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3. Betriebsgeheimnisse dürfen unter keinen Umständen gefährdet werden. Ein Mitbestimmungsrecht bei Neueinstellungen sowie bei Be förderungen und Versetzungen würde die Auswahl tüchtiger Kräfte und deren Fortkommen erschweren, zum Nachteil der Betriebe wie der An gestellten selbst. Es ist daher abzulehnen. Bei einer gesetzlichen Regelung des Rätesystems muß den Unternehmern eine an Zahl und Einfluß gleichberechtigte Vertre tung in den Bezirkswirtschaftsräten und im Reichswirtschaftsrat einge räumt werden. Unter dieser Voraussetzung sieht die Industrie im Reichswirtschaftsrat ein Mittel, den schaffenden Erwerbsständen den notwendigen Einfluß auf die Wirtschaftsgesetzgebung wenigstens zum Teil wieder zu sichern. Dem Aufbau der vom Reichswirtschaftsministerium geplanten Selbst- verwaltungskörper steht die Industrie mit schärfstem Mißtrauen gegenüber, solange ihr nicht bewiesen wird, daß die Privatwirtschaft und die Initiative dadurch nicht beseitigt, die Selbstverwaltung tatsächlich gewahrt wird und die Selbstverwaltungskörper nicht als Mittel zur So zialisierung benützt werden. Jede Zwangswirtschaft in offener oder ver steckter Form ist unbedingt abzulehnen.“ Hierauf nahm die Versammlung einen Bericht des Herrn Paul Hol- laender i. Fa. Theodor Thorer, Leipzig, über die „Gründung eines Außenhandels-Auskunftsamtes“ entgegen. Im Anschluß an die Versammlung wurde folgende Kundgebung des Verbandes beschlossen: „Die heute in Dresden versammelten Vertreter von Industrie, Handel, Handwerk und Landwirtschaft Sachsens erwarten von Angestellten und Arbeitern, daß sie Hand in Hand mit den Unterneh mern den Wiederaufbau der zusammengebrochenen Wirtschaft mit aller Energie fördern. Sie billigen den Gedanken, durch Schaffung eines Reichswirtschaftsrates auf paritätischer Grundlage, die Gemeinsam keitsarbeit der schaffenden Stände und die Mitwirkung von Arbeitern und Angestellten in der deutschen Gesamtwirtschaft gesetzlich festzu legen. Sie sind aber von der Überzeugung durchdrungen, daß das deutsche Wirtschaftsleben nur dann gedeihen kann, wenn in allen Fragen der Betriebsleitung die Verfügungsfreiheit der Leiter der Be triebe nicht gehemmt wird. Die Erwerbsstände Sachsens erwarten sofortigen Abbau aller zwangs wirtschaftlichen Maßnahmen. Als gerechtfertigt erachten sie staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben nur, soweit sie während einer kurzen Übergangszeit die Kontrolle der Einfuhr von Fertigfabrikaten und die Verteilung von Rohstoffen bezwecken. Oberster Grundsatz muß sein, durch ausgiebige Einfuhr von Roh stoffen alle Betriebe des Landes, insbesondere die stillgelegten, wieder in Gang zu bringen. Industrie, Handel, Handwerk und Landwirtschaft bitten daher die maßgebenden Stellen im Reiche und Lande, mit allen Mitteln dafür einzutreten, daß durch geeignete Maßnahmen, z. B. Auf nahme ausländischer Anleihen, die Rohstoffeinfuhr gesichert wird. Durchaus bereit, für ihren Teil diejenigen finanziellen Opfer zu bringen, die Reich, Staat und Gemeinde erfordern, erklärt die Versamm lung es für notwendig, alle Eingriffe in die Vermögensbestände von Industrie, Handel, Handwerk und Landwirtschaft so zu gestalten, daß die jetzt weit mehr als früher auf die Erhaltung ihrer Betriebs mittel angewiesenen Erwerbsstände nicht völlig zusammenbrechen. Unter solchen Verhältnissen kann auch nicht dringend genug davor ge warnt werden, durch überstürzte Sozialisierungsmaßnahmendas Wirt schaftsleben noch mehr zu beunruhigen und auf diese Weise die deutsche Volkswirtschaft im Wettbewerb mit dem Auslande zu benachteiligen. Mit aller Entschiedenheit weisen die Versammelten den Vorwurf zu rück, daß an irgend einer Stelle des sächsischen Unternehmertumes die Absicht bestände, Betriebe stillzulegen, wenn nicht dringende Not oder die Abwehr gegen Terrorismus dazu zwingen. Eine fruchtbringende Arbeit für alle beteiligten Kreise kann nur geleistet werden, wenn Unter nehmer, Angestellte und Arbeiter im Bewußtsein der Zusammengehörig keit im Geiste der sozialen Versöhnung und des gegenseitigen Ver trauens miteinander arbeiten. Handelskammern Chemnitz, Dresden, Leipzig, Plauen, Zittau. Gewerbekammern Chemnitz, Dresden, Leipzig, Plauen, Zittau. Zentralverband des deutschen Großhandels, Bezirksgruppen Chemnitz, Dresden, Leipzig. Landeskulturrat für Sachsen. Landesausschuß des sächsischen Kleinhandels, Dresden. Verband Sächsischer Gewerbe- und Handwerkervereine Zittau. Landesausschuß für das sächsische Handwerk, Dresden. Verband sächsischer Industrieller. Eine von den gleichen Verbänden an die Regierung gerichtete Entschließung enthält einen flammenden Protest gegen die unerhörten Ver gewaltigungsversuche durch die Friedensbedingungen unserer Feinde. Künstliche Erzeugung von Unzufriedenheit. Im folgenden ein Beispiel dafür, in wie unverantwortlicher Weise häufig unter der Arbeiterschaft eine Unzufriedenheit künstlich großgezogen wird, selbst wenn Tarifabmachungen bestehen, die 'im gegenseitigen Einverständnis und zur beiderseitigen Zufriedenheit abgeschlossen worden sind. Es handelt sich darum, daß der beste Spuler einer Firma, der am Ende der vierzehntägigen Lohnperiode bis zu 20 über den festgesetzten Tarif verdient hat, jüngst mit der Forderung an die Betriebsleitung herantrat, ihm wegen seiner größeren Geschicklichkeit 3 Pfennig pro Kilo mehr als allen anderen Arbeitern zu bezahlen. Durch den ablehnenden Bescheid, den ihm die Betriebsleitung geben mußte, da sie an den Tarifvertrag gebunden ist, mißvergnügt gemacht, wußte er einige Spulerinnen dazu zu bestimmen, ihre Leistungen durch vor sätzlich langsames Arbeiten derart zu verringern, daß die Leute bei dem von der Firma festgesetzten Akkordspullohn nicht mehr auf den im Tarif fest gesetzten Lohn kommen konnten, sondern einen Lohn erzielten, der sie im Gegensatz zu dem früher gut auskömmlichen Lohn jetzt derart schlecht stellte, daß sie nun nicht mehr auszukommen vermochten. Mit dem erzielten schlechten Spulergebnis traten nun die Spuler am 2. Mai an den Fabrikleiter heran, daß sie unter den bisherigen Bedingungen nicht weiter arbeiten würden, das Garn sei zu schlecht und es müßten 3 Pfennig pro Kilo mehr bewilligt werden. Die Leute waren am Arbeitsplatz zwar erschienen, verweigerten aber die Arbeitsaufnahme und beharrten auf ihrem Standpunkt, trotzdem der Fabrik leiter ihnen Prüfung der Angelegenheit und, wenn die Klage betreffs des Materials sich als berechtigt erweisen würde, Erhöhung des Lohnes in Aus sicht gestellt hatte. Erst durch Vermittlung des Arbeiterausschusses, der die Haltung der Spuler ebenso wie die Betriebsleitung verurteilte, gelang es schließ lich, die Leute zur Wiederaufnahme der Arbeit zu bringen. Es muß hiernach also festgestellt werden, daß ein einzelner Arbeiter, der zuvor in unkollegialer Weise für sich bei der Betriebsleitung Sondervor teile herauszuschlagen suchte, sich seiner Arbeitskollegen als Druckmittel dann bedient hat, als seine persönlichen Wünsche nicht ohne weiteres in Erfüllung gingen, und daß es ihm gelungen ist, eine ganze Reihe bisher zu friedener Arbeiter mißvergnügt zu machen und zur Verweigerung der Arbeits aufnahme zu bringen. Dieses Beispiel zeigt, daß gerade die schärfsten Hetzer in der Arbeiterschaft oft am wenigsten solidarisch fühlen und nur zu geneigt sind, ihre persönlichen Sonderinteressen den Interessen ihrer Berufskollegen voranzustellen. Die Arbeiterschaft kann deshalb nicht dringend genug gewarnt werden, solchen Aufwieglern zu folgen, sondern sie sollte lieber selbst auf Grund ihrer eignen Kenntnis der Yerhältnisse jede Frage eingehend prüfen, ehe sie sich zu unbedachten Schritten verleiten läßt, deren Folgen sie später selbst nur zu sehr bedauern würde. Die Gesthäftslaje in den Fabrik-Bezirken. (Jeder ganze oder auszugsweise Nachdruck der nachfolgenden Originalberichte Ist nur unter vollständiger Quellenangabe gestattet.) Aus dem Meerane-Glauchauer Industriebezirk (Von unserem Meeraner Korrespondenten.) Meerane, 17. Mai. Im Anschluß an unseren vorhergehenden Situationsbericht müssen wir leider feststellen, daß in der Erteilung von Aufträgen auf Blusen-, Klei der- und Kostümstoffe eine weitere Stockung eingetreten ist. Man spricht hier allgemein davon, daß durch die jüngsten politischen Ereig nisse und infolge der auf Schleichwegen in den Handel gebrachten min derwertigen Auslandsware französischen und elsässischen Ursprungs die Kauflust in den Artikeln der Damenbekleidungsbranche wesentlich be einflußt worden ist. Ebenso sagen die in den letzten Wochen nach hier gekommenen Einkäufer übereinstimmend aus, daß es unter den jetzigen Ver hältnissen der Textilbranche ein Ding der Unmöglichkeit sei, weit gehende Dispositionen zu treffen. Von Ersatz-Qualitäten oder ähn lichen Artikeln aus Mischgarnen will man zurzeit wenig wissen. Man zeigt gegenwärtig nur Interesse für reinwollene und seidene bezw. kunst seidene Stoffe, worin die Auswahl infolge der geringen Material-Zuteilung von Seiten der Behörde eine sehr beschränkte ist. Auch diese reinwollenen und seidenen Qualitäten, die ja im Verhältnis zu den Friedenspreisen um das Zehnfache gestiegen sind, kauft man angeblich nur aus dem Grunde, um nicht ganz ohne Ware zu sein. In einfachen, glatten Voiles und eben so in einfachen, glatten in Leinwand- oder Panama-Bindung herge- stellten Kunstseidenstoffen sind neuerdings wieder Rohabschlüsse in größerem Umfange zustande gekommen, wobei aber die Bedingung: „Preise freibleibend“ festgelegt wurde, um bei späteren Farbeinteilungen etwaige unvorhergesehene Fälle berücksichtigen zu können. — In den letzten Wochen haben unsere Fabrikanten auch mit der Verteilung der Reichsware be ginnen können. Bei dem ausgedehnten Kundenkreis, den unsere Fabrikanten vor dem Kriege aufzuweisen vermochten, liegt es in der Natur der Sache,, daß nicht alle Kundschaft mit Reichsware bedacht werden konnte, umso mehr, als das zur Verfügung stehende Quantum Ware verhältnismäßig sehr klein ist. Die Papiergewebe-Fabrikation, namentlich diejenige für die Bekleidungsbranche, hat auch im Verlauf der letzten Monate einen wei teren Rückgang erfahren, obwohl verschiedene Vergünstigungen und Er leichterungen in der Herstellung von Papiergeweben inzwischen eingetretcn sind. Mehrere Fabrikanten haben sich inzwischen entschlossen, die Fabri kation dieses Artikels ganz aufzugeben, und stoßen die noch vorhandenen Garnvorräte billig ab. Der ganze Markt ist mit Papiergarn derart übersehwemmt, daß zurzeit mit größeren Preisuntergeboten anzu kommen ist. Trotz dieser Antipathie gegen Papiergewebe gibt es aber in unserem Bezirk auch noch einige Fabrikanten, welche besonders in fein- fädigen Papiergeweben schöne Qualitäten in roh, gebleicht, ge färbt und bedruckt herausbringen und darin noch ein zufriedenstellendes Geschäft machen. Obwohl die Preise für Papiergarne teilweise ganz erheb lich gesunken sind, ist doch in den Preisen für fertige Stoffe noch kein merklicher Rückgang zu verzeichnen. Das dürfte seinen Grund teil weise darin haben, daß erst kürzlich die Geschäftsstelle der sächs.-thür. Färbereien, G. m. b. H., Greiz, durch Rundschreiben bekannt gegeben hat, daß für die Ausrüstungslöhne in Stoffen ganz oder teilweise aus Papiergarnen ab 15. 4. 19 eine neue Preisliste in Kraft tritt, welche sich ohne die Vergünstigung, wie Schutzskonto, Umschlagsvergütung usw. versteht. Ebenso spielen die außerordentlich hohen Arbeits- und Web löhne bei der Kalkulation dieses Artikels eine wichtige Rolle. In den Spinnereien unseres Bezirkes, sowie in denjenigen der be nachbarten Städte Crimmitschau-Werdau liegen zurzeit wohl noch Bestellungen vor, aber für weiter hinaus sind die Aussichten nicht gerade günstig zu nennen, weil es an Rohmaterialien mangelt und weil auch die Misch- und Kunstwollgespinste von Seiten der Verbraucher nicht mehr so stark aufgenommen werden, als es vor einigen Monaten noch der Fall war. In Papiergarn ist die Beschäftigung nur als schleppend zu bezeichnen. Was das Garngeschäft sonst anbelangt, so ist zu berichten, daß darin — soweit beschlagnahme- und verwendungsfreie Gespinste in Frage kommen — zurzeit auch eine gewisse Stockung im Verkauf eingetreten ist. Die Fabrikanten gehen, was hier allgemein bestätigt wird, an Ersatz garne schwer heran und wollen erst die weitere Entwicklung des Ge schäftes abwarten, bevor sie neue Dispositionen treffen.