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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100331016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910033101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910033101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-31
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Monat
1910-03
-
Jahr
1910
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Nr. SS. 104. Jahrgang. C ltyaeNSirtlchaft trotz aller Müh« nicht beseitiy«» komm». -ahenlohe hat al, Ministervnisidmtt ««aeail-er den renitenten feudalen Landräte« «nd ReKeruna«prSfidenten einmal den Plan erwogen, einige Dutzend Landräte und Präsi- deuten auf einmal abzufetzen und seinen Lohn zu diesem Zwecke zum Minister des Innern zu machen. Er meinte, er konnte al« grober süddeutscher Stande,- bett den Katz de« östlichen Adels wohl ertragen: nach ihm werde nie mehr ein preußischer MinisterprSsident dazu den Mut haben. Er konnte den Plan nicht durchsetzen, dieser verwandelte sich in die Außerdienststellung einiger Beamten, die als Abgeordnete gegen den Kanal ge stimmt hatten und dafür nach einigen Jahren eine nm so glänzendere Karriere machten. Dost Hohenlohe dielen Plan nickt durchführen tonnte, ist wohl noch ein Glück. Selbst Schwerin hat 1858 bis 1859 als Minister de« Innern sich einer ähnlichen Mallen- a!>setzuug. welche die Liberalen forderten, widersetzt. Wir sehen in Frankreich die schlimmen Folgen des Umstandes, daß jeder Ministerwechsel einer so großen Zahl Präfekten die Stellung lostet. Eine lang same, in der Stille sich vollziehende Verände- i nng, wie sie Manteuffel im Offizierlorps vornaym, ist vorzuziehen. Unter Umständen freilich ist auch solche E> c w u l t k u r n i ch t z u v e r in e i d e n." Auch hier offenbart sich in Sckmollerv Beurteilung des Junkertums wieder das schon im Eingang monierte schwanken, das bei der Lektüre des Aussatzes keine rechte Befriedigung auskommen läßt. Neuen Vorstößen in fortschrittlichem Sinne — manche Landrätc und Nrqicrungspräsidei.ten im Osten ..mögen dem Bunde der Landwirte näherstehen als der Regierung" — folgt dann abermals ein bedeutsamer und zugleich bedenklicher Rückzug: ..Mögen beute noch da und dort einseitige Junker im Beamtentum vorkommen — eine Junkerherr schaft haben wir nicht. Männer w-e Derh- mann, Tirvitz, Delbrück, Dernburg. Sudow, Wermuth !.nd van jedem Verdacht einseitiger Junkertendrnzen frei; Moltke mag konservativ sein, für die Reform der Selbstverwallunq im liberalen Sinne hat er viel Stimmung" Weist Herr Professor v. Schmoller nicht, dast gerade aste diese Leute, eben weil sie viel leicht im Verdachte leidlich freiheitlicher Regungen stehen, sich erst quasi „herauspaukcn" müssen, um vor der Iunkcrclique Gnade zu finden, und dast sie dann gewöhnlich noch junkerlicher werden als die Junker selbst.' Und wenn Moltke, der preußische Minister des Innern, „konservativ sein mag", weshalb streben dann nach Schmollcrs eigenem Zeugnis die Junker die Ersetzung dieses Mannes ausgerechnet durch Herrn von Heydebrand an? Gewiß, der Adel und schließlich auch das Junkertum — beides braucht nicht immer identisch zu sein — sollen und können nicht völlig be seitigt oder ausgeschaltet werden, insofern geben wir Schmoller recht, wenn er sagt: ..Der Fanatismus dec Gleichmacherei ist überall vom Uebel." Aber die un begründete Vorherrschaft einer Kaste und die Aus beulung dieser Vorherrschaft in einseitigem Interesse eben dieser Kaste müssen beseitigt werden. Nicht die Privilegierten der Feudalzeit, sondern di? tüchtigsten Männer ans allen Schichten des Gegeuwartsstaates sollen zur Teilnahme an der Regierung berufen werden. Nicht also Konservierung der Junkerkaste, wie Schmoller schließlich vorschlägt, sondern deren Beschneidung, deren Einschränkung ist die Forderung des Tages Furchtbare Lilendshnkstsltraphe. Viele Urlauber getittetl lieber ein schweres Eisenbahnunglück, da» sich geG'rn bei Mülheim a. Rhein ereignet hat und bei dem viele Soldaten den Tod gefunden haben, be- ri-Nen uns folgende Telegramme: Köln, 30. März. (Priv.-Tel.) Der Lloyd« Erprehzng 174 fuhr heute nachmittag is/. Uhr bei M ii l h e i m a. R h e i n auf den P e r s o n e n- zng Dortmun d—M e tz auf. in dem sich zumeist MilitSrurlauber befanden. Der Anprall war s e h r h e f t l g. — Die Z a h l d « r T o t e «, meist Soldaten, wird aufvierzig geschätzt, außer- dem find eine Anzahl Person«« mehr oder minder schwer verletzt. Der Materialschaden ist sehr bedeutend. Köln, 30. März. (Tel.) Wie von zuständiger Seite mirgeteilt wird, sind über 1v Personen tot und gegen 30 mehr oder weniger schwer verletzt. Das Unglück ereignete sich an dem llebergang der Gladbacher Straße in Mülheim. Der Sie SetSuMen. Von Hermann Kienzl. Aus dem papierenen Chaos heb' ich ein Buch heraus das zu leben verdient, weil in ihm etwas vom ewigen Leben leuchtet. Daß es nicht bloß für die Mode des Tages geschrieben ist, wie die merstcn, will damit gesagt sein. Die Verfasserin des Buches bar einen geachteten literarischen Namen, aber sie gehört nicht zu denen, die aus dem lauten Markt ausgerusen werden: sie warf niemals ihr eigenes fort, uni der Menge zu frönen. Sie hat nie „Das Buch der Saison" geschrieben, aber ihre besten inner lichen Werk« („Ausgewanderte", „Mann und Weib", ..Mutkrrecht", „Was die Welt schuldig nennt". ,,Ist das das Leben") werden dauern, wenn die Effekte der Eintags-Triumphatoren verknallt, ihre Mode artikel veraessen sind. „Die Getäuschten", der neue Roman der Mite Kremnitz (Berlin, Concordia, Preis 2 -4t) hat nur 194 Setten. Von dem stürmischen Atem, der dramatischen Gewalt und der spannenden aufregen den Wirkung des Buches werden Leser, die sich gerne von hohen Wellen tragen lassen, erobert und gefesselt. Mite Kremnitz ist unbeirrbare Psychologin. Sic opfert nie der äußeren Wirkung die innere Wahr heit. Das psychologische Problem der „Getäuschten" ist aufgerollt: Line leiderfahrene Frau knüpft mit .weiselndem Herzen ihr« düstere Vergangenheit an rin spätes Glück. Anita, erster Gatt« hat sie schmäh lich mißhandelt und verlassen und ihr das Kind ge raubt dellen Spur sie nie wieder entdecken konnte. Der Gram um die verschollene Tochter nährt sich im geheimen fort. Al« ihr das Wunder neuer Liebe zuteil geworden. Sie weiht dem jüngeren, kränk lichen Mann«, einem Künstler, der sich ihr mit Seele und Sinnen ergab, die zärtlichen Rest« ihres Seins. Der Unterschied der Jahre erweitert noch die Geyen- sätz« von Mannes- und Weibeslieb«. Guido« Liebe ist Trunkenheit »nd Verlorenheit, ein restloses Sich- Keben und bedingungslose« Rehmen, ein mit ner- vöser Eifersucht geforderter Alleinbesitz. Anita« Huld hat überlegene mütterlich« Elemente. Der Ge- liebte ich zwar ihr alles, ist es aber doch wohl nur, weil ihr da« Schicksal da» Kind geraubt und nichts neben diesem neuen Glück gelallen hat. Die Liebe -u dem zweiten Gatten ist das Um und Auf ihres Realbesitzes, aber nicht ihrer Sehnsucht: die hängt im geheimen auch an dem verlorenen . . . Anita wahrt also in der Lieb« ihr von d«r Vergangenheit Leipziger Tageblstt. Militärzug wollte über Köln, Koblenz nach Straß, bürg fahren. Sin« amtliche Meldung über da, Unglück. Mülheim a. Rbein, 30. März. (Tel.) Amt. licheMeldung. Heute nachmittag gegen 2 Uhr fuhr der Luxuszug 171 auf den Militär-, urlauberzug 10 im Bahnhof Mülheim a. Rhein infolge Uebersahren» des Haltesignals auf. Von den Militärpersonen sind verschiedene tot sowie eine Anzahl mehr oder weniger schwer verletzt. Der Betrieb wird über die Güterzug gleise geleitet. Die Umleitung der Schnellzüge von Düsseldorf nach Köln Hauptbahnhof erfolgt über Neuß. Djer Wagen sind stark, die Loko motive und zwei Wagen leicht be schädigt. Im Lause der Nachtstunden gehen uns über das furchtbare Eisenbahnunglück, das an das Militär zugunglück beiOederanin Sachsen am 19. Septem ber 1895 erinnert, bei dem 8 von den Manöoern heim kehrende Soldaten getötet und 17 verletzt wurden, noch folgende Depeschen zn: Mülheim (Rhein), 30. März. (Eigene Draht- meldnng.) Das Eisenbahnunglück hat sich nachmittags um V s, Uhr ereignet. In dem Luxus zuge befanden sich II! bis 16 Passagiere, von denen niemand verletzt ist. Der Oberkellner des Luruszuges erhielt eine Kopfverletzung. Der Speisewagen wurde beschädigt. Der Luxuszug setzte schon um 5 Uhr nachmittags seine Fahrt nach Genua fort. Der Militärzug ist bereits heute vormittag um 9 Uhr 55 Minuten in Dortmund «'-gelassen worden. 20 Tote. Mülheim (Rhein), SO. März. (Eigene Drahtmeldung.) Im hiesigen städtischen Kranken hause befinden sich sieben Tote, in der Leichenhalle dreizehn. Ferner befinden sich im städtischen Krankenhaus« etwa dreißig ver wundete, darnnter zwanzig Schwerver letzte, im Hospital sieben Verwundet«, darunter vier Schwerverletzte. Unter den Verwundeten be findet sich auch ein Bahnbeamter. Der Eisenbahn minister v. B r e i t e n b a ch, der zur Besichtigung der neuen Strecke Köln-Südbriicke—Kalk zufällig hier war. weilt an der Unglücksstiitte. Die furchtbare Gewalt des Zusammenpralles. Mülheim (Rhein), 30. März. (Eigene Draht meldung.) Dem verwundeten Dahnbeamten, einem Schaffner des Militärzuges, wurde ein Bein amputiert. Das 7. Pionierbataillon ist mit den Auf räumungsarbeiten beschäftigt. Sämtliche Sanitätsoffiziere und Unteroffiziere der Garnison Köln-Deutz sind an der Unfallstelle, die einen grauen haften Anblick bietet. Die Unglücksstiitte liegt unge fähr 500 Meter vor dem Mülheimer Bahnhof am llebergang der Gladbacher Straße. Der Militär zug stand auf dem Geleise. Der Luxuszug fuhr von hinten in den Militärzug hinein. Die beiden letzten Wagen des Militärzuges wurden übereinander ge schoben, und auch di« beiden folgende« Wagen wur den teilweise zertrümmert. Der Militärzug hatte' Haltesignal, ob für den Luxuszug ein Haltesignal ge geben war, konnte bis jetzt mit Sicherheit noch nicht festgestellt werden. Die Lokomotive des Luxuszuges fuhr mit solcher Gewalt in den letzten Wagen des Militärzuges, daß beide eine kompakte Masse bildeten und durch Lokomotiven auseinander gezogen werden mußten. Die Rettungsarbeiten gingen schnell vonstatten. Ueber 100 Leichtverwundete. Mülheim (Rhein), 30. März. (Eigene Draht meldung.) Soweit bis zum Abend amtlich fest- gestellt wurde, wurden bei dem Eisenbahnunfall 10 Soldaten getötet und 39 sowie 2 Schaffner de« Militärzuges verletzt. Minister v. Dreitenbach ist persönlich auf der Unfallstelle anwesend. Die Schuld trifft den Lokomotivführer. Ein Ministerial- kommissar ist sofort an die Unglücksstelle geeilt. — Die Angaben der Zahl der Verunglückten schwanken bestän dig. da sich nachträglich noch leicht Verwundete gemeldet haben, die im Bahnhofsrestaurant Mülheim verbunden wurden. Ihre Zahl soll gegen 100 be tragen. Die verunglückten Soldaten gehören den in Straßburg und Metz garnisonierenden Regimentern 130 und 111 an und wollten aus Wanne, Hamm und Soest sich in ihre Garnisonen begeben. Der Gouver neur von Köln, General v. Sperling, besuchte die Verletzten. Ctaatsminister v. Breitcnbach fuhr abends 7 Uhr nach Düsseldorf weiter, nachdem das Zngs- sowie Stellwcrkspersonal in seiner Gegenwart ver hört worden war. Deutsches Keich. Leipzig, 31. März. * Auszeichnung. Der König hat dem Präsidenten des Evangelisch-lutherischen LandeskonsistoriumsWirk- lichen Geheimen Rät >>. v. Zahn bei seinem Ueber- tritte in den Rustand das Großkreuz des Albrechts ordens verliehen. * In den Ruhe'iand getreten. Der König hat dem vortragenden Rat im Ministerium des Innern, Geheimen Rat Steglich, die erbetene Versetzung in den Ruhestand bewilligt. Steglich war im Ministe rium des Innern Referent für Handel. Schiffahrt und Zollwesen, außerdem Staatskommissar bci der Dresdner Börse und bei der Sächsischen Bodcucrcdir anstatt. Er ist 1840 in Grimma geboren, barte die dortige Fürstrnschule und dann die Universität Leipzig besucht und trat dann in den Verwaltungsdienst. * Die Vorlage über die Schisfobrtsabgaben wird dem Reichstage erst im Herbste zugehen, da die Vorlage im günstigsten Falle vom Bundesrate erst Ende April verabschiedet werden wird, vom Reichs tage vor der vor Himmelfahrt eintretendcn Ver tagung der Session nicht mehr beraten werden könnte. * Angebliche Briefe de« deutschen Kronprinzen. Die „Frkf. Zta." meldet: In der bekannten Cotton- wood-Copper-Äffäre, in der gegenwärtig in New Bork gegen den Finanzier Barnes wegen Unter schlagung von 30 000 Dollar verhandelt wird, legte Barnes einen angeblichen Brief des deutschen Kronprinzen vor, der an den Hauptzeugen Grafen Ferdinand v. Höchberg adressiert ist. Der Brief ist datiert: Potsdam, 11. Januar 1907. Er enthalt folgenden Passus: „Vor einigen Tagen verbrachte ich zwei Stunden mit Bülow. Papa ist jetzt viel gütiger zu mir, und wir sind uns einander viel näher gekommen." Der Kronprinz schrieb dann weiter: „Bleibe ein guter Deutscher, alter Junge, und werde nicht so ein alter amerikanischer Busineß-Man." Die angeblichen Briefe des deutschen Kronprinzen waren mit „Cäsar" unterzeichnet. Sie waren von Hochberg an Barnes verkauft worden, der sie aus noch nicht ersichtlichen Gründen begehrte. Die Briefe enthalten außerdem viele Hofintimitäten. — Die Sache klingt zu mysteriös, um wahr zu sein. * Das erst« Geschwader der Hochseeflotte trat am Mittrvockvormittaa mit Ausnahme der Linienschifrc „Westfalen" und „Nassau" von Kiel aus die Fahrt in die Nordsee an. um nach einer Uebung bei Helgo land nach Wilhelmshaven Lberzusiedeln. * Staatsbürgerliche Bildung, wie sie leider ist! Im „B. T." veröffentlicht Magistratsrat Dr. Kremski einen Aufsatz über die politische Bildung der Jugend höherer Stünde, der hosfentlich in dem Kultusministerium und an den höheren Lehranstalten die nötige Beachtung findet. Der berühmt gewordene Ausspruch des Herrn v. Oldenburg über die Auf lösung des Reichstages durch einen Leutnant und zehn Mann gab Dr. Kremski Veranlassung, unter ge bildeten jungen Leuten beiderlei Geschlechts Umfrage über den Grad ihrer Verfassungskenntnis zu halten. Das Ergebnis überstieg die schlimmsten Befürchtun gen. Es wurden nur zwei Fragen gestellt: 1) Hat der K a i s e r d a » R e ch t, den R e i ch s- tag durch einen Leutnant und zehn Mann mit Gewalt auseinanderbringen zu lasten, wenn er nicht nach seinem Willen handelt? und 2) Welchen Zweck hat denn überhaupt der ganze Reichstag? Dann heißt es in dem Aufsatz: „Um es gleich vorauszuschicken: die Kenntnis der gebildeten weib lichen Juaend von unseren Staatseinrichtungen er wies sich gleich Null. Seminaristinnen, Gouver nanten, ja sogar Lehrerinnen an höheren Töchter schulen erklärten offen, nichts davon zu verstehen. Sreben jüngere Offiziere aus den verschieden sten Gegenden Preußens, die Berliner militärische langer Jahre geformte» Sein. Aber in der Barm herzigkeit rst sie grenzenlos selbstlos, so daß sie irr jedem Augenblick bereit wäre, das Leben hinzuwer- fen für das Wohl des teuren Mannes. So kompliziert und so wahrhaft, wie die Natur einer feinen, vom Schicksal belasteten Psyche, ist die ser Grundriß. Darauf baut die Phantasie die Tra gödie. In das vor der Welt verborgene Liebesheim der zwei Menschen (am Lago Magarore) dringt das Dritte, das Fremde. Die verschollene Tochter, ein erwachsenes Mädchen, kehrt zur Mutter zurück. Die Dokumente besagen es: der Mann, der Anitas Ju gend und ihr Kind geraubt, sei tot, und hier ist das entwendete Gut! Das Herz Anitas spaltet sich. Ein fanatisches Muttertum verkettet sie mit dem Kinde. Und der Geliebte wird von Krämpfen der Eifersucht aus dem Wahn gerüttelt, daß er dieses Weib ganz besessen, daß er ihr das einzige gewesen . . . Das ist der dramatische Konflikt auch in Gerhart Hauptmanns „Eriselda". Aber in viel feineren See len wird hier der Kampf zwischen dem liebenden Manne und dem liebenden Weib geführt, der Kamps zwischen der Mann- und der Weibnatur. Und viel bedeutsamer ist die Tragödie des Konflikts. Bei Hauptmann ist es ein neugeborenes Kind, das die in der ganzen animalischen Welt bestehenden Rechte, also die Pflichten der Mutter fordert. Nicht die Individualität des dritten Menschen, nein, ein noch verschleierte» Werdewesen tritt in „Eriselda zwi schen Mann und Weib. Edith dagegen, di« Tochter Anita», ist ein vollkommen ausgewachsener Mensch. Line Individualität, auf deren Beziehungen zu an deren Individualitäten die geistigen und psychischen Gesetze volle Anwendung haben. Mite Kremnitz, Vie es stets vermeidet, theoretische Fragen doktrinär zu erörtern, beruht die Sonderheit de» Verhältnisses mit keiner Silbe. Sie läßt es nur geschehen, daß zwei wesensfeindliche Frauen — die homsinnige Anita und die durchtriebene, schamlose, diebische Dirne Edith — plötzlich in da» legitim beglaubigte Verhältnis von Mutter und Tochter geraten. Sie läßt es weiter geschehen, daß die Frau mit adligem Gemüt der Zucktyauspflanze den ganzen Reichtum mütterlicher Liebe vor die Füße breitet . . . Der männliche Leser erschrickt. Ist es möglich? Will die Natur solchen Wahn? Vernicklet sie mit ihren so oft heilig genannten animalischen Bedingungen die Veredelung des Menschentums, das doch nur au» der Wahrung hoher Persönlichkeiten und aus der geistigen Zucht- wähl Ebenbürtiger sprießen kann? Doch wir finden einen Spruch: Das Gesetz, da» die Henne zum Küchlein zieht, ist so wichtig für die allgemeinen Zwecke der Natur, daß ihm im Einzelfalie auch ein kostbares Opfer fallen darf. Die Dichterin bringt dieses Opfer. Das Liebesglück im Hause ist zerstört. Leidenschaften ballen sich drohend Und die Katastrophe bricht herein, als Guido, der eifersüchtige Gatte, der den Eindringling zuerst ge haßt und verachtet hat, von den Sirenenkünsten und der ruchlosen Sinnlichkeit der Dirne in die rote Woge gezerrt wird, die ganz über seinem Haupte zusam menschlägt. Er verläßt seine Frau und flieht mit deren Tochter zu wilder Licbcsfeier. Mite Kremnitz trifft nicht zum ersten Male mit scharfem Pfeil den „treulosen Mann. Im Kampf der Geschlechter steht sie, die das Ewige der großen Weibnatur emporträat, schwerlich je auf der Seite des Mannes. Auch hier ruft sie dre Frau beim süßen Mutternamen auf: gerade hier züchtigt sie die Eiier- sucht des Mannes mit dessen Untreue . . . Und doch! Die gestaltende Dichterin öffnet, ohne daß sie es will, vielleicht ohne daß sie es weiß, auch eine andere Perspektive. Sie enthüllt in dem Augen blick, da sie die willentliche Schuld des Manne» aufs höchste gehäuft hat ein Geheimnis, das zwar sein Handeln nicht entschuldigt, aber Anita um ihre „heilige Satzung des Muttertum»" in die Schuld hinabzieht. Die Dirne Edith, der Anita den Frieden ihrer Liebe „pflichtgemäß" geopfert hat, ist gar nicht ihre Tochter: ist eine listige Betrügerin. Und „die Stimme der Natur"? Schrillt nickt die hatte Ironie durch den Hochklang des evangelischen Worte«? Diese« angebliche Naturgesetz, das derart der läuschung und dem Betrug unterliegt, ist es die Gottheit, vor der aller Widerspruch der Einsicht, des Charakters zu schweigen hätte, sind die Opfer, die ihr gebracht werden, die Opfer der Vernunft, de, Ge- fithls, des Glücks, unter allen Unsttänden menschen würdig? Nicht da« Wissen oder Nichtwissen in der Mutterschaftsfrage kann für die bedeutungsvollere Frage entscheidend sein. Anita glaubte und fühlte doch wie die echte Mutter! Dieser Glaube, diese» Gefühl hat sie bestimmt, den Mann um das Erst- und Vorreckt ihrer Liebe zu berauben. Die Dichterin zwar, eine Fanatikerin des blinden Mut- tertums, schloß das Auge vor der eigenen Erkennt nis, aber der Leser erkennt klar: der mütterliche Aberglaube. Verschwender auf ein wesensfrem de«, wesensfeindliches Geschöpf, war die Schuld vonnerswy. 31. MSrz 1910. Institute besuchten, bejahten einstimmig die erste Frage. Einige erklärten, daß sie mit Be geisterung ein derartiges Kommando übernehmen und „feste in die Quatschköppe reinpfeffern lassen wür den". Nun zu den Studenten! Ein Jurist im ersten Semester erklärte frisch, fröhlich und frei: „Staatsrecht höre ich erst im fünften Semester. Vor läufig habe ich keine blasse Ahnung davon." Ein Mediziner im zweiten Semester hatte höchst unklare Begriffe über die Rechte des Kaisers und die Zn ständigkeit des Reichstages. Auch er gestand ohne weiteres dem Kaiser das Auflösungsrecht mit be waffneter Hand hinsichtlich des Reichstages zu. Ein evangelischer Theologe (viertes Semester) meinte, da der Kaiser entschieden das Recht habe, den Reichs tag auftulcsen, so könne er ihn auch nötigenfalls mit 'Waffengewalt auseinanderbringen lallen. . . . Den Vogel schoß aber ein klassischer Philologe ab, der eben auf einer kleinen Provinzialuniversität seinen Doktor geschasst hatte. Der stellte sich den Reichstag als eine Körperschaft mit nur beratender (!) Stimme vor, mit der der Kaiser so umspringen 'önne wie der selige Tiberius mit dem römischen Senate. „Der ganze Reichstag ist überhaupt Mumpitz. Die Regie rung macht doch, was sie will." Daß die eigentliche Reichsregierung beim Bundesrate liegt, wußten nur wenige der Besragten. Einige glaubten, daß in dieser Körperschaft kaiserliche Räte säßen, die den Reichs kanzler bei seiner Tätigkeit unterstützten. Ebenso zeigte sich bei Hörern der technischen, land wirtschaftlichen und tierärztlichen Hochschule dieselbe erstaunliche Unkenntnis der grundlegendsten Begriffe unseres Staatelebens. . . . Nicht weniger mangelhaft erwiesen sich die Kenntnisse der O b e r s c k » n d a n e r und Primaner unserer nermstusigen höheren Lehranstalten. Ueber den Un sinn. den man da zu hören bekam, könnte ein ganzes Buck geschrieben werden. Einzelne rühmliche Aus nahmen bestätigten nur die Regel, daß die weitaus größte Mehrzahl der Gymnasiasten und Neal gymnasiasten der drei obersten Klassen in tiefster Un kcnntncs ihrer staatsbürgerlichen Rechte heranwächst, und zwar in der römischen und der griechischen, aber nicht in der deutschen und preußischen Verfassung Be scheid weiß." — Schade, daß die Osterpriifungen schon vorüber sind, sonst würden wir empfehlen, z. B. an sämtlichen höheren Lehranstalten Sachsens gleich lautende Fragen aus dem Gebiete des deutschen und des sächsischen Staatsrechts an die Abiturienten zu richten und das Ergebnis der Beantwortung, die schriftlich zu erfolgen hätte, der Oeffentlichkeit zn übergeben. Vielleicht tragen aber diese Zeilen dazu bei, unseren Vorschlag beim nächsten Ostertermin zu verwirklichen. * Festlegung der Feiertage. Am Montag, den 4. April, abends Uhr. findet im Saaie des Lchrervereinshauses zu Berlin ein Hansabundvortrag des Generalkonsuls Ernst von Hesse-Wartegg über „die Festlegung der Feiertage und die Kalender reform in ihrer Bedeutung für das wirtschaftliche Leben" statt. Weiteste Kreise von Handel, Gewerbe und Industrie nehmen ein lebhaftes Interesse an der Festlegung der Feiertage, mit deren Schwanken bedeutende Schädigungen des Handels und des al! gemeinen Verkehrs verknüpft sind. Die Art dieser Festlegung, verbunden mit einer gleichzeitigen Ver einfachung des Kalenders, ist der Gegenstand obigen Vortrages. Dem Generalkonsul von Hesse-Wartcgg ist die Durchführung der Einheitszeit nach Stunden zonen auf dem Erdball — die „mitteleuropäische Zett" — zu danken. * Zum Strafverfahren gegen den Reichstaas abgeordneten Bruhn verlautet, oaH die Anklageschrift für den Beklagten nicht sehr günstige Momente aus weist und von der Annahme ausaeht, daß Bruhn einige Erpressunasaffären der „Wahrheit" tatsächlich gefördert hat. mindestens aber nichts getan hat, um die Unternehmungen zu unterbinden. Bruhn hat in der Voruntersuchung /stets versucht, sich als gänzlich unbeteiligt an den Machinationen der „Wahrheit" hinzustellen, die Verhandlung dürfte aber ein an deres Bild seiner Verlegertätigkeit ergeben. Man rechnet in unterrichteten Kreisen mit einer Ver urteilung Bnihns. Die Aussagen des Zeugen Dassel, der seinen früheren Brotherrn kaum schonen wird, werden sehr interessante Einblicke in die Be triebsiätigkeit der „Wahrheit" gestatten. * Sozialdemokraten al« Klrchenvorsteher. Aus dem Herzogtum Meiningen schreibt man uns: Ueber die Qualifikation der Kirchenvorsteher wurde in der leisten Sitzung der Landesjynode des Herzog tums Meiningen sehr eingehend verhandelt, .hierbei erklärte der nunmehr zur Disposition gestellte Meininger Obcrhosprediger Kirchenrot V. Graue: „Ein Kirchcnvorstcber muß kirchlich gesinnt sein. Bei der Qualifikation der Kirckenvorsteher soll man aber nicht so sehr darauf achten, was sie gewesen sind, als darauf, wasaus ihnenzu machen i st. Ich bin in Chemnitz, einer Hochburg der Sozialdemokratie, groß geworden. In manchen Bezirken gab es nur tmanMSSSSSSSSSSSäSSSmUSMi?»»« i»U« Anitas — und was sich daraus entwickelte, war Nemesis . . . So leuchtet dieses kleine Buch, das ohne lehrhafte Absicht entstand, mit der reinen Wahrheit seiner Gestaltung in die tiefen Geheimnisse, in die letzten Fragen des Lebens. Zu wundervoller Höhe erhebt sich das Ende. Guido stirbt. Seine verlöschenden Blicke laben sich an dem Engelsbilde der Frau, die in der Stunde der Gefahr die unbedingte Liebe gefunden hat, die nicht liebend verzeiht, nein, die liebend versteht . . . Anita vermag den Gelieb ten nicht zu überleben. Der kleine Roman „Die Getäuschten" ist eine große, weite Dichtung. Chester, Lunik unü MllerMakt. * Die Briefe an Hebbel von Amalie Schovpe sind soeben gefunden worden. Es ist das die edle Men schenfreundin, die den junaen, mit drückender Armut ringenden Dichter aus seiner dithmarschen Heimat 1835 nach Hamburg zog. Unterstützungen und Frei tische hatte sie ihm schon vor seiner Ankunft gesichert. In den von ihr herausgeacbenen Modeblättern er schienen auch im Anfang der dreißiger Jahre eine Anzahl seiner Gedichte. Eine Verösientltchung der Briefe steht bevor. * Frank Wedefi«d warnt im „Berl. Tgbl." vor dem Erwerb seiner Werke,, di« der Verleger Bruno Ca fiterer im „Berl. Borlenkourier" zum Verkauf ausschreibt. Wedekind erklärt, mit Tasfierer in argem Zerwürfnis und Prozeß zu liegen, befürchtet, in einer gegen ihn schwebenden Ehrenbeleidigungs klage zu Gefängnis verurteilt zu werden und ver mutet. daß der materielle Wert seiner Werke sinken würde. * Weingartner-Krill«. 2n Wien laufen momentan Gerüchte von einer bevorstehenden Demission des Wiener Hofoperndtrektor« Felix v. Weingartner um. Hierzu wird uns aus Wien folgendes tele graphiert: Die Meldungen über die bevorstehende Demission de» Hofopernoirektors Weingartner und ihre prompte Dementierung haben ihre Gründe nicht nur in künstlerischen Erscheinungen, sondern hauptsächlich in privaten Ereignissen. Man behauptet, daß Direktor Weingartner eine erste Sängerin aus privaten Gründen überall in den Vordergrund stelle. Ts handelt sich um Fräulein Luctlle Marcel, die sich übrigen« allgemeiner Von Sozi albe nur S rogdem iahrunge die sich i ließen s hineinzie hatte eil Vorsteher Schum Kirchenv >oll denn Kirchenv merzieiw deutschen anstandu Vorstand Haler K dcmokrar lichen E! bäuerlich Von der vofiteher * Der mann, ist gemeldet nachdem gekürzt h * De« afrika, de nie darst neur Gel maligen - einber den die 6 gewählt. Wnbft'n. i * Der Nach zw« dn m a g> aaner. P den F i n einer Koi — Neber Finnla H e l s i ii Zaren mai alle reda Bevölkeri- worden, d eine o c Separat« wird erst nehmen, sind in s gnügen öffentlich miisterhasi * Die rede, die 11 Uhr ft lautete: , außcrorde sind Jbn.e um entspr R - f o r m dauert di' Hinder schwere p gasi? zu e nete den ü zum Zweck Befestigun strcbungen der politi stger Aus bsr Gcleg, hin von o Autorität« seststcllen - einmütig wie es au» acht, wodi men hat, nickt gr iaijung daß dieier wird. Ei: Beliebthei auch künst dem Dirc Uebriaens der Wien, zu lasten. 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