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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.02.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100222022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910022202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910022202
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-02
- Tag 1910-02-22
-
Monat
1910-02
-
Jahr
1910
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MpMerTlUMalt Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Nolizciamtes Ser Zkadt Leipzig. Auzeiqcn-Preis tstr Inserate au« L»«»>g und Umgeb,,, die »igespa'tene SO mm breit« Petitzeile 2S Us, di« 74 mm breite Reklame,eile l von autwärr« 80 -ieklameu l.2l) Inserate von Bebdrden 'M amtlichen Teil die 74 mm breite Peiitzeil« 4» H. «eschitr«'"i,eiae,i Mit P ahoorschristen und in der Adendautgabe im Preise erhöht. Rabatt nach Laris. Beilagegedühr s p. Tausend exkl. Postgebühr. Jesterteilte Austttge können nicht zurück gezogen werden. Für da« iirscheinen an braimmten Lagen uno Plätzen w»rd kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augnstu-platz 8, der sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de« In- und Au-lanbe». Haupt-Sillale Berlin: Karl Duncker Hcr»ogl. Baqr. Hosbuch- handlung, Lützowstiaße Ist. (Telephon VI. Nr. 4öoU). Haupl-Filial« Lre-den: Seestrabe «, 1 (Telephon 46211. l04. Zahrgsng Vtenstay, üen 22. /evrusr 1910. PMÜlche llschrichten. Aus der Zweiten Kammer. ?. Dresden. 22. Februar. (Privattelegramm.) Die Zweite Kammer erledigte in ihrer heutigen Sitzung zunächst eine Anzahl Rechenschafts sachen aus dem Ressort des Kultusministe riums. Die Nachbewilligungen wurden zu allen Ka piteln glatt ausgesprochen, nur gegen die auf kirchliche Zwecke bezüglichen stimmten die So zialdemokraten. Zu einer längeren Debatte gab Kapitel 98 de; Etats, sonstige Kultuszwecke und eine hierzu eingegangene Petition des Landes kirchenoor st andes der deutsch-katholi schen Gemeinde Sachse ns Anlass. Abgeordn. Dürr-Leipzig (Freikons.) trat hierbei für die re formierten Gemeinden ein und wünschte namentlich, dass es den Kindern reformierter Eltern, die den Volksschullehrerberuf ergreifen wollten, möglich sein solle, das Lehrerexamen zu machen, ohne dass sie noch ein besonderes Examen in der Religion ablegten. Abg. Dr. Roth erklärte namens der Freisinnigen, dah sie für die Wünsche der Petenten eintreten wür den, und zwar aus Gründen der Parität. Abgeordneter Lang e-Leipzig gab vom sozialdemokratischen Stand punkt aus der Anschauung Ausdruck, die die Bewilli gung von staatlichen Mitteln zu Zwecken irgendwelcher Religionsgemeinschaft ablehnt. Kultusminister Dr. Beck verteidigte dem Redner gegenüber die Hal tung der Regierung, worauf nach einer kurzen Be merkung des konservativen Abg. Mangler das Kapitel gegen die Stimmen der Sozialdemo kraten bewilligt wurde. Die Petition liess man gegen die Stimmen der Freisinnigen auf sich be ruhen. Eine Petition des Heizers Moritz Franke in Freiberg um Gewährung einer Rente oder laufen den Unterstützung aus Staatsmitteln wird in dem Sinne der Regierung zur Er wägung überwiesen, das; sic bemüht sein möge, dem Petenten eine laufende Unterstützung zuzu wenden. Kultusminister Dr. Beck sagte wo hl- wollende Haltung der Regierung gegen über diesem Anträge zu. Die Etatkapitel Warte gelder und Pensionen wurden ohne jede Debatte be willigt, und auch der Hütten- und Bergetat entfesselte keine eigentliche Debatte. Die Abgg. Braun- Freiberg und Schmidt-Freiberg brachten einige Wünsche lokaler Natur vor, und Abg. Krausse- Lugau lSoz.) wünscht Erleichterungen für die Er langung von Urlaub für Arbeiter. Nächste Sitzung Donnerstag, 24. Februar, vorm. )411 Uhr. Tages- ordnung: Rschenschaftssachen und Etatkapitel, da runter Polizeidirektion Dresden und Gendarmeric- anstalt. Graf Aehrenthal in Berlin. Berlin, 22. Februar. (Privattelegramm.) Der österreichisch-ungarische Minister des Aeusseren Graf v. Aehrenthal ist heute früh hier ein - getroffen. Zum Tode des Reichstagspräfidenten. Die Leiche des verstorbenen Reichstagspräsidenten Grafen Stolberg ist am Sonntag im Reichstags präsidialgebäude in Kürassierumsorm aufgebahrt worden. Die Kaiserin stattete der Witwe einen Bei leidsbesuch ab, der Kaiser sandte eine kostbare Kranz spende. Die Zahl der eingelaufcnen Kranzspenden und der Besucher, die sich in die Kondolenzlistcn ein tragen, ist sehr gross Am Montag abend fand eine Trauerfeier im Präsidialgebäude für die engere Fa milie statt, bei der Hofprediger Ohly die Trauerrede hielt. Die offizielle Trauerfeicr findet Dienstag nachmittag in der Dreifaltigkeitskirche statt, an der sich Bundesrat, Reichstag, Staats- und Reichs behörden offiziell beteiligen werden. Der Kaiser wird sich durch den Kronprinzen vertreten lassen. Die Trauerrede hält hier Konsistorialrat Lahusen. Die Ueberführung nach dem Gute des Verstorbenen, Dönhofstädt in Ostpreussen, erfolgt am Dienstag abend, die Beisetzung in der Familiengruft am Donnerstag. Zur Beisetzungsfeierlichkeit werden sich vom Reichstagspräsidium Erbprinz v. Hohen lohe oder Graf Schwerin-Löwitz nach Dön hofstädt begeben, die Fraktionen werden ebenfalls ein bis zwei Vertreter entsenden. Die n a t i o n a l l i b e r a l e Reichstags fraktion hat in ihrer Sitzung am Montag das Gedächtnis des verstorbenen Reichstagspräsidenten Grafen zu Stolberg-Wernigerode durch Erheben von den Sitzen geehrt. Ferner hat die Fraktion einen Kranz am Sarge niedergelegt und der konservativen Fraktion ihr Beileid ausgesprochen. Dem Begräbnis werden namens der Natio- nalliberalen beiwohnen Dr Paasche als früherer Kollege im Präsidium und Abg. Rimpau als Mit« glied des Bureaus. Sitzung des Zentralvorstandes der national liberalen Partei. Für die Sitzung des Zentralvorstandes am 13. März ist folgende Tagesordnung vor gesehen: 1) Zuwahlen; 2) Erstattung des Jahres berichts für 1909 durch den geschäftsführenden Aus schuss; 3) Die preussische Wahlrechtsvorlage. Referent Abg. Schiffer; 4) Anträge. Ankunft des Gouverneurs o. Schuckmann. Gouverneur v. Schuckmann, dessen Abreise aus Südwestafrika von uns gemeldet wurde, benutzt zu seiner Fahrt nach Deutschland den Dampfer „Kron prinz" der Woermann-Linie, der am 18. Februar von Swakopmund abgefahren ist. Die Reiseroute führt zunächst nach den Kanarischen Inseln, dann wird Ant werpen am 10. März angelaufen und Hamburg am 13. März erreicht. Es ist demnach anzunehmen, dass der Gouverneur am 14. oder 15. in Berlin eintreffen wird. Neue Protestversammlungen. Frankfurt a. DH, 22. Februar. (Privattelcgramm) Am Mittwochnachmittag werden hier neun grosse Prote st Versammlungen gegen die Wa h l- reform stattfinden. Die bürgerliche Presse äußert sich sympathisch zu dem Plan. Aussehen erregt die Nachricht, dass hundert Kriminalbeamte aus Berlin in diesem Jahre nach Frankfurt kom men sollen. Es heisst, dass diese Massnahmen getroffen wurde, weil die Frankfurter Spitzel der Bevölkerung schon zu gut bekannt sind. Die Debatte über die Thronrede im englischen Parlament. Beide Häuser des englischen Parlaments haben sich noch am Montag mit der Thronrede beschäftigt. Es liegen darüber folgende Nachrichten vor: London, 22. Februar. (Tel.) Die Debatte über die Thronrede im Unterhaus, der Prinz Hein rich von Preutzen auf der Galerie für vornehme Fremde beiwohnte, begann vor dicht besetztem Hause, da eine grosse Spannung herrschte in bezug auf die Erklärung, die von dem Premierminister über die Regierungspolitik erwartet wurde. Nach den üblichen Reden zur Unterstützung der Adresse sagte Balsour, er begrüße mit der grössten Genugtuung die An kündigung in der Thronrede in bezug auf die Marrne und vertraue darauf. Dies bedeute, dass die Regie rung entschlossen sei, die Lage ins Auge zu fassen und ohne Rücksicht auf die Kosten für eine ange. messens Flottenverteidigung des Reiches zu sorgen. Das Land habe sich in der Budgetfrage ausgesprochen; es sei n i ch t g a n z sicher, was es zum Ausdruck gebracht habe (Gelächter), aber in jedem Fall« sprach es seine Ansicht aus, und wenn das Budget eingebracht würde und eine, wenn auch nicht begeisterte, so doch numerisch genügende Unterstützung des Hauses er halte, so würde es Gesetz werden. Ich wünsche, dass jemand nach der Wahl sagen könne, was die Meinung des Landes sei sowohl in bezug auf Home- rule, Oberhaus oder Budget, und frage daher, ob es möglich sei, eine einzige Versammlung mit einer Macht zu betrauen, die Verfassung von Grund aus abzuändern. Premierminister Asquith wies darauf hin, dass die Thronrede wohl die kürzeste sei, die es jemals gegeben habe, da sie sich in der Hauptsache nur mit den Beziehungen der beiden Häuser zu einander befasse. Abgesehen von der nötigen Vorsorge für die Finanzen, sei dies eine einzige Frage, an die die Regierung heranzutreten beabsich tige. Was die Frage der sogenannten Garan tien von der Krone anlange, so habe er keine solchen Garantien erhalten oder zu erhalten ge wünscht, denn es sei Pflicht des verantwortlichen Staatsmanns, den Namen der Monarchie und die Prärogative der Krone bei der Politik möglichst aus dem Spiele zu lassen. (Beifall bei den Oppositio nellen.) Niemand könne bestreiten, dah im gegen wärtigen Unterhause die überwäl tigende Mehrheit sich dafür verbürgte, die Frage des Oberhaus-Vetos zu regeln. Die Regierung schlage zunächst vor, mit den Reso lutionen bezüglich der Vetos vorzugehen, die später nach Annahme der Bill einverleibt werden sollten. Die Regierung sei der Meinung, dass dieses Verfahren sich rechtfertige durch die Wichtigkeit der Vorschläge, die die Umformung des konstitutionellen Systems Englands bedeuten. Das Verfahren würde das Haus in den Stand setzen, möglichst früh eine Billigung oder Nichtbilligung der Vorschläge der Regierung auszusprechen und der Regierung zu er kennen geben, ob sie die Billigung des Hauses habe. Asquith wies dann auf die zahlreichen Ausgaben hin, für die vor Schluss des Finanzjahres bis zum 31. März gesorgt werden müsste, wenn die Regie rungsmaschinerie nicht zum Stillstand kommen sollte. Bis Mitte April hoffe er, mit dem Budget fertig zu sein und die Oberhausfrage würde dann nach den Ferien vor Ende der Session erledigt werden. Das frü here Budget sollte nur in einigen ver hältnismässig unwesentlichen Punkten ab geändert und das Haus ersucht werden, das Ge schehene nachträglich zu genehmigen, die von dem letzten Unterhaus« genehmigten Steuern wieder zu erheben und zu den Bestimmungen des früheren Budgets bezüglich der Landabschätzung usw. Geneh migung zu erteilen. (Beifall bei den Ministeriellen.) Die Regierung wünsche klar zum Ausdruck zu bringen, dass sie mit dem Budget und den Resolutionen, be treffend das Oberhaus, stehe oder fall«, da sie die beiden Punkte als den integrierenden Be standteil ihrer Politik ansehe und ihre Exi stenz daransetzen müsse, um diese im Unterhause durch zubringen. (Beifall bei den Ministeriellen.) Redmond (Ire) betonte zunächst die Unab hängigkeit der National! st enpartei und erklärte sodann: Wenn die Reaieruna ibm Sicher heit gäbe, dass dieDetovorlage noch in diesem Jahre zum Gesetz erhoben würde, würden die Nationalisten für das Budget stim men. Sie seien bereit, diesen Preis zu zahlen, aber nicht umsonst oder für etwas ganz Ungewisses. Sie hätten nicht den Wunsch, eine Krise herbcizufiihren, aber in dieser Angelegenheit könnten sie nicht mit verbundenen Augen vorgehen. Hierauf wurde die Debatte vertagt. Bei der Besprechung der Adresse auf die Thron rede (Oberhaus) erklärte Lord Lansdowne, wenn das Budget vom Unterhause angenom men würde, so werde dies auchvom Oberhausc geschehen. Er frage die Regierung, ob sic das Man- Theater, Kunst unü Mllenlchsk. Das zweite Leden. Drama in 3 Akten von Georg Hirschfeld. Uraufführung im Wiener Burgtheater am 19. Februar. Aus einer befremdlichen Voraussetzung gründet sich dieses Drama: dass ein Mensch unter dem Sezier messer des Anatomen vom Scheintode erwacht, dass er seine Dergangeheit völlig vergessen hat und nun ein zweites Leben führt. Der Dichter mag selbst das Bedenkliche und Unwahrscheinliche dieses Vorwürfe empfunden haben und war bemüht, ihn durch Milieu und Zeitstimmung plausibler zu machen. Er lässt nlso sein Drama im 17. Jahrhundert spielen, in den? unduldsamen klerikalen England der Stuarts. Auch die Wissenschaft, die freie Forschung ist arg bedrängt, am ärgsten die der Aerzte. Es ist ihnen bei schwerer Strafe verboten, Leichen zu sezieren, und sie können nur auf dem unheimlichen Wege zu ihrem Sludtcn- material gelangen, daß sie nachts Leichen aus den Gröbern rauben lassen. Das tut auch Dr. Arthur Lyde, ein fanatischer, wissensdurstiger Anatom, dabei ein schwerblütiger, grüblerischer Mensch, der sich vom wirklichen lachenden Leben, von den Frauen und von der Liebe enttäuscht abgcwendet hat. Da wird ihm eine Leiche gebracht, die erst 5 Stunden im Grabe ge legen hat. Es ist Evelin Gray, ein 19jährigss Mädchen, das von ihrem Vater zur Verlobung mit dem jungen Lord Warwick gezwungen worden war, und dies soll eigentlich ihre Todeskrankheit gewesen sein. Arthur verliebt sich sofort in die liebliche Tore, er scheut sich, sie zu sezieren, bis er zu seinem frohen Entsetzten bemerkt, dass es eine Scheintote ist. Sie erwacht und weiss nicht, was mit ihr geschehen ist, sie hat alles Vergangene vergessen. Nun sollte Arthur sie eigentlich ihrer Familie zurückgeben, aber dies könnte ihm selbst gefährlich werden. Und da er sich von Evelin nicht trennen will, verfällt er in seiner Ver liebtheit auf die Idee, dem verwirrten Mädchen eine ganz andere Vergangenheit und Lebensgeschichte zu suggerieren, worin er die Rolle des väterlichen Freundes und Retters spielt. Und auf Ja und Nein finden sich die auf dem Seziertisch Erwachte und der Anatom in einem zärtlichen Kuß... Er verlässt mit ihr England, wo er die Entdeckung fürchten muss, er heiratet sie und lässt sich in Florenz nieder. Evelin bekommt ein Kind, aber sie ist nicht glücklich und froh. Etwas Rätselhaftes zehrt an ihr: sie sucht sich auf ihr früheres Leben zu besinnen und vermag es nicht. Sie sehnt sich auch nach Menschen, nach dem lauten wirk lichen Leben, und gerade das meidet Arthur ängstlich. Denn eine Begegnung mit Landsleuten könnte Evelin zur Besinnung bringen, und sobald sie sich ihres ersten Lebens erinnert, hört sie auf, sein Geschöpf zu sein, und gerade deshalb liebt der seltsame Mensch sie ja so sehr. Bis der Zufall Evelin mit ihrem Bräutigam und mit ihrer Schwester zusammensührt. Mit plötz licher Wucht kehrt die Erinnerung an ihr früheres wirkliches Dasein zurück. Auch datz ihre Mutter vor Schmerz gestorben ist, erfährt sie jetzt. Aber als die eigentliche Schuld Arthurs empfindet sie es, dass er mit ihr gespielt, sie um ihr wirkliches, eigenes Leben betrogen hat. Erschüttert gibt er sie frei und tötet sich selbst. Auch Evelin hat in dieser Welt nichts mehr zu suchen und geht ins Kloster. Das Ganze mutet wie eine auf die Bühne ver irrte altmodische und schauderromantische Novelle an. In erzählender knapper Form mag der gesuchte Vor wurf erträglich und vielleicht sogar interessant und grausig grotesk wirken. Das dichterische Problem, um das es dem Autor offenbar zu tun war, nämlich den dämmernden Zustand eines Menschen zu zeigen, der ein zweites Leben führt und sich nach seinem ersten zuriicksehnt, lässt sich auf dem Theater kaum demon strieren. Es gibt in dem Drama manchen zarten und stimmungsvollen Moment, manches feine und ernste Wort, denn Georg Hirschfeld ist noch immer ein Dichter. Aber es ergeht ihm ungefähr wie der Evelin seines Dramas: seit seinen ersten grossen Erfolgen sühn er einen dämmernden literarischen Lebens« wandel und schwankt ungewiss zwischen Theater und Roman. Vielleicht besinnt er sich eines Tages wieder seiner dramatischen Vergangenheit. Es war vorauszusehen, daß dieses aus Krassheit, redseliger Monotonie und dichterischen Schönheiten wunderlich gemengte Stück dem Burgtheaterpublikum nicht zusagen werde. Nach dem ersten Akt herrschte eine befremdende, lautlose Stille; nach dem zweilcn gab's lauten Beifall, der hauptsächlich der zum Teil trefflichen Darstellung galt, namentlich Herrn Reimers und Frau Medelsky. Immerhin konnte der Dichter ost vor den Vorhang treten «ind der Abend schien gerettet zu sein Doch zum Schluss wurde das Stück mit einer ganz unvermittelten und ungebühr lichen Heftigkeit äusgezifcht. Aber dieses Zechen war wohl kaum dem sympathischen Dichter zugedacht, der bloss das Opfer eines unglückseligen Zufalls wurde. Es war nämlich die letzte Premiere unter Schlenther. I-uäivis Ilirscsikelä. * Berliner-Theater. Man schreibt uns aus Ber lin: Finnlands Leid hat Tor Hedberg — als Kri tiker schuf er sich in seiner schwedischen Heimat Rang und Ruf — zu einem breiten, gutgemeinten Tendenz fünfakter verkühlt. Alt die Melodie: die skrupellose Machtherrschaft der Russen über das unterdrückte, ausgebeutete Volk, der Hass und das geheime Rache werk der Revolutionäre, das Attentat. Und der Gouverneur wird wirklich erschossen. Aber nicht der unge Ulfftjerna, der sich nach heissem innere Kamps , ur Tat entschloss, vollführt sie: Johan Ulfftjerna, sein ebensfremder Vater, der Träumer und Dichter, der pät die „N e u e I u y e n d" begreift, der sein eigenes zweckloses Dasein erkannt und noch einmal wenigstens „wirken" will, der Alte vollführt sie für den Sohn. Finnland ist um einen Unterdrücker ärmer, Finnland verzeichnet einen Märtyrer mehr Aber so flammend Tor Hedberg seine Tendenzen sich dachte, so erkältend zogen sie über die Buhne. Sie dehnten die Dialoge, sie dehnten die Szenen, sie predigten die Philosophie, die Theorie des Enthusiasmus, die das Leben er schlugen. Der junge Ulfftjerna trifft die Gefährtin seiner Freiheitsträume: aber auch hier bleibt der Pulsschlag nur matt, den das Leben durch Hcdbergs Szenen schickt. Und nur die Tendenz rettete dem Dichter vor den tendenzfrohen Besuchern des ..Schillertheaters" immerhin einen hübschen Erfolg. Sie erwärmten sich um so rascher, als die Darsteller zum Teil wenigstens mehr Lcbensfeuer mitbrachlen als der Autor: Leopold Swald vor allem zeichnete seinen alten Ulfftjerne käst so wahr, dah man ihm auch im Leben glauben könnte. * Stuttgarter Theater. Unser Stuttgarter Theater referent schreibt uns: Die hiesigen Theater- und Literaturfreunde hatten die noch nirgends sonst ge botene Gelegenheit, des Sturm- und Drangdichters Heinrich Leopold Wagner wildaenialisches Trauer spiel pDie Kindermörderin und wenige Tage darauf Hebbels „Maria Magdalena" zu sehen: sie konnten also nach lebendiger Darstellung Vorbild und Nachschöosung vergleichen. In den Motiven hielt sich Heobcl grossenteils an das ältere Werk: Hier wie dort die Härte des Vaters, welche die Tochter verzweifeln lasst, hier wie dort ein Diebstahl und rohes Eingreifen der Justiz, hier wie dort der plötzliche Tod der Mutter. Beide Dichtungen sind in gleichem Düster, von Anfang bis zum Schlüsse grau in grau gehalten, doch weichen sie in Tendenz, psychologischer Entwicklung der Charaktere und im Stile des Dialogs weit voneinander ab, besonders fiel auf, dass die Sprache des Aelteren viel reali stischer ist, als die des Jüngeren, dessen Wert reicher ist an poetischer Kraft und Stimmungsreiz. Beide Aufführungen übten starke und tiefe Wirkung, obschon nicht alle Rollen glücklich besetzt waren. Die Aufführungen der „Kindermörderin" erfolgten im Königl. Wilhelmatheater, die neucinstudicrte Aufführung des Hebbelschen Trauerspiels im eigent lichen Hoftheater (Interimhause). Die Oper brachte in letzter Woche eine Neueinstudierung des seit vielen Jahren nicht mehr gegebenen Werkes „Hans Hei ling" von Marschner, für dessen Hauptpartien, Hei- ling und Anna, unsere Bühne gegenwärtig in Neu- dörffer und Erna Ellmenreich besonders geeignete Kräfte besitzt. Die von Hofkapcllmeister Band und Oberregisseur Gerhäuser mit liebevoller Sorgfalt und feinem Verständnis für Marschners Eigenart geleitete Ausführung fand aber beim Publikum nur matten Beifall. — Das Rcsidenzthcater (Di rektion Samst) brachte vor einigen Tagen eine Ur aufführung: „Brandung", Drama von Wilhelm Eichbaum-Lange. Das neue Stück schildert die Schicksale einer Studentin der Medizin, die mit ihren sehr freien Ansichten über Liebe und Ehe An stoss erregt. Nach heftigen Kämpfen mit ihrer Fa milie wird die Studentin Krankenschwester und lässt ihren Geliebten, einen vermögenslosen Gelehrten, auf eine Forschungsreise nach den Tropen ziehen, in der Hoffnung, dass er einst wiederkehrt und sie heim führt. Das schwächliche, geringwertige Schauspiel »and den üblichen Premierenbeisall: der anwesende Autor wurde mit den Darstellern wiederholt hervor gerufen. * Ein neue» Theater in Bremen. Im Herbst dieses Jahres wird Bremen, wie der „Berl Morgenpost" von dort berichtet wird, eine neue Bühne erhalten, die hauptsächlich dem Drama gewidmet sein und da her auch den Namen „Bremer Schauspiel haus" erhalten soll. Das für das neue Unternehmen erforderliche Kapital ist bereits in Bremen gezeichnet. Das Theater wird gegenüber dem Technikum errichtet werden. Der Bau ist dem Architekten Ostwald übertragen worden. Der Zuschauerraum ist aus 840 I Plätze berechnet.
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