns, deren Marmorbauten sich in einem kleinen See spiegeln und aus wucherndem Gestrüpp zu uns emporglänzen. Die Felsgrate in kilometerweitem Umkreis tragen zinnengekrönte Mauern, die an dem die Stadt über ragenden Fürstenschloß, einem der schönsten Baudenk mäler Indiens, enden. Durch hohe, mit reicher Dild- hauerarbeit geschmückte Tore gelangt man in mehrere große Höfe, man schreitet durch Terrassen und Gänge zur Siegcshalle, einem Wunderwerrk aus Alabaster mit bunter Einlegearbeit und Blumenreliefs. An sie schließen sich in verschiedenen Stockwerken noch meh rere weite Hallen an. Mit großem Kunstsinn sind auch die Räume des Harems ausgestattet. Hier hielt der letzte mohammedanische Herrscher 928 Frauen. Die Vergitterung der Fenster besteht aus finster Marmorsiligranarbeit mit stets wechselndem Muster, so daß man glaubt, ein feines Spitzengewebe als Fenstervorhang zu sehen. Auch die Gebäude in den Höfen aus Marmor und rotem Sandstein sind in köstlicher Architektur ausgeführt. Die schönste Stelle ist die Mondscheinterrasse mit dem Blick auf die Stadt zu Füßen und auf den Garten und die Marmorbauten der Burg mit Steingötterfenstern und Kiosken im edelsten maurischen Stil. Der Palast des jetzigen Maharadscha von Dschaipur ist weitläufiger als der von Amber und füllt einen ganzenStadtteil aus. Er enthält schön« Säulenhallen, hübsche Bauten und üppige, blumen reiche Gärten, aber an Kunstwert steht er weit hinter Amber zurück. In der größten Halle fand zu Ehren des Kronprinzen ein Festessen statt. Der Maharadscha empfing seinen hohen Gast und geleitete ihn zur Tafel, dann kam er aber erst am Schluß des Essens wieder, da er als Hindu an der Mahlzeit nicht teilnehmen kann. Inzwischen hatte sich in einem der festlich beleuchteten und mit kost baren in Dschaipur gewobenen Teppichen belegten Höfe das Corps de Ballet versammelt. Der Kron prinz und die geladenen Damen und Herren nabmen dort Platz, die Europäerohren unverständliche Musik setzte ein, und das Ballett begann. Zunächst war das Auge geblendet von dem Glanz der aolddurch- wirkten bunten seidenen Gewänder und des schmuckes, den die Tänzerinnen trugen. Einige hundert waren es an Zahl, in jedem Alter, von der zarten erblühen den Mädchenknospe an bis zur alten Primaballerina, die an Jahren hinter dem schlanken, weißbärtigen, vom Alter gebeugten Ballettmeister kaum zurückstand. Geschäftig tripvelte der bin und her und dirigierte möglichst auffällig die Solotänzerinnen nach vorn, um die Bedeutung seiner wichtigen Persönlichkeit ins rechte Licht zu setzen. Der Tanz zeigt nicht wie bei uns hastige Bewegungen, sondern er besteht aus anmutigen, langsamen und taktmäßigen Schritten, Drehungen und Biegungen des Körpers und ist von Anfang bis zu Ende eine Pantomime. Jede Bewegung hat einen bildlichen Sinn, und daher kommt es, daß di« Europäer der- artige Aufführungen langweilig finden, während die Inder ihnen mit der angespanntesten Aufmerksamkeit folgen. Chor- und Sologesang begleiteten fast alle Tänze. Trotz der bunten Farben und des vielen Gold- und Srlberschmucks, der Kopf, Hals, Arme und Füße der Tänzerinnen zierte, erschien nicht eine geschmack los überladen, sondern jede einzelne für sich und auch die Gesamtheit ergab ein buntes, aber harmonisches Bild Auch am Tage ist mir dies an den rotgelben und grünen Gewändern der Frauen aufgefallen. Die Ur sache liegt in den duftigen Stoffen, die infolge !hr,r Zartheit einen wunderbaren Faltenwurf haben. Die bessi ven indischen Seixnstoff« und Musseline sind 'o fein, saß man ein ganzes Kleid durch eine« Finger- ring ziehen kann. Tänzerinnen dürfen in Indien bei keinem Feste fehlen, und auch in den Tempeln verschiedener Hindu gottheiten müssen sie täglich zu Ehren des Götzen, dem sie förmlich angetraut werden, ihren Dienst rer- sehen. Bei den Orgien, welche die großen nächtlichen Tempelfestc begleiten, sind sie nicht mehr Tempel tänzerinnen, sondern Tempeldirnen. Das Gell», das ihnen bei dieser Gelegenheit zuflteßt, pflegen sie dem Götzen zu vermachen. Auf das Ballett folgte ein Feuerwerk von ver schwenderischer Pracht im großen Garten, wo Marmorbassins mit vielen Hunderten Springbrunnen zu Wasterspielen angelegt sind. Von der unteren Terrasse eines hohen Gebäudes bewunderten wir den Feuerzauder. Wohl wenige wußten, daß über uns di« Räume der Jenana (Harem) waren und daß von dort die Augen von 300 Frauen, deren Gesicht eng an di« SLingitter gepreßt war, sehnsüchtig schwärmend dasselbe Schauspiel ge nossen. Als der Donner der letzten Kanonenschläge in den Bergen fortrollend leise verhallte und die letzten Feuergarben verglimmend zu Boden sanken, trat der Minister des Maharadscha, «in Mann mit ari stokratisch geschnittenem klugen Gesicht an seinen Ge bieter heran und reichte ihm auf einem Tablett eine Schale mit Rosenöl und ein« in Dschaipur gefertigte, aus Eoldflitter und bunten Steinen bestehend« Kette. "Nach orientalischer Sitte besprengte der Maharadscha den Kronprinzen mit köstlich duftendem Rosenöl, schüttete ihm ein Löffelchen voll in das Taschentuch und hängte ihm die Kette als Gastgeschenk um. Das gleiche tat der Minister dann mit den andern Gästen. Mein so parfümiertes Taschentuch tat ich in einen meiner Koffer, und seitdem duftet das ganze Zimmer lieblich nach Rosen, so stark ist die Essenz. Am nächsten Tage, als der Kronprinz die von dem Gründer Dschaipurs errichtete Sternwarte mit selt samen Instrumenten besuchte, gab es eine Ueber- raschung. Der Maharadscha hatte im geheimen Tier- kän pfe vorbereitet, die seit Jahrhunderten in Dicha.pur am Hofe Sitte sind. Freilich, so wild und blutig wie noch vor einigen Jahrzehnten sind sie nicht mehr, wo noch Elefanten, Rhinozerosse und Menschen gegeneinander sockten. Dies mal waren es Hähne, Schafböcke, Eber und Hirsche, die ihre Kräfte aneinander maßen. Aber auch diese» schon gab Kenntnis genug von größeren Festen dieser Art an des HinDufürsten Hof. In Dschaipur widerfuhr dem Kronprinzen große« Weidmannsheil. Wie dem Nimrod in Afrika der Löwe als das Höchste gift, so geht in Indien das Sinnen und Trachten jedes Weidmanns auf die Er legung eines Tigers. Am 24. Dezember brachten Leute de» Maharadscha die Kunde, daß eia Tiger i» der Nacht etwa 15 Kilometer entfernt ein Rind g«risten hab« und wahrscheinlich in einem benachbarte» RohrdickichL stecke. Eil« tat not. So schnell wie möglich wurden Treiber zusammengebracht und mit Jagdelefanten vorausgeschickt. Degen Mittag folgt« der Kronprinz im Automobil. Auf dem Jagdgelände bestieg der hohe Jäger einen für ihn hergerichteten Hochsitz, und der Trieb begann. Al» die Schar der Treroer von drei Seiten vordrang, die Elefanten durch das Dickicht stampften und gar noch das Rohr angezündet wurde, fuhr der Tiger wie ein Blitz aus dem Dschungel heraus, an der einzigen freien Stelle vorbei, wo der Kronprinz stand. Obwohl die Ent fernung groß und da» Raubtier in vollster Flucht war, saß die Kugel unsere» Kaisersohnes gut Blatt, und nach hundert Metern brach die Katze verendend zusammen. Es war ein starker männlicher Königs tiger von über neun Fuß Länge. In Dschaipur wurde der deutsche Thronfolger zum ersten Male mit einem in Indien üblichen Jagdsport bekannt, der an die Geschicklichkeit des Reiters nicht minder große Anforderungen stellt als an seinen per sönlichen Mut. Es ist die Jagd zu Pferde auf wilde Schweine mit der Lanze. Häufig ist das Gras mannshoch und der Boden mit ver wittertem Felsgeröll bedeckt; da heißt es fest im Sattel sitzen und kaltes Blut bewahren, zumal wenn die Keiler, was nicht selten gesckiebt, den Reiter an nehmen. Der Kronprinz zeigte gleich beim ersten Mal seine große Gewandtheit als Reiter und daß er als Kavallerist mit der Lanze umzugehen versteht. Aber auch die Herren seines Gefolges erwiesen sich als nicht minder geschickt. Als General Graf zu Dohna einen ihn annehmenven mächtigen Keiler glänzend mit der Lanze zu Strecke brachte, sagte der englische Ulanen major Steel bewundernd zu mir: „Alle Hochachtung vor den deutschen Kavallerie-Offizieren, wenn ihre Generale noch so forsch reiten wie die jungen Leutnants!" Ich begrüße es mit großer Freude, daß der Prinz, der einst berufen ist, an der Spitz« des deutschen Volkes zu stehen, auf einer Reise durch Indien Tag für Tag Gelegenheit hat, zu sehen, welchen großen Wert die Engländer der täglichen Vornahme von Leibesübungen beimessen, und daß er selbst Freude an diesen Spielen hat und fi« in der Heimat fortsetzen will. Das Beispiel Les hohen Herrn wird sicher anregend auf große Kreise wirken und mit dazu beitragen, daß die bekannten Turnspiele allmählich immer mehr Gemeingut der Nation werden und die Volks gesundheit heben helfen. Bei den Engländ»rn findet man es nicht, daß die Mehrzahl der Herren in mitt leren Jahren wie bei uns in den Städten ein statt liches Bäuchlein vor sich her trägt. Geradezu für unerläßlich halte ich es. daß in un seren Kolonien den Soortübungen. sei es Jagen. Reiten, Tennis. Hockey, Fußball. Golf oder Polo, mehr Aufmerksamkeit zugewenset wird. Was ich hierüber bei meiner Reise mit dem früheren Ko lonialstaatssekretär Dernbura durch Südafrika ge schrieben habe, find« ich bei der Reise durch Indien in vollstem Maß« bestätigt. Ich bin fest davon über zeugt. daß der aute Gesundheitszustand der euro päischen Beamten in Indien nur auf den Sport zurückzuführen ist. und Laß man nur durch ihren Ein fluß mit dreißigjähriger Dienstzeit in Indien auf Er langung der höchsten Pension rechnen kann. Und noch ein Gutes haben diese Spiele: Zur Zeit, wo wir in Deutschland beim Dämmerschoppen zu sitzen pflegen oder jeder feiner Wege geht, vereinigt das Turnspiel beim Engländer an kleineren Orten in den Kolonien die Europäer und unterdrückt durch den vom Spiel bedingten zwangloien Verkehr den Kastengeist, unter dem der einzelne und auch die Verwaltung bei uns zu leiden hat Die Auswahl der englischen Herren, die dem
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