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Fabrikant und Händler. Von Paul Dehn. Es giebt Händler, die grosse Partien kaufen, gute Zahler sind und dennoch dem Fabrikanten Un annehmlichkeiten bereiten können. Das sind solche Händler, die man im geschäftlichen Leben Ramscher nennt, Inhaber grosser oder kleiner Geschäftsbazare, die gewisse Waaren lediglich als Lockartikel führen und zu diesem Zweck unter dem Einkaufspreise ab geben. Dadurch wollen sie bei den Käufern den Glauben erwecken, als ob sie alle ihre Waaren zu besonders billigen Preisen verkaufen, sie werfen mit der Wurst nach der Speckseite, sie wollen den An schein eines besonders günstigen Angebots hervor rufen. Nach dem neuen Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs sind solche Bekannt machungen nur strafbar, wenn sie wissentlich un wahre und zur Irreführung geeignete Angaben that- sächlicher Art enthalten. Es bleibt demnach dem Zwischenhändler unbe nommen, wenn keine Privatvereinbarungen im Wege stehen, die Waaren, die er bezogen hat, zu beliebi gem Preise, auch unter dem Kostenpreise, zu verkaufen. Schon dadurch ist mancher Fabrikant geschädigt worden, ohne dass er sich dagegen hätte schützen können. Zu diesen Lockartikeln gehören besonders Er zeugnisse der Textilindustrie, Schürzen zeuge, Kravatten, Garne u. s. w. Bei dem Verkauf solcher Lockartikel wird nun aber nicht selten eine Praxis befolgt, welche nach einer neuen richter lichen Entscheidung auf Grund des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unzulässig und straf bar ist. Im Schaufenster ihres Geschäftes hatte die Firma A. Jandorf & Co., Hamburger Engroslager in Berlin, Plakate mit der Ankündigung angebracht, dass sie ein Dutzend künstlicher Veilchen für 1 Pf. verkaufe. Thatsächlich kostet ein Dutzend solcher Veilchen in der Fabrik 2 Pf., auch war dieser Preis von Jandorf & Co. bezahlt worden. Da der Fabrikant der Veilchen im Verein mit den reellen Verkäufern sich geschädigt sah, so erhob er Klage und es wurde vor Gericht festgestellt, dass Jandorf & Co. nur höchstens 12 Dutzend zu dem angezeigten Preise von 1 Pf. verkauften, dagegen 25 Pf. verlangten, wenn jemand 15 Dutzend forderte. Auch wurden Leute zurückgewiesen, die Vormittags 12 Dutzend gekauft hatten und Nachmittags weitere 12 Dutzend kaufen wollten. Es war also die billige Preisan kündigung im Sinne von § 4 des Gesetzes zur Be kämpfung des unlauteren Wettbewerbes eine wissent lich unwahre und zur Irreführung geeignete Angabe, um den Anschein eines besonders günstigen Ange botes hervorzurufen. Jandorf & Co. gedachten die billige Preisankündigung nur als ein Mittel zu be nützen, um Käufer für andere Sachen anzulocken. In erster Instanz wurden Jandorf & Co. zu 100 Mk. Geldstrafe verurtheilt. In zweiter Instanz kam es zu einem Vergleich, wonach Jandorf & Co. sich verpflichteten, an die Kasse des „Vereins Berliner Blumenfabrikanten und Grossisten“ eine Busse von 500 Mk. zu wohlthätigen Zwecken zu zahlen, ausser dem mussten Jandorf & Co. sich zur Tragung der Gerichtskosten verstehen. Von der Vertheidigung wurde geltend gemacht, dass der Kaufmann die Waaren, die er bezogen, zu jedem beliebigen Preise zu verkaufen berechtigt, dass er im Uebrigen zur Innehaltung seines Angebotes nicht verpflichtet sei. In der That kennt das deutsche Handelsgesetzbuch mit seiner dem römischen Obligationenrecht entnommenen Bestimmung keinen Vertrag und kein pflichtendes Angebot mit einer unbestimmten Person. Von dieser veralteten Bestimmung sucht man sich endlich zu befreien und sie wird allmählich aus den modernen Gesetzbüchern ausgeschieden. Immerhin hätten Jandorf & Co. nicht verurtheilt werden können, wenn sie ihr Schleuderungsgebot für jede verlangte Menge inne gehalten hätten. Unter solchen Umständen em pfiehlt es sich für die Fabrikanten, an Ramschbazare und dergleichen keine Waaren zu liefern, weil sie sieh dadurch selbst das Geschäft verder ben. In dieser Hinsicht sollten die ersten und angesehensten Fabriken vor angehen. Der Erfolg würde nicht ausbleiben, da gerade die Ramsch bazare darauf bedacht sind, wenig stens einige Waaren erster und ange sehener Firmen zu führen, um sich den Anschein solider Geschäfte zu geben. Ausstellungsschwindel. (Von unserem Berliner Correspondenten.) In den letzten Jahren haben internationale Agenten nicht ohne Erfolg einen bedenklichen Un fug durch gewerbsmässige Veranstaltungen von Privatausstellungen betrieben, lediglich zu dem Zweck, um dabei ein mehr oder minder ergiebiges Handelsgeschäft mit dem Verkauf von Diplomen, Medaillen und Ehrenpreisen zu machen. So ver anstaltete im Jahre 1895 ein angebliches Komitee des „Vereins zur Förderung von Kunst und Industrie“ eine Berliner Ausstellung internationaler Kunst- und Industrieerzeugnisse. Vorsitzender dieses Komitees war der verflossene Rechtsanwalt Dr. Friedmann und einer der Hauptagenten ein gewisser Hugo Bloch. Alle Aussteller wurden gegen entsprechende Bezahlung prämiirt. Die Ausstellung war nicht grösser als der Raum eines mittleren Ladens und enthielt Kleidungsstücke, Bilder, Uhren, Goldsachen, Nahrungs- und Genussmittel. Gegen Hugo Bloch wurde damals ein Strafverfahren wegen Betruges eingeleitet, doch endigte es mit seiner Freisprechung. Als nun vor einiger Zeit einige Berliner Blätter vor seinem Treiben warnten und von ihm sagten, er unterhalte einen schwunghaften Handel mit Aus stellungsmedaillen derart, dass die deutsche Ge schäftswelt ausgebeutet und der Handel im Aus lande diskreditirt werde, hatte Bloch den Muth, die Privatbeleidigungsklage gegen die betreffenden Zeitungen anzustrengen, doch wurden die betreffenden Schriftleiter kürzlich nach Feststellung der ange deuteten Thatsachen freigesprochen. Der Aus stellungsschwindel ist wiederholt von der Handels kammer zu Freiburg i. Breisgau enthüllt worden. Leider scheint der Unfug eher zu- als abgenommen zu haben. Im Jahre 1897 wurde über solche Schwindelausstellungen, welche meist zu gleicher Zeit und an dem gleichen Orte veranstaltet werden, wo eine grössere, auf reeller Grundlage ruhende Ausstellung abgehalten wird, aus Brüssel, Paris, London, Stockholm und Bordeaux berichtet. Auf der jüngst abgehaltenen Nahrungsmittelausstellung in Berlin war ein Gewerbtreibender zu bemerken, der in der Zeit von 1892 bis 1896 sich auf 32 Aus stellungen als mit den höchsten Auszeichnungen be dacht bezeichnete. Einige andere Gewerbtreibende besassen aus dem Jahre 1897 vier und fünf Aus zeichnungen. Vor zwanzig Jahren, sagt mit Recht ein Berliner Blatt, hatten Ausstellungsmedaillen noch einen Werth. Heute gehen die ehrlich er worbenen unter in der Fluth der auf minderwerthigen Ausstellungen gekauften Auszeichnungen. Wenn dieser Ausstellungsschwindel fortdauern sollte, wird man zu erwägen haben, ob in Zukunft noch die Führung von Medaillen und Preisen zu gestatten ist, welche nicht auf öffentlich anerkannten Aus stellungen erworben wurden. Ungarns Schwäche. (Von unserem B-Correspondenten.) Trotz aller Bemühungen und Begünstigungen der Regierung und trotz der billigen Arbeitslöhne, namentlich in der sogenannten Slowakei, ist es bis her in Ungarn nicht gelungen, eine Textilindustrie in modernem Sinne zu entwickeln. Nur einzelne Grossbetriebe sind gegründet worden, so u. A. zwei Jutefabriken in Neu-Pest und L a j t a u j f a 1 v a. Ferner wären zu nennen zwei Hanfspinnereien und -Webereien in Pressburg und S z e g e d i n , einige mittlere Schafwollwaarenfabriken in Kron stadt, Heltau, Zsolna, Veszprim, Gäcs, Losoncs, Pressburg,Neusohl und N a g y- Becskerek (Teppichfabrik). Im Uebrigen be schränkt sich die Bearbeitung der Wolle in Ungarn auf die Hausindustrie und auf Tuchschee- re r e i und -W a 1 k e r e i zur Erzeugung von groben Stoffen. Vollends ungenügend ent wickelt hat sich trotz des grossen Bedarfs die Baumwollindustrie, insbesondere in Spinnerei und Weberei. Im Ganzen bestehen nur vier grössere Unternehmungen dieser Art! Dagegen finden sich einige grössere Druckereien in A 11 - O f e n und Stuhlweissenburg. Die Entscheidung bezüglich der Lohn frage in der englischen Baumwoll spinnerei hat eine — in Rücksicht auf die seit einigen Wochen veränderte Geschäftslage — keineswegs überraschende Wendung genommen: Die Arbeit geber fassten den Entschluss, von der geplanten öprocentigen Lohnherabsetzung abzusehen. Unsere Correspondenten, die Herren Kottmeier & Co. in Liverpool und .Manchester berichten uns dazu unterm 10. Ds.: „Am Mittwoch wurde der Zusammenbruch der Agitation für eine Herabsetzung der Löhne be kannt; in der stattgehabten Abstimmung wurde Seitens der Arbeiter fast einstimmig für Ab lehnung der Forderungen votirt, während die Ver handlungen zwischen den Spinnereibesitzern eine so geringe Einmttthigkeit aufwiesen, dass an eine Durchführung der proponirten Maassregel nicht zu denken war. Der Zeitpunkt für eine solche war bei den besseren Margen für die Spinner, verbunden mit der Wiedereröffnung einer Menge im vorigem Sommer äusser Betrieb gesetzter Webereien und zugleich bei den ausserordentlichen niedrigen Preisen des Rohmaterials, sehr schlecht gewählt und glaubten hier nur Wenige an die Durchführ barkeit. Die Nachricht machte daher keinen Ein druck auf den Markt.“ Diese Nachricht dürften übrigens auch die jenigen deutschen Textilblätter mit stiller Wehmuth lesen, welche noch Mitte voriger Woche den Streik als unvermeidlich (!) bezeichneten und für welche die Lohnfrage im englischen Baumwollgewerbe wochenlang das einzige, nunmehr zu Tode gerittene Para depferd gewesen ist. —n. Fortschritte in den Vereinigungs-Bestrebungen im M.-Gladbacher Bezirk. (Von unserem M.-Gladbacher Correspondenten.) [Nachdruck verboten.) M.-Gladbach, 13. Dezbr. 1897. Das zu Standekommen der Conventionen für die einzelnen Betriebszweige im hiesigen Industriebezirke ist in den letzten Wochen mächtig gefördert worden; die Hosenzeugfabrikanten haben ihre Vereinigung bereits beschlossen und haben sich bei Conventionalstrafe verpflichtet, genau nach den aufgestellten Satzungen zu handeln. Allerdings gehören bis jetzt von 67 Betrieben nur 26 der Ver einigung an, jedoch sind dies durchweg grössere Betriebe, welche das Hauptgeschäft mit den Gros sisten und Kleiderfabriken machen und demzufolge auch meistens durch die bisherigen Missstände in Bezug auf Valutirung und Abnahme der Waaren zu leiden hatten. Die Firmen, welche sich noch nicht angeschlossen haben, betreffen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, meistens Betriebe kleineren Umfanges und erzielen fast durchweg ihren Absatz bei der' Detailkundschaft; auch stellen sie meistens Waaren her, welche von schwerer Qualität und theuer sind und sich deshalb für die Confection weniger eignen. — Die Convention der Buckskinfabrikanten hat ebenfalls schon festere Gestalt angenommen, da mehrere der grössten Firmen, welche sich bis jetzt mit der Convention nicht befreunden konnten, nun mehr der Sache sympathisch gegenüberstehen. Es werden also in der nächsten Zeit auch in dieser Branche die Conventionsbedingungen über die Valu tirung und Abnahme der Waaren in Kraft treten. - Die Deckenfabrikanten haben ebenfalls schon mehrere Versammlungen ab- i gehalten und sind die einleitenden Schritte bereits so weit gediehen, dass auch in dieser Branche an einem positiven Ergebniss nicht mehr zu zweifeln ist. — Die Weissweber haben sich schon vor einiger Zeit zusammenge schlossen, obwohl noch mehrere grosse Etablisse ments ausstehen. Es ist nur zu begrüssen, wenn die eingerissenen Missbräuche im geschäftlichen Ver kehr endlich beseitigt werden, da das Fortbestehen dieser Uebelstände manchem Fabrikanten die fernere | Existenz unmöglich gemacht haben würde.