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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.04.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100409011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910040901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910040901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-09
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Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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wordenen Stimmen, der Novelle der Regierung zur Entlastung des Reichsgericht» das Wort redet. Er erklärt zunächst in einer Polemik gegen den auch hier erwähnten Aufsatz des Münchner Professors von Scuffert, daß der Gedanke einer Besetzung der Senate mit nur 5 Richtern zu verwerfen sei, da dies doch zu letzt auf eine Vermehrung der Senate hinauslaufen werde. Der einzige Ausweg aus den vorhandenen Schwierigkeiten bestehe darin, die Flut der Revi sionen einzudämmen. Die Zulassung der Revision für den einzelnen Prozeß sei eine Wohltat der Parteien, da diese aber allen Prozessen nicht zugebilligt werden könne, so sei es einigermaßen einleuchtend, sie lieber da zu versagen, wo die Entscheidungen der Instanzen iibereinstimmen, als da, wo sie abweichen. Die Ein führung des Grundsatzes der Difformität habe auch noch den Vorteil, daß dadurch die Bedeutung der ersten Instanz gehoben werde. Eine schrankenlose Durchführung des Grundsatzes der ttnao eonkorrnes sei aber nicht zu empfehlen. Es sei daher dringend zu fordern, daß der Schnitt zwischen den zulässigen und unzulässigen Revisionen in einer scharsen und klaren Linie erfolge. Sievers schlägt weiter vor, die Revisionssumme, ohne die man einmal nicht aus kommen könne, abzustusen, je nachdem sich das Rechts mittel gegen konforme oder difforme Entscheidungen richte. Damit und mit den anderen im Entwürfe vorgeschlagenen Mitteln, glaubt er, werde zur Genüge Vorsorge getroffen, um das Reichsgericht wieder arbeitsfähig zu machen. — Der Verein für denSchutz des gewerblichen Eigen- tums hat eine Eingabe an den Reichstag gerichtet, worin er ersucht, bei dem Entwurf zur Entlastung des Reichsgerichts solchen Bestimmungen die Zustim mung zu versagen, durch die die Rechtssicherheit und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung auf dem Ge biete des gewerblichen Rechtsschutzes gefährdet wird, und durch den insbesondere die Revision gegen Urteile über einstweilige Verfügungen ausgeschlossen und die Revision von der Difformität der Vor entscheidungen und von dem Widerspruch mit einer Entscheidung des Reichsgerichts abhK.igig gemacht wird. Der Verein stellt sich damit aus einen andern Standpunkt, als er in den Sieverschen Ausführungen zum Ausdruck kommt. * * Nochmals das dementierte Kanzlerinteroi«» in Rom. Die „Nordd. Allg. Zta.' schreibt: „Nach einer Mitteilung im „Berl. Tgbl." erklärte der römische Korrespondent des „Nuskoje Slowo", Goldstein, der Redaktion des „Tageblatts", der Reichskanzler hatte ihn nach dreifachem Ersuchen am 28. März zwischen l> und ',410 Uhr im Palazzo Caffarelli empfangen und mit ihm unter vier Augen gesprochen. Diese Be hauptung ist erfunden." * Die Berliner Wahlrechtsversammlungen unter freiem Himmel. Nachdem die Genehmigung zu den drei Versammlungen in Berlin, nämlich im Hum- boldtshain, Friedrichshain und dem Treptower Park, von den zuständigen Stellen erteilt worden ist, haben die Sozialdemokraten und der De mokratische Verband beschlossen, ihre drei Versammlungen gemeinsam abzuhalten. Im Humboldtshain sollen vier Rednertribünen er richtet werden und zwei Demokraten, nämlich die Herren v. Eerlach und Ingenieur Lüdemann, sowie zwei Sozialdemokraten sprechen. Im Friedrichshain spricht der Demokrat Dr. Breitschcid und ein Sozial demokrat. In Treptow ist Genaues noch nicht be stimmt. Den Vorsitz soll abwechselnd ein Demokrat und ein Sozialdemokrat führen. Ob infolge dieser nachträglichen Fusion noch Schwierigkeiten seitens btt Behörde gemacht werden? — Das Polizeipräsi dium will, wie im übrigen verlautet an den drei Persammlungsplätzen auf die Entfaltung einer größeren Polizeimacht verzichten und dem Ordnungs dienst der Versammlungseinberufer damit auch die Verantwortung überlassen. * Weitere Wahlrechtsversammlungen unter freiem Himmel. Nachdem in die bisherige Praxis des Ber liner Polizeipräsidenten, öffentliche Wahlrechtskund- gebungen rundweg zu verbieten, Bresche gelegt ist, hat die sozialdemokratische Landespartei Preußens beschlossen, in ganz Preußen die öffentlichen Wahl- rechtsdemonstrationen wieder aufzunehmen. Für die kommenden Sonntage sollen in allen preu ßischen Großstädten öffentliche Wahl rechtsversammlungen unter freiem Himmel veranstaltet werden, und die Genehmi gung bei den Polizeibehörden nachgesucht werden. * Di« Vorlage über die Feuerbestattung in Preußen. Wie die „Inf." erfährt, bestätigen sich die Meldungen, daß der Entwurf über die Feuerbestat- lung serliggestellt sei. nicht. Der Entwurf ist in seiner endgültigen Fassung noch nicht festgesetzt worden, und es schweben entsprechende Verhand lungen zwischen dem Ministerium des Innern und dem Kultusministerium. Es ist ausgeschlossen, daß ein sertiggestellter Gesetzentwurf, wie kürzlich in der Presse behauptet wurde, dem Landtage noch in dieser Session zugehen kann. * Di« Bekämpfung der Schund- und Schmutz literatur durch die Schule fordert ein Erlaß des preu ßischen Kultusministers, in dem das Vertrauen aus gesprochen wird, daß die Provinzialschulkollegien ihre besondere Aufmerksamkeit bei Besichtigung der Lehrerbildungsanstalten darauf richten, daß die Präparanten und Seminaristen Bücher lesen, die geistbildend und veredelnd wirken. * D«r Vorstand de» Handelsoertrag»v«r«ins tritt am 12. d. M. zu einer Sitzung zusammen. Auf der Tagesordnung steht neben verschiedenen Fragen der inneren Organisation: 1) Vorschläge, betr. internatio nale Vereinbarung über Innehaltung einer Ucber- gangsfrist bei Inkrafttreten neuer Zollsätze (Referent: Dr. Borgius-Berlin). 2) Vorlage betr. Vereinheit lichung des Textes der Handelsverträge sür den Internationalen Handelskammer- und Vereins kongreß zu London (Referent Dr. Borgius-Berlin). :r) Zolltarisreoision in Belgien (Referent Direktor A. Vrancken-Köln). Des weiteren wird der Vorstand den Bericht über die vorhergehende konstituierende Sitzung des neuen Verkehrsausschusses entgegennehmen und etwaige Beschlüsse dazu zu fassen haben. Auf der Tagesordnung des Verkehrsausschussee steht: 1) Die Zollbehandlung von Möbelwagen im internationalen Verkehr (Referent Hofspediteur A. Knauer-Berlin). 2) Der Plan der Einführung von Schiffahrtsabgaben (Referent Bergrat Gothein - Breslau). 3) Ver schiedene Klagen und Wünsche aus dem Gebiet des internationalen Postverkehrs (Referent Dr. Borgius- Berlin). * Das Ansiedlungsgeschiift in den Ostmarken. Man schreibt uns: Die Ansiedlungskommission für Posen und Westpreußen hat bisher im ganzen 370 502 Hektar oder 65)H Quadratmeilen zu einem Preise von 350 173 379 .4t erworben, und zwar 345 294 Hektar Güter und 25 267 Hektar Bauernbesitz. Von diesen Erwerbungen stammen aus deutscher Hand 70 Proz. (259 233 Hektar), aus polnischer Hand 30 Proz. (111329 Hektar). Bemerkenswert ist, daß seit Be stehen des Enteignungsgesetzes noch kein Besitz im Enteiqungsverfahren hat erstanden werden müssen. Die Polen verkaufen ihre Güter freiwillig auf Er fordern an die Ansiedlungskommission, kaufen sich aber fast immer wieder an anderen Stellen, mit Vor liebe in Schlesien, an — und sehr häufig auf deutschem Boden. Der Besitz, der sich seit Jahren in den Ost marken in polnischer Hand befindet, ist zahlenmäßig nicht geringer geworden: es ist nur eine Verschiebung des Nationalitätenbestandes von Norden nach Süden zu konstatieren. Während man in Posen germanisiert, wird Obcrschlcsicn polonisiert. Eine Aeizderung läßt sich nur erzielen, wenn man auch Schlesien der An- siedlungskommission zuteilt. Daran ist vorläufig aber nicht zu denken. Vielleicht wäre es angebracht, für Schlesien nach dem Muster der Danziger Bauernbank und der Posener Mittelstandskasse ein ähnliches In stitut ins Leben zu rufen, das die Befestianng des deutschen Besitzes als seine Aufgabe betrachtet. Diese Bank hätte vornehmlich auch die Befestigung größerer Güter vorzunehmen, wie es jetzt auch in Danzig und Posen geschieht: denn der deutsche Verlust in Schlesien an die Polen ist allzu häufig durch Eeldsorgen der deutschen Besitzer begründet, zumal die Polen bei ihrer systematischen Arbeit in Schlesien ost deutsche Güter besonders gut bezahlen. — In maßgebenden NsgittkNgskreisdn -steht- Man einer solchen Be festigungsaktion auch nicht unsympathisch gegenüber. * Die Techniker und ihre soziale Lage bildeten den hauptsächlichsten Stoff, mit dem sich die letzte Eesamt- vorstandssitzung des Deutschen Techniker-Verbandes (28 000 Mitglieder) beschäftigte. Vertreter aus allen Teilen des Reiches waren nach Berlin geeilt, um Be schlüsse zu fassen, die dem Verbandstage, der Pfingsten in Stuttgart zusammentritt, vorgelegt werden sollen. Zur Pensionsversicherung der Privat beamten nahm man folgende Entschließung an: „Der Eesamtvorstand des Deutschen Techniker-Ver bandes beg.üßt es einstimmig, daß die neuerliche Stellungnahme der Reichsregierung eine baldige Ver wirklichung der Privatbeamtenversicherung auf dem Boden der vom Hauptausschujse gebilligten Grund sätze der zweiten Denstchrift, also in Form der Zusatz kasse, erwarten läßt. Er hält sich versichert, daß nach der durch die Aeußerung der Regierungsvertreter in der Sitzung der Siebenerkommission vom 2. April 1910 geklärten Lage alle Verbandsorgane im Sinne der zu Halle a. S. gefaßten, in der „Deutschen Tech niker-Zeitung" vom 11. Dezember 1909 niedergelegten sozialen Richtlinien Einmütigkeit beweisen werden." * Stadtoertrrtung und Wahlrecht. In der Köl ner Stadtverordnetenversammlung kam es zu er regten Erörterungen bei der Beratung von 3 Wahl'- rechtsanträaen, die die Vertretung der Stadt Köln zu einem Gesuch an den Landtag, entweder im libe ralen, oder im sozialdemokratischen, oder im Zen trumssinne veranlassen wollten. Die beiden ersten Anträge wurden abgelehnt und daraufhin der Zen trumsantrag angenommen, der darauf hinauslief, die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses zu billigen, weil das Reichstagswahlrecht einstweilen doch nicht zu erreichen sei. Der Oberbürgermeister suchte jede weitere politische Unterhaltung energisch abzuschnei den und erklärte, daß er diese Beschlußfassung be anstanden und sie nicht zur Ausführung bringen werde. lluslsnü. Delterrrlch-llngarn. * Das neue Verfahren gegen Wahrmund. Aus Wien meldet uns ein Privattelegramm: Von unter richteter Seite wird erklärt, daß das Justizmini sterium keinerlei Weisung an die Prager Staatsanwaltschaft wegen Einleitung des straf gerichtlichen Verfahrens gegen Professor Wahr mund erlassen hat. Bis jetzt sind nur Vor erhebungen angestellt worden. * Eine böhmische Petition, betreffend die Kohlrnfrachten nach Sachsen. Unser Prager Korrespondent telegraphiert uns: Interessierte Gemeinden im nordwestböhmischen Braunkohlen revier petitionieren bei der Regierung um so fortige Aufhebung der Frachtermäßigun gen für schlesische Steinkohlen nach den Absatzgebieten böhmischer Braunkohle und um Auf hebung der Frachterhöhungen für böhmische Braunkohle zur Elbe und nach Sachsen. Andern falls müßten umfangreiche Arbeiterentlassungen Platz greisen. Gnglanü. * Ein« Persien-Debatte im Unterhaus. Im Unter haus fragte am Donnerstag Dillon (irisch-natio nal) Sir Edward Grey, ob er irgendwelche Mittei lung erhalten habe darüber, 'daß die Deutsche Bank Vorschläge bezüglich eines Darlehens an die persische Regierung gciDvcht habe, und ob die Negierungen Englands und Rußlands der persischen Regierung irgendwelches Hindernis in den Weg legen würden, die Anleihe von der Deutschen Bank oder von irgendeiner anderen Quelle zu er halten. Sir Edward Grey erwiderte: „Ja; ver neine die erste Frage; was die zweite Frage anlangt, so kann ich nicht sagen, welche Haltung wir gegen über irgendeiner Anleihe einnehmen werden, bevor uns die Bedingungen derselben mitgeteilt worden sind." Dillon stellte sodann die weitere Anfrage, ob die russische Regierung als Bedingung für eine Anleihe der persischen Regierung darauf bestehe, daß eine Polizeitruppe in Nordpersien unter dem Befehl russischer Offiziere organisiert werden solle, und ob die englische Regierung diese Forderung unterstütze. Grey erwiderte: „Ich bin nicht in der Lage, irgendeine Erklärung über Anleihebe dingungen ahzugeben, solange überliefe Frage noch verhandelt wird/' Rees (liberal) fragte hierauf an, wann die verlängerte Periode ablaufsn werde, für welche Persien zugunsten Rußlands die Verpflichtung übernommen habe, keine Eisenbahnen zu bauen, und ob die englische Regierung noch die Berechtigung besitze, den Bau von Eisenbahnen in Südpersien vorzunehmen. Sir Edward Grey er widerte, die in der Anfrage erwähnte Periode laufe am 8. April ab. Was den zweiten Teil der Anfrage anlange, so sehe die englische Regierung die Ver pflichtung, durch welche bas in Frage stehende Recht gewährt worden sei, als noch bindend an, obschon die Ausdehnung, in welcher die englische Regierung sie ausüben werbe, natürlich mit den Bestimmungen bes anglo-russischen Abkommens im Einklang stehen werde. * Brendigung der Krisis im Durhamer Kohlen revier. Die Arbeiter in den letzten drei Kohlengruben von Durham, die noch streikten, haben beschlossen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Krisis im Kohlenrevier von Durham ist somit beendet. * Das Einigungsabkommen im Südwalser Kohlen revier gesichert. Die Ergebnisse der Abstimmung über das Eint yungsabkommen im Kohlenberg bau von Südwales sind nunmehr fast sämtlich be kannt. Danach sind bis jetzt 97 273 Stimmen für, 34 963 gegen die Annahme des Abkommens abge geben. was die Entscheidung gegen den Aus stand bedeutet. Frankreich. * Ausbau der französischen Luftflotte. Der „France militaire" zufolge hat das Kriegsmini- fterium mehrere Lenkballons mit einer Hülle von kreuzfadigem Kautschukstoff bestellt, und beabsich tigt überbies den Ankauf des Lenkballons „Clement Bayard II". * Begegnung Fälliges' mit König Viktor Emanuel? Präsident Falliöres beabsichtigt, wie „Figaro" meldet, dem König Viktor Emanuel im Laufe dieses Sommers einen Besuch abzustatten. Das Programm soll der neue Botschafter Tittoni mit dem Minister Pichon aufstellen. AbeMnien. * Di« Kaiserin Taitu. Wie dem Reuterschen Bureau mitgetetlt wird, hat das Londoner Aus wärtige Amt keinerlei Bestätigung erhalten, daß die Kaiserin Taitu den Schutz der englischen Gesandv- schaft verlangt habe und daß dieser verweigert worden sei. Es wird erklärt, das Gerücht sei wahrscheinlich auf den bei der englischen Regierung eingegangenen Bericht zurückznführen, daß die Kaiserin an das diplomatische Korps in Addis Abeba appelliert habe, zu ihren Gunsten einzutreten, und daß alle Mitglieder desselben dies abgelehnt hätten. KegiMen. * Ablehnung der Erneuerung der Siiezkanal-Kon- zession. Der Gesetzgebende Rat hat sich nach längerer Debatte mit 66 gegen 1 Stimme gegen die Er neuerung der Konzession der S n e z k a n a l g e s e l l schäft ausgesprochen. Die Entscheidung wurde von der vor dem Gebäude stehenden Volksmenge großer Begeisterung ausgenommen. — Bekanntlich hatte die Regierung beschlossen, sich der Entscheidung des Gesetzgebenden Rates anzuschließen, so daß die sofortige Erneuerung der Konzession, die noch bis 1958 läuft, als endgültig abgelehnt zu betrachten ist. Peru. * Der Konflikt mit Ecuador. „Sun" meldet, daß Peru seine angekündigte Mobilisierung volt- endet habe, und daß sich eine 10000 Mann starke Truppenmacht auf dem Wege nach dem Guayas River befindet. Der offene Ausbruch der Feindselig leiten sei jedoch vorerst nicht zu erwarten, da das Washingtoner Staatsdepartement zwischen Ecuador und Peru Vermittelungen erngeleitet habe. Der Silchok von NAtenümg gegen üen „SimpliMinms". Uff. Stuttgart, 8. April. Vor der ersten Strafkammer des Landgerichts Stuttgart begann heute früh unter großem Andrang des Publikums der Prozeß gegen den verantwort lichen Redakteur des „Simplizissimus" Hans Caspar Eulbransson wegen Beleidigung des Bischofs von Rottenburg Dr. Kepler und der Geistlichen der Diözesane Rottenburg. Den Vorsitz führt Land gerichtsdirektor Fischer, die Anklage vertritt Staatsanwalt El wert, während die Verteidigung in den Händen des Rechtsanwalts Hensel-Stutt gart liegt. Der Anklage zugrunde liegt ein vom Vruder des Angeklagten, Olaf Eulbransson, gezeich netes Bild, das einen Vischof in voller Amtstracht darstellt, wie er mit der rechten Hand eine Herde Schweine segnet, die mit Calla und den Knöpfen der Soutane, sowie den Abzeichen der Priester versehen sind. Das Bild trägt die Unterschrift: „Durch sein Eintreten für den Pfarrer Dauer hat Bischof Kepler von Rottenbura gezeigt, daß er nicht nur über Schafe, sondern auch über Schweine ein guter Hirte ist." Die a »Ivkgvnils AkonnsnivnrskH 'N Kl Achar, üie Leuchte ües Islam. Don Paul Pasig. Die wenigsten der landläufigcn Nilreisenden und ägyptischen Winterfrischler nehmen sich die Mühe, durch das Straßen- und Gassengewirr der „völker wimmelnden" Muski in Kairo einzudringen in das Heiligtum islamitischer Wissenschaft, die mit der gleichnamigen Moschee verbundene Universität El Azhar (d. h. „Die Blühende"), zurzeit noch immer die erste Hochschule des Mohammedanrsmus In der Tat, es gehört schon eine tüchtige Portion der jedem '.stilreisenden dringendst anzuempfehlenden Kalt blütigkeit und Gemütsruhe dazu, sich durch diesen belebtesten und lautesten, dafür aber auch inter essantesten Stadtteil der regsamen Kalifenstadt hin durchdrängen oder besser zu Esel schieben und stoßen zu lasten, um bis zur Eingangspforte des inmitten eines Häusergewirres versteckt liegenden merkwürdi gen Heiligtums zu gelangen. Die meisten begnügen sich, hier angelangt, am Haupteingange, dem ,,^or der Varbierc", haltzumachen und dann umzukehrcn, aus — völlig unbegründeter — Scheu vor etwaigen unliebsamen Begegnungen. Denn unter allen Mo hammedanern zeichnen sich die Bewohner des Pharaonenlandes durch ihre geradezu vorbildliche Duldsamkeit aus, und gegen ein geringes Bakschisch, ohne das es nun einmal im Orient weder Verbotenes noch Erlaubtes gibt, erhält jeder hier wie in den übrigen Moscheen unbehelligt Zutritt bis in die innersten und heiligsten Räume. Wir treten also durch das erwähnte Tor, so genannt, weil sich ehedem die Studenten hier rasteren ließen, ein, nachdem wir die oben prangende vielverschlungene Inschrift be herzigt haben: „Man beurteilt jede Handlung nach ihrem Beweggründe: für jeden Menschen entspricht dre Vergeltung dem Beweggründe seinr Handlungs weise." Nun gelangen wir zunächst — wie in jeder anderen Moschee — in den mit einem unbedeckten Arkadengange umgebenen Vorhof, der ein rechtwinke- liqes Parallelogramm bildet. Oestlich schließt sich der eigentliche Hauptraum, der gewaltige Hörsaal d:r Universität, an, ursprünglich fünfschiffig, im 18. Jahr hundert aber um vier weitere Schiffe vergrößert. Nickst weniger als 140 Marmorsäulen tragen vas Deckengewötve, von dem herab 1200 Lampen im Be darfsfall« ihr dämmerndes Licht auf den etwa 3000 Quadratmeter umfassenden weiten Raum fallen lassen. Da die Universität zugleich die Bedeutung und Aufgabe einer Moschee hat — im islamitischen Orient ist die Wissenschaft in der Hauptsache noch immer theologisch oder wenigstens ideologisch beein flußt —, so fehlt es natürlich auch hier nicht an den bekannten heiligen Stätten einer Moschee: wir be merken vor allem die in der Ostwand befindliche, stets nach Mekka weisende Kibla oder Eebetsnijche. Nördlich und südlich vom Vorhofe befinden sich noch zwei kleinere Hörsäle, deren Decken von doppet- jäuligen Arkaden getragen werden. Jeder dieser Säle ist durch Gitter in einzelne Ab teilungen geschieden; diese heißen Riwäk und sind sür die Studierenden aus der gleichen Provinz (Nation) bestimmt. Es herrscht nämlich hier noch wie ehedem an den abendländischen Universitäten eine strenge Gliederung der Angehörigen nach Nationalitäten. Die meisten Studierenden stellt natürlich Aegypten. Außerdem finden wir solche aus Mekka, von der Somaliküste, Berbern, dem Sudan, Bagdad, den nördlichen Provinzen des türkischen Reiches usw. Die Geschichte unserer Hochschule hängt eng mit derjenigen der Stadt zusammen. Sie wurde im Jahre 362 der Hedschra, d. h. 973 unserer Zeit rechnung, von dem Wesir des Falimidenkalifen Muizz gegründet, demjenigen also, der das heutige Kairo (Kahira, d. h. die Siegreiche) an Stelle des alten Fostat erbaute. Im Laufe der Zeit entwickelte sick, die Hochschule zu ungeahnter Blüte: zählte sie doch zuweilen gegen 12 000 Studierende, die von über ;>00 Profcßoren unterrichtet wurden. Was sodann die Studierenden und den Studien gang bzw. das eigentliche Studium betrifft, so sei zunächst bemerkt, daß letzteres im Durchschnitt vier bis sechs Jahre beansprucht. Eigentliche Kollegiengelder gibt es nicht; vielmehr sind die einzelnen RiwLks (Nationalitätenabteile) seitens der Moschee mehr oder minder reich dotiert, um ihren Unterhalt selbst bestreiten zu können. Ein Riwäk ist zur Aufnahme der Blinden, etwa 3—400, bestimmt. Diese leben ganz von milden Stiftungen, galten aber von je als die fanatischsten Vertreter des Islams Unser Führer machte uns mit Recht darauf aufmerksam, bei unserem Rnndgange jede auffällige Handbcweguna. jedes ver dächtige Gebardenspiel sowie allzu laute Äeußerungcn zu unterlasten. Wir begriffen da» vollkommen, scho weil wir fürchten mußten, Lehrer und Hörer zu stören, ganz abgejehen davon, daß solche Aeußerungen leicht mißdeutet werden konnten. Die Professoren beziehen keinerlei Honorar, sondern müssen sich durch Adschreiben von Büchern, Erteilung von Privatunterricht, Bekleidung anderweiter, meist religiöser Aemker, ja selbst Geschenke reicher Schüler ihren Unterhalt zu beschaffen suchen. Nur der an gesehenste unter ihnen, der etwa unserem Rektor Magnifikus entspricht und den Titel „Scheck) cl- Gami'a" (Vorsteher der Moschee) oder „Scyech el- Jslüm" (Vorsteher des Islam) führt, erhält eine Be soldung von 20 Beuteln (etwa 2000 Mark). Die Lehrmethode macht auf den Europäer einen, wir möchten fast sagen, lächerlich-komischen Eindruck. Mit untergeschlagenen Beinen sitzt der Lehrer, meist eine ehrwürdige, weißbärtige Erscheinung, mit dem Rücken an eine Säule gelehnt, zu ebener Erde auf einer Strohmatte und um ihn im Halbkreise herum seine Zuhörer, vielfach noch bartlose Bürschchen mit naiven, volleren Gesicytszügen. Der Lehrer beginnt in der Regel seine „Vor lesung" damit, daß er aus dem Koran oder einem andern Lehrbuche — zur Erläuterung sei bemerkt, daß der Koran nicht nur als Quell und Urkunde für die Religion, sondern auch sür die meisten andern Fächer, vor allem Jurisprudenz, gilt — Satz für Satz vorliest und erklärt, bis die Zuhörer imstande sind, selbst das ganze Buch mit den nötigen Erklärungen zu wiederholen. Das Hauptgewicht wird also hier aus das gedächtnismäßigc „Einpauken" gelegt, und es ist überaus unterhaltend, wie die jungen Leute — auch bei Elementarschülern herrscht dieser Brauch — dabei verfahren. Sie bewegen nämlich, währenb sie Wort für Wort, Zeile für Zeile, Satz für Satz rezi tieren, den Oberkörper pendelmäßig rückwärts und vorwärts — ein Mittel übrigens, das, wie uns von sachkundiger Seite versichert wurde, überaus geeignet jein soll, das Gedächtnis zur Aufnahme von Memo rierstoff geschmeidig zu machen. Seine Erklärung beginnt der Lehrer meist mit einer stereotypen Phrase wie: „Der Autor, den Allah segnen möge, hebt an , oder: „Der Verfasser, den Allahs Gnade erleuchtete schreibt" usw. Dann unterbricht er zuweilen feine Erläuterungen und wendet sich fragend an die Stu denten, ob sic das Vorgetragene begriffen haben, worauf dann regelmäßig die gleiche Antwort wieder kehrt: „Allah sei gepriesen, ich habe verstanden!" Wie bereits oben angedeutet, trägt die ganze isla- mitische Wissenschaft einen religiösen Charakter, und der Koran gilt auch für die anderen Wissenszweige als Quell und Norm. Daran muß man festhalten, um den Studiengang auf der Universität zu ver stehen. Der islamitische Student beginnt mit dem grammatischen Kursus, der die Voraussetzung für das rein formale Verständnis vor allem des Korans bildet. Dann folgt der theologische Kursus, der in den Inhalten des heiligen Buches einsührt; er fängt mit einem Ueberblick« über die Eigenschaften Gottes und des Propheten an und führt bis in die geheim nisvollsten Tiefen der Dogmatik, die Lehre von den guten und bösen Geistern, das Jenseits, die Hölle, das Paradies. . . . Nun folgt der juristische Kursus. Wie eng Jurisprudenz und Theologie nach dem Islam Zusammenhängen, bezeugt einer der größten arabischen Denker (Ibn Khaldün), wenn er die Rechtswissenschaft als „die Kenntnis der Satzungen Gottes in betreff der Handlungen der Menschen, je nachdem sie geboten oder verboten, anempfohlen, untersagt oder gestattet sind", bezeichnet. Es wird also zuerst von den religiösen Pflichten (Einheit Gottes, Mohammed als Prophet, Gebete, Reinigun gen, Almosengeben, Fasten, Wallfahrten nach Mekka, Religionssteuer usw.), sodann vom weltlichen Rechte, dem Zivil- und Kriminalrechte, die gleichfalls im Koran, dem „Buche Gottes", begründet sind, ge handelt. Angeschlossen wird ein Leberblick über die arabische juristische Literatur und eine Zusammen stellung wichtiger Entscheidungen (Fetwa) angesehe ner Rechtslehrer. Außerdem werden noch Logik, Rhe torik, Verslehre (Poetik), richtige Aussprache der Buchstaben und korrektes, ausdrucksvolles Lesen des Korans gelehrt. Mathematik und Naturwistenschas- ten, bereits im alten Aegypten der Pharaonenzeit in hoher Blüte stehend, und an der weltberühmten Uni versität zu Heliopolis („On" in der Bibel genannt) besonders gepflegt, liegen gegenwärtig ganz im argen. In den Zwischenpausen ändert sich mit einem Male die Physiognomie der Hörsäle. Da kommt das lebhafte Temperament des Südländers wieder zur Geltung, und man wähnt sich auf einem der menschen wimmelnden Plätze der Kalifenstadt. Gruppenweise bewegen sich die Studierenden auf und ab; Wasser verkäufer und Händler mit erfrischender Limonade lasten in das Summen der Stimmen das Helle Klirren ihrer zusammengeschlagenen, messingenen Trinkschalen ertönen; Viktualienverkäufer aller Art preisen mit demosthenischer Beredsamkeit ihre Waren an, und wir wähnen uns in einer Markthalle. Wie ander»
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