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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.01.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110124019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911012401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911012401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-24
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Nr. 24. los. Ishrgrm-. vtensttg. 24. Januar lSll Leipziger Tayedlatt London, 28. Januar. lDie Stftprobe im Gerichtssaal.) Die Verhandlungen iu dem Pro zesse der des Gistmordversuch» an ihrem Gatten an- geklagten Frau Schenk gestalteten sich recht inter- > essant. Zwölf Aerzte sagten au», das, der Sachver ständige, durch den die Staatsanwaltschaft die Der- gistungsversuche nachruweisen suchte, unter seinen eigenen Kollegen nicht das geringste Vertrauen ge nieste. Dieser Sachverständige hatte geschworen, daß der Schweineschiächterdurcheine gewiße Arsenik enthau ende Patentmedizin, die Bleizucker enthielt, vergiftet worden sei. während der chemische Sachverständige der Verteidigung aussagte, das, diele Patentmedizin ganz harmlos sei. „Dann beweisen Cie es uns doch," donnerte der Staatsanwalt den Zeugen an, „indem Sie hier vor unfern Augen einen Löffel davon nehmen!" „Gerne?" antwortete der Zeuge, kiek sich von Anwesenden den Trank mischen und nahm kaltblütig zwei Eßlöffel davon. Da glaubte der Verteidiger, cs seinem Zeugen ; gleichtun zu müssen und auch er nahm einen Löffel von der Mischung. Nun wollten auch die Ge schworenen den „ lixeä clrinlc". wie sich der Obmann ausdrückte, kosten, und alle überlebten es, ohne auch nur mir der Wimper zu zucken. London, 23. Januar. (Unter den Opfern des Eisenbahnunglücks» bei Pontyvrido befinden sich drei Mitglieder des Exekurivausschnsses des Bundes der Bergarbeiter von Südwales, die gerade nach London reisten, um an der allgemeinen Bergarbeiter konfercnz teilzunehmen. London, 23. Januar. (BriefkästeiiinCtraßen- b ahn en.) Die Londoner Postverwaltung hat eine Vcrkehrsneuerung eingejübrt. Auf einigen Straßen bahnlinien, die von den Londoner Vorstädten nach dein Zentrum zu führen, sind Briefkästen angebracht worden, so daß Postsachen zwischen London und den Vorstädten sowie umgekehrt im Laufe von zwei Stunden bestellt werden können. Lüttich, 23. Januar, lVom belgischen Gruben arbeiterstreik.) Das Komitee des belgischen Grnbenarbciterverbandes trat gestern zusammen, um mit den Vertretern der verschiedenen Syndikate die Frage zu erwägen, ob die Arbeit wieder einzustellen «ei. Verschiedene Syndikate halten nämlich ihren Delegierten vorgeworfen, bei den Unterhandlungen mit den Grubendirektoren ein zu großes Entgegen kommen gezeigt zu haben. Es war nun der Vor schlag gemacht wordeir, neue Delegierte zu ernennen, um nochmals mit den Grubendirektoren in Verhand lungen zu treten. Stach längerer Diskussion wurde aber mit 1«» gegen 4 Stimmen beschlossen, die Arbeit fortzuseßen. Petersburg, 23. Januar. (Selbstmord des Mörders P leb wes.) Ein ehemaliger sibirischer Deportierter, der im sibirischen Gefängnis von Zarentoni zwei Jahre verbracht hatte und jüngst .entlassen worden ist, berichtet in der „HumaniG". daß der frühere Student Sasonoff, der im Jahre )'.» I den Minister des Innern Plehwe ermordete, sich im November v. I. im Gefängnisse durch Gifr das Leben genommen hat. Warschau, 23. Januar. (Vom Leibkosaken er schossen.) Der an der ganzen oberschlesischen Grenze bekannte Polizeiinerster Kegelnick in Lzelodz ist von seinem Leidkojaten erschossen worden. Er hatte einen Besuch aui deutschen, Gebiete abgejtattet und befahl auf der Rückkehr seinem Kosaken, die Pferde auf russische Manier, d. h. durch einen Revolverschuß anzufcuern. Der Kosak führte den Befehl aus, aber in diesem Moment bäumte sich ein Pferd und der Schuß traf den Polizeimeister, der sofort tot war. Odessa, 23. Januar. (Das unterschlagene Jubiläumsge schenk.) Die Gräfin Maxsudorv in mit einer bedeutenden Geldsumme verschwunden, die von ihr, ihren, Gatten und dem Grafen Konowistki. dem Vorsitzenden des Verbandes echter Russen, als Spende von zehntausend Personen zu einen, Jubiläumsgeschenk für General Tolmatjchew, den Stadthauptmann von Odessa, gesammelt worden war. Konstantinopel, 23. Januar. (Die neunzig Millionen Abdul Hamids.) Der frühere Groß wesir Ferid Paicha ist in Aegypten eingetroffen in besonderem Ausirage der fungtürkischen Regierung von Stamdul. Diele will erfahren haben, daß Abdul Hamid kurz vor den, Ausbruch der Revolution seinem Selretär und Günstling Izzet Pascha fünf Millionen Pfund 190 Millionen st.stark) anvcrtraut habe, um sie in Sicherheit zu bringen. Dem Izzet gelang die Flucht aus Konstantinopel: er placierte des Sultans uns Millionen zuerst in London, dann in Kairo, wo er sich seit einiger Zeit niedergelassen hat. Ferid Paschas Ausgabe ist es, die fünf Millionen dem tür lischen Staatsschatz zurückzuerobern. Montevideo, 23. Januar. tEinweihungsfeier lichleiten.) In Gegenwart des Präsidenten wurden die Gebäude der juristischen und medizinischen Fa lultät, sowie der Vorbereitnngsjchulc feierlich einge- weiht. Die Bau losten betragen über zehn Millionen Frank. Gerichtslas!. Königliche? Schwurgericht. ; Leipzig, 23. Januar. Des schweren Raubes war de: 23jährige Hand arbeite«: Stanislaus Drabant in Schönefeld nnge- tlagt. Der Angeilagte ist bisher einmal bestraft, und zwar wegen Bedrohung: er war bei einer Rau ferei polnischer 'Arbeiter beteiligt und hat da seinen Revolver gezogen und damir hcrumgesuchtelt. wes wegen er von, Schöffengericht Ieva zu einer ein wöchigen Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Jetzt wurde er beschuldigt, am 21. Oktober v. I. auf Molkauer Flur den Arveiier Andreas Pechlo über fallen, mit den Fäusten aus den Kopf geschlagen und ihm dann die Uhr samt der Kette und das Porte monnaie mit Inhalt entrissen zu haben, woraus er die Flucht ergriffen Hal. Vorher soll Drabant den Uebcrfallencn nom mit einem Delchmesier be- droht und gejagt baden, wenn Pechlo Widerstand leiste, dann werde er ihn erstechen oder mit seinem Revolver niederschießen. Drabant bestritt, der Täter gewesen zu sein. In seinem Besitze hat man aber die geraubten Gegenstände gefunden, die Pechlo mit oller Bestimmtheit als sein Eigentum wieder er'aunl Hot. Drabant bchauvtete, er habe die Sachen gc kauzt: wo. konnte er nicht nachweisen. Die Verhand lung. zu der sechs Zeugen geladen waren, endete zufolge dem Wabrsoruche der Geschworenen mir der Verurteilung des Anactlagten Drabant zu fünf Jahren und sechs Monaten Zuchthaus, fünf jährigen, Ehrenrechcsverluste und Stellung unter Polizeiaufsicht: ein Monat der erkannten Zuchthaus strafe wurde auf die Unt-rjttchunysbafr ungerechnet. König!. Landgericht. 5 Leipzig, 23. Januar. Unter Ser Anklage Les Wuchers. Vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts begann heute eiü Wucherprozeß, der sich gegen den ehemaligen Privat dozenten Dr. phil. Albert Earl August Dahms, aus Berlin gebürtig und in Schlcufzig wohnhaft, richtete. Der Angeklagte ist :>8 Jahre alt, verheiratet, Leut nant der Reserve und gehörte dem Lehrkörper der Universität als Privatdozcnt an. Bei seiner Verheiratung im Jahre 1903 erhielt er von seinem Vater 100000 .4, seine Frau brachte ihm ebenfalls 100000 .^l in die Ebe ein. Der Er- öfsnungsdejchluß legt ihm ietzt zur Last, daß er in der Zelt vom April 1907 bis zum Oktober 1908 ge- werbs- und gewohnheitsmäßig unter Ausbeutung der Notlage der Geldbcdürftigen sich aus den von ihm gewährten Darlehen und anderen Geldgeschäften Vorteile verschafft hat, die den üblichen Zinsfuß wett überschritten und in einem auffälligen Miß Verhältnis zu seinen Leistungen standen. Die Anklage beschäftigt sich mit sieben einzelnen Fällen, in denen Dr. Dahms sich der Bewucherung schuldig gemacht Haden soll. Der erste Punkt betriff! den Gastwirt L. in Naunhof, der im April 1907 eine Hypothek von 7500 zurückzuzahlen hatte. Zugleich wollte er auch eine zweite Hypothek in Höhe von 2321 .« abstoßen und trat mit dem An geklagten in Verbindung. Dr. Dahms gewährte dem Gastwirt L. ein Darlehen von 9l)00 ./»>, ließ 'ich aber eine Hypothek über 11000.«, zu 3 Prozent eintragen, woraus die Anklagebehörde eine Verzinsung von 13'/, Proz. heruusaerechnek hat. In derselben Zeil kanl der Elasermeister P. in Wahren zu dem Angeklagten: aus das Grundstück des P. waren Sicherheitshypotheken in Höhe von 3000 eingetragen, wofür ihm Dr. Dahms ein Darlehen gab. sich aber eine Sicher- heilshynothek über 0000 zu 3 Prozent auf ein Jahr eintragen ließ, außerdem mußte P. eine Ouittung über erhaltene 400 .4 ausstellen, so daß die Verzinsung sich auf 12'/« Prozent stellte. Ende Avril mußte der Buchbandlungsgehilfe L. in Naunhof eine Sicherheitshypothek von 3250 ,/ü auszahlen, Dr. Dahms gab ihm diese Summe darlehnsweise und ließ hier sich eine mit 6 Prozent zu verzinsende Sicherheitshypothek über '1800 ein tragen, außerdem ließ er die Verzinsung einer von ihn» übernommenen anderen Hypothek von 5 auf 0 Prozent erhöhen, so daß die ganze Verzinsung sich auf 6'/, Prozent gestellt Haden soll. Anfang Mai hat Dr. Dahms nach der Behauptung des Eröffnungs beschlusses von dem Schankwirt W. hier eine au- MIO lautende Hypothek für 0000 .6 gekauft, den Zinsfuß von 4'/, auf 0 erhöhen und sich einen Wechsel über 250.« als Vergütung ausstellen lasten, dadurch soll sich die Verzinsung auf 9'/« Prozent gestellt haben. Im selben Monate soll der Ange klagte einem hiesigen Rechtsanwälte auf 25 000 ./L für ihn einzutragende Hypotheken ein Darlehen von 20000 ./s gegeben haben, mit 5 Prozent verzinslich, berechnet auf 11'/. Prozent. Ein weiterer Anklage punkt betrifft das Geschäft, das der Angeklagte mit einem Gutsbesitzer Br. in Schkortitz im Oktober 1907 gemacht hat. Durch Mißernten war Br. in Geldverlegenheiten geraten, Dr. Dahins gewährte ihm ein Dar'ehen von MX) mit 5 Proz. zu ver zinsen, darauf bekam der Schuldner aber nur.'LOO so daß der Jahreszinsfuß 20 Proz. ausgemacht haben soll. In letzten der unter Anklage stehenden Fälle hat der Staatsanwalt sogar eine Verzinsung von 50'/, Prozent zusammengerechnet: es kommtnoch ein Privat mann Sch. in Betracht, der, da er durch Proteskationen non Wechseln rind Veruntreuungen eines Angestellten in eine mißliche Lage gekommen mar, auf 3 Monate ein Darlehen von 3000 von dem Ange klagten wünschte. Dafür mußte er zwei Drei monatsakzepte über zusammen 3300 X ausstellen, Dr. Dahms ließ sich auch eine Sicherheitshypothek auf diese Summe eintragen und noch andere Vor teile gewähren. Dec Angeklagte bestritt, sich in dieser zur Last gelegten Weise schuldig ge macht zu haben, er habe in jeder Beziehung korrekt gehandelt. Mit den Darlehnssuchern sei er durch Zeitungsinscrate zusammengekommen, anch habe cr mit Grunostücksagcnten in Verbindung gestanden. Die heutige Verhandlung wurde ausschließlich durch die Vernehmung des Angeklagten in Anspruch ge nommen. zn morgen sind 20 Zeugen geladen. Der Prozeß wird niedrere Tage in Anspruch nehmen. w I. Dresden, 23. Januar. (Drahtnachricht.) Vergehen gegen das Genoflenfchastsgesetz. Vor dem Landgericht begann heute die Verhandlung gegen den früheren Direktor der am 8. September 1908 in Konkurs geratenen Radeberger Volksbank, den Kans mann Edmund Os wald Max Schulze in Dresden, wegen Vergehens gegen das Genosscnjchaits- ge,etz. Schutze soll den Zusammenbruch der Volks bank mitverjchuldei haben, indem er den Genosten- schajtszwecken zuwideNMiende Spekulationsgeschäfte abichloß, die erheb! iche^lierlujte ergaben und hier durch das Vermögen der Bant dem ordnungsmäßigen Geschäftsbetriebe entzogen. Oie liwakiter Krawatte uar üem Schwurgericht. * Berlin, 23. Januar. (Drahtnachricht.) In der Rechtsbelehrung, die der Vorsitzende im Schwurgcrichtsprozeß wegen der Unruhen in Moabit, Landgcrichtsdirektor Dr. Unger, den Ge schworenen zuteil werden ließ, heißt es: Die Ge schworenen seien nicht an die Nechtsbclehrung ge bunden, wohl aber an das Gesetz und Ausdrücke logischer Folgerungen. Sie hätten einen Spruch zu fällen, nach ihrer, aus der elstägigcn Verhandlung gewonnenen Ueberzeugung. Bci der Erörterung der Frage, ob die Polizeibeomten sich in der rechtmäßigen Ausübung ihres Amtes befanden, bejaht dies der Vorsitzende. Die Rechtmäßigkeit höre aber auf, wenn wie im Falle des getöteten Hermann, ein Unbetei ligter niedergeschlagen wird. Gegen diese durch Zeugen bekundete Brutalität halte er die Gegen wehr zum Beispiel durch einen wohlgczielten Re volverschuß für nicht rechtswidrig. Wahrspruch der Geschworene». Die Geschworenen sprachen die Angeklagten Trau und die beiden Adamski des schweren Aufruhrs unter Zubilligung mildernder Umstände, den Angeklagten Bruhn des schweren Landfriedens bruchs, Pfitzner des einfachen Aufruhrs, Zofka und Orlowski des Widerstandes schuldig: bei allen Angeklagten wurden mildernde Umstände zugcbilligt. Ferner wurden die Ange klagten Bonner, Luksch, Albrecht, Marquardt und Minor des groben Unfugs, Scharfenberg der Anstiftung zum groben Unfug, Lieslick des Werfens mit Steinen und Rode der Sachbeschädi gung schuldig, die Angeklagten Janke, Berowiak und Schadoweki aber nichtschuldig gesprochen. Antrag de, Ttaatsa«»aHs. Der Antrag des Staatsanwalts lautet: Trau ein Jahr Gefängnis, Janke Freisprechung. Boro- wiak, Schadowski und Marquardt Frei sprechung, Cieslick zwei Wochen, Bonnet, Luksch, Albrecht und Min or sechs Wochen Haft, Scharfen berg sechs Wochen Hast, Zofka, Orlowski und Rode vier Monate. Pfitzner neun Monate Ge fängnis, Bruhn ein Jahr und die beiden Ange klagten Kasimir und Jakob Adamski ein Jahr drei Monate Gefängnis. Dav Urteil lautete: Kasimir Adamski und Jakob Adamski je 1 Jahr Gefängnis wegen schweren Aufruhrs; Trau wegen schweren Aufruhrs und Bruhn wegen jc'nvcrcu Landfriedensbn'.chs je 9 Monate Gefängnis; Pfitzner 8 Monate Gefängnis wegen einfachen Aufruhrs: Rode 4 Monake Gefängnis wegen Sach beschädigung; Zofka 3 Monate Gefängnis wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Or lowski 2 Monate Gefängnis wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt; Luksch, Albrecht und Minor wegen grauen Unfugs sowie Scharfen berg wegen Anstiftung zum großen Unfug sechs Wochen Hast, und Gie slick 2 Wochen Haft wegen Wersens mit Steinen. Die Angeklagtrn Janke, Borowiak, Schadowski und Marquardt wurden freigesprochen. Sämtlichen Ange klagten wurde die volle Untersuchungshaft angerechnct. Up'. Berlin, 23. Januar. Zur Entmündigung der Frau von Schönebeck- Weber. Gegen den Be-chluß des Amtsgerichts Char- lottenburg auf Entmündigung der Frau von Schöne- beck-Wcber hat die Entmündigte durch Reck'tsanwalr Bahn-Berlin Klage bei dem Landgericht Ul Berlin erheben lasten. Die Klage muß nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung gegen den Staatsanwalt ge richtet werden. In formeller Beziehung wird sie daraus gestützt, daß die Beteiligten von den Beweis terminen in dem Entmündigungsverfahren keine Nachricht erhalten Haden. In materieller Beziehung wird das Gutachten der Gerichtsärzte Dr. Marx und des Medizinalrats Dr. Leppmann angegriffen. Der bekannte Psychiater Geheimrat Eulen burg, der früher bekanntlich die geistige Gesundheit der Fran Weber begutachtet hatte, ist zu dein Entmündigungsverfahren nicht hinzu gezogen worden. Wohl aber hat Dr. Weil, der Leiter des Sanatoriums Schluchtensee, als sachver ständiger Frau Weber als geistig gesund erklärt. Die wissenschaftliche Deputation, die höchste Medizi- nalbchörde Preußens, hatte im Mai 1909 den 3 51 auf Frau Weber nicht anwendbar erklärt. Die früher von dem Bruder des Majors von Schönebeck gestell ten Entmündigungsanträge hatte das Amtsgericht zu Allenstein zweimal abgeiehnt aus Grund der Gutachten der Irrenärzte in Kortau, Ahrweiler und Westend. Herr Weder hat sich weiter beim Justiz minister über den Vormund und Entmündigungs lichter beschwert. Er will auch eine Beschwerde auf Absetzung oes Vormundes einreichen, weil er ihn für das schwierige Amt für zu jung hält. L. L II. Münster, 23. Januar. Ein Fälschungsprozeß, dessen Verlauf und Aus gang man in allen Kunsthändler- und Kunstsammler- kceijen mit dem größten Interesse cntgegensieht. nahm heute vor dem hiesigen Landgericht seinen Anfang. Die Anklage richtet sich gegen den Kunsthändler Heimann von hier, und zwar wegen Betruges in mehr als zehn Fällen, begangen durch Fälschung von Skulpturen, Bronzegüijen, Tonreiiefs und Kruzifixen, sowie gegen den Assistenten beim Westfälischen Landeskonservator Batte ux wegen Mittäterschaft und Unterschlagung. Letzterer verfügte über eine umfaßende runsiivißenichciflliche Bildung und war die rechte Hand des Provlnzialkonjervators Königl. Baurats Ludorf, der ihm unbeschränktes Vertrauen schenkte. Er hatte daber auch ohne weiteres Zutritt zu allen Museen, Sammlungen, Kirchen und Klöstern, in denen er oft Inspektionen und Inventar aufnahmen vorzunehmen hatte. Diese Stellung be nutzte er dazu, um mit Hilfe des Mitangeklagten Heimann eine Reihe umfangreicher Fälschungen von allen Kunstgegenständen vorzunehmen. Bei seinen Reisen in der Provinz schwindelte er den alten OrtsgeistUchen die wertvollen echten Stücke ihrer Kirchen ab und schwatzte ihnen dafür als Ersatz mo derne Gegenstände aus, die nach der Schablone her gestellt waren und gar keinen lüustlcriichen Wert be saßen. Die echten Stücke wanderten dann zu hohen Preisen meist ins Ausland. Wenn der Handel mit echten Sachen nicht ging, entnahm Datteux aus den ihm zugänglichen Sammlungen Originale und ließ durch Heimann Kopien aufertigcn, die dann für echt ausgegebeu wurden. Er brachte es sogar fertig, die Kopie dem Museum zurückzugeden und das Original zu verkaufen. Die Fälschungen und Nachahmungen waren so geschickt augefertigt, daß sogar nainhafte Ge lehrte sich lauschen ließen. Die Sache kam an den Tag, als man entdeckte, daß die hölzerne Figur eines Heiligen, die aus dem 10. Jahrhundert stammte, aus dem bischöflichen Museum verschwunden und an ihre Stelle eine genaue Kopie IsingcsteNt worden war. Bei einer Haussuchung wurden bei Heimann verschiedene Werke über Kunstfälschungen und Fälschertricks sowie eine umfangreiche Korrespon denz aufgesunden, aus der hervorgeht, das zahl reiche Falsifikate an den Mann gebracht wurden. Zum Teil befanden sich unter den verkamten Sachen wertvolle echte Gegenstände, deren Herkunft noch zweifelhaft ist. Gegen Heimann bestand in engeren Kreisen schon seit längerer Zeit der Ver dacht, daß er Antiquitälensätschunaen gewerbsmäßig betreibe, mau hatte aber keine Ahnung, daß auch Vatteux bei ihnen beteiligt sei, da Heimann mit ihm scheinbar gar nicht verkehrte. Beide dürften aber das Geschäft schon seit langem gemeinschaftlich beiriebcn haben. Man erinnert sich jetzt, daß in einem früheren Fälscherprozeß Heimann aus das Gutachten Batteur' hin freigesprochen worden ist. Beide Angeilagte leugnen ihre Schuld. In seiner Wohnung wurden bei der Haussuchung 60000 ./< entdeckt, obwohl cr kurz vorher, um jeden Verdacht von sich abzulenken, den Offenbarungseid geleistet statte. ' Oie Gattin ais Lottchlsgerin. Nürnberg, 23. Januar. (Drahtberichl.) In der heutigen Verhandlung wird mit der Ver nehmung der Sachverständigen fortgcfahren. Der Vorsitzende richtet zunächst einige Fragen an den Sachverständigen Dr. Kl üb er: Hat die Angeklagte sich hier nicht theatralisch benommen oder gehört das etwa zu ihrem Zustand? Weist sie Gedächtnislücken auf? — Sachverst. Dr. Klüver: In der Tat sind verschiedene Einzeizüge der Angeklagten etwas thea tralisch. Das liegt aber gerade in ihrer Eigenart, dieses um jeden Preis „Sich-in-Szene-setzen wollen" liegt ebenfalls in ihrer Veranlagung. Was die Gedächtnislücken betrifft, so ist cs nicht auf fallend, daß sich solche Personen an manche» Zunächst „inner», was sie dann wieder vergeßen. Auch das ist nicht ausfallend, daß sie nach der Tat Bescheid wußte, jetzt aber nicht mehr. — Dr. von GuddeNx der bekannte Münchener Universitäts professor führt etwa aus: Aus ungeheuren erblichen Belastungen der Angeklagten ergib! sich ihre abnorme Charakterveranlagung. Schon in den Pubertäts jahren hatte sie eme Psychose durchzumachen. Später zeigte sie dann große Oberflächlichkeit, am meisten ist das Gefühlsleben bei ihr gestört. Schon ihren ersten Mann hat sie mit dem Tode bedroht, und es ist als ein Zufall anzujehcn, daß nicht schon der erpe Mann von dem Schicksal des zweiten ereilt worden ist. Die nichtigsten Anlässe setzten die Angeklagte stets in große Erregung. Der Belehrung war sie nie z«gängig. Sie bewegte sich nie auf mittlerer Linie, sondern schwankte zwischen zwei Polen der Leidenschaft stets umher. Die Tat ist zweifellos eine Affekthandlung, wie der Kollege Dr. Flickinger sagte. Es fragt sich nur, ob der Affekt ein so großer war, daß der tz bl des Strafgesetzbuches zu- nsifft. Bemerkenswert ist, daß ihr« Affekte stets mit großer Geistesreaktion zusammenhingen. Charakte ristisch ist dabei der stets wiederkehrende rote Kopf der Angeklagten. Auch nach der Tat ist dieser beobachtet worden. Ich komme zu dem Schluß, daß bei der an sich krankhaften Veranlagung der An geklagten eine akute Geistesstörung vorlag, so daß in zenem Affekte die freie Willenobestimmung aus geschlossen war. — Vors.: Herr Professor, sie halten die Frau also für geisteskrank. Halten sie sie auch für gemeingesährlich nach ihren vielen Ex eßen? — Sachverst. Unbedingt. — Vors.: Sie Haven früher in ihrem schriftlichen Gutachten gesagt, die Frau ge hörte schon längst in eine Irrenanstalt. — Sach verst.: Ja gewiß, der Ansicht bin ich auch noch. — Als nächster Sachverständiger läßt sich der Land- gcnchtsarzt Dr. Knehr aus; er hat die Angeklagte als Hausarzt des Untersuchungsgefängnisses beob achtet. Er bekundet, die Angeklagte war die am schwersten zu behandelnde Person. Trotz weitgehendster Vergünstigungen war sie einsichtslos. Am besten kam er mit ihr in humoristischer Weise aus. Sic zeigte bisweilen auch gutmütige Züge, so daß ich nichc annehmen kann, daß sie stets maßlos explosiv war. Von Reue war bei ihr nie die Rede, sie märe im Recht, sagte sie immer wieder, Schuld hatte an geblich nur ihr Mann. Sorgen machte ihr ledig lich die pekuniäre Seite der Sache. Am 9. Dezember wurde mir «in Selbstmordver such der Angeklagten mitgeteilt. Als ich sic fragte, was sie getan habe, sagte sie unwirsch „was ich tun mußte, habe ich getan." Der Sachver ständige schließt seine Ausführungen, er sei der An sicht, die Frau hätte in großem Affekt gehandelt, ooch sei er nicht so groß gewesen, daß 8 51 vorläge. Es ist m. E. ausgeschlossen, daß sic bei der Tai bewußtlos oder im Sinne des Gesetzes lranlhaft ge stört war. Sie verdient aber eine mildere Beurtei lung. — Sodann gibt Nervenarzt Mainzer jein Gutachten ab. Er kommt zu dein Schluß, daß der Affctr ein jchr starker war — die Angeklagte hatte wenig gegeßen, aber start getrunken. Zusammen faßend führt der Sachverständige aus, daß er die schwersten Zweifel habe, daß die Angeklagte bei der Tat zurechnungsfähig war. Er glaubt vielmehr, datz sie sich in krankhafter Störung der Geistestätigteit be fand, der ihre freie Willenstäkigkeit ausgeschlossen har. Hierauf giebt als letzter Sachverständiger der Ober arzt des städtischen Krankenhauses Dr. vom Rad «ein Gutachten ab. Die Angeklagte empfand keine Reue, sie beklagte lediglich die Verschlechterung ihrer finanziellen Lage, Sehr charakteristisch ist cs auch, wie sie hier vor Gericht ihren früheren Freund, den Lehrer Stadelmann., behandelt habe, wo doch Dinge zu erörtern waren, die bei jeder Frau selbst aller stärksten Kalibers eine gewisse Diskretion voiaus- zuletzen war. Der Sachverständige resümiert sich dahin, die Angetlage sei zwar eine psychopathische Person, aber sie sei nicht als geisteskrank im Sinne des 8 51 des Strafgesetzbuches anzujehcn. — Hierauf erklärte der Vorytzende die Beweisaufnahme für geschlossen und erteilte dem Staatsanwalt Wenig das Wort zu seinem Plädoyer. Sowie der Staats anwalt mit den Worten beginnt: „Ich habe die Ueberzeugung gewonnen, daß die Ängektngte am 27. April ihren Mann vorsätzlich getötet hat", kommt cs zu einem erneuten schweren Zwischenfall. Die Angeklagte schreit geltend auf und wirft sich vor dem Richtertisch zu Boden. Sie wälzt sich in kon vulsivischen Zuckungen und schlägt wild nach allen Seiten um sich. Die Verhandlung muß daher Unter großer Erregung aller Prozeßbeteiligten abgebrochen werden. Während der halbstündigen Pause, die durch den Zwischenfall mit der Angeklagten verursacht wird, wird diese im Nebenzimmer verbunden, oa sie sich bei dem Fall eine Verletzung am Ohre zugezogen hat. Beim Wiedereintritt m den Saat ruft sie dem Staatsanwalt zu: „Ich wünsche mit „Frau Ange klagte" «»geredet zu werden." — Hierauf beginnt der Staatsanwalt von neuem sein Plädoyer: Als man erfuhr, daß ein Mann, der auf der ganzen weiten Welt keinen Feind hatte und als Mensch und Beamter allgemeine Achtung genoß, von seiner eigenen Frau gelotet worden sei, da hieß es hier in Nürnberg fast überall: das kann nicht von einem normalen Menschen begangen worden sein. Aus der Tatsache aber, daß die Täterin vor den Richtern erscheint, entnehmen Sie. daß von sachver ständiger Seite vorerst nichts gesagt worden ist, daß die Angeklagte geisteskrank sei. Die Hauptsache ist nun, war die Angeklagte am 27. April normal oder nicht? Die Angeklagte ist eine Psychopathin, ihre seelischen Kräfte tragen einen krankhaften Zug. Was dir Ehe der Angeklagten anlangt, so war es leine Liebesheirat von seilen oc? Mannes. Aber die Schuld, daß die Ehe sich schließlich so unharmonisch gestaltete, lag bei der An geklagten. Für erwiesen halte ich es, daß sie am 27. April geschlagen und zu Boden geworfen wurde, ebenso aber auch, daß vor der Tat kein Streit aui der Treppe sich ereignete. Die Tat der Angeklagten ist unter der Nachwirkung des Vorfalles vom Mittag geschehen. — Die Angellaate unterbricht den Staatsanwalt durch höhnische Zurufe. — Der Ver teidiger setzt sich neben sie und sucht sie zu beruhige». — Sie läßt sich schließlich Verbandwatte bringen und stopft sich damit die Ohren zu. Der Staatsanwalt führt fort: Wenn ich Sie bitte, die Schuldfragen zu beiahen, so handele ich im llebereinstimmung mit den wissen schaftlichen Feststellungen. Ich ersuche Sie, die Angeklagte des Todschlags unter Zubilligung mildernder Umstände schuldig zu sprechen. VettsuLLtellung 8r03se! 1910 fMepstvekrle Nurreiestnung: 6i-snck f'i-ix. v«nl Lnkv, l-viprig, ksterzztr. 27 (7eI.14M) «»?« Nu5ten Heiserkeit, Katarrh Verschleimung, Kramps» n. Keuch husten beseitigen schnell und sicher die ärztlich erprobten I-mit den s „drei Tannen". Beweis: 5900 amt lich beglaubigte Zeugnisse. Paket 25 Dose 30 . . Dafür Angebotenes weise energisch zurück. Zu haben in Apotheken, Drogerien u. Kolonialw.-Handlungen. vrr-v»
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