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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.03.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100319011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910031901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910031901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-03
- Tag 1910-03-19
-
Monat
1910-03
-
Jahr
1910
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ISIS. Morgen-Ausgabe Bezugs-Preis ^n;e>sten-Preis NmlLklalt des Rates und des Rotizeiamtcs Ser Zlaöt Leipzig. M. 77 104. Jahrgang Sonmven», aen lS. MSrr isio bis >.ia« IÄL 75 20.45 Ster. der der 81.10 L 80.55 L !1UL 7Z0« ä. a. L s. 20».' 2i20Li 7za«^ igia l od«c E l>!nL » SV 84825 ständigt, und da er den ausdrücklichen Wunsch ausge sprochen hatte, daß die Absetzung Alexanders ohne Blutvergießen vor sich gehen möge, so verschwiegen ihm die Verschwörer ihren Beschluß, das Königspciar und die beiden Brüder Dragas zu töten. Das Be stehen der Verschwörung war mittlerweile auch ander- - wärts bekannt geworden. Insbesondere erfuhr König Carol von Rumänien davon, und dieser nahm Anlaß. Alexander zu warnen. Dieser schlug die Warnung indessen in den Wind, doch wurde er noch am Tage vor seiner Ermordung aus Belgrad selbst auf die Ver schwörung aufmertsam gemacht, und er nahm sich des- halb vor, eine Untersuchung einznleiten. Die Ver schwörer kamen ihm indessen zuvor, und das Verhäng nis nahm seinen Lauf. Auch die Bonnesonsche Erzählung, wie der Mord ansgefiibrt wurde, enthält Unrichtigkeiten über Un- richtigkeiten; da indessen dieser Teil des Bonnefonschen Berichtes im Leipziger Tageblatt nicht veröffentlicht wurde, so erübrigt es sich für uns, näher darauf ein zugehen. SasprAiüium üer Objektivität. Ueber des Kammerherrn Elard von Oldenburg Leben und Taten im deutschen Reichstage sind nach dem jüngsten Beweis des prononcierten Junker tums des Besitzers von Januschau wohl leine Worte mehr zu verlieren. Könnte Lächerlichkeit tödlich wirken, so würde der Abgeordnete von Oldenburg längst nicht mehr zu den Lebenden zählen. Nachdem nun gar die eigne Fraktion diesen wunderlichen Helden aus der preußischen Feudalzeit kräftig von sich abgeschüttelt hat, wird er von ihr für die Zukunft wohl veranlaßt werden, sein parlamentarisches Dasein bis zur nächsten Reichstagswahl in möglichster Stille zuzubringen; und sicher wird dann im Herbste 1911 ein Seufzer der Erleichterung durch die Reihen der Konservativen gehen, wenn die Gefahr neuer Oldenburgiaden durch die Einsicht der Wähler des Wahlkreises Elbing-Marienburg ein für allemal beseitigt worden ist. Ernster liegen die Dinge, wenn man den Reflex Benehmens des Abgeordneten Oldenburg auf ersten Vizepräsidenten des Reichstags, Abg. Dr. Spahn in Rechnung zieht, denn Wahlkreis Bonn-Rheinbach ist eine sichere 8.25 .77: 2.20 OLS * Die Türkei droht Griechenland mit Kündigung aller Verträge, wenn dieses nicht die Rechte der mohammedanischen Grundbesitzer in Thessalien schützt. (S. Ausl.) * In Petersburger diplomatischen Kreisen zirku lieren Gerüchte, der japanische Minister des Aeußern, Graf Komura, werde sich demnächst nach der Mandschurei begeben. Der Reise wird große politische Bedeutung beigemessen, um so mehr, als sich an sie eine Europareise schließen wird, auf der Komura auch Petersburg und London besucht. des den den der Domäne des Zentrums, und der schwarzblaue Kurs, der wahrscheinlich den gegenwärtigen Reichstag über dauert, wird es dem Kieler Oberlandesgerichtspräsi denten ermöglichen, die 8oII» curulis der deutschen Volksvertretung auch in einem künftigen Reichstage einzunehmen. Eine Prüfung der Qualifikationen des Abg. Dr. Spahn für dieses Amt scheint uns deshalb unabweisbare Pflicht. Vielleicht erwägt inzwischen auch das Zentrum, ob es für die nächste Präsidenten wahl nicht lieber einen geschickteren Mann zur Teil nahme an der Führung der Reichstagsgeschäste in Vorschlag bringt. Denn darüber herrscht wohl in allen politisch geschulten Kreisen Uebereinstimmung, daß die Fähigkeiten Spahns, turbulente Szenen im Reichstage zu meistern, völlig Schiffbruch gelitten haben, und daß weiterhin auch begründete Beschwer den über einen auffälligen Mangel an der unerläß lichen Objektivität seiner Leitung vorliegen. Herr von Oldenburg war durch frühere Vorstöße im Reichs tage schon schwer genug belastet; ein feinfühliger Präsident mußte sich bewußt sein, daß jedes neue Auftreten dieser ostelbischen Spezialität schärfster Kontrolle bedürfe, damit einer Wiederholung häß licher, der Würde des Hauses abträglicher Szenen vorgebeugt werde. Der Vizepräsident Dr. Spahn mußte sich daran erinnern, daß der Abgeordnete von Oldenburg durch seine Verhöhnung der Institution des Reichstags, durch seine Herabwürdigung des konstitutionellen Systems den Zorn der Volksvertreter heraufbeschworen hatte, er hätte darum also unter allen Umständen durch rasches, energisches Handeln der aufreizenden Wir kung schärfster persönlicher Invektiven gegen einzelne Mitglieder des Hause» aus dem Munde gerade dieses Abgeord neten geschickt begegnen müssen. Statt besten gießt er auch noch Oel ins Feuer und schickt sich erst an, die lodernden Flammen zu löschen, als er vom größten Teil des Reichstags stürmisch an seine * Die Arbeiterkündigungen auf Kieler Werft sind gestern durch Anschlag Werftverwaltung bis auf weiteres zurückgezogen worden. * Der des Mordes an dem Oberregierungsrat von Wöhrmann angeklagte Eärtnerbursche Georgi wurde gestern vom Schwurgericht Leipzig nach zweitägiger Verhandlung zum Tode ver urteilt. (S. Eerichtssaal.) * Im österreichischen Abgeordneten haus gab der Unterrichtsminister infolge einer Interpellation eine längere Erklärung zum Fall Wahrmund ab. sS. Ausl.) ZI» Pflicht gemahnt wird. Dieses wunderbare Maß von I Objektivität wirkt um so auffälliger, wenn man Vergleiche über die Handhabung der Geschäftsord nung im Reichstage und in dem preußischen Abge ordnetenhause anstellt. Nimmt es sich nicht höchst eigen aus, wenn im deutschen Reichstage ein präsi dierender Zentrumsmann eine leise rügende Zurecht weisung als ausreichende Sühne für die Behauptung erklärt, einzelne Abgeordnete hätten überhaupt keinen Ehrenstandpunkt, während im preußischen Abgeord netenhause ein anderer präsidierender Zentrums mann die harmlose und parlamentarisch doch wohl unbedingt statthafte Redeform „diese Herren" als unzulässig strikte ablehnt? Und wieviel schärfer wird noch dieser Gegensatz, wenn man berücksichtigt, daß im Reichstage der freundlich Zurechtgewiesene ein konservativer Abgeordneter, im preußischen Abgeordnetenhause der kräftig in Schutz Genommene auch ein konservativer Abgeordneter (übrigens derselbe, der sich im Reichs tags diese Anrempclungen leisten durfte) gewesen ist ? Und der Grund dieser Zwiespältigkeit? Die konser vativ-klerikale Liaison erklärt alles, aber entschuldigt es nicht. Schlägt ein Mann der Rechten oder des Zentrums auf die Linke los, so hält der Zentrums führer Spahn eine Unzulässigkeitserklärung für aus reichend; leistet sich aber ein Gegner des schwarz blauen Blocks eine zarte Anspielung, so waltet er mit Macht seines Rügeamts. Spahns Feinhörig keit für aggressive Ausdrücke gegen die schwarz blauen Bundesgenosten scheint proportional der Ent fernung eines Redners vom Zentrum zu wachsen; sie scheint aber ganz unverhältnismäßig rasch nach zulassen, wenn der Fall umgekehrt liegt, wenn also die Linke koramiert wird. Was rechts vom Zentrum steht oder diesem selbst angehört, scheint bei einer Entgleisung von vornherein der Zubilligung mil dernder Umstände sicher sein; was links vom Zentrum sein kümmerliches Dasein fristet, muß jederzeit die ganze Schwere des präsidialen Zorns spüren, wenn ein unbedachtes Wort fällt. Eindringliche Mahnungen der Volksboten selbst haben ja im Falle Oldenburg glücklicherweise noch für rasche Korrektur solcher Einseitigkeit gesorgt, aber wir haben auch schon Momente erlebt, wo derartige Einrenkungen unmöglich waren. So blieb es z. B. unabänderlich, daß am Tage der Interpellation wegen der Beamtenversetzungen in Kattowitz im Januar d. I. in der Besprechung als erster Redner der Zentrumsabgeordnete Gröber das Podium betrat, obwohl schon ein Zentrumsmann die Interpellation seiner Partei hinlänglich begründet hatte und im Hause sonst der Brauch herrscht, bei Interpellationen erst Redner aller anderen Parteien sprechen zu lasten, ehe die interpellierende Partei selbst wieder zu Worte kommt. Damals deutete Vizepräsident Dr. Spahn diesen merkwürdigen Verstoß gegen den herkömm lichen Brauch als „Mißverständnis", und er fand Verzeihung, wiewohl die dadurch bewirkte Umstimmig keit nicht ans der Welt geschafft werden konnte. Diesmal ist zwar die Reparierung des Schadens wenigstens äußerlich noch geglückt, aber die Unzu länglichkeit Spahns auf dem Präsidentenstuhl ist erneut erwiesen, und darum scheint es dringend an der Zeit, wenn das Zentrum um seiner selbst willen Herrn Dr. Spahn empfehlen würde, mehr Rücksichten auf seine Gesundheit zu nehmen und auf das dornen volle Amt eines ersten Vizepräsidenten doch lieber zu verzichten. Die Partei würde sich ein Armuts zeugnis ausstsllen, wenn sie nicht andre, mehr ge eignete Männer für dieses Amt in Vorschlag bringen könnte. Z.40LM40S. I8ar. 80.75«. o.loü.1 80^5«. 1.85 a. 81.05 L 4Z^S 20.44 > Ä- 2Ü.28S >.900 84.SOL >.ioe, 84.10 6. S m, iNlnir, isci««. - -r ».80«! 84.45 L >.406 215zu«. > <6.1 z«dr«ü«ir 2:»>!«ndi» 1^1. . 4) 1.-L v. i.,L VZ., 1./S., 1./S. /1V. Iö) Oi-S-S» Das Wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Freitag einige kleine Etatskapitel und mehrere Eisenbahnsachen und vertagtesich dann bis zum 4. April. (S. Land lagsbericht.) * Die Zweite Kammer hatte am Freitag erst eine längere Debatte über neue Erklärungen, erledigte dann einige Kapitel aus dem Etat und dem Rechenschaftsbericht und vertagte sich hierauf zum 30. Mär z. (S. Landtagsber.) ^4>l. lZ7.— 5L1>.'5210 57.' 57. 7Z-57280 758 I. 25ÄL 5904« 47^L« W 4806« 680«, in?r«r. 150.-«. Zü.-ü. U-k Mi ;-M660 .81- 18Z- 47L0 147.50 42 142.50 35Z!st85.- 44.2-.I4S. 50 Utr Inlerate «u« veivzig uns Umgcdunq di« SgeinaUen« SO mm drei:» Betitele 2S di« 74 mw breite Reklame»«»« l »an auiwütt« M H, ReNam«n 1.20 Inserate o»» Behörden 'M amtlichen keil di« 74 mm breit« Pr«lt»ril« 40 44 «eichL'l»an,e>aen m,t P a,vorichriltrn an» in der >d«ntau4aad« <m Pren« ertzddi. Rabatt >mch tarn. Äeiiaaeaebüdr L d. lausend r»N. Postgebühr. Zeit er« eilte Aufträge linnen nicht znrtck- gemgen werden. Für da« Erscheinen an deslimmten Lagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. «n,eigen.Ännadme: AuguliuSplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen« s«rp«dit>onen de» Zn» und »»«lande«. v«nv»»-iliale LrrNn: Tart DuuSer Her-ogl. Vm« Hosduch- Handlung, Lützowftiatz« iOi. (Le.evbun VI. Rr. 4MZ). Haupt-Jiliale Dresden: Teciirahe e, 1 (Televdon 462I>. für L«ip,ia un» «ororte durch unser, Träger und Spedneure 2mal täglich in« Hau« gebracht: SO 4t monatl., L.7V^S viertel tährl. Bei unser» Filialen u. An nahmestellen abgedolt: 7S 4Z monLtl., 2.22 viertelsährl. Lurch di« Vvk: innerbald Deutschland« un» der deutsche» »olonlen »terteliäbrl lt.SS monatl. 1.-0 aulschl. Postdestellacld. Ferner in Belgien, Täneniark, den Donaustaaten, Flalien, Luremdurg, Riederland«, Nor wegen. Oesterreich-Ungarn, Russland, Lchiveden, Schwei, u. Evanien In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« GeschtitSIielle de« Blatte« erbtuiich. La» l!eiv,iger Tageblatt erschein, 2 mal täglich. Sonn- u. Feurlag« nur morgen«. Avonn«.' rnl-Annabinr t Bugutlutvlatz 8, de, unseren Drägern, Filialen, Spediteure« und Annahmestellen, sowie Postämtern und Bries träger«. Sintilbeckaussprei» der Morgen. «uSgabe 10 H. der Rdend>u«qade S 4b. Siedaktion und (Selchäftäürller Iohannisgasse 8. Fernsprecher: 14692. 14698. 14694. nicht in Arbeit genommen sind das Gesetz über die Zuständigkeit des Reichsgerichts, die Rechts anwaltsordnung, die Berner Uebereinkunft und die Reichsversicherungsordnung. Für die Zeit nach Ostern liegt demgemäß eine Fülle von gesetzgebe rischem Material vor. Einen großen Teil seiner Zeit hat schließlich der Reichstag aus die Erörterung von Interpella tionen verwandt. Sie betraten den Arbeitsnach weis, das Kalisyndikat, den Werftbetrieb in Kiel, dieWahlrechtsrede des preußischen Ministerpräsidenten, die Anwendung des Reichsvereinsgesetzes, den Mans- felder Bergarbeiterstreik, die Hinterbliebenenver sicherung, die Unterstützung an arbeitslose Tabak arbeiter, die Maßregelung von Beamten wegen Aus übung ihres Kommunalwahlrechts, die mecklenburgische Verfassung und die Wahlrechtsdemonstrationen. Wie lange der Reichstag noch nach Ostern tagen wird, ist vorläufig nicht abzusehen. Da er aber höchstwahr scheinlich weder die Strafprozessordnung, noch die Reichsversicherungsordnung vor dem Sommer wird erledigen können, andererseits Wert darauf gelegt werden wird, die an beiden Vorlagen bis dahin ge leistete Arbeit nicht unter den Tisch fallen zu lasten, so ist anzunehmen, daß die diesmalige Session nicht geschloffen, sondern vertagt werden wird. Eine ganze Anzahl der oben aufgeführten, noch nicht zur Verabschiedung gelangten Entwürfe wird vorher aber sicher zur Erledigung gebracht werden. 21-122b- 85.10 164.- 98.5b 158.6' 105°. 2140 l «- 46-»'.U(b-.i Idll Uli. Der lrrbllche KSnigsmorü. In Nr. 62 unseres Blattes haben wir die Er zählung des gegenwärtig in Belgrad weilenden fran zösischen Journalisten Jean de Boneson wieder gegeben, wonach der Plan zur Ermordung des ser bischen Königspaarcs ausgetaucht sei, als König Alexander, dessen Ebe mit Draga kinderlos geblieben, den Entschluß gefaßt habe, den Sohn des Prinz.n Peter Karageorgewitsch (des jetzigen Königs), Georg lden nachherigen, jetzt abgcdankten Kronprinzen), zum Thronfolger zu proklamieren und ihn zu adoptieren. Gegenüber dieser, sich angeblich auf „neue Dokumente" stützenden Mitteilung schreibt uns unser Balkan-Mit arbeiter, der den damaligen Ereignissen beigewohnt hat, daß die Annahme, König Alexander habe Len Prinzen Georg Karageorgewitsch zu seinem Thron folger wählen wollen, geradezu absurd sei. In König Alexander fand der Gedanke, ein Mitglied der von ihm aus tiefster Seele gehaßten Familie Kara- peorgewitsch zu seinem Nachfolger zu bestimmen, auch nicht einen Augenblick Raum. Als sich nach der be kannten Schwangerschaftskomödie Dragas die Ueber- zeugung allgemein Bahn brach, daß aus der Ehe des Königs Kinder nicht zu erwarten seien und nun in der Bevölkerung die Frage der Erbfolge lebhaft dis kutiert wurde, da wurde auch an verschiedenen Wtrts- haustischcn die Frage aufgeworfen, ob der König im Interesse der Aussöhnung zwilchen den beiden rivali sierenden Dynastiefamilien Ovrenowitsch und Kara- georgewitsch und im Interests der Ruhe des Landes nicht weise handeln würde, wenn er den ältesten Sohn des Prinzen Peter Karageorgewitsch, Georg, ars Thronerben bestimmte. Ernstgenommen wurde dieser Vorschlag freilich nicht, man belachte ihn, weil man die Gesinnungen des Königs kannte. Nur ein pott- tischer Kannegießer, ein Mann, der politisch nie eine Nolle spielte, faßte diese Lösung nicht scherzhaft auf, sondern unterbreitete sie in einem Briefe dem König. Dieser warf indessen den Brief, ohne ihn einer Ant wort zu würdigen, achtlos in einen Kasten, wo er später, nach dem Morde, aufgefunden wurde. Möglich, daß dies das „neue Dokument" ist, auf das Jean de Bonnefon seine sensatonell zugestutzte Mit teilung stützt. Fest steht unter allen Umständen, daß Prinz Georg bei dem serbischen Königspaare nicht eine Sekunde lang als Thronfolger in Frage kam, und damit fallen alle die anderen schönen „Enthüllungen" (mehr pbantasievoll als logisch aufgebaut), die der französische Journalist an die angebliche Absicht des Königs Alerander. den Prinzen Georg zu «optieren, knüpft, in ein Nichts zusammen. Im Belgrader Konak hatte man in bezug auf sie Thronfolgerfrage ganz andere Pläne. Dragu, die sich von jeher als gute Schwester betätigt hatte, wünschte ihren Bruder Nirodem Lunjewilsch zum Thron'olger proklamiert zu sehen. Alexander zauderte zunächst, wurde aber schließlich von seiner Gattin dieiem Ge danken immer geneigter gemacht, und es fanden sich nach seinem Tode Papiere vor. aus denen erfichtltcy war, daß die Proklamierung Nicodems zum Thron folger nur noch eine Frage der Zeit war. Nirodem selbst fühlte sich bereits als Thronfolger. Wenn er ein Lokal betrat, in dem eine Musikkapelle spielte, erhob er Anspruch darauf, daß bei seinem Eintritt die Nationalhymne gespielt wurde und sich die anwesen den Offiziere, gleichviel welchen Ranges, vor ihm, dem einfachen Oberleutnant, erhoben. Dieser arro gante Auftreten machte ihn verhaßt, und als man die Pläne Dragas erfuhr, war die Katastrophe unver meidlich. Die Verschwörung selbst bestand schon seit langem. Die Unzufriedenheit im Offizierkorps datierte von des .Königs Hochzeit her. Laut wurde dagegen gewettert, daß sich der König derart vergessen konnte, eine öffent liche Dirne — als solche wurde Draga bezeichnet — zu heiraten. Als der König von dieser Unzufriedenheit erfuhr, versammelte er die Offiziere der Garnison sowie die Hörer der Kriegsschule nm sich, um ihnen zu sagen, daß sie seinen Willen zu respektieren hätten und daß er Ungehorsam streng bestrafen würde. Durch die Günstlingswirtschaft Dragas empfing dann die Unzufriedenheit immer neue Nahrung und als durcy die bereits erwähnte Schwangerschaftskomödie Dragas dos serbische Königspaar dem Spott der ganzen Weit anheimfiel, wurde das Komplait geschmiedet, bas daun durch die Wünsche Dragas in bezug auf die Regelung der Thronfolge eine Beschleunigung der Ausführung erfuhr. Man entschloß sich für den Tod, da eine er zwungene Abdankung zu einem Bürgerkriege geführt hätte, in dem vielleicht Tausende den Tod gefunden haben würden und das Land auf das tiefste zerrütt« worden wäre. Der in Genf in der Verbannung lebende Prinz Peter Karageorgewitsch wurde bloß hinsichtlich des bevorstehenden Thronwechsels ver- Die Arbeiten ües Reichstags. Der Reichstag ist in die Osterferien gegangen. Nachdem er vor Weihnachten bereits die Handels beziehungen zu Großbritannien auf eine neue gesetz liche Grundlage gestellt hatte, hat er in dem letzten Tagungsabschnitt auf handelspolitischem Ge biete weitere Arbeiten geleistet. Zu Portugal, den Vereinigten Staaten von Amerika und Bolivien sind die Handelsbeziehungen nunmehr geregelt. Dem nächst wird der Reichstag auch das Abkommen über die Verlängerung des deutsch-schwedischen Handels vertrages erledigen. Den größten Teil seiner Tätig keit nahm aber das Etats- und Rechnungs wesen in Anspruch. Schon vor Weihnachten stellte er den großen Nachtragsetat für 1909 fest, worin die neuen Steuern und die im letzten Finanzgesetz ent haltenen Bestimmungen Berücksichtigung fanden. Zwischen Weihnachten und Ostern gelangte der Etat für 1910 zur Feststellung. Durch ihn wird endlich einmal wieder der Reichs haushalt auf eine feste Basis gestellt. Während in den Vorjahren mit Anleihen für laufende Ausgaben oder mit gänzlich unbestimmten, ungedeckten und gestundeten Matrikularbeiträgen operiert werden muhte, ist jetzt der Beitrag der Einzelstaaten an das Reich auf 80 Pfennige für den Kopf der Bevölke rung festgesetzt. An ihm wird auch zunächst in den folgenden Jahren festgehalten werden, um die Ba lancierung zu ermöglichen. Dann hat der Reichstag noch das Kontrollgesetz angenommen und eine ganze Anzahl von Entwürfen ersten Lesungen unterzogen; so bas Arbeitskammergesetz, das Hausarbeitsgesetz, das Kaltgesetz, das Stellenvermittlungsgesetz^ die Strafprozeßordnung, die kleine Novelle zum Straf gesetzbuch, das Gesetz über die Haftung der Reichs- I beamten und das Reichsbesteuerungsgesetz. Noch Ueber üie Hatton unü üie Kieürnsbemegung hat Professor Karl Lamprecht-Leipzig in der „Friedenswarte" einen Aufsatz veröffentlicht, dem wir u. a. folgendes entnehmen: „Gern folge ich der Aufforderung der Redaktion, mich im Anschluß an eine Abhandlung v. Stengels über die Idee des ewigen Friedens und die Friedens bewegung in der „Deutschen Revue" zur nationalen Bedeutung dieser Bewegung speziell für Deutschland zu äußern. Denn die Zeit ist da, wo eine feste Stellungnahme zur modernen Friedensidee seitens der Nation nicht mehr umgangen werden kann. . ." Nach dem dann Lamprecht gegen einige Verallgemeinerun gen Stengels polemisiert hat, fährt er fort: „Es ist am Platze, nach den Faktoren zu fragen, denen die Friedensbewegung von heute ihre auch von den Geg nern nicht mehr geleugnete Stärke verdankt. Da ist eins von vornherein klar: diese Faktoren müssen der Entwicklung wenigstens der europäischen Staaten gemeinschaft und ihrer außereuropäischen Expansion gemeinsam sein: denn in deren ganzem Bereiche voll zieht sich die Friedensbewegung. Und in diesem Kreise wiederum müssen sie ganz besonders der eng lischen und amerikanischen, allenfalls auch noch der französischen Entwicklung angehören: denn in diesen Ländern hat sich der Pazifismus am frühesten stärker und im Sinne einer allgemeinen geistigen Erscheinung geregt. Geht man von dieser Lokalisierung aus, so liegt es von vornherein nahe, in dem Pazifismus eine Erscheinung höchster politischer Kul turb lüte der europäischen Welt zu sehen; denn was man auch von der besonderen Bedeutung der deutschen Kultur sagen mag, immer bleibt es richtig, daß den großen Nationen Westeuropas ein zeitlicher Vorsprung in der Entwicklung zahlreicher und vor nehmlich der politischen Erscheinung europäischer Kul tur innewohnt. Diese Erscheinung ist dann aber auch leicht in einer Richtung zu deuten, die von den deutschen Gegnern der Friedensbewegung, soweit ich sehe, noch nirgends recht in Rechnung gestellt worden ist. Auf französischem und namentlich angloameri kanischem Boden ist in den letzten vierzig Jahren eine von der früheren Art sehr abweichende Schattierung des Kosmopolitismus und Patriotismus entstanden. Nur zu leicht verbindet man in Deutschland mit dem Begriffe eines Kosmopoliten auch heute noch den Beigeschmack des unpraktischen Idealisten, des Träu mers und Utopisten, des Gegensatzes vor allem zum Staatsmann. Es ist die Anwendung des alten poetischen Ideals des Kosmopoliten aus der Zeit unseres Klassizismus: Seid umschlungen, Millionen! Von diesem Begriffe aber lcht in dem westeuro päischen Kosmopoliten der Gegenwart wenig mehr, es sei denn das reine, mit ihm verbundene Gefühl menschlicher Wärme. Im übrigen ist dieser Kosmo polit ein praktischer Mann mit sehr konkreten Zielen, ein echter Staats- und Geschäftsmann. Und da iür ein solches Handeln internationaler Friede die selost- verständliche Voraussetzung ist, so ist er bereits aus diesem Gefühle ganz konkreter und ganz unabweis- licher Art zu einem keineswegs erträumten, sondern sehr greifbaren Pazifismus gelangt. In dies Gefühl als das beherrschende hat sich dann aber auch ein neuer Patriotismus eingebettet. Der alte Patriotismus hatte ein Moment oes Exklusiven: hat doch ursprünglich jede Nation, die etwas auf sich gab, nur die ihr Angehörigen als volle Menschen, die andern günstigenfalls noch als Barbaren hetrachtet. Ständige und weitkin sich verbreitende Erfahrung entdeckte, daß die andern sozusagen auch etwas seien; der internationale Schätzungswinkel verschob sich zu eigenen Ungunsten, und übrig blieb nur die Vor stellung, daß, bei allen Vorzügen der andern in dieser oder jener Richtung, doch auch dem eigenen Volke in einigen Richtungen ein Vorzug gebühre. Auf diese Weise bildete sich die neue Basis des modernen Patriotismus: die Vorstellung von der spezifischen Veranlagung der Nationen, von ihrer arbeitsteiligen Bestimmung im Kreise der aufsteigen den Menschheit. Nun liegt es aber auf der Hand, daß diese Vorstellung wiederum, eben indem sie das eigene Wesen als durch Fremdes ergänzungsfähig er kannte, als Grundlage einer solchen praktisch durch geführten Ergänzungssähigkeit Ruhe, Friede, Einheit letzter Interessen fordern mußte. Und so trafen neuer Kosmopolitismus und neuer Patriotismus in dem Gedanken der inter, nationalen Friedensbewegung zu sammen. Nun leidet es keinen Zweifel, daß diese geistigen Vorgänge sich heute auch in Deutschland vollziehen, wenn sie auch später als tm europäischen Westen ein gesetzt haben, und daß sie täglich an Boden und Ein fluß gewinnen. Und das ist eben so legitim wie un vermeidlich; denn die Gründe der Wandlung zum neuen Kosmopolitismus und Patriotismus bestehen in Deutschland ebenso sehr, wie wo anders. Allein , es ist nicht zu verkennen, daß der Prozeß in Deutsch. I land in manchem Betracht vielleicht besondere Kinder» WMcr Tageblatt Handelszeitung. >775 6. !1sÜ« !450«. 480«. 6826. ?r°r. 6.-Ü » « L52Ü. 8.50 L. 2.Z0L ».-« US.-«- 5.75 L 1,6 75 L 0.25 «. 150.25 <- z.bÜL 9950«. r.255. iLLr. A- 4.7? K- 2440 Li 'M 2450-.« UM«.
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