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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001178
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100117
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-17
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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2, Beilage Montag, 17. Januar 191V Leipziger Tageblatt Nr. 1«. 1V4. Jahrgang Muhe st und« n. Kensien Gras Waldersee. 24j Roman von G. von Stokmans. ^Nachdruck verboten.) Dann kam ihm plötzlich die Erinnerung an den Besuch des Polizei beamten, an die russische Spionin, die man verfolgte und, wie es schien, hier im Hause gesucht hatte. — Obgleich die Sache Geheimnis Kleiber, sollte, hatte er doch davon gehört, und je mehr er darüber nachsann, um so wahrscheinlicher erschien es ihm, daß 'die Radlerin mit der Gesuchten identisch sei. Vielleicht verbarg sie sich ganz oben unter dem Dach mit Hilfe einer Mitschuldigen, — vielleicht wagte sie sich nur in der Nacht heraus und traf an drittem Ort mit ihren Verbündeten zusammen. Die Vorstellung war ihm äußerst unbehaglich. Eine solche Mög lichkeit durste nicht sortbestchen, er mutzte ernstlich mit den beiden Damen reden und sie warnen, — aber anderseits — bestand wirklich eine Verpflichtung dieser Art für ihn? Waren das alles nicht nur Vor- mutungen un'd Hirngespinste, angeregt durch die Eindrücke und Er wägungen der letzten Zeit? Vielleicht handelte es sich um eine verhält nismäßig ganz harmlose Sache, vielleicht war sie kaum der Erwähnung wert. Anderseits, wenn wirklich die russische Spionin in Frage kam. wenn man die Radlerin nur mit ihr in Verbindung brachte, konnten für den Berichterstatter bei der Polizei Weiterungen entstehen, hie zum mindesten recht unbequem waren. Herr von Oberhof mußte gerade jetzt in dieser Beziehung recht vorsichtig sein. So beschloß er, vorläufig über die Sache zu schweigen und nur unter der Hanh Nachforschungen anzu stellen. Es gab anderes, das ihm weit wichtiger erschien als dies, und mit Spannung sah er den nächsten Tagen und ihren entscheidenden Offenbarungen entgegen. 9. Kapitel. Inzwischen war Graf Cdendorf-Hohenseldc in Frankfurt am Main. Er hatte den Schnellzug gewählt, der, von Basel kommend, um 1l Uhr 55 Minuten vormittags in Oos ist und um 2 Uhr 21 Minuten in Frankfurt cintrifft. Er fuhr erster st lasse, getreu seinem Grundsatz, vom Guten imm«er nur das Beste zu nehmen. Den storridor im Inneren des V-Zuges entlang gehend, wählte er sich einen bequemen Platz und schaute dabei immer wieder prüfend in die Abteile hinein. Alle diese Reisenden schienen ihn zu interessieren, er hoffte oder fürchtete vielleicht auch, Bekannte zu treffen. Jedenfalls dauerte cs geraume Zeit, bis er zur Ruhe kam, — dann schien er sich aber ganz be haglich zu fühlen, rauchte eine feine Havanna und vertiefte sich in die Zeitungen, welche er sich in Baden-Baden gelaust hatte. Bei seiner Ankunft winkte er einen Gepäckträger heran, übergab ihm Paletot und Handtasche und schritt mit ihm nach einem der eleganten .Hotels am Bahnhof, das sich zu Fuß schnell erreichen ließ. — Hier verlangte er ein Zimmer im ersten Stock, machte ein wenig Toilette, schrieb seinen Namen in das Fremdenbuch und begab sich dann in die Stadt. Auf der Zeil, jener alten, schönen Straße, welche durch ihre eleganten Läden bekannt und berühmt ist, ging er in einen Juwelier laden, kaufte eine Kleinigkeit und ließ eine goldene Krawattennadel zu rück, an welcher etwas repariert werden sollte. Dafür bekam er einen Schein mit einer Nummer und dem Stempel dor Firma, welcher bei der Abholung des Gegenstandes vorzuweisen war. — Zugleich zeigte er den Ning, welchen seine Mutter ihm geschenkt hatte, nannte ihn ein altes Erbstück aus Rußland, das eben erst in seinen Besitz gekommen sei, und fragte, was der Rubin ohne die Brillanten und die Fassung wohl wert sei. Der Juwelier interessierte sich für das seltene Stück, betrachtete es aufmerksam und rief noch zwei andere Herren herbei, welche ebenfalls ihr Urteil abgaben. — Ein vierter blieb im Hintergrund und beobachtete heimlich den eleganten Kunden, eine Aufgabe, welche ihm durch die über all angebrachten Spiegelwände noch wesentlich erleichtert wurde. Graf Evendorf bemerkte es und amüsierte sich darüber. Er wußte, daß man in diesen eleganten, großstädtischen Juwclierläden immer mit der Möglichkeit rechnete, bestohlen zu werden, und ein vornehmes Aeußere, verbunden mit sicherem Auftreten, vor einem Verdacht durch aus nicht schützt. Daß man auch ihn überwachte, erschien ihm durchaus berechtigt, denn cs ist ein alter bekannter Trick der raffinierten Gau ner, die Aufmerksamkeit der Geschäftsinhaber von ihrer eigenen Person abzulenten, indem sie ihnen ein besonders schönes und seltenes Stück zeigen. Die Betreffenden sind darum in solchen Fällen besonders auf ihrer Hut. Diesmal war ihre Vorsicht aber unnötig. Graf Edendorf wandte dem Ladentisch und allen seinen Herrlichkeiten gelassen den Rücken, ging zur Tür und blickte aufmerksam auf die Straße hinaus. Bald waren die Herren sich auch über den Wert des Ringes einig. Der Ehef gab ihm denselben zurück und sagte höflich: „Wir übernehmen natürlich ohne genauere Untersuchung weder Gewähr noch Verbind lichkeit, aber unserer Meinung nach würde ein solcher Rubin, rein, und in Taubenblutfarbe, jetzt etwa vier bis fünftausend Mark kosten, ganz abgesehen von der Fassung und den Brillanten, die ebenfalls einen sehr bedeutenden Wert haben." Graf Edendorf nickte. „Annähernd dasselbe sagte mir meine Mutter, nur schätzte man ihn in Rußland noch etwas höher ein." „Vielleicht mit Recht", war die Erwiderung. „Unsere Schätzung ist nur eine ganz oberflächliche. Wenn Sie den Ring verkaufen wollten, würden Sie bei einem Allwarenhändler voraussichtlich d>en höchsten Preis erzielen." „Ich will ihn aber gar nicht verkaufen", versetzte der Graf hochmütig und kuht. „Dergleichen bleibt besser in der Familie. Ich danke Ihnen indessen für Ihr Urteil. Es ist immer angenehm, zu wissen, wie sich der reale Wert eines solchen Stückes zu seinem Affektionswert verhält." Tasselbe Experiment wiederholte er noch in zwei anderen eleganten Läden, erzielte ungefähr dasselbe Resultat, und begab sich nun in die Altstadt, wo ihn sein Weg durch ein Gewirr enger, übelriechender Gassen und Gäßchen führte. Der Kleinhandel und das Kleingewerbe hatten dieser Gegend ihren Stempel aufgedrückt, und wenn auch die alte Juden- gasse selbst nicht mehr vorhanden war, so sah man doch, daß die Nach kommen ihrer einstigen Bewohner hier ihr Hauptquartier hatten. Die Erscheinung des elegant gekleideten, vor Sauberkeit strahlenden, vornehmen jungen Mannes, stach seltsam ab von der halbverkommenen, schmutzigen Umgebung, und wirkte entschieden auffallend, aber sie über raschte nicht. Zu den Wucherern und Halsabschneidern, den Antiquaren und Pferdehändlern zweiter Güte, die in den alten, zum Teil noch aus Holz bestehenden kleinen Häusern wohnten, fanden die jungen Kavaliere häufig den Weg, und kein Mensch von dem auf der Straße reichlich ver tretenen Gesindel wunderte sich, als Graf Edendorf ein Haus betrat, das sich vorn stark überneigte und vor Altersschwäche zusammenzu brechen schien. Das gehörte dem alten Juden Ruben Ephraimsthn, der im Erd geschoß ein schwunghaftes Geschäft mit alten Mobilien betrieb und diesem selbst Vorstand. Nebenbei sollte er auch noch andere Liebhabe reien haben, aber die Polizei, die ihm scharf aus die Finger sah, konnte thm nichts anhabcn, und es gab auch niemanden, der den Mut fand, ihn anzuklagen. In der Nachbar'ch.ait munkelte man wohl allerlei, aber man wußte nichts Gewisses und war viel mehr geneigt, Rubens Parl.i zu nehmen, als iras Gegenteil. Gchö^'-e er doch, wie d.e anderen alte, zu der verachteten und verfolgten Rasse, und mancher, der sich in diesem Stadtviertel verbarg, hatte selbst alle Ursache, das Licht zu scheuen. Als der Graf den Laden betrat, der langgestreckt, dunkel, eng und modrig war, konnte er in dem Gewir" von Tischen und Schränken, Kommoden und Sesseln zuerst nich's unterscheiden, aber dann trat ihm die Gestalt des Alten entgegen, der einen schmutzigen Kastan trug, aber mit seinen weißen Locken und dem lang herabwallenben Bart würdig und vertrauenerweckend aussah, wie ein Patriarch. Er geleitete einen Kunden, offenbar einen gelehrten Professor und Altertumsforscher, au die Tür, versprach ihm mit vielen Worten und Bücklingen feiner Wünsche eingedenk zu sein, falls sich bei einer Auktion Gelegenheit dazu biete, und begrüßte dann den Grafen, ihn mit einem schnellen, scharfen Blick musternd. Der hielt den Blick ruhig aus. uuo als jewr sagte: „Womit kann ich dienen, Euer Gnckden? — Was suchen Sie? Rokoko? — Empire? — Biedermeier?" erwiderte er langsam mit starker Betonung: „Nichts von alledem, Herr Ephraimsohn. Ich brauche nichts, ich bringe etwas." Diese einfachen Worte übten sofort eine magische Wirkung aus. Tas Gesicht des Alten verklärte sich förmlich, seine Augen blitzten, sein ge beugter Körper richtete sich auf, und mit überraschender Behendigkeit in den Hintergrund des Ladens eilend, rief er laut, fast kreischend: „Sarah, Sarahlcben, komm schnell herab." Im nächsten Augenblick erschien seine Frau, eine alte Jüdin mit eingefallenem Mund und scharf vorspringendem Kinn, welche ein grell- buntes, schmieriges Kattuukleid trug, das ihre Fülle schlotternd um schloß. Der .Hals war von einem schwarzen Tuch verhüllt, und auf dem Kopf trug sic statt der Haare eine Perücke mit rotbraunen Atlas- scbeiteln. Sie schlurfte langsam in Pantoffeln heran und ihre großen dunklen Augen richteten sich voll Neugier auf den Grafen, ^dessen hohe, schlanke Gestalt nn Hellen Sommeranzug in dem halbdunklen Raum wie ein Lichtbild wirkte. Ruben trat dicht neben die Alte. „Sieh ihn dir genau an, Sarah- leben, damit du ihn später wieder erkennst", sagte er. „Du weißt, worauf es ankommt, nicht wahr?" Sie nickte, dann sprach sie in monotoner Weise seine eignen Worte wiederholend: „Der Herr braucht nichts, er bringt uns etwas." „Ganz recht, und während des Schachers wollen wir nicht gestört werden. Wir gehen also hinauf und, du bleibst hier." Tcr Blick der Alten bekam plötzlich etwas Starres und sie murmelte unverständliche Worte vor sich hin. (Fortsetzung folgt.) * * * lAuf Wunsch wird der Anfang dieses Romans neu hinzutretenden Abonnenten kostenlos nachgeliefert.) Vermischtes. Der zerbrechliche Mensch. ES gibt in London einen Menschen, der, um nicht jeden Augenblick da- Lrben zu riskieren, sich in eine Glasglocke cinschliehen und in dieser Glocke sich ganz ruhig verhalten müßte, da ihm nicht die geringste Bewegung ge stattet ist. DaS merkwürdige Individuum verbringt sein ganzes Leben in einem Krankenhausbett. Die Aerzte und die Krankenwärter nähern sich ihm nur unter den größten Vorsichtsmaßregeln, da der unglückliche Mcnich bei irgendeiner ungeschickten Berühi-ung in Stücke gehen könnte. Er ist nämlich im buchstäblichen Sinne des Wortes ein zerbrechlicher Mensch. Wenn er geht, darf er weder die Knie beugen, noch die Arme bewegen; ein Fall würde ihm geradezu verhängnisvoll werden. Der zerbrechliche Mensch ist ein armer Teufel, abgemagert, groß, mit knochigem, kränklich auS- sehendem Gesicht; er leidet an einer sehr selten vorkcnnmenden Krankheit, die ihn zu einer Art Porzellanfigur macht. Er heißt Rushcook, ist 35 Jahre alt und leioet an der furchtbaren Krankheit, die die Aerzte „Myositis Osti- ficans" (Muskelverknöcherung) nennen, seit sieben Jabren. Seit sieben Jahren verwandeln sich seine Muskeln nach und nach in Knochen. Er kann gehen, aber sich nicht setzen; er mnß sich sehr anstrengen, wenn er den Kopf nach rechts oder nach links wenden will. Man kennt den Knochenmenschcn in allen Londoner Krankenhäusern, wo die älteren Aerzte ihn ihren jüngeren Kollegen als ein interessantes Studienobjekt zeigen. Zum Glück für ihn hat er bei seiner merkwürdigen Krankheit nicht viel zu leiden, so daß er die Sache von der philosophischen Seit? nimmt und sich nur so wenig wie möglich bewegt. Er raucht wie ein Schornstein vom Morgen bis zum Abend und liegt den ganzen Tag ans dem Rücken im Bett. Wenn er auszu stehen wünscht, lasten ihn die Krankenwärter langsam bis zum Rande d?S Bettes gleiten; dann beben sie den steifen Körper senkrecht in die Höhe, bis die Füße den Boden berühren. Darauf gibt man ihm einen Stock in die Hand, und der zerbrechliche Mensch geht, aber nur in gerader Linie; wenn er sich nach rechts oder nach links wenden will, muß ihn ein Krankenwärter recht umständlich nach der gewünschten Richtung hinlenken. Arranritische Sängerin-,eri. Ueber anamitische Sängerinnen plaudert Laston Knops in der „Rivista musicale italiana". Die anamitischcn Gesangskünstlerinnen, die auch als Tänzerinnen auftreten, und die in Europa, besonders in Paris, nicht ganz unbekannt sind, bilden bei Festlichkeiten eine der größten Attraktionen. Tie Tänze dieser Damen sind so keusch und nüchtern und langweilig, daß selbst der puritanischste Zuschauer daran nicht Anstoß nehmen könnte. Sie bestehen im wesentlichen aus langsamen Schritten, die von mystischen und nicht sehr graziösen Arm- und Handbewcgungen begleitet werden; der Körper bewegt sich während des Tanzes in kaum merklicher Meise wellen artig hin und her. Ein europäisches Auge kann in diesen Vorführungen beim besten Willen nichts Kunstvolles erblicken. ES ist alles wohl inter essant und erotisch, kann aber nicht im entferntesten mit den Tanzproduk tionen der Tänzerinnen des Königs von Kambodscha verglichen werden, mit jenem prächtig gekleideten Ballettkorps, dir den Zuschauern sehr kompli zierte und sehr spannende Pantomimen Vorspielen. Das anamitische Täu- zcrinnenkorps besitzt keine besonderen Tanzkostüme. Die Ballcrinen er scheinen auf der Bühne in langen Gewändern von schwarzer oder hellgrüner Seide. Sie sind stark gepudert und geschminkt und machen, wenn sie lang sam und feierlich einhcrschrciten, den Eindruck automatisch bewegter Draht puppen. Besonders häufig tanzen sie den sogenannten „Blumentanz". Der Name verspricht mehr als er hält, Die Tänzerin bindet sich auf den Rücken einen Apparat, an dem sich in der Höhe des Kopfes zwei Papierlatcrnen mit künstlichen Blumen befinden. Die Idee des Blumen- und Lichttanzes ist ganz nett, aber die Ausführung bleibt weit hinter der Idee zurück, und die Gesamtmrffübrung macht einen so kindischen Eindruck, daß sie nur den Eingeborenen gefallen kann Hinter den Sängerinnen steht ein Orchester das zu den Tanzen aufspielt: es kommt nur selten vor, daß es aus mehr als acht Instrumenten besteht. Bei großen Festen tritt der Tanz in den Hintergrund, um dem Gesang Platz zu macken. Richt jedes Mädchen kann Sängerin werden; die Frauen, die sich diesem Berufe widmen wollen, müssen ein auSaezeichueteS Gedächtnis haben, da die anamitische» Sänger innen die längsten klastischen Gedichte und alle Volksmelodien auswendig wissen muffen. Am Schlüsse der Festmablzcilen müssen die Damen oft Lieder improvisieren: dafür winkt ihnen daun süßer Lohn: sie dürfen sich zu den Gästen an den Tisch setzen. Sobald die Sängerinnen sich ver heiraten, bären sie auf, ihren Beruf auszuüben. Der Rattenfänger von London. John Jarvis aus Camberwell, der englische Nachfahr des Rattenfängers von Hameln, ist jetzt zu amtlichen Würden aufgestiegen: mit einem Jahres gehalt von 1000 .kl hat der Londoner Grafschaftsrat ihn soeben offiziell als Rattenfänger angestellt. John Jarvis betreibt sein wunderliches Gewerbe weniger als Berns, als aus ererbter Leidenschaft, denn seit 100 Jahren haben alle Mitglieder seiner Familie ihr Leben der Rattenjagd gewidmet. Er bat jetzt, int Vollgefühl seiner weidmännischen Tätigkeit, eine Herausfor derung an alle englischen Rattenfänger gerichtet und sich verpflichtet, ge meinsam mit seinem Onkel ohne Hunde und ohne Fallen in drei Nächten 1000 Ratten zu fangen. „Es gibt viele Rattentöter bei uns", so erzählte er einem Besucher, „aber nur wenige verstehen es, Ratten lebendig zu fangen. Tote Ratten sind wertlos, aber für lebendige bekomme ich gleich von 3 bis zu 8 „k( für das Dutzend. Wie ich es anstelle, die Ratten lebendig zu fangen, das ist ein Geheimnis, das sich seit 1803 in unserer Familie fortgeerbt hat und das treulich bewahrt wird. Ich kann es natürlich nicht verraten, aber andeuten will ich Ihnen doch, daß ich ein Mittel besitze, das auf die Ratten etwa so wirkt, wie Chloroform auf den Menschen. Chloroform selbst ist übrigens für meine Zwecke unbrauchbar, die Ratten wollen nichts davon wissen. Der Köder, mit dem ich arbeite, hat eine so große Anziehungskraft auf die Ratten, das; selbst schlafende Tiere erwachen. Wenige Augenblicke, nachdem ich meinen Köder ausgelegt habe, schwärmen von allen Seiten die Ratten herbei. Ein Biß, ein winziges Stückchen genügt, um sie zu be täuben, und ich habe später weiter nichts zu tun, als ihr Nasen ins Wasser gU stecken, um sie wieder ins Leben zurückzurufen. Wenn ich nachts mit meiner Kellerlatcrnc die unterirdischen Gänge dalnnschreite, so folgen mir die Ratten in Scliaren. Meine ganze Arbeit besteht darin, sie aufzuheben und in den Behälter zu tun. Sie selbst bahnen sich dann den Weg zu dem Sack, den ich bei der Wanderung auf dem Rückentrage. Hui!, wie sie dann miteinander kämpfen! Oft dachte ich, 100 Ratten zu haben, aber dann fand ich zu Hause, daß die Hälfte von den anderen gerötet worden war. Sie kämpfen übrigens nicht nur miteinander; erst kürzlich, als ich in den Keller gewölben eines großen Hotels Jagd machte, überfiel ein Schwarm Ratten meinen Hund. Ich konnte ihn nicht retten; er wurde getötet. Es war einer der besten Hunde, die ich je hesah. Einmal, als ich in den unter irdischen Gängen des- alten Gaiety-Theatcrs Ratten jagte, fiel mich eine große Ratte an, biß sich in meinem Arme fest und verursachte mir min destens fünf Minuten lang die größte Pein, ehe ich sic loslöseu konnte. Ich wog sic dann, ihr Gewicht lvar beinahe zwei Pfund." John Jarvis hat durch seinen „Beruf" ein ansehnliches Einkommen, denn von einer Reihe großer Hauseigentümer bezieht er ein festes Gebalt für die Verpflichtung, von Zeit zu Zeit bei ihnen Rattenjagd abzuhaltcn. * Pädagogisches. Zwecks praktischer Erprobung und Durchführung der Forderungen moderner Pädagogik hat sich ein „Bund zur För derung einer freiheitlichen Entwicklun^des höheren Schulwesens und zur Gründung Freier Schulgemein den" konstituiert. Der Bund stellt folgende Forderungen auf: 1) Ter Unterricht soll eia oem Stande der Wissenschaft ent sprechendes Weltbild vermitteln und zu wissenschaftlichem Selbst- ocnken anleitcn. 2j Ter Unterricht soll den Sinn für wirkliche Kultur ausbilden. M Der Unterricht soll den Schüler für die Mitarbeit an den all gemeinen Aufgaben der Nation und der Menschheit begeistern. 4) Der Religionsunterricht soll historisch behandelt werden. 5> Zjel des Unterrichtes ist Erziehung zur Selbstarbeit. ist Tie Schuldisziplin soll im letzten Grunde auf Verständnis des Wesens der Schule und auf Vertrauen beruhen und den Lehrern und SchiUcra die Möglichkeit eigener, oevsönsicker Betätigung gewähren. Die Schulverfassuna soll die Schüler zur Schulregierung und in iyrcm Kreise zu sozialer Arbeit und Verantwortlichkeit heranziehen. 7) Es soll die Möglichkeit gemeinsamer Erziehung von Knaben und Mädchen geboten werden. 8) Tie Schule soll nach hygienischen Grundsätzen geführt werden und zu planmäßiger Pflege, Abhärtung und Ausbildung des Körpers erziehen. 9) Die Umgestaltung des Berechtigungs-, Prüfung?- und Lehrer bildungswesens im Sinne der obigen Forderungen soll erstrebt werden. Der Bund betrachtet daher die Idee und Erfahrungen der Freien Schulgemeinde Wickersdorf als richtunggebend für seine Bestrebungen und sucht seinen Zweck vor allen Dingen zu erreichen durch Beförderung der Gründung von Musterschulen unter dem Namen „Freie Schulge- "selndcn", die w weit als möglich die obigen Forderungen erfüllen. Für die lebhafte Sympathie, die dem Bunde von allen Seiten entgcgcngcbracht das erfreuliche Wachstum. Der vorläufige Sitz des Bundes ist Wickersdorf bei Saatfeld a. S. Der unsterbliche zerstreute deutsche Professor, auf dessen Lippen die schönsten Kathederblüten sprießen, ist keine erfundene Gestalt. Sei» Vor bild, der Urtypus, war ein wackerer Gymnasialprofessor zu Gotha, Johann Georg August Galletti. Der Paul Hartungsche Verlag in Gotha hat das Verdienst, den wackeren Mann der Vergessenheit entrissen zu haben, indem er in einem Büchlein „Gallettiana, unfreiwillige Komik in Aus sprüchen des Professors am Gymnasium zu Gotha Johann Georg August Galletti", einen Neudruck veranstaltet hat. Galletti wurde am 10. August 1750 in Altenburg geboren, studierte in Göttingen und erhielt im Jahre 1783 am Gymnasium zu Gotha eine Professur. Zahlreich sind die Werke aus der Geschichte und Geographie, die er verausgab und die alle viele Auflagen wegen der Gründlichkeit und vortrefflichen Behandlung des Stof fes erlebten, aber auch zahlreich sind die humorvollen Aussprüche, die er in Zerstreutheit während seiner Lehrtätigkeit am Gothaer Gymnasium bis zum Jabre 1819 tat. Im wohlverdienten Ruhestand starb er am 25. März 1828. Von den zum Teil sehr bekannten Kathederblüten des Herrn Pro fessors seien einige hier wiedergegcben: Ja, ja, man hat der Exempel mehrere, daß kvante Leute gestorben sind. — Es ist eine üble Gewohnheit, abends im Bett zu lesen; denn man hat Beispiele, daß mehrere Leute, die abends ihr Licht auszulvschen vergaßen, am Morgen, wenn sie aufwachteu. verbrannt waren. — Gotha ist nicht viel weiter von Erfurt entfernt als Erfurt von Gotha. — Ich kann Ihnen die Bücher über Afrika jetzt uiast angeben; ich habe sie zlvar im Kopfe, aber nicht auf dem Papier. — Unter die vorzüglichsten Produkte von Aegvvten gehört das Klima. — Der Nil schickt sein Wasser hin, wo er hin will. — Die Afghanen sind ein sehr gebir giges Volk. — Brutus und Caffius ermordeten den Cäsar auf eine seiner Gesundheit sehr nachteilige Meise. — Varus tvar der einzige römische Feldherr, dem cs gelang, von den Deutschen besiegt zu werden. — Ja, da darf man nur an den Vesuv denken, um zu wissen, wann Plinius gelebt hat. — Alfons war bei seiner Geburt erst zwei Jahre alt. — Richard III. ließ alle seine Nachfolger hinrichten. — Tie eiserne Maske ist eine sehr merkwürdige Geschichte, von der wir aber gar nichts wissen. Humor des Auslandes. Es war kurz vor Weihnachten, und Henry war ein junger Herr von sechs Jahren, was das Alter des Wissensdurstes ist, wie seine Mutter zu entdecken begann. „Mama", begann er seine hundertundsicbenunddrcißigste Frage an diesem Tage, „nimmt der Weih nachtsmann seinen Schlitten am Weihnachtsabend und fährt er dann zu den Häusern von all den kleinen Knaben und Mädchen?" — „Ja", ant wortete Mama. — „Und wacht er bei jedem Schornstein Halt und läßt die richrigen Geschenke zurück?" fuhr Henry fort. — „Ja." — „Ist er nicht sehr schnell, daß er all die kleinen Knaben und Mädchen cm einem Abend be suchen kann?" — „Ja." — „Nun" — hier erreichte Henry den Höhepunkt — „weißt du, ich glaube, er arbeitet vor." — „Wie kommst du auf den Ge danken?" stellte Mama nun auch eine Frage. — „Weil ick bemerkt habe, daß er alle meine Geschenke schon in einen von unseren Schränken gepackt hat!" antwortete Henry. „Liebchen, ist dieser Pudding aus dem Kochbuch?" — „Ja, Schatz." — „Na, ich dachte auch, daß ich den Umschlag schmeckte." (Answers.) Ter Gatte: „Was ist dir. Lieb? — Tic Gattin: „Ach, ick habe eine Viertelstunde gebraucht, um meinen neuen Hut richtig aufzusetzen, und nun kann ick nicht damit durch die Tür." Er: „Ich glaube, eine Frau redet lieber, als daß sie zuhört." — Sie: „Nicht immer." — Er: „Und wann nicht?" — Sie: „Wenn der Mann, den sie liebt, ihr einen Antrag macht." Tie poetische Rosina: „Wie der weite Ozean sich in seinem Schlummer wälzt und stöbntl" — Der prosaische Peter: „Ich glaube, Sie würden cs nicht anders machen, wenn Jvr Bett voller Kiesel wäre." Ludwig Fulda las kürzlich in einem Charlottenburger Verein Ernstes und Heiteres aus seinen Merken, darunter auch „geflügelte Sinnsprüche". Einer der schlagendsten sei hierher gesetzt: ES sprach eine Schwalbe Zn einem Kalbe: Kannst du fliegen. Dick in den Lüften wiegen? Das Kalb sprach: Muh! Laß mich in Ruh. Habe keine Zeit dazu!" lclimatiseber Kurort in Liicktirol. 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