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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.03.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100318022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910031802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910031802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-18
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
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Nmtrbkatt des Nates und des Nokizeianftes der Ztadt Leipzig. Anzeigen-))reiS iür Inserate au« (.'«wog und llmgcdunq d»e ügeipaliene 60 wm breite Petit,eile 26 4, bi« 74 luin breite Reklamejeile l cht »on auswärts ao ätellamen l.2t chx; Inserate «an Bebdrden m amtlichen Teil die 74 luw trcile Petit,eile »t ch Selchä tknn,eigen mit P atzvortchrtsten UN» tu der Abendausgabe >n> Prene ervobi- biadait aach Tarn. Beilagegebübr ä chs p. Tausend exk!. Post gebühr. Iefterteilie Lu!träge können nicht ,urück» gezogen werben. Für da« Erscheinen an bestimmten Tagen uns Plätzen wird lein« Äarantl« übernommen. Anzeigen-Annahme: Tlugulluäpla, 8, bei sämtlichen Filialen u. allen illnnoncen- iirpebltioncn de« Zn- und Auslandes. Pauvt-Filiale verltn: Lari D »ucker Heriogl. Bigr. Hofbuch- tandlung, Lutzowsliatzc 10. <Te>esllan V t, ^ir. «».ü). Haupt-Ailtale Lrcäben: Siellrabe «, 1 (Telephon 462l). Nr. 7S. Freilsg, ürn 18. Miir; isio. 104. Jahrgang. polMsche Nachrichten. Aus der Ersten Kammer. ?. Dresden, 18. März. (Priv.-Tel.) Die Erste Kammer erledigte heute 2 unwesentliche Etatkapitel und im übrigen lediglich Eisen bahnsachen, die in Uebereinstimmung der Zwei ten Kammer erledigt wurden. Nächste Sitzung, <1. April, 12 Uhr. Tagesordnung: Etatteile und Petitionen. Neue Erklärungen in der Zweiten Kammer. ?. Dresden, 18. März. (Priv.-Tel.) Zn der Zweiten Kammer ging es heute vor Eintritt in die Tagesordnung nochmals recht lebhaft zu. Geheimrat von Seydewitz gab zunächst eine Erklärung ab, das; der Zuruf in der Sitzung vom 9. März: „Und wenn alle Seydewitz längst verfault sind" mit seinem Einverständnis aus dem amtlichen Steno gramm fortgeblieben sei. Er habe geglaubt, eine derartige Sache solle in der Öffentlichkeit besser nicht breitgetrcten werden. Beleidigen können habe ihn der Zuruf nicht, denn solche Zurufe fielen seiner Meinung nach stets auf den Rufer selbst zurück. Präsident Dr. Bogel teilt dann noch mit, es sei ein Schreiben der sozialdemokratischen Fraktion beim Direktorium eingegangen, worin um Anstellung einer Untersuchung ge beten wird, ob, wie in mehreren Blättern behauptet werde, das Präsidium das amtliche Stenogramm zu beeinflussen gesucht habe. Die Angelegenheit werde zur Schlutzberatung auf eine Tagesordnung kommen, und er beyalte sich bis dahin Weiteres vor. Präsident Dr. Bogel verlas dann ein Schreiben, das ihm vom Ministerium des Innern zugegangen ist, und worin Mitteilung gemacht wird über die Unter suchung wegen Einfügung des Zwischen rufs „Pfui Teufel" in das amtliche Steno gramm. Daraus geht hervor, datz die mit der Zu sammenstellung der Landtagsbeilage des „Dresdner Journals" und der „Leipziger Zeitung" beauftragten Referendare gehört haben, wie Zournalisten darüber sprachen, datz der Zuruf „Pfui Teufel" gefallen sei. Infolgedessen hätten sie zweimal an den Finanzminister Dr. von Rüger tele phoniert und zwar noch abends spät, und von diesem die Ermächtigung erhalten, den Zuruf „Pfui Teufel" einzufügen. (Lebhaftes Hört! hört! im ganzen Hause.) Danach könne, da auch von zwei anderen Zournalisten angegeben worden sei, datz sie den Zuruf gehört hätten, den Referendaren nicht der Vorwurf einer Fälschung gemacht werden. Dr. Vogel erklärte im Anschluß hieran noch, mit den Worten „tatsächliche Fälschung" habe er lediglich sagen wollen, datz seiner Meinung nach eine un- befugteEinfügung stattgefunden habe. Die von der Regierung anders aufgefahte Frage, ob und unter die . auf Mittwoch, den 30. Marz, nachmittags 2 Uhr mit der Tagesordnung- Eisenbahnpetitionen. Eine Friedensrede des deutschen Botschafters in London. Auf dem Bankett der Internationalen Schieds- genchtslrga in London wurden Trinksprüche gehalten deren freundlicher Ton nur geeignet ist, die Besserung der deutsch-englischen Beziehungen zu stärken. Wir hoffen, datz diese Reden auch jenseits des Kanals die gebührende Beachtung finden. London, 18. März. (Telegramm.) Gestern abend fand im Hotel Cecil ein Festessen der Internationalen Schiedsgerichtsliga statt, auf dem zunächst der erste Kommissar für Ar beiten und öffentliche Bauten Harcourt den Vor sitz führte. Evans brachte einen Toast auf die eng lisch-deutsche Freundschaft aus und ging auf den Fort schritt des Echiedsgerichtsgedankens in den letzten fünf Jahren und besonders auf die Erneuerung des eng lisch-deutschen Schiedsgerichtsvertrages ein. In stür mischen Zeiten sei es gut, wenn man einen Mann habe, wie den deutschen Botschafter, der infolge seiner langen Bekanntschaft mit England imstande sei, die Schreiereien einiger wenigen richtig einzuschätzen, die sich bemühten, es fälschlich so darzustellen, als ob die Gefühle des englischen Volkes gegen Deutschland feindlich seien. Obwohl England stets ein scharfer Handelsrivale Deutschlands sein würde, vertrauten die Engländer seiner Meinung nach dar auf, datz sich niemals ein Grund zu einem offen siven oder defensiven Vorgehen gegen ein Land ergeben würde, mit dem sie in Frieden zu leben wünschten. Der deutsche Botschafter Graf Wolff-Mette r- nich antwortete ungefähr folgendes: Das deutsch-englische Verhältnis durchlief in den letzten Jahren verschiedene Phasen. Die Aussichten 7^5-^7 Änderungen zulässig seien, werde vonbeidenDrr - ktorien imEinvernehmen mit 7* ^lNerung geprüft werden und eventuell wäre das Weitere ,m Wege der Gesetzgebung zu veran.assen. Zur Geschäftsordnung teilt im Anschluß hieran H o f f m a n n - Meißen (Kons.) noch mit daß auch er den Ruf „Pfui Teufel" gehört habe. Es entsprnnt sich nun eine ziemlich lebhafte Eeschäfts- ordnungsdebatte, in der Abg. Roch-Annaberg (Fortschr^Vpt.), der nach rechts hinüber gerufen hatte: Das haben Sie wohl selbst gerufen!" noch einen Ordnungsruf vom Präsidenten erhält. Im übrigen beschließt man, die Sache heute weiter nicht zu verfolgen, sondern auf die Tagesordnung einer besonderen Sitzung zu setzen. Die Tagesordnung selbst, die lediglich Eisen bahnsachen enthielt, wurde ohne jede Debatte und ohne jedes Interesse des Hauses erledigt. Mit dem Wunsche froher Osterfeiertage entläßt dann der Präsident das Haus in die Ferien, nachdem er Sitzung anberaumt hatte waren nicht stets ungetrübt, es gab Augenblicke der Besorgnis, mindestens für mich, der ich nicht nur die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu beob achten habe, sondern auch bemüht bin, sie zu bessern. Gegenwärtig scheinen mir die Aussichten gün stiger als vor einiger Zeit. Die Vorstellungen, die eine Zeitlang die öffentliche Meinung zu beherrschen schienen, wurden immer deutlicher als abgeschmackte Uebertreibungen erkannt. Leider scheint es immer noch Leute in England zu geben, die Deutschland die schwärzesten Absichten zutrauen. Anderseits dürfte es eine Anzahl Deutscher geben, die dasselbe von Eng land annehmen. Aber es ist gleichfalls gewiß, datz dre erdrückende Mehrheit der Deutschen nicht den leisesten Wunsch hegt, mit Eng land einenStreitvom Zaunzu brechen. Ich glaube ebenso sicher, daß die überwältigende Mehrheit der Engländer keinerlei Verlangen hat, mit uns anzubinden. Zum Streite gehören zwei; aber hier ist noch nicht einmal einer, der den Streit sucht. Ich sehe daher nicht, wo die Gefahr eines Konfliktes liegen sollte. Doch unsere Beziehungen zeigen auch eine positive Seite. Wenn ich mich nicht sehr täusche, arbeiten mächtige Kräfte, unsere Beziehungen mit einem freundschaftlichen Gei st e zu er füllen, der den natürlichen Stand der Dinge bil den sollte. Solche Kräfte sind auch heute am Werke. Mit großer Befriedigung hörte ich die freundschaft liche, ernste Ansprache Sir Samuel Evans', die hoffentlich Früchte tragen wird. Die „Reform"-Debatte im englischen Qberhaus hat ihren vorläufigen Abschluß gefunden. Grund sätzlich sind die Peers einer Reform nicht abgeneigt; nur über Ziel und Art herrschen Meinungsverschie denheiten, die bei der in der nächsten Woche begin nenden Einzelberatung der Vorschläge Roseberys sicher zum Ausdruck kommen werden. London, 18. März. (Tel.) Das Oberhaus stimmte gestern einmütig dem Vorschläge zu, in die Einzel- deratungderRoseberyschenVorschläge einzutreten. Gegen Schluß der Generaldebatte sprach Lord Lansdowne die Hoffnung aus, datz das Reformprojekt nicht derart sein werde, daß es eine völlige Umwälzung Hervorrufe. Wenn dem Hause neues Blut zugeführt werde, werde man doch hoffent lich das alte Haus, die alten Traditionen und den alten Namen beibehalten. Ein beträchtlicher Teil des reformierten Hauses müße aus den von erblichen Peers gewählten Mitgliedern bestehen, denn kein Reformplan würde genügen, in dem nur eine kleine Gruppe erblicher Mitglieder verbliebe. Nach seiner Meinung ließe sich das Prinzip der Wahl und Erb lichkeit nicht gut vereinigen und deshalb schlage er vor, datz die Ergänzung durch die Ernennung von Peers auf Lebenszeit durch die Krone erfolge. Im übrigen sei er bereit, die Vor schläge Roseberys zu unterstützen. Hierauf erklärte Lord Erews, die Regierung gäbe dem Zwei kammersystem den Vorzug, weil sie über zeugt sei, datz dies den Ansichten des Volkes mehr entspreche. Er glaube, daß das Oberhaus schon stark genug ist und daß die unbeschränkte Ausübung der erblichen Macht den Wunsch nach der Reform des Hauses wachgerufen habe. Die Negierung erkenne die Notwendigkeit einer eingehenden Beratung der Reformvorschläge an, aber sehe die Be z i e h u n g e n beider Häuser zueinander als die wich tigste Frage an, deren Lösung dem Urteil des Landes überlasten bleiben müsse. Mit der Einzel beratung soll am nächsten Montag begonnen werden. Französische Korruption Den Schwärmern für französische Institutionen wird gegenwärtig ihre Freude an der Republik etwas vergällt. Es stellt sich immer mehr heraus, datz in Frankreich ein Korruptionssnstem verricht, wie es in andern Staaten mit weniger radikaler Regierungs form glücklicherweise nicht denkbar ist. Noch hat man sich öder den Duez-Skandal nicht beruhiat, da meldet der Draht schon wieder eine neue höchst verdächtige Betrugs- und Diebstahlsgeschichte: Paris, 18. März. (Tel.) „Matin" meldet aus Cherbourg: Die Polizei beschlagnahmte einen ganzen Wagen, der mit Materialien an gefüllt war, die von Diebstählen aus staat lichem Eigentum herrühren. Der Absender ist ein Altwarenkaufmann; die Waren gingen an einen Kaufmann in Direy. Unter dem gestohlenen Mate rial befanden sich auch 300 Kilogramm Lebel-Patronen, und zwar von einem Mo dell, das bisher noch streng geheim gehalten wurde. Der verhaftete Altwarenkaufmann weigerte sich, den Verkäufer anzugeben. Das Verhör wird fortgesetzt und es ist wahrscheinlich, daß noch wei tere Verhaftungen im Zusammenhang mit dieser Angelegenheit erfolgen. Paris, 18. März. (Tel.) In Algier wurden zwei Arbeiter der Militärpatronenfabrik verhaftet, die seit ungefähr 2 Jahren f ast tag« lich übcrllKilogrammMatcrialienge- stohlen haben. Der Duez-Skandal norm französischen Senat. Das Ministerium Briand sitzt doch fester im Sattel, als seine Gegner wähnen. Bei der Beratung der Interpellation über den Duez-Skandal im Senat ge lang es dem Zustizminister Varthou und dem Mi nisterpräsidenten Briand den Sturm durch die Er klärung zu beschwören, datz die gerichtliche Unter suchung mir äußerster Strenge gegen alle Schuldigen geführt werden solle, und datz ferner die Liquidation der Verwaltung übertragen werden solle. Darauf hin wurde der Regierung das Vertrauen des Sena s mit überwältigender Mehrheit ausgesprochen. Im einzelnen liegen folgende Telegramme vor: Paris, 18. März. (Tel.) Palle, der frühere Justiz minister im Kabinett Comkes, zu der Zeit der Lr- nennung eines der Liquidatoren namens Menage, richtete gestern im Senat an den Justizminister Münchener AühUngsstznen. Von Max Neal. Wenn an den Litfaßsäulen und den Plakattafeln der Ausschankder Stackbiere mit allen mög lichen Veranstaltungen, die eigentlich nichts weiter sind als eine Fortsetzung der „Faschingsgaudi", an- gekündiat wird und wenn droben am Nockherberg die große Halle des Salvatorkellers Festtoilette anlegt, um all die Tausende, die täglich zum echten Sal vator kommen werden, würdig zu empfangen, da empfindet man so ein leises, fernes Frühlingsahnen. Freilich der kalte Südwest, der uns die schweren, nassen Schneeflocken ins Gesicht jagt, und der graue, trost lose Himmel, von dem sich die zum Greifen nahen, violett und blauschimmernden Alpen scharf abheben, lasten diese hoffnungssreudige Regung in unserem Innern nicht so recht aufkommen, besonders wenn man dabei an das Münchner „Mailüfterl" denkt, durch das chon so manche Blüte und so manche Nase noch im Wonnemonat erfroren ist. Aber dieses Frühlingsahnen ist doch kein über triebener Optimismus, denn knapp drei Monate noch und München 1910 öffnet seine Tore den Fremden, die allerdings noch ein Kitzchen warten werden, ehe sie der freundlichen Einladung Folge leisten. Draußen im Ausstellungspark arbeitet man mit Hochdruck, der grotze, stilvolle Raum, in dem das gewaltige Musik turnier vor sich gehen soll, nähert sich allmählich seiner Vollendung, und man kann jetzt schon sagen, jo etwas Eigenartiges kann eben nur in München entstehen. Auch in der Ausstellung für orientalische Kunst, die der Lokalwitz als alte Teppichausstellung charakterisiert hat, rühren sich fleitzige Hände. Sie wird uns die schimmernde Pracht des Orients aus der Vergangenheit und Gegenwart in künstlerischer Gestaltung und Aufmachung vor Augen führen, und die dort aufgehäuften Schatze, darunter Stücke von erlesener Seltenheit, werden einen Wert von vielen Millionen repräsentieren. Als seinerzeit die Idee einer derartigen Ausstellung in der Presse auftauchte, da gab es an allen Stammtischen und in allen CafSs ein mißtrauisches Kopfschütteln, und man hörte über all Zweifel und Bedenken, ob alte Perserteppiche und türkische Waffen auch nur die geringste Anziehungs kraft auf die uns so teuren Fremden — unter Frem den versteht man in München hauptsächlich Ameri kaner, Engländer oder Rusten — ausüben werden. Jetzt, wo man bereits einen Ueberblick zu gewinnen beginnt, überkommt auch die Kopfschüttler und Be rufsnörgler so etwas wie die Frühlingsahnung eines großen Erfolges. Auch unser tätiger Fremdenverkehrsveretn ist er füllt von zukunftsfrohem Frühlingsahnen, denn er er wartet in diesem Sommer nicht bloß einen starken Fremdenzuflutz, sondern schon mehr eine Fremden- uberschwemmungskatastrophe. Diese Prophezeiung gründet sich hauptsächlich darauf, daß Heuer neben der Ausstellung 1910 und den alljährlichen Fes^ruf- sührungen im Prinzregententheater dre Passlons - spiele in Oberammergau stattfrnden. Diese Passionsspiele sind eine man kann ruhig sagen Münch ner Angelegenheit geworden, denn das sonst so stille Passionsdorf wird fast ausschließlich zur Zeit der Spiele von München aus alimentiert, nicht nur in bezug auf Möbel, Stoffe für die Kostüme, die Leitung der Hotels, den Vertrieb der Billetts mit dem dazu gehörigen Nachtquartier — man erhält nämlich nur ein Billett zum Passionsspiel, wenn man in Ober ammergau auch übernachtet, obwohl oder richtiger weil man den Besuch sehr gut von München aus in einem Tage machen könnte —, sondern auch in bezug auf die Besucher selbst, denn nur über München führt der Weg nach Oberammergau. Und zur Beförderung der großen Menschcnmasten, die nach dem lieblichen, von waldigen Bergen umsäumten Ammertal strömen werden, stehen neben einer guten und raschen Eisen bahnverbindung Autos, die von einer soeben gegrün deten Gesellschaft bereitgestellt werden, und Luftschiffe der Parseval-Derkehrsgesellschaft zur Verfügung. Dre Benutzung des jüngsten aller Verkehrsmittel würde von München nach Oberammergau und zurück auf 550 pro Person zu stehen kommen, die Benützung des Luftschiffes durch einen Verein oder eine sonstige Korporation auf 5000 Es ist allo immerhin erne sehr kostspielige Sache, durch die Luft zu reisen, aber zweifellos werden sich Leute genug finden, die trotz des hohen Preises diese Reisemethode bevorzugen wer den. Noch ist das Pasfionsdorf in tiefem Schnee ver- steckt und scheint friedlich zu schlafen, aber unter der Schneedecke keimt bereits die Saat, die die Ober- ammeraauer mit Mühe und großem Fleiß gesät haben und die nun bald aufgehen soll, um im Herbst reiche Früchte zu bringen. Ileber dem schmucken Ort lregt es wie erwachendes Frühlingsahnen. Und zu den Arühlingshoffnungen, die im Herbst reifen sollen, gehören auch die umfassenden Vor arbeiten zum heurigen Ottoberfest, das seinen Namen davon hat, daß es im September stattfrndet und das 1910 sein hundertjähriges Jubiläum begehen wird. Um dieses für ein Volksfest gewiß seltene Jubi läum entsprechend zum Ausdruck zu bringen, sind be reits jetzt zahlreiche Ausschüsse an der Arbeit. Wenn man die Gestalt, die dieses Fest vor hundert Jahren batte, mit der vergleicht, die es heute angenommen bat, so wird man über diese kolossale Entwicklung nur staunen müllen. Aber gerade diese jetzt stark nach der künstlerischen Seite sich neigende Entwicklung, die konform mit der Entwicklung Münchens selbst geht, ist die Ursache, warum das Münchner Oktoberfest nicht nur auf die Einheimischen, sondern auch auf die Frem den eine so grotze Anziehungskraft ausübt. Stillstand ist Tod. Die Frühlingsahnuna aber, die den stillen Beobachter angesichts aller dieser Vorbe reitungen ersaßt, erweckt das Gefühl, datz München Heuer mehr denn je im Mittelpunkt der Fremden saison stehen wird, und diesen Umstand verdankt es nicht nur seiner günstigen geographischen Lage, son dern auch seiner rastlosen Arbeit, als Kunst- und Fremdenstadt ein immer höheres Niveau zu erreichen. Theater, Sunst unü Mllenlchskt. * Berliner Theater. Man schreibt uns aus Ber lin: „Die goldene Ritterzeit, die in einer Burleske von Charles Marlowe dem Erben auf Schloß Beech- wood, dem lustigen, modernen Guy de Vere, auf der Bühne des „Neuen Theaters" ein närrischer Traum vorgaukelte, enthüllte ihr Gold rasch genug als Talmiglanz. Die Gäste auf Schloß Deachwood haben dem jungen Lord so viel von seinen illustren Vor fahren vorerzählt, überdies hat seine geliebte Cousine ihn würdelos gescholten, indes Sir Brian Ballymote, ein irischer Baron, dem die Rüstung seiner Ahnen so gut patzt, ihm bei der Geliebten den Rana abzulaufen droht: und so bestellt sich der Lord ein Fußbad mit Sens, einen Schlafrock, einen Whisky, schläft ein und träumt. . . . Ein altes Gobelin aus dem 13. Jahr hundert wird lebendig: Sir Guy ist plötzlich inmitten seiner Manen auf den Zinnen seiner Burg, in seiner Aufgeklärtheit ratlos ihrer Blöd heit gegenüber, ihrem Aberglauben und ihrer pri mitiven Genügsamkeit. Alle Gäste, die er im ersten Akt in seinem Schloß beherbergt, erscheinen ihm im Traumr in Gestalt ihrer Ahnherren und mit Sir Brian, seinem Nebenbuhler, der ihm als Raubritter seine Braut streitig machen will, soll er einen blutigen Zweikampf ausfechten. Dieser zweite Akt des Mar- loweschen Stückes ist lustig, besonders durch die Gegen überstellung der neuzeitlichen Ironie und mittelalter lichen Geschraubtheit. Nachdem Sir Guy im Traume den Raubritter Brian durch ein seinen Vorfahren gänzlich unbekanntes Boxen in den Sand Ustreckt, erwacht er natürlich, hat die alte Rüstung, die sonst nur noch als Zimmerdckoration diente, im Arme und liegt selber an der Erde. Aber er beschließt im dritten Akt. die Erfahrungen, die er im Traume ge sammelt, auszunutzen und den andern ihre goldene Ritterzeit zu verekeln, sie ihnen in dem Lichte zu zeigen, in dem sie ibm längst erschien. Er stellt sich wahnsinnig, und ba er so das Recht hat. Tollheiten zu begehen, spielt er seine Ritterrolle aus dem 13. Jahrhundert mit Aplomb weiter. Natürlich er reicht er vollkommen seinen Zweck, und weil er auch noch durch einen günstigen Zufall Sir Brian als Falschspieler entlarven kann, gewinnt er ohne weiteres die geliebte Cousine, trotzdem er in der Rüstung der lllhnen, nach seinem eigenen Vergleich, „aussieht wie die letzte Oclsardine in der Büchse" und Sir Brian die Rüstung seiner Vorfahren so ausnehmend paßt. Das 20. Jahrhundert siegt über das 13., und die schöne Rowenna verzichtet darauf, einen Recken heim zuführen. Sie will auch nie wieder die goldene Ritterzeit preisen. Außer dem lustigen zweiten Akt hat das Stück eigentlich nichts von dem Uebermut. den man für «ine Burleske fordern darf. Es bewegt sich in den sanften Bahnen der Familiengeschichten, ohne künstlerische Prätensionen, und gibt auch den Schauspielern wenig Gelegenheit zu besonderen Leistungen " * Stuttgarter Theater. Man schreibt uns aus Stuttgart: Zur Feier des 80. Geburtstags Paul Heyses wurde im Kgl. Wilhelma Theater dasselbe Stück aufgeführt, mit dem sich der Dichter vor einem halben Jahrhundert, 1860, dem Stuttgarter Publi kum zum ersten Male vorstellte: Hans Lange. Die Aufführung gewann durch die Mitwirkung eines Gastes. Mathieu Pfeil vom Frankfurter Schau spielhause. eines vorzüglichen Darstellers der Titel rolle, erhöhten Reiz. Das alte Stück erwies sich un geachtet seiner vielen Unwahrscheinlichkeiten noch immer bühnenwirksam. Das von Direktor Gabriel geleitete „Stuttgarter Schauspielhaus" feiert Heyse in der nächsten Sonntagsmatinee. wobei ein Freund des Jubilars, der hessische Dichter Alfred Dock, den einleitenden Vortrag halten wird. Gestern er- lebte im Schauspielhause „Biribi", ein soziales Drama aus dem französischen Soldatenleben von Darien und Lauras, deutsch von P. Volz, seine erste Aufführung in Deutschland. Das grobe Tendenz- und Schauerdrama konnte nicht gefallen, der Schluß akt fiel gänzlich ab. IV.
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