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müssen. Das ist, kurz gesagt, der Sinn, wenn Reichskommissare berufen werden, um im Verein mit den nächst Beteiligten die Maßnahmen der Über gangszeit zu leiten.“ Nach einer weiteren Ansprache des Kommerzienrats Fopp, der ins besondere die Tätigkeit des Baumwollhandels wärend des Krieges und die Wirksamkeit der Baumwollimportgesellschaft schilderte, fand eine Besichti gung der Baumwollbörse, darauf ein Empfang beim Senat und im Laufe des Nachmittags die Besichtigung verschiedener industrieller Betriebe statt. Deutschlands weltwirtschaftliche Zukunft. Von Dr. Julius Luebeck-München. Sehr verbreitet ist die Anschauung, der Krieg habe alles bisher Be stehende über den Haufen geworfen und gänzlich neue Zustände und Ver hältnisse geschaffen, auf Grund deren ein neuer Aufbau des deutschen Wirt schaftslebens nach dem Krieg erforderlich sei. Dem vielen „Umlernen“ stellen andere die Auffassung gegenüber, daß der Krieg keine neuen Werte schafft, er nicht einmal wesentlich neue Probleme aufgezeigt hat, sondern die schon vorhandenen nur in ihrer ganzen Nacktheit und Deutlichkeit offenbart. Diese Auffassung hat neuerdings Carl v. Tyszka in einem vortrefflichen Buch „Das wirtschaftliche Problem der modernen Industriestaaten“ ausgesprochen, indem er die großen Fragen der Wirtschaftspolitik behandelt. Wohl noch selten wurde so eingehend darzulegen versucht, in welcher Weise das wirt schaftliche und soziale Leben des deutschen Volkes den Problemen der weltwirtschaftlichen Verflechtung gegenübersteht. Danach ist die Grundlage allein, auf der sich ein neues Wirtschaftsleben im kommenden Frieden auf bauen kann, die im Frieden bisher geleistete Arbeit, und darum ist neben dem Willen und Gedanken, der die Gegenwart in hohem Maße beherrscht, neben Mitteleuropa die Zukunftsforderung der Friedensarbeit zu stellen, der Gedanke ifnd Wille zur Weltwirtschaft. Denn daß die wirtschaftliche Selbstgenügsamkeit nicht die richtige Lösung sein kann, hat der Krieg auch denen gezeigt, welche die wirtschaft liche Autarkie stets für das erstrebenswerte Ziel hielten. Mit der Stellung als Weltmacht und Industriestaat ist die autarkische Abschließung unvereinbar. Warum? Weil ein Industrievolk von 70 Millionen, das auf einem kleinen Gebiet dicht gedrängt bei höchster Kulturstufe und Zivilisation lebt, ohne Ackerböden und Viehweiden in außereuropäischen Ländern sein Eigen nennen zu können, auf die Dauer die Selbstversorgung mit auf dem eigenen Boden gewachsenen Rohstoffen und Lebensrnitteln nicht durchführen kann, ohne auf die Stufe eines armen und armseligen Mittelagrarstaates herabzusinken. Wäre da „Mitteleuropa“ nicht nur ein, sondern „der“ Weg, den Deutsch land nach dem Kriege zu gehen hätte, um Industriestaat und Weltstaat bleiben zu können? Nur wenn die mitteleuropäische Wirtschaftsgemeinschaft ein vollwertiger Ersatz für den Weltmarkt sein kann — in der Einfuhr von Rohstoffen wie in der Ausfuhr von Fabrikaten —, kann seine Verwirklichung eine Lösung des weltwirtschaftlichen Problems, vor das Deutschland gestellt ist, bedeuten! Deutschland war bisher im Frieden auf den Bezug folgender hauptsäch licher Rohstoff e für Industriezwecke angewiesen: Baumwolle, Wolle, Kup fer, Häute, Nadelholz, Eisenerze, Rohseide, Kautschuk, Felle zu Pelzwaren, Jute, Petroleum, Flachs und Hanf. Inwieweit waren an der Einfuhr die mittel europäischen Staaten beteiligt? Nimmt man die mitteleuropäische Wirt schaftsgemeinschaft denkbar weit', nämlich: Österreich-Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Serbien, Griechenland, Türkei, europäische und asiatische, also ein Herrschgebiet von Hamburg bis Bagdad, so erhält man für das letzte Friedensjahr 1913 folgendes Ergebnis: Gar nicht, oder nur ganz gering waren die genannten Länder an der Einfuhr von Baumwolle, Wolle, Jute, Kaut schuk und Eisenerzen beteiligt (noch nicht 1 Prozent des gesamten Einfuhr wertes); etwas mehr schon an der Einfuhr von Rohseide (2,2 Prozent), Felle und Häute (5—6 Prozent), Flachs und Hanf (7 Prozent). Allein Nadelholz und Petroleum wurde in einer in Betracht kommenden Menge eingeführt; bei ersterem betrug der Anteil Mitteleuropas an dem Gesamteinfuhrwert 26 Prozent, bei letzterem 21,5 Prozent. Und da jenes Mitteleuropa nicht im Stande ist, Deutschland die Roh stoffe und Lebensmittel, die es benötigt, zu liefern, kann es andererseits auch nicht als Hauptabsatzmarkt für die deutsche Industrie in Frage kommen. Denn gegenüber der Gesamteinfuhr in den Artikeln, für die Deutschland infolge der wirklichen Grundlagen seiner Volkswirtschaft, infolge des intensiven Zusammenwirkens von Wissenschaft, Technik und volkswirtschaftlicher Praxis eine besondere Rolle spielt, den Fertigfabri katen, spielt sie nach jenen mitteleuropäischen Staaten nur eine untergeordnete Rolle: Die Gesamteinfuhr an fertigen Waren bezifferte sich 1913 auf 6786,7 Millionen Mark, davon entfielen auf Mitteleuropa 849,7 Millionen Mark = 12,5 Prozent. Wenn aber der mitteleuropäische Wirtschaftskörper Deutschland den Weltmarkt nicht ersetzen kann, was bleibt? Es bleibt als Hauptsache, daß Deutschland nach dem Kriege freie Handbehält, daß jenes Mitteleuropa sein weltwirtschaftliches Vorwärtskommen nicht erschwert, sondern daß eine Form gefunden werde, die e ne wirtschaftliche Annäherung mit jenen Ländern ohne Beeinträchtigung der weltwirtschaftlichen Stellung Deutschlands er möglicht. Nicht aus Rücksicht gegenüber anderen Völkern, sondern allein im ureigensten Interesse des eigenen Volkes ist nach dem Kriege die weit gehendste Verflechtun g in die Weltwirtschaf t zu erstreben. Das Volk, das sich den deutschen Waren, der deutschen Arbeitsleistung und Arbeits kraft verschließen würde, hätte es selbst am schwersten zu büßen, ebenso wie Deutschland es am bittersten empfinden würde, schlösse es sich von anderen Völkern ab. Will man mit Erfolg an die Wieder eroberung der durch den Krieg verloren gegangenen Absatzmärkte gehen, so wird man dies nur durch weitgehendes Entgegenkommen in der Einfuhr ausländischer Produkte zu tun vermögen. Schon allein zur Erhaltung der Steuerkraft wird Deutschland nach dem Kriege auf die Verbilligung der Lebenshaltung der breiten Masse, die Preisherabsetzung der Lebensmittel durch Erschließung neuer billiger Bezugsquellen bedacht sein müssen., Welt wirtschaft setzt aber Industrie- und Handelswirtschaft voraus. Damit tritt die große Masse der in Industrie, Gewerbe, Handel und Verkehr Tätigen als Träger der Zukunft Deutschlands in den Mittelpunkt. Eine den Interessen des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit entsprechende Wirt schaftspolitik wird aber die Ausfuhr von Fertigfabrikaten begünstigen, Roh stoffe und Agrarerzeugnisse aus anderen Ländern ungehindert beziehen. Deutschlands wirtschaftliche Zukunft beruht auf der Verferti gung und der Ausfuhr von Qualitätsarbeit. (Deutscher Dienst.) Die Geschnftsltße In den FnbriK-BezirKen. (Jeder ganze oder auszugsweise Nachdruck der nachfolgenden Originalberichte ist nur mit unserer Genehmigung gestattet.) Zur Lage im Meerane-Glauchauer Industriebezirk. (Von unserem Meeraner Korrespondenten.) Meerane, 28. September 1918. [Nachdruck verboten.] Die jüngsten politischen Ereignisse haben die allgemeine Geschäftslage in unseren Webereistädten nicht zu beeinflussen vermocht. Das Geschäft nimmt seinen regelmäßigen Verlauf, und das Verlangen und Suchen nach handelsfreier Herbst- und Winterware hat sich innerhalb der letzten Wochen verstärkt. Wie wir hören, haben sogar einige Abnehmer hiesige Fabrikanten persönlich besucht, um geeignete Herbst- und Winter stoffe zu erlangen. Sie sollen sehr gute Preise geboten haben. Leider ver mochten unsere Fabrikanten, selbst in geringeren Qualitäten, nur in ganz wenigen Fällen mit Ware aufzuwarten; denn die Verhältnisse liegen doch so, daß, falls der eine oder andere Fabrikant einige Stücke hereinbekommt, dieselben im Handumdrehen wieder vergriffen sind. Unter den Abnehmern ist teilweise noch die irrige Ansicht vertraten, daß die Fabrikanten noch Stoffe für die Damen- und Herrenbekleidung auf Lager haben. In Wirklich keit liegen aber die Dinge so, daß die Vorräte gänzlich erschöpft sind und neue Sachen infolge der Beschlagnahme der Materialien naturgemäß nicht hereinkommen können. Ist der eine oder andere Fabrikant mal in der glücklichen Lage, noch etwas verwendungsfreies Material zu erlangen, so muß er in erster Linie die Bestellungen berücksichtigen, die er schon monatelang im Buche stehen hat. Übrigens ist die Herstellung von freien Geweben aus Wolle, Baumwolle, Kunstwolle oder Mischwolle minimal zu nennen; nur in Seide, Kunstseide oder ähnlichen Gespinsten läßt sich noch etwas machen. Die Zunahme von Papiergarnerzeugnissen, wovon wir bereits in unserem vorhergehenden Bericht gesprochen haben, hält weiter an. Die hie sigen Spinnereien, sowie diejenigen der benachbarten Umgebung, haben fast ausschließlich nur noch Aufträge in Papiergarnen im Buche stehen und sind für die nächsten Monate noch stark beschäftigt. Einzelne, größere Spinnereien lassen neuerdings wieder mit Tag- und Nachtschicht arbeiten, um die vorliegenden Bestellungen, die teilweise sehr umfangreich sind, recht zeitig zur Ausführung bringen zu können. Die Beschäftigung in der soge nannten Stapelfaser hat eine weitere Belebung erfahren. Dieses Erzeugnis, welches auch die Bezeichnung „Wollseide“ führt, hat durch die deutsche Faserstoff-Ausstellung in Leipzig ganz wesentlich an Bedeutung ge wonnen; vor allen Dingen durch die Zwirnerei Saxonia A.-G., Meerane i. S., welche eine sehr interessante Zusammenstellung von Erzeugnissen aus Stapelfaser zeigt, worauf auch an dieser Stelle nochmals besonders hinge wiesen wird. Der Geschäftsgang in den niederrheinischen Webereien. (Von unserem M.-Gladbacher Korrespondenten.) M.-Gladbaoh, 28. September 1918. [Nachdruck verbo. In den Webereien, welche früher Nessel- und Biberartikel her stellten und die sich jetzt überwiegend der Anfertigung von Geweben aus Papiergarnen zugewandt haben, ist das Geschäft in den letzten Wochen wesentlich lebhafter geworden. Wenn auch die größeren Aufträge der Heeres verwaltung noch ausstehen, so hat sich dagegen der Absatz im Privatverkehr ganz bedeutend gehoben. Die Kleiderfabriken haben in den neuen weichen, sehr verbesserten Geweben aus Papiergarnen größere Abschlüsse gemacht, infolgedessen die meisten Webereien in diesen Artikeln auf Monate hinaus gut beschäftigt sind. Eine ganze Reihe bisher brach liegender Stühle konnte wieder in Betrieb gesetzt werden. In den Verbandstoffwebereien hat sich ebenfalls etwas regerer Verkehr eingestellt, wenn auch die behördlichen Aufträge noch wenig um fangreich sind. Die etwas stärkere Nachfrage ist mehr auf den privaten Be darf zurückzuführen, worin recht ansehnliche Bestellungen eingegangen sind. In den früheren Buntwebereien hat man sich fast vollständig den Papiergeweben zugewandt; die Lage dieser Betriebe ist in letzter Zeit eine bessere geworden, es liegen noch für mehrere Monate namhafte Aufträge vor. Auch die Herstellung von Mischgeweben macht in diesen Webereien an dauernd gute Fortschritte. Die Nachfrage nach diesen Stoffen hat sich sehr gesteigert, da die Rohstoffe aber nur in kleineren Mengen zugeteilt werden, so kann nur eine beschränkte Erzeugung stattfinden. ’ In den Buckskin-, Kammgarn-und Cheviotwebereien hat die Arbeitstätigkeit in der Berichtszeit wiederum etwas zugenommen. Die Auf träge auf Halb Wolldecken, Ersatztuche sind seitens der Heeresverwaltung allerdings nur erst in kleineren Mengen eingetroffen, größere Zuwendungen werden im Laufe des Monats Oktober erwartet. Diejenigen Werke, welche auch die Papiergewebe aufgenommen, haben ihren Auftragbestand erheblich vergrößern können. Aller Voraussicht nach wird die Beschäftigung in diesen Betrieben in den Herbst- und Wintermonaten eine weitere Belebung erfahren. Von den AMlen-Gesellschaften der Textil-Industrie. (Die verehr). Direktionen werden um regelmäßige Übersendung der Geschäftsberichte gebeten.) Gladbacher Wollindustrie A.-G. vorm« L. Josten in IH.- Gladbach. In der Generalversammlung, in der ein Aktienkapital von 1716000 Mark vertreten war, erfolgte eine Einigung mit der Berliner Aktionärgruppe auf