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für den Garn- und Manufakturwaarenhandel, sowie die Tuch- und Gonfectionsbranche. Herausgeber und Chefredakteur: Theodor Martin in Leipzig. Organ des Vereins Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner. JLeipzig, 25. Januar 1888. Nachdruck nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. 3. JulirgUllg. N 0- 4. Diese Wochenberichte erscheinen jeden Mittwoch I als Beiblatt zur „Leipziger Monatschrift für Textil industrie“ und werden deren Abonnenten gratis zu- , Sesandt. — Der Abonnementspreis für die „Leipziger lonatschrift fiir Textil-Industrie“ nebst deren drei Beiblättern: 1) Wochenberichte, 2) Der Musterzeichner, mit zahlreichen Mustercompositionen und Stoffproben (Nou- j veautes), und 3) Mittheilungen aus und für Textil Berufs genossenschaften beträgt für das Deutsche Reich und Oesterreich-Ungarn pro Halbj ahrnur o# 8,—, für die übrigen Länder Jt 9,—. — Bestellungen auf die Monat schrift nehmen an: Sämmtliche Kaiserl. Postanstalten (Post-Zeitungspreisliste Nr. 3424), der Verlag der Leip ziger Monatschrift für Textil-Industrie in Leipzig (Tur nerstrasse 17), sowie die Buchhandlungen des In- und Auslandes. Die Abonnementsgebühren sind praenumerando zahlbar. Wenn ein Abonnement vor Schluss des Halbjahres nicht gekündigt wird, gilt dasselbe als fortbestehend. Verein süddeutscher Baumwoll- Industrieller. Die Grundzüge zur Alters- und Invalidenversicherung der Arbeiter wurden vorige Woche zu Stuttgart in einer Generalversammlung des Vereins süddeutscher Baumwollindustrieller berathen, welche von des sen Präsidenten, Herrn Commerzienrath j Hassler aus Augsburg, geleitet wurde und , die sich der Anwesenheit eines Vertreters der württ. Regierung, Herrn Oberregierungs rath Schicker, zu erfreuen hatte. Nach längerem Vortrag und eingehender Discussion wurden die Resolutionen des Berichterstatters, Herrn H. A. B u e c k, Geschäftsführer des Centralverbands deutscher Industrieller in Ber lin, einstimmig angenommen. Wie wir einer uns von Herrn Commerzien rath Hassler zugegangenen Mittheilung ent nehmen, lauten diese Resolutionen wie folgt: I. Der Verein begrüsst mit Befriedigung die vom Reichsamt des Innern veröffentlichten „Grundzüge zur Alters- und Invaliden-Versicherung der Arbeiter“ | als einen weiteren Schritt zur Förderung des Wohls der arbeitenden Klassen und des socialen Friedens; er ist bereit, an der Durchführung darauf abzielender Gesetze mitzuwirken, glaubt aber nicht, sich mit dieser Absicht in Widerspruch zu setzen, wenn er bezüglich der Ausführung einige wesentliche Aende- rungen an den genannten Grundzügen anstrebt. II. Demgemäss erachtet dei- Verein, dass die materielle Mitwirkung der Berufsgenossenschaften zur Durchführung der Alters- u. Invaliden-Versicherung — namentlich der Invaliditätserklärung, der Rentenfest stellung und der Anweisung der festgestellten Rente auf eine Centralstelle — zwar durchaus angemessen und erwünscht ist, dass die Genossenschaften aber nicht im Sinne der „Grundzüge“ zu Trägern der neuen Versicherung gemacht werden dürfen, da 1. die Berufsgenossenschaften durch die ausserordent liche Erweiterung ihrer Thätigkeit, namentlich durch die Uebertragung einer so ausgedehnten verantwortlichen Finanzverwaltung in ihrem ganzen, durch das Unfall-Vers.-Gesetz gegebenen Wesen umgestaltet und besonders deren Verwaltung ihres ehrenamtlichen Charakters entkleidet würde; 2. durch die Uebertragung der Alters- und Invaliden versicherung auf die Berufsgenossensehaften einige höchst wünschenswerthe Vereinfachungen in der Ausführung verhindert würden. Als solche Ver einfachungen betrachtet der Verein die Einführung einer Einheitsmarke und den Fortfall der Repar- tition der ausgezahlten Renten auf eine grosse Menge Zahlungspflichtiger Subjekte (Genossenschaf ten oder sonstige Verbände.) III. Der Verein hält daher die Schaffung einer eventuell dem Reichsversicherungs-Amte unterzuord nenden Centralstelle für erforderlich, welche die Ein heitsmarken in den nöthigen Werthhöhen verausgabt, die von den Versicherten und den Arbeitgebern durch Vermittlung der Berufsgenossenschaften oder sonst eingehenden Beiträge, sowie den Beitrag des Reiches in Empfang nimmt und die Auszahlung der Renten durch die Post veranlasst. IV. Der Verein hält die Anwendung des Capi- taldeekungsverfahrens und die hierdurch bedingte Entziehung und Ansammlung mächtigen Capitals nicht vereinbar mit den Grundbedingungen des wirth- schaftlichen Gedeihens der Nation und erachtet daher, dass bei dieser Zwangsversieherung ohne Gefährdung irgend welcher durch die Vorlage beabsichtigten Zwecke und der dadurch berührten Interessen, ebenso wie bei der Unfallversicherung das Umlageverfah ¬ ren unter Bildung angemessener Reserven anzuwen den sei. V. Der Verein erachtet die Durchführung der Alters- und Invaliden-Versicherung im Interesse der Sicherung gedeihlicher Produktionsverhältnisse für unthunlich ohne Betheiligung des Reichs durch Ueber- nahme von einem Drittel derjenigen Gesammtbeträge, welche an Renten jährlich zu zahlen sind. Aus dem Textil-Distrikte der Rheinpfalz. Von R. Sch. Das durch seine bedeutende Tuchindustrie, sowie durch seine Web- und Färberschule in weiteren Kreisen rühmlichst bekannt gewordene bisherige Dorf Lambrecht, wurde in den letzten Tagen zur Stadt erhoben. Und dann soll die „I. Tuchfabrik“ in Lam brecht in den nächsten Wochen öffentlich an den Meistbietenden versteigert werden. (Siehe Inserat in v. Nr.) Beide Ereignisse, scheinbar ohne inneren Zusammenhang und nur zufällig zeitlich zusammen fallend, bezeichnen einen ebenso wichtigen wie denk würdigen Abschnitt in der Entwickelungsgeschichte dieses interessanten Städtchens. Beide ergänzen sich gegenseitig so vollständig, dass man versucht ist, das eine als die nothwendige historische Folge des an deren anzusehen. — Lambrecht verdankt seine Ent stehung einer Anzahl glaubenseifriger Protestanten, die durch die Dragonaden Ludwigs XIV. aus ihrem Vaterlande vertrieben, sich mit Zustimmung der in dem Dorfe Grevenhausen ansässigen und dort eigen- thumsberechtigten Klosterfrauen, auf der diesem Dorfe entgegengesetzten Seite des Speyerbachthales, zumeist als Tuchmacher niederliessen. Die emsige Thätigkeit einer lebhaften, intelligenten, beinahe ausschliesslich industriellen und noch obendrein protestantischen Bevölkerung bildete dem einfachen beschaulichen Leben der Klosterfrauen gegenüber einen zu grossen Gegensatz; wir dürfen uns daher nicht wundern, dass sich letztere nach einiger Zeit entschlossen, diese für sie ungemüthlich gewordene Stätte zu verlassen und nach dem benachbarten Deidesheim überzusie deln, allerdings erst, nachdem sich die Gemeinde Lambrecht vorher zur regelmässigen jährlichen Leistung I verschiedener Giebigkeiten an dieselben verpflichtet | hatte. Eine der merkwürdigsten dieser Verpflichtungen, die alljährliche Lieferung eines Ziegenbockes an die | Gemeinde Deidesheim, besteht heute noch zu Recht,