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2. Seils,e. vienstsg, LS. Mlly ISIS.Leipziger Ta-Matt.Nr. SS. 104. 2sl>rgsng. Das Unoergehtiare. Roman von Leonie Meyerhof-Hilde ck. (Nachdruck verboten.) Drittes Kapitel. Josefa von Leytritz stand am Fenster und blickte in den strömenden Sommerregen hinaus. Bis jetzt hatte sie noch gar keinen Begriff davon, wie schön Eggersberg war — nein, sie konnte noch keinen Begriff davon haben! Walter und mehr noch Viktor mit seiner Schwärmerei für das liebe Fleckchen Erde waren geradezu beleidigt, wenn sie nur den Mund auftat, um irgendeine Bemerkung über den Ort oder die Gegend zu machen. Zn den acht Tagen ihres Hierseins war kaum eine Tagesstunde regenfrei gewesen. Fast täglich war Viktor vom Gute heraufge kommen. Beobachtend strich er um die neue Er scheinung herum. Ihre zarte Schönheit mit dem elfenbeinsarbigen Teint und den dunkelbewimpertcn schwarzen Augen freute ihn; sie war ihm ein schönes, bewundernswertes Bild, an dem er sich nicht müde sehen tonnte. Aber sie blieb ihm ein Bild. Er wußte nicht recht, was er mit ihr sprechen sollte. Er machte täglich ein paar Witze über das Wetter, über die sie sehr reizend lächelte, und entwarf immer wieder Programme für künftige Ausflüge und für ein Gartenfest auf seinem Gute; er fragte sie nach dem Gute ihres Vaters, von dem sie nichts Charakte ristisches, nur ganz allgemein gehaltene Beschrei bungen zum besten gab. Er konnte den Schlüssel zu dieser Natur nicht finden. Schon bevor sie kam, hatte er erfahren, das; sie einer sehr frommen Familie angehörc, und daß sie eigentlich Nonne, dann aber, infolge eigener Krank heit, barmherzige Schwester hatte werden wollen. Ihr Vater, trotz seiner kirchlichen Richtung, war ihrer zarten Gesundheit halber nicht mit diesem Plane ein verstanden. In der Tat wurde sie, kaum das; sie einige Tage, nur erst zur Probe, im Krankenhause Dienst getan hatte, selber leidend. Vielleicht würde ihr Vater ihr den Aufenthalt in einem Hause von einer ihm so fremden Eeistesrich- tung, wie das der Familie Ambusch, nicht gestattet haben, wenn er nicht gehofft hätte, sie mit deren Hilfe ihrer Neigung für das Klosterleben abwendig zu machen. Auch mochte er sich der Hoffnung hingeben, daß Josefa in Eggersberg oder im nahen Hildesheim einem Manne begegnen würde, dessen Stellung und Wesensart ihn zum Gatten für das schöne, ver mögende, kindlich fromme Mädchen geeignet mache. Viktor von Heroldt gab sich zuerst geradezu ein wenig Mühe, sich in Josefa zu verlieben. Seine Neigung für Lisbeth quälte ihn; er mutzte diesem hoffnungslosen, unseligen Gefühl eine Wirklichkeit, eine Pflicht entgegenstellen, die es auf seine frühere Grenze, auf eine starke Frcundschaftsempfindung zu rückführte Es war so reizend, wie sich Josefa mit Eni beschäf tigte, so hübsch, wie sie Lisbeth im Haushalt, in der Küche half. Jener eigene Zauber umgab sie, der über jede, noch so prosaische Beschäftigung Verklärung jtrahlen läßt Er glaubte zu fühlen, datz sie ein Interesse für ihn empfand. Sie blickte lebhaft und scheinbar erfreut auf, sobald er eintrat. Aber wenn er sie anredete oder in sein Gespräch mit den Freunden hineinzu ziehen suchte, blieb sie scheu und wortkarg. Es war ersichtlich, datz die Themata, die man hier im Hause anschlug, ihr nicht geläufig waren, datz der Ton sogar sie fremd berührte. Jedesmal, wenn Viktor kam, nahm er sich vor, datz er sich heute fast nur mit Josefa unterhalten wolle — und nach einer Viertelstunde war er in ein lebhaftes Gespräch mit Lisbeth und Walter verwickelt, bei dem Josefa die fast stumme Zuhörerin spielte. Von irgendeinem belletristischen oder wissenschaft lichen Buch, von einer Ansicht über Kunst oder Leben, von Ereignissen oder von Gegenden mochte die Rede sein — sie sah still da, die Hände ineinandergelegt oder mit einer Handarbeit beschäftigt. Oft blickte sie den Redenden mit einem angestrengten Ausdruck nach den Lippen, als gebe sie sich Mühe, dem Gespräche zu folgen, in seinen Geist einzudringen. Sobald jedoch ihr Gefühl erregt ward, war sie mitgerissen bis zum Zittern, zum Weinen, zum Lachen Dann war sie widerstandslos. Und widerstandslos war sie auch, wenn Walter ihr plötzlich eindringlich mit einem „Sie sollen — Sie müssen!" kam. „Fräulein Josefa, Sie sollen jetzt heiter sein — Sie müssen jetzt fühlen, wie schön die Wiese sich vor dem bläulich verschleierten Walde aus nimmt" Sie hinwider machte ihn manchmal stutzig, wenn sie ihn mit ihren ernsthaften Schwärmeraugen lange anblickte und ihm sagte: „Sie sind nicht auf Ihrer rechten Bahn, Herr Doktor. Ich wüßte wohl, wo Sie Glück und Ruhe fänden.... Aber Sie wollen ja nicht glauben " „Vielleicht wollte ich, wenn ich könnte", erwiderte er ihr einmal. „Wenn Sie wollten, könnten Sie", sgate sie mit einem Ton, der ihm plötzlich einen Schauder über den Rücken jagte. Er sah sie an; ihr Blick ging in unbe kannte Fernen Er blieb eine Weile unter diesem Eindruck. An diesem Tage sagte er zu Lisbeth: „Wer so glauben könnte, wie Josefa. . .. Immer wieder den gleichen festen Punkt finden — von jeder Stelle der eigenen Peripherie aus .... Nur hingreifen — und sofort den Stab in Händen halten, der nie zerbricht " Lisbeth sah ihn groß an. „Ich habe mich oft geängstigt, datz du zuviel Macht über sie gewinnst — datz du ihren Willen immer weiter schwächst . . . . Aber heute sieht es beinahe umgekehrt aus Das ist ja wie ein Spiel, in dem bald der eine, bald der andere die Oberhand hat!" „Könntest du glauben?" beharrte er. Sie war eine Weile still. „Ich kann empfin den, auch da, wo ich nicht begreife", sagte sie end lich. „Glauben —? Glauben heitzt: gewiß sein .... Das kann man sich nicht geben." „Ich glaube, ich könnte es .... In der Verzweif lung, in der Einsamkeit.... Es muß ein gewaltiger Rausch sein ich möchte ihn einmal kosten." Seine Augen blickten wie die Josefas. Lisbeth empfand wieder die unbehagliche Beschämung, die sie stets beschlich, wenn sie ihn in dieser Stimmung sah, in der Ueberschwang und Pose sich mischten. „Ach — laß doch!" sagte sie beklommen. Da lachte er und fragte sehr vergnügt, ob sie eifer süchtig sei. Ach nein, das war sie nicht. Aber sie sagte nicht nein — sie fühlte, wie ihn ein solcher Gedanke be glückte. Sie wußte ja, wie glühend sie von ihrem Gatten geliebt war; manchmal tat es ihr weh, mehr Gefühl von ihm zu empfangen, als sie ihm zurück geben konnte. .. . Vielleicht war es gerade dies: datz sie nicht um seinen Besitz zu bangen brauchte? Und daß der Gedanke an Viktor sie zu beunruhigen be gann, weil sie sah, wie er in weiten Kreisen um Josefa herumging? Es war ihm nur zu wünschen, datz er heiratete. Und für sie selbst wäre es auch das beste gewesen, damit endlich diese törichte Erinne rung an — an Vergangenes begraben und mit einem festen Stein zugedeckt würde. Und um den Stein her sollten lustig blühende Rosen gepflanzt werden, die nichts, gar nichts wußten von dem, was drunter lag... Lisbeth freilich würde dabei verlieren. Sie würde dann nicht mehr die Erste für Viktor sein — müßte sich mit einer lau werdenden Freundschaft begnügen, die für sie übrig blieb. . . . Wäre das vor einem Jahre — oder nur vor einem halben Jahre gewesen — ja nur, während sie mit Walter in Hannover war! Denn jetzt war das alles schwerer für sie ... . Aber überwinden würde sie es, das war sicher. Und für Walter wäre es solch ein Glück, von seiner Neue und seiner Furcht geheilt zu werden. . .. Und das war die Hauptsache. . . . Heute ging sie unruhig im Hause umher, um allerlei vorzubereiten und anzuordnen, damit das Dienstmädchen seine ganze Zeit dem Kinde widmen könne. Denn Viktor wollte Josefa gern ein Stückchen Volksleben zeigen: er hatte versprochen, das junge Mädchen und die Freunde mit einem Jagdwagen zum Croppenfelder Schützenfest abzuholen. Eine gemeinsame Bekannte, eine alte englische Dame, die jenseits des Urd — „obern Barge" sagten die Bauern — in einem andern Dorfe Sommerfrische hielt, wurde jeden Augenblick erwartet. Der Wagen ihres Wirtes sollte sie über den „Barg" bringen. Mrs. Klinton, seit Jahren ein stets wiederkehren der Sommergast in Westerode, hatte eines Winters den Freiherrn v. Leytritz und seine Kinder in Rom kennen gelernt. Nun freute sie sich, das junge Mäd chen bei gemeinsamen Bekannten wiederzufinden. In der altmodischen Kalesche des Westeroder Gast wirtes kam sie jetzt ins „Eckchen" gerumpelt und ent stieg ihr, in. einen Regenmantel von grotesker Form losigkeit gehüllt. Josefa eilte ihr entgegen und küßte das gelblich-weiße kleine Gesicht, in dessen welke Haut sich unzählige Kreuz- und Querfältchen, zu sammenhängend wie ein Netz, eingegraben hatten. Gleich darauf fuhr auch Viktor vor und trat in das Haus, sehr zufrieden, seine vier Gäste zur Abfahrt bereitznfinden Und fünf Minuten später waren alle in dem offenen, gelben Jagdwagen einquartiert, der die abschüssige Dorsstraße hinunterrasselte, der Ebene zu. Viktor fuhr selbst; neben ihm saß der Kutscher, steif und unbeweglich in seinem nassen Wachstuchmantel und Hut, glänzend wie eine frisch lackierte Holzpuppe. Im Wagen entspann sich ein lustiger Kampf der Regenschirme, die einander ins Gehege kamen. Waller neckte die Damen, und zur Strafe ließ feine Gattin ihm ein paar Tropfen von ihrem Schirm in den Nacken laufen. Josefa, von der allgemeinen Heiter keit fortgerissen, lachte herzlich und gab sich freier und lebhafter als sonst. Ja, sie wurde schließlich so ange regt, daß sie, von allen Seiden geneckt und gefragt, in den Mittelpunkt des Gespräches rückte. Da Lisbeth dies merkte, wurde sie still und begnügte sich mit der Rolle der Beobachtenden. So oft es ihm seine Pferde erlaubten, wandte Viktor seinen Kopf nach dem Wagen zurück und hörte Josefa zu. Ein paarmal schweifte sein Blick zu Lis beth ab, aber immer wieder ließ er ihn zu Josefa zu rückwandern Er hat recht, dachte sie. Das Mädchen ist schön und gut und harmlos. Vielleicht kann er sie sich, suggestibel wie sie ist, nach seinem Geschmack erziehen, ihren Jnteressenkreis erweitern und dem seinigen nähern. Und sie wußte, datz sie die leise Pein, die sie bei diesem Gedanken erfaßte, überwinden würde. Denn unbewußt würde Walter ihr helfen —: er würde zu seiner früheren Art, sich zu geben, zurückkehren. Jetzt war es, als habe sein Mißtrauen die Ungleichheiten seines Wesens aufgedeckt, wie ein Bergwasser die nivellierende Erdkruste von einem Felspfad fort spült, so daß der darüber hinwandernde Fuß von jeder Kante, jedem Eeröllstückchen gepeinigt wird. Jetzt bemerkte sie, daß auch Walter verstummt war, und daß seine schönen braunen Augen den un ruhig forschenden Ausdruck angenommen hatten, den sie jetzt so oft in ihnen fand. Da sie ihm sehr nahe saß, gab dieser starr auf sie gerichtete Blick ihr ein Unbehagen. Nun nahm er auch noch ihr Handgelenk zwischen seine Finger. „Warum fühlst du mir den Puls?" fragte sie lachend. Sie war in diesem Augenblicke froh, ihn ein wenig quälen zu können, in dem Gefühl, daß er es verdiene. „Auf diese Weise soll man ja Gedanken lesen können", sagte er nach einer Weile mit unfrohem Lachen. „Das kann man", fiel Mrs. Klinton ein, die die letzten Worte Viktors gehört hatte. „Aber Frau Doktor mutz dann ganz intensiv in eine einzige Vor stellung vertieft sein." „O — das ist sie stets. In eine ganz bestimmte Vorstellung. Zn etwas, das hätte geschehen können — aber nicht geschehen ist. Sonderbar — nicht wahr, Mrs. Klinton?" „Ich weiß nicht, was Sie meinen, Doktor Am busch?" sagte Mrs. Klinton neckend, „vielleicht ist es die Vorstellung, datz ihr Gatte ein wenig liebens würdiger sein könne —" „Drücken Sie es so aus, datz sie einen liebenswür digeren Gatten hätte —" „Das ist ganz dasselbe." „Sticht ganz, verzeihen Sie." (Fortsetzung folgt.) * * (Auf Wunsch wird der Anfang dieses Romans neu hinzutretenden Abonnenten kostenlos nachgeliefert.) kksrifs/iror! Lin Worl . - SN 8io bei Logillll ckor 8aisov. 8illä 8ie mit Ihrem Leiten rutriecken? Hatten 8io unter vorzeitiger ^.bnntrung oclvr Octoktsn rn leiäsn? Lin virklicb guter Leiten enthebt 8is äss Xergers unck kost spieliger Reparaturen ebenso wie eine wirklich gute Taschenuhr. >Varum verlangen 8ie nickt riss Ossis, vas äio Reitentecknik kervorLudringen vermag? 8ie können es ?u massigen kreisen bei jeäem Lahr- raähLnäier Haden. 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