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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.01.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-01-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191001178
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100117
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100117
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-01
- Tag 1910-01-17
-
Monat
1910-01
-
Jahr
1910
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Da» Leipziger Lageblatt erscheint wöchent lich 7 mal und zwar morgen». Abonnement-Annahme: Nugustulplatz 8, bei unseren Lrägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Die einzelne Nummer kostet 1v H. Nedaktivn und Seschäfl-stellrr Johannisgaste 8. Fernsprecher: 14092, 14893, 14SS4. MipsigcrTagcblatt Handelszeitung. Amtsblatt des Mates imd des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei» sstr Inserat« an« Lrtpzig und Umgebung di« 6aespalten« Petitzrile 25 finanzielle Anzeigen 30 H, NeNamen 1 »m, auswärt» 30 NeNamen 1.20 »»«Ausland 502z, finanz. Anzeige» 752ß NeNamen 1.50 Inserate».Behürden im amtlichenTeil402). Beilagcgebühr 5 p. Lausend «xN. Post gebühr. Keschäsrsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhSht. Rabatt nach Lari Festertrilt« Austtäg« können nicht zurück gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Lagen und Plähen wird kein« Garantie übernommen. 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Sächsische Oarlainetitsrvoche. „Drei Worte nenn ich euch inhaltsschwer": Brandversicherungs gesetz, Arbeitslosendebatte und allgemeine Etatsdebatte der Ersten Kam mer. Sie bildeten in der abgelausenen Woche für den sächsischen Land tag das Signum dreier außergewöhnlich arbeitsreicher Tage, die lange, aber auch zum Teil sehr interessante Debatten brachten. Der Inhalt des Brandversicherungsgesetzes, wie der Entwurf eines Ge setzes über die Landcsbrandversicherungsanstalt kurz genannt wird, ist seinerzeit gleich nach Erscheinen des Dekrets ausführlich hier besprochen worden. Ein charakteristisches Merkmal ist auch bei ihm die fast sprich wörtlich gewordene „Anlehnung an das historisch Gewordene", die in so manchen sächsischen Gesetzentwürfen unserer Zeit wiederkchrt und den Gedanken nahelegt, ernstlich zu prüfen, ob hier nicht doch des Guten zu diel getan wird. Gewiß soll man an bewährten Grundsätzen nicht rüt teln, aber sehr häufig werden die Ansichten darüber, was sich wirklich be währt hat, sehr auseinandergehen, und ein modernes Gesetz soll kein Museum für RechtSaltertümer sein. Leicht wird die Aufgabe der Gesetzgeber nicht sein, denn es gilt hier nicht allein derz immer wieder auftretenden Gegensatz zwischen Stadt und Land auszugleichen, sondern auch noch den zwischen Hausbesitzer und Mieter. Außerdem wird noch die Frage zu erörtern sein, wie weit ist die ganze Organisation der Landcsbrandversicherungsanstalt freier, beweglicher zu gestalten, und wie stellt sich gegenüber diesem Wunsche die andere Forderung dar, daß der Landtag durch seinen Ausschuß eine ge naue Kontrolle über die Anstalt und ihren Betrieb behalten will? Hier bietet sich dem neuen Minister des Innern eine umfangreiche, aber auch dankbare Ausgabe, deren Schwierigkeiten nur einen um so stärkeren Anreiz zur Lösung ausüben. Bereitwillig sagte Graf Vitzthum von Eck» städt seine künftige Mitwirkung in der Deputation zu. Es ist ihm aber ein Irrtum unterlaufen. Das zeigt seine Aeußerung, die Spritzen prämien (Belohnung für die zuerst auf der Brandstelle erscheinende Spritzet würden aus dem Feuerwehrfonds bezahlt. Das stimmt nicht, denn, wie der Minister auch selbst anführte, dieser Fonds dient zur Unter stützung verunglückter Feuerwehrleute und zu Beihilfen an die Gemein den zur Beschaffung von Löschgeräten. Beseitigt werden muß unbedingt die Bestimmung, daß der Vertreter des Hausbesitzers im Beirat der Ver sicherungsanstalt vom Ministerium des Innern ernannt werden soll. Mit Recht wurde hierzu in der Debatte hervorgehoben, daß ein gewähl ter Vertreter ganz anderes Vertrauen genießen würde. Ebenso muß aus dem Gesetzentwurf über die Feuerversicherung bei privaten Unter nehmungen die Vorschrift der polizeilichen Ueberwachung der Verträge fallen. Sie ist vollkommen wertlos und ein richtiger alter Zopf, der nur die Schere verdient. Weitere Einzelheiten hier anzuführcn, erscheint nicht angebracht, es ist ja in der Debatte eine ganze Reihe von Ab änderungsvorschlägen schon gebracht worden, woran sich auch zwei Leip- ziger Abgeordnete, Dr. Löbner (Natl.s und Dürr (Frcik.s energisch und mit Sachkenntnis beteiligt haben. Mit Interesse haben wir übrigens bemerkt, daß ein Verlangen, das gerade im Leipziger Tageblatt schon seit längerer Zeit wiederholt geäußert worden ist, endlich auch von der Regierung als „berechtigt" erklärt worden ist. Das Verlangen nach Gegenüberstellung des alten und des neuen Textes, ein Verlangen, dem hoffentlich in Zukunft bei allen in Frage kommenden Gesetzesvorlagen entsprochen wird. Die Gesetzgebungsdeputation würde sich ein Verdienst erwerben, wenn sie bei dem Brandversicherungsgesetz das von der Ne- gierung Versäumte nachholen und »n ihrem Bericht nebeneinander an fügen wollte: geltendes Gesetz, Regierungsentwurf (laut Dekret Nr. 17>, Beschlüsse der Deputation. Abweichungen vom Regierungsentwurf würden dann noch durch fetten Druck hervorzuheben sein. Der zweite große Tag der Zweiten Kammer galt den sozialdemo kratischen Anträgen aus dem Gebiete der Sozialpolitik, also dem auf Einsetzung einer besonderen Deputation und auf Fürsorge für Arbeits lose. Bei dem ersten Antrag ereignete sich der eigentümliche Fall, daß der Antrag begründet wurde, obwohl er schließ lich zurückgezogen werden sollte und auch zurückgezogen wurde, was dann noch zu einer ziemlich lebhaften Geschäftsordnungsdebatte An laß gab. Daß diese Debatte entstehen konnte, ist ein Beweis von der Gewitterschwüle und der hohen Spannung, die in der Zweiten Kammer zwischen den einzelnen Parteien herrscht. An sich war die Bemerkung des Abg. Nitzsche-Dresden (Soz.s nicht unrichtig, daß die Rechen schaftsdeputation mit besonderer Rücksicht auf die ihr gestellten Auf gaben finanztechnischer Natur zusammengesetzt worden sei. Nicht sonderlich geschickt war aber die Art, wie er zum Ausdruck brachte, daß damit noch nicht gesagt sei, ob alle Herren auch für die Behandlung sozialpolitischer Aufgaben geeignet seien. Nach einem Worte Dr. Mehnerts sollen ja die Abgeordneten der Zweiten Kammer für alles Verständnis haben, trotzdem wird es sich aber nicht bestreiten lassen, daß sich der eine Abgeordnete mehr für dieses, der andere mehr für jenes Gebiet interessiert. UebrigeaL noch eine Frage. Der Antrag auf Einsetzung des sozialen Ausschusses ist vom 16. November datiert, seine Einbringung also zweifellos gleich bei Zusammentritt des Land tags erwogen worden. Wäre es da nicht möglich gewesen, gleich bei den vertraulichen Besprechungen der Fraktionsführer über die Zusammen setzung der einzelnen Deputationen auf diesen zu erwartenden Antrag hinzuweisen? Dann hätte man die Zahl der Mitglieder der andern Deputationen nur etwas zu beschränken brauchen, um die neue Depu tation besehen zu können. Denn an eine Ablehnung des Antrags auf Schaffung der sozialen Deputation konnte doch ernstlich nicht gedacht werden. Die Arbeitslosendebatte zog sich ziemlich lang hin und endete mit der Ueberwcisung des Antrags Fleißner an die Ncchenschaftsdeputation. Viel Neues brachte die Debatte nicht, konnte sie auch nicht bringen, denn die Verweisung des Antrags an die Deputation besagt nur, daß das .Haus sich darüber einig ist, cs muß in der Arbeitsloscnfragc etwas ge schehen. Was? Das wird sich erst durch die Deputationsoorschläge Herausstellen. Im übrigen fehlt den Verhandlungen noch der eigentliche Untergrund. Hier wies Abg. L a n g h a m m c r - Chemnitz (Natl.) auf den richtigen Weg hin: erst hätte die von dem Antragsteller geforderte Rcgierungsdcnlschrift da sein müssen, erst dann könnte man zu positiven Vorschlägen kommen. Zu bedauern ist übrigens, daß der nationalliberale Abgeordnete Dr. S e y f e r t - Zschopau nicht an der Ncchenschaftsdcpu- tation sitzt, seine fließenden, von großer Sachkenntnis zeugenden Aus führungen bewiesen, daß er für die Behandlung sozialpolitischer An träge eine hervorragend tüchtige Arbeitskraft ist. Zur allgemeinen Etatsdcbattc brauchte die Erste Kammer knapp so viel Stunden, wie die Zweite Kammer Tage. Wenn übrigens Ober bürgermeister Dr. Beutler es als eine Gepflogenheit des Oberhauses bezeichnete, in der Etatsdebatte auch wirklich vom Etat zu reden, so hatte er damit nur bedingt recht. Denn auch in der Ersten Kammer wurde am Donnerstag noch von manch anderem geredet, als vom Etat, und Herr Dr. Beutler selbst war cs, der die Frage der Schiffahrtsabgaben aufs Tapet brachte und damit Prof. Wach-Leipzig die Gelegenheit bot, in einer glänzenden und scharf durchdachten Rede die juristische Unhalt barkeit des 8 19 der preußischen Wasserstraßenvorlage, wie des ganzen Planes der Schiffahrtsabgaben überhaupt darzutun. Die Ausführungen des Ministers des Auswärtigen Grafen Vitzthum ließen inhaltlich an Präzision nichts zu wünschen übrig, in der Form hätten sie ruhig noch etwas kräftiger gehalten sein können. Die Negierung weiß doch, daß sie in dieser Frage nicht nur du- Kammern, sondern das ganze Land hintre sich hat. Aus dem weiteren Verlauf der Debatte ist nur noch bemerkens wert die Ankündigung des Nachtragsetats von 7 Millionen Mark für Eisenbahnzwecke, und die energisch für die Verkehrsinteresfen eintretende Rede des Zittauer Handelskammerpräsidcnten Geh. Kommerzienrats Waentig. Preustische wablrechtsdenronstvationen. so. Berlin, 16. Januar. (Privattelegramm.s „Regenwetter ist kein Nevolutionswetter", sagte einmal der vor einigen Jahren in New Aork verstorbene Anarchistenführer Johann Most, als er noch in Berlin sozialdemokratischer Reichstagsabgeoro- neter und Chefredakteur war, und aus Anlaß der Dühring-Bewegung :m alten Saale des Großen Berliner Handwerkervereins geschichtliche Vor lesungen über die Sklavcnaufständc im alten Rom hielt und dabei den Nachweis zu führen versuchte, daß Professor Mommsen in dieser Be ziehung die Geschichte gefälscht habe. Dieser Ausspruch Mosts kam einem heute in Erinnerung. Dunkle Regenwolken bedeckten den Himmel, ein dichter Regen rieselte hernieder, als die Arbeiter Berlins heute vor mittag den 25 Versammlungen zuströmten, die im Stadtkreise Berlins mir der Tagesordnung anberaumt waren: Wird die Regierung das Versprechen des Königs cinlösen? Wohl waren fast alle Versammlungen dicht gefüllt, es ging aber nach den Versammlungen mit der größten Ruhe ab. Die Polizei hatte, wohl aus Anlaß des heftigen Rcgenwetters, wenig Vorkehrungen getroffen. In der Nähe der Versammlungslokale waren einige Schutzleute postiert, man sah auch mehrere radelnde, und ganz vereinzelt begegnete man auch reitenden Schutzleuten, aber im allgemeinen war das Aufgebot nur 'ehr schwach zu nennen. Im vierten und sechsten Wahlkreise, dem Osten und Norden Berlins, waren in den Höfen einige „fliegende Polizeiloachen" postiert. Ein etwas größeres Aufgebot von Polizeimannschaften be merkte man nur in der Burgstraße und in der St. Wolfgangstraße, woselbst in dem dort belesenen „Feenpalast" der Abg. Zubeil sprach. In der Burgstraßc, von der Börse bis zur Kaiser-Wilhelms-Ärücke, die bekanntlich nach dem Königlichen Schloß führt, sah man fast i n jedem Hause eine Anzahl Schutzleute, auch mehrere Polizeioffiziere und Polizeihauptleute hatten sich in der Nähe der Kaiser - Wilhelms - Brücke eingefunden. Als die Massen nach Beendigung der Versammlungen sich auf die Straße ergossen, ertönten wohl hin und wieder Hochrufe auf die Sozial demokratie und das freie Wahlrecht, das furchtbare Wetter veranlaßte jedoch die Leute, so schnell als möglich nach Hause zu gehen. Im Norden und Osten riefen junge Leute, als die Massen aus den Versammlungen kamen: „Nun ziehen wir nach dem Königlichen Schloß", aber diese Ausrufe wurden nicht beachtet. In allen Versammlungen wurde zum Kampfe zur Erlangung des freien Wahlrechts in Preußen aufgefordert und ausgeführt, daß das Versprechen, das dem preußischen Volke vor 60 Jahren gegeben und im vorigen Jahre in der Thronrede von neuem wiederholt worden ist, nun endlich eingelöst werden müsse. Es gelangte überall einstimmig folgende Erklärung zur Annahme: „Die am 16. Januar 1910 versammelten Männer und Frauen erklären: Die von der preußischen Regierung in den letzten Tagen des Vorjahres endlich veröffentlichte amtliche Statistik über das Ergebnis der Landtagswahlen des Jahres 1908 be weist von neuem, daß das Drei klassenwahlrecht ein raffinier tes Mittel brutaler Klassenherrschaft ist. Die Aufrechterhal tung der Dreiklasienschmach ist eine schwere Beleidigung der preußischen Staatsbürger, zumal die Bevölkerung der deutschen Bundesstaaten südlich des Mains für die Wahl zu den Land tagen im Besitz des Reichstagswahlrechts ist. Die Junker und die Bourgeosie, die unter dem geltenden Wahlgesetze in Preußen die erste und zweite Klasse beherrschen, entscheiden über die Wahl der Abgeord neten. Die 82 Prozent der Wähler, die in der dritten Wählerklasse zusammengepfercht sind, werden um ihr Wahlrecht schmählich betrogen. Das wahnwikigc indirekte Wahlsystem und der unter der öffentlichen Abstimmung besonders auf dem platten Lande geübte Terrorismus der herrschenden Klassen verekeln Millionen die Teilnahme an der Wahl und wirken wie ein Wahlrcchtsraub. Die schleunigste Beseitigung dieses schamlosen Wahlunrechts ist die dringendste Forderung der Gegen wart. Die Thronrede kündigt an, daß in einigen Wochen dem Land tage eine Wahlrechtsrcformvorlage -ugehcn wird. Die Regierung hat es nicht gewagt, über die Grundzüge der kommenden Vorlage etwas zu sagen. Tas heißt: die Negierung beabsichtigt keine gründliche Aenderung des geltenden Wahlsystems. Die Negierung will das preu ßische Volk in einigen Wochen mit einer Flickreform überrumpeln. Die Versammelten werden jede auf die Interessen der herrschenden Klassen und der ihr versippten regierenden Bureaukratie zugeschnittene Schein- resorm mit allen Mitteln bekämpfen. Die Versammelten fordern er neut. die volle staatsbürgerliche Gleichberechtigung, insbesondere die Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahl rechts für alle über 20 Jahre alten Männer und Frauen auf Grund der Verhältniswahl, und geloben, alles daran zu setzen, um dieser Forderung zum Siege zu verhelfen. Tie Versammelten erwarten, daß die Parteileitung der preußischen Sozialdemokratie den reaktionären Plänen der Negierung mit allen Mitteln begegnet und für die Forde rung des freien Wahlrechts einen Wahlrechtssturm entfesselt, der die verjunkerte Reaktion niederzwingt." In Groß-Berlin wurden insgesamt 62 Volksversammlungen ab gehalten. Ausschreitungen sind bis zum Abend nicht vor gekommen. Schon etwa um 4 Uhr wurden die Verstärkungen der Schutzmannschaft zurückgezogen. Das schlechte Wetter erwies sich als der beste Bundesgenosse der Vernunft und Ordnung. Weiter wurden in einer großen Anzahl anderer preußischer Städte Wahldemonstrationcn veranstaltet. Gröbere Ausschreitungen sind bis her nicht gemeldet worden. In Halle a. S., wo zwei Versammlungen in der Stadt und fünf in der Umgebung abgehalten wurden, marschier ten nach Schluß die Demonstranten im Zuge durch die Stadt. Ein großes Polizeiaufgebot sorgte für Ordnung. Hier wurden mehrere Verhaftungen vorgenommen, Deutsches Reich. Leipzig, 17. Januar. * Die Ortsgruppe Oberlausitz des Verbandes Sächsischer Industrieller hielt ani 11. Januar unter dem Vorsitz des Fabrikbesitzers Otto Moras in Zittau ihre 3. Generalversammlung ab, in der zunächst AorstandSwaylcn vor- genommen wurden Ter bisherige Vorstand wurde einstimmig wieder gewählt. Alsdann hielt Tr. März von der Geschäftsführung des Verbandes Sächsischer Industrieller einen von der Versammlung mit lebhaftem Beisatt aufgenommcnen Vortrag über „Wirtschaftliche Zeilfragcn". Der Redner ging zunächst auf die gegenwärtig schwebenden Fragen auf wirtschaftlichem, handelsvolitischem und sozialpolitischem Gebiet ein und berührte eingehend da? Verhältnis der wirtsck>aftlichen Verbände zum Hansabunde. Zur Frage des deutsch-portugiesischen Handelsvertrags trat die Ortsgruppe der vom Gesamtvorstand des Verbandes bereits in seiner Sitzung vom 24. November v. I. zum Ausdruck gebrachten Anschauung bei. daß der Vertrag namentlich die Interessen der sächsisch-thüringischen Erportindusrrie schädige und daß man schon vom Reichstag Ablehnung deS Vertrages erwarte Weiter be grüßte die Ortsgruppenversammluna die ablehnende Haltung der sächsischen Regierung in der Frage der Schiffahrtsabgabcn und regte zugleich an, die Frage deS EpiphaniaSfesteS, dcffen Abschaffung bzw. Verlegung von der Zweiten Kammer bereits beschlosien ist, bei der Regierung auf das nach, drücklichste weiter zu verfolgen. An zweiter Stelle svrach Dr. Prange (Berlins über die Rcformvers cherunaSbank. Nach eingehender Diskussion über dieses Projekt sprach sich die Ortsgruppenversammlnng einstimmig für dessen Unterstützung aus. Zum Schluffe überbrachte Dr. März die Ein ladung des GesamtvorffandeS zu der am 15. und 16 Februar d. I. in Dresden stattfindenden Generalversammlung des Verbandes Sächsischer In dustrieller. * Zum Fall Hast, wie er der „Nordd. Allg. Ztg." dargestellt worden ist, bemerkt die „Tägl. Rundschau": „Die offiziöse Darstellung umfaßt drei Druckspallen, deren Inhalt wir auf Grund der Akten sofort sorg- sältigst prüfen werden, um sodann, wahrscheinlich schon am Dienstag, sowohl die halbamtliche Darstellung im Wortlaut, als auch unsere Er- widerung zu veröffentlichen. Es sei im Anschluß hieran vermerkt, daß auch der juristische Berater des Herrn Haß, Rechtsanwalt Bredereck, eine das gesamte Material beleuchtende Broschüre anSgearbeitct hat, deren Erscheinen unmfflelbar bevorstebt." * Ucber das Schicksal des deutsch-portugiesischen Handelsvertrages schreibt mau uns aus parlamentarischen Kreisen: Die Kommission zur Beratung des deutsch-portugiesischen Handelsvertrages hat ihre Dis kussion geschlossen, die definitive Entscheidung aber auf nächsten Donnerstag vertagt, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, endgültig Stellung zu dem Handelsvertrag zu nehmen. Gegenüber einer Notiz, die darauf hinwies, daß diese Vertagung beschlossen worden sei, um die sonst sichere Ablehnung des Vertrages aufzuschieben, sind in einigen Blättern Einwendungen erhoben worden. Es mag zweifelhaft sein, ob die Beweggründe der Vertagung darin bestanden, daß man einer Ab lehnung des Vertrages Vorbeugen wollte. Jedenfalls ist aber nicht ai bezweifeln, daß der Vertrag nach Schluß der Diskussion in der Ab stimmung der Kommission gefallen wäre. Gegen den Vertrag hätten, mit Ausnahme des Abgeordneten Herold, sämtliche Zentrumsabgeord- nete. ferner die nativ nalliberalen Abgeordneten, der frei sinnige Abgeordnete B n d d e b e r a. der srcikonscrvative Abgeordnete Linz, der konservative Abgeordnete Dietrich Hahn nnd voraussichtlich auch der Abgeordnete Hamich von der Wirtschaftlichen Vereinigung ge stimmt. Das aber wären zusammen 15 von 28 Stimmen, während es zweifelhaft ist, ob die übrigen 13 Mitglieder ihrerseits sämtlich dem Ver trage zugestimt hätten, womit der Vertrag gefallen wäre. Achnlich licai das Verhältnis bei den Fraktionen, so daß auch nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge im Plenum des Reichstages mit einer Ab- lehnung des Vertrages zu rechnen ist. Wie wir hören, schweben gegenwärtig zwischen der Negierung nnd den Führern der Par teien Unterhandlungen in bezug auf die endgültige Entscheidung über den Vertrag. Nicht unwahrscheinlich ist es, daß die Kommission sich am Donnerstag auf unbestimmte Zeit vertagt, um der Regie rung Gelegenheit zu geben, die Verhandlungen mit Portu- gal neu a u f z u n e h m e n, um so mehr, als die aus Lissabon zu uns gelangenden Nachrichten übereinstimmend berichten, daß die portu giesische Regierung es ans einen Zollkrieg mit Deutschland nicht an- kommen lassen könne. * Vom Hnnsiibnnd. In Verfolg des in den Richtlinien des Hansa- bnndes vom 4. Oktober 1909 ausgesprochenen Grundsatzes, wonach der selbe für die Erhaltung und Belebung der Verbindung der im AuS- lande lebenden Deutschen mit dem Vaterlandc eintritt, hat das Präsi dium des Bundes beschlossen, den Deutschen Verein zu Smyrna zugunsten eines dort zu errichtenden deutschen Hauses zu unter stützen und an der Verwirklichung des Planes mitzuarbeiten. — In Tsingtau ist von den Deutschen deS Schutzgebietes Kiautschau eine Gruvpe des Hansabundes gegründet worden. * Deutschtum in Argentinien. Aus sicherer Quelle erfährt dtz' „Mil.-pol. Korr.", daß der regierende Fürst von Lippe-Schaumburg für mehrere Millionen einen großen Ländcrkompler in Argentinien ange- kauft hat. Schon in nächster Zeit geht ein Bückeburger Beamter, Herr v. Wersche, hinüber, um die Verwaltung zu übernehmen. Daß der Fürst einen Teil seiner sehr bedeutenden ungarischen Besitzungen verkauft Hai
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