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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.04.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100412016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910041201
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910041201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-12
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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Nr. 100: lo^. Jatzrvsng. Leipziger Tsgedisn. Dienstag. l2. April lSlo. dah nur wirklich Tüchtige sich Arroganzen selbst ihm gegenüber leisten dürfen. . . . Die Nervosität ist das einzige an ihm, das er nicht erschwindelt. Eie hat er wirklich. Der unge heure Druck, nirgends die Fäden zu vrrwirren, der ungeheure Druck, von dem er nur weih und keinem sagen darf. Er stützt sein Prestige, wenn er im Bureau gegen Nnterveamte wie Chef gleich groß mäulig ist! aber es muh nicht „Heredität, nicht Ao- normität sein: es ist da» einzige Ventil, das ihm gestattet ist. Und er will nicht ins Irrenhaus, er ioill seine Strafe absttzen, um dann drüben über'm Ozean irgendwo noch einmal zu beginnen. Er kennt seine Arbeitskraft. vemlches Reich. Leipzig, 12. April. * Reichsgericht und Tariskämpfe. Eine für Ar beitgeber und Arbeitnehmer wichtige Entscheidung, die angesichts der bevorstehenden wirtschaftlichen Kämpf« besonderes Interesse gewinnt, hat das Reichsgericht in einer Klage de» Arbeitaeberschutz- verbandes der Holzindustrie gegen den Holzarbeiter verband getrosten. Die vom Reichsgericht aus gestellten Rechtsgrundsätze gehen dahin, dah die Organisationen, die ihre Angehörigen zu vertrags widrigem Verhalten veranlassen und sie dabei unter stützen, sich haftbar machen und zwar nach der Rich tung, dah auch die einzelnen Arbeitgeber aus dem Tarifverträge Rechte gegenüber der gegnerischen Organisation und deren Mitgliedern erworben haben. Danach kann bet einem Tarifvertragsbruch Schaden ersatz verlangt und einaeklagt werden und zwar von jedem einzelnen Mitglieds der beteiligten Organi sationen. Zahlstellen und einzelne Mitglieder sind haftbar für Schäden aus dem Vertragsbruch, sobald ihnen eine Verletzung der Äertragspfltcht nach gewiesen wird. * Wahlprüfungsergebni». Die erste Abteilung der Zweiten Kammer beantragt die Wahl des Abgeord- netsfi Knobloch im dritten städtischen Wahlkreise (Radeberg) für gültig zu erklären. — Bei dieser Gelegenheit sei einmal daran erinnert, dah von anderen Abteilungen in zwei Fällen Beweis erhebungen beschlossen worden sind, die möglicher weise zur Ungültigkeitserklärung der betreffenden Wahlen führen können. Es wäre wohl an der Zeit, wenn nun endlich auch diese Fälle einmal zum Ab- schluh gebracht würden, denn der Landtag geht in einigen Wochen auseinander. Oder wist man sich in der Zweiten Kammer für Wahlprüfungen das Ar beitstempo des Reichstage» zum Muster nehmen? * Li« Deutsche Reformpartei im Königreich Sachsen hielt am Sonntag in Meisten «ine Ver- trauensmänneroersammlung ab, die sich in der Hauptsache mit den künftigen Reichstagswahlen be schäftigte. An Stelle de» erkrankten Vorsitzenden der Partei, Reichetagsabgeordneten Zimmermann, über nahm Kaufmann Schumann den Vorsitz. Den Beratungen ging ein Vortrag des Landwirtschafts lehrers Fell er-Meißen über die historischen Grundlagen der volttischen Parteien voraus. Er for derte u. a., dah das Großkapital, das jetzt die Herr- schäft führe, dem Volke dienstbar gemacht werde. Sehr eingehend wurden alsdann die politischen Verhält nisse in den 23 sächsischen Reichstagswahlkreisen be sprochen. Die meisten Obmänner berichteten von Wandlungen der politischen Anschauungen im Volke zufolge der unerquicklichen Verhältnisse im sächsischen Landtage. Nach Schluh der Aussprache stimmte die Versammlung folgender Resolution zu: „Die Vertrauensmänner - Versammlung der, Deutschen Reformpartei beschließt einmütig, im 2. (Löbauer), 8. (Bautzener), 4. (Dresden-Neu- ftädtor), 7. (Meißner), S. (Pirnaer), 14. (Bornaer),. 2V. (Marienberger) Reichstagswahlkreise reformerische Kandidaten aufzustel- l e n und bezüglich der Besetzung der übrigen Wahl kreise sich eine endgültige Entschließung vorzube halten. Die Versammlung beschließt ferner, bei den kommenden Wahlen obne Aus nahme selbständig vorzugehen. Mit den in Aussicht genommenen Kandidaten sollen die Obmänner sogleich in Verhandlung treten, um dann die Vorarbeiten in den einzelnen Wahl kreisen zu beginnen. Die Versammlung beriet auch die Mittel und Weg« zur Schaffung einer Kriegs kaffe für die Wahlen. Allgemein kam die Ueber- zeugung zum Ausdruck, dah sich die nächsten Wahlen unter ähnlichen Verhältnissen wie in England ab spielen und mit noch nie zuvor erlebter Schärfe ge führt werden würden. Einen weiteren Teil der Tagesordnung bildeten Beratungen über die Partei presse und Organisationsfragcn. — Soweit der Ve richt. Interessant daran ist vor allen Dingen, dah sich die Reformpartci als erste von allen bür gerlichen Parteien für ein selbständiges Vorgehen bei den nächsten Reichstagswahlen ausge sprochen Kat, wahrend man doch sonst gerade in den Organen der Rechten Sehnsuchtsruse nach der Samm lung aller bürgerlichen Elemente vernimmt. Daß die Reformer in diesem edlen Bestreben gleich aufs Ganze gehen und nicht weniger als sieben Reichs- tagswahlkreisc zu okkupieren suchen, spricht allerdings mehr für eine starke Selbsteinschätzung als für eine klare Erkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse. Jeden falls will sich aber die Rekormpartei eine ähnliche derbe Lektion bei den Reichstagswahlen holen, wie sie bei den Landtaqswahlen bezogen hat, und das kann uns nur recht sein. * Ordensauszeichnung. Die „Köln. Volksztg." mel det weitere Ordensverleihungen anläßlich der Ein weihung der Zionslirche, so u. a. die Verleihung des Roten Adlerordens I. Klasse an Kardinal Fischer. * Das A«»wärtig« Amt hat Konferenzen mit den deutschen Berawerksinteressenten in Ma- rokko begonnen. Unter den Interessenten stehen in erster Linie die Brüder Mannesmann. Die deutsche Regierung scheint sich bemühen zu wollen, zwischen der ersten und zweiten Lesung des in Paris zu be ratenden Berggesetzes in Marokko für die deutschen Interessen möglichst viel herauvzuschlagen. Die erste Lesung des Berggesetzes in Paris ist zwischen den Vertretern Deutschlands, Frankreichs, Englands und Spaniens beendet. Die Verhandlungen im Auswär tigen Amt in Berlin sind vertraulich. * Di« Rechtslage in der Hellfeldtsach« ist noch durchaus ungeklärt. Während vom Rechtsbeistand des Herrn von Hellfeldt die Mitteilung verbreitet wurde, daß ein Termin am Landgericht in Berlin angesetzt sei zur Bescheidung einer Klane auf Aus zahlung des Millionenguthabens bet Mendelssohn, wird von der Mcndelssohnschen Seite geltend gemacht, daß die Erhebung des Kompetenzkonfliktcs das Pro zeßverfahren aufhalte, so dah ein Rechtskräftigwerden früherer Entscheidungen unmöglich sei. * Landevökonomierat Kennemann f. Wie wir bereits im Depeschenteil der gestrigen Abendnummer mitteilten, ist am Montag in Klenka bei Neustadt Landesökonomierat Kennemann, einer der Mit- begründer des Deutschen Ostmarkenverein», im Alter von 95sH Jahren an der Influenza gestorben. Kennemann wurde am 4. Januar 1815 in Soldiu geboren; er wandte sich nach kurzer militärischer Laufbahn der Landwirtschaft zu und bewirtschaftete seit 1840 die Besitzung Klenka bei Neustadt (Pron. Posen) und richtete dort eine Musterwirtschaft ein, die namentlich auf dem Gebiete der Pferdezucht Vor bildliches leistete. Im Laufe der Jahre erwarb Kennemann 14 Rittergüter mit einer Gesamtfläche von 83 300 Morgen. Zum Erben dieses stattlichen Grundbesitzes hat er bereits 1902 den preußischen Staat eingesetzt. 1886—89 war Kennemann Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses. Zu Bismarck unterhielt er seitdem lebhafte Beziehungen. Für das Deutschtum in der Ostmark hat er jederzeit mutig, schon während der Polenauffstände in den 40er Jahren, Zeugnis abgelegt. Mit.Ferdinand von Hansemann und Rittergutsbesitzer von Tiedemann- Seeheim zusammen gründete er 1894 den „Verein zur Förderung de» Deutschtums in den Ostmarken", den heutigen „Deutschen Ostmarkenverein'. Die streng nationalen Ziele dieser Gründung, Hebung und Stärkung der deutschen Bevölkerung in den mit Polen durchsetzten östlichen Provinzen trug diesen drei Männern den heftigsten Zorn der Polen ein. Diese nennen den Ostmarkenverein noch heute noch den Anfangsbuchstaben seiner drei Gründer „ULl- Verein" und suchen alle Mitglieder dieses Vereins als „Hakatisten" auf jede nur denkbare Weise zu ver dächtigen und herabzuseken, weil sie gerade in dieser Schöpfung den stärksten Gegenschlag geoen ihre groß polnischen Bestrebungen erblicken. Die Förderung des Ostmarkenvereins war für Sennemann neben der Sorge um seinen landwirtschaftlichen Musterbetrieb Inhalt seiner letzten Lebensjahre. Sein Name wird nie vergessen werden, solange es Deutsche in der Ost mark gibt. * Die wiederholte Schluhadftimmung über die preuhische Wahlrechtovorlagc steht als erster Punkt aus der Tagesordnung der am Dienstag, vormittags 11 Uhr, einberufenen Sitzung des preußischen Ab geordnetenhauses. Auch die Fortschrittliche Volks partei und die Sozialdemokratie haben, wie es heißt, auf die Wiedereinbringung ihrer Anträge verzichtet. Eine Spezialdiskussion ist daher überhaupt nicht zu erwarten, vielmehr nur eine kürzere oder längere Generaldebatte. * Ein Rechtfertigungsversuch de» Berliner Polizei präsidenten. Seitens des Polizeipräsidiums in Berlin wird ein Communiquü veröffentlicht, in dem der Nachweis versucht wird, dag der Polizeipräsident keine Aenderung seiner Haltung gegenüber den De monstranten vorgenommen habe. Es wird nochmals darauf hingewiesen, dah am 6. März einheitlich für Aufzüge und Versammlungen die Genehmigung nachgesucht wurde. Am letzten Sonntag wurde da gegen lediglich die Genehmigung für öffentliche Versammlungen nachgesucht. Hierzu dürfe die Genehmigung nur versagt werden, wenn Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu befürchten sei. Es hätte vielleicht ein Gedränge stattfinden können, doch sei auch diese Befürchtung entkräftet worden. Daher wurde die Genehmigung erteilt. Dann heißt es wörtlich: „Daß dies polizeilich richtig war, hat der Sonntag erwiesen, denn es blieben noch so große Flächen des Spielplatzes im Humboldtshain ver sammlungsfrei, daß man Kinder darauf spielen sah. Hiernach kann weder von „Umfall", noch vom „Weg nach Damaskus" die Rede sein, sondern es hat ein fach das Reichsvereinsgesetz im genauesten Sinne des Gesetzgebers Anwendung gefunden." Zum Schluh wird noch angeveutet, daß die Aufhebung einer Ver sagung im Wege des Verwaltungsstreitverfahrens gewiß nicht der Wahrung der Staatsautorität ge dient hätte. — Daß Herr von Iagow mit dieser „Rechtfertigung" viel Eindruck machen wird, be zweifeln wir stark. * Reichstagsersatzwahl in Usedom-Wollin. Justiz rat Herrendürfer in Swinemünde ist für den Wahlkreis Uckermünde-Usedom-Wollin für den ver storbenen Abgeordneten Delbrück als Kandidat der Fortschrittlichen Volkspartei aufgestellt worden. Suslsnü. Delterreiüi-Ungarn. * Eine Rede des Grafen Tisza. ZnDrobreczin sprach am Sonntag Graf Tisza über die poli tische Lage. Trotz Absperrung der Strahe durch Militär und Polizei kam es zu Demonstra tionen und mehreren Verhaftungen. Graf Tisza griff die Justhpartei an, di« das ungarische Parla ment zum Gegenstand de» Spottes gemacht habe. /rankretch. * Zur Lage in Marseille. Trotz des von der Ver einigung der Syndikatskammer der Arbeiter ver breiteten Appells zugunsten des Eeneralausstandes arbeiten sämtliche Kaiarbeiter weiter. Die Torpedojäger, die hier eingetrosfen waren, um den Dienst der Postdampfer zu sichern, sind nach Toulon zurückgcfahren. Serbien. * Errichtung einer staatlichen GeschÜtzsabrik. Die „Nowoje Wremja" erfährt, daß die serbische Regierung die Errichtung einer modernen staatlt ch en G e- schützfabrrk in Serbien beschlossen hat. Gegen wärtig werden bereits Baupläne im Kriegsmtniste- rium ausaearbeitet. Die Beschaffung der erforder». lichen Maschinen für die Herstellung von Geschützen werde auf dem Wege der öffentlichen Ausschreibung erfolgen. Die Fabrik soll in Luprija errichtet werden. Türkei. * Di« GreMwifchenfälle Die Pforte ließ in Sofia eine Note überreichen, in der sie die Auf- merksamkeit der bulgarischen Regierung auf die letzten Erenzzwischenfälle lenkt und die Be strafung der Schuldigen sowie Maßnahmen zur Ver hinderung solcher Zwischenfälle verlangt. * Di« türkische Flotte trat tn einer Stärke von drei Kreuzern und neun Torpedobootszerstörern eine Uebungsfahrt an, die, den Blättern zufolge, bi» tn die albanischen Häfen ausgedehnt wird. * Die Reise de» Serbenkönig». Der König von Serbien ist nach einer Reise auf der Sultansjacht „Ertogrul" am Sonntag auf dem Berge Athos etn- getroffen; er fährt nach dem Besuche der Klöster am Montag nach Saloniki weiter. perlten. * Ablehnung der englisch-russischen Anleihe. Die persische Regierung teilte der englischen und russischen Gesandtschaft mit, daß sie nicht tn der Lag« sei, bei auswärtigen Anleihen irgendwelche Be dingungen anzunehmen, außer solchen, die sich aus Verzinsung. Amortisation und Sicherstellung bezögen. Diese Erklärung ist gleichbedeutend mit einer Av is h n u n g der vorgeschlagenen gemeinsamen Hergabe einer Anleihe von 400 000 Pfd. St. seitens Rußlands und Englands. vereinigte Staaten. * Das Vorgehen gegen die Trusts. In einer Rede kündete auch der 'Attorney General Vicksrskam an, es werde bald ein Gerichtsverfahren eingekettet werden, um die Kohlentrusts gemäß der Be stimmungen des Antitrustgesetzes aufzulösen. Sie Sanner Preußen unü üer UnteroMster Leith. Der Fall Feitb, der militärgerichtlich bereits ab geurteilt ist und für die Militarbeteiltgten überaus milde verlief, hat nun auch das bürgerliche Gericht beschäftigt und dort, wie schon gemeldet, zu Gefäng nisstrafen den Anlaß gegeben. Die Bonner „Deutsche Reiche-Ztg." berichtet darüber des Näheren unterm 9. April: Der Fall Feitb beschäftigte heute das Bonner Schöffengericht. Der Andrang de» Publikums war ganz ungeheuer. Von den Teilnehmern an den nächtlichen Ausschreitungen in der Wohnung des Husaren-Einjährigen Feith waren die Angehörigen des Husarenregiments vom Standgericht freige sprochen worden. Gegen die übrigen Teilnehmer rich tet sich das jetzige Verfahren. Es waren vier Stu denten unter Anklage gestellt. Gegen zwei Ange klagte kann das Schöffengericht nicht verhandeln, weil sie inzwischen, der eine in Hofgeismar, der andere in Bonn, beim Militär stehen und deshalb vom Kriegs gericht abgeurtetlt werden müssen. Es sind die» die Herren Rudolf Wild von Hohenborn und Ludwig Karl Freiherr von Plessen. Unter Anklage stehen heute nur Konrad Graf Fink von Ftnkenstetn, geboren am 11. Juni 1889 zu Marienwerder, jetzt in Schön berg (Westpreußen) wohnhaft, und Hans Wernher von Quistorp, geboren am 25. Dezember 1888 in Lrenzow, Kr. Stralsund, jetzt in Berlin wohnhaft. Der Angeklagte von Finrenstein erklärte sich zur Anklage, nach der Abschiedskneipe für den Prinzen Oskar sei die Idee aufgetaucht, zu Feith zu gehen, um ihm einen „Budenzauber" zu machen. 'Ein Teil sei zu Fuß gegangen, ein Teil gefahren. Er habe Feitb nur wenig gekannt, er sei ihm nur einmal vor gestellt worden; Verkehr habe er nicht mit Feith ge habt. Die Haustür sei von innen geöffnet worden. Die meisten seien nun hinaufgegangen in die Woh nung von Feith. Zuerst sei er noch unten stehen ge blieben. Er sei dann später auch htnaufgegangen und habe sich das Treiben angesehen. Es fei dunkel gewesen und er habe nichts erkennen können. Es sei ein allgemeines Durchernanderlaufen gewesen. Er könne sich nicht besinnen, ob er selbst tm Zimmer gewesen sei. Möglich sei es aber. Auch wisse er nicht, ob er Feith gesehen, erkannt, oder «in Wort von ihm gekört habe. Der zweite Angeklagte, Quis torp, erzählte, daß im Laufe des Sommers öfters die Rede von Felth gewesen sei. Er gebe zu, daß er mit im Zimmer Feiths gewesen sei. Die Szene im Zimmer habe etwa 20 bis 30 Minuten gedauert. Er wiße nicht, wie er dorthin gekommen sei. Er habe von dem Einjährigen gehört, dah es sich darum ge handelt habe, dem Feith einen „Spaß" zu machen. Die Angeklagten sind, wie der Vorsitzende mtttetlte. von der Polizeibehörde bereits mit 30 wegen groben Unfugs bestraft, den sie bei Feith verübt haben. Zeuge Kutscher Langenfeld erinnert sich nicht mehr ganz genau an die Vorgänge. Er habe einen Teil TSglivk slvügsnrl« Nkonnsnlvnrskl! Sus Gustave Liauberts priesen. Der Verleger Louis Conard in Pari« wird dem- nächst den Briefwechsel de» großen Romandichters Gustave Flaubert im Buchhandel erscheinen lassen; von den in der Korrespondenz enthaltenen Briefen, die bisher noch nicht bekannt waren, werden in der literarischen Beilage de» „Figaro" einige besonders interessante veröffentlicht. Sie stammen au» der Jugendzeit des berühmten Verfassers der „Madame Bovary' und sind an Flauberts Freund Ernst Cheva lier gerichtet. Der jung« Dichter war schon damals unzufrieden mit dem Leben und glaubte in ftfft jedem Briese über Enttäuschungen und zerstörte Illusionen klagen zu müssen. „Ich habe gelebt", heißt es in einem Briefe, „das heißt, ich habe mich gelangweilt." Um sich zu zerstreuen und sich Abwechselung zu ver schaffen, las er Tag und Nacht. „Ich bin mit Rousseau» ,Bekenntnissen" fast fertig", schreibt er, „und kann Dir nur raten, dieses wunderbare Wert gleichfalls zu lesen: es ist oie wahre Stilschule. Dann habe ich mir wieder den guten Rabelais vor genommen, den ich seit einiger Zeit ein wenig ver nachlässigt hatte, den ich aber jetzt bald zu Ende ge lesen haben werde. . . ." Als der Freund ihn im Januar 1844 fragte, was für Pläne et für die Zu kunft habe, antwortete er: „Gar keinen. Ich habe keine Ideen und Projekte und hab« nicht da» Bedürf- ni», etwas zu werden; ich halt« mich an die Maxime de» Philosophen, der da sagte: „Verbirg dein Leben und dein Trachten." Es war die Zeit, in welcher Flaubert sich von jedem literarischen Ehrgeiz frei gemacht hatte und nur für den Tag lebte, oder eigent lich nur vegetiert«. Er war gleichgültig und träge geworden und lebte, den ganzen Tag rauchend, in einer Art Dämmerzustand. „Wie trocken und dürr wäre das Leben ohne die Pfeife", schrieb er; „wie farblos und eintönig wäre es ohne die Zigarre, wie lästig ohne den Kautabak I" Sein« Lebensweise schilderte er damals kolgendermahen: „Ich steh« um 8 Uhr auf, esse, rauch«. n»bme «tn Bad, «ff« wieder, rauche weiter, lege mich in die Sonne, diniere, rauche wieder und leg« mich wieder hin, um wieder zu essen, wieder zu rauchen und dann noch einmal zu essen!" Sein« ganze geistige Nahrung bestand au« Zeitungen und historischen und philosophischen Büchern: „.... Wie die Spießbürger alle Tage ge bratene Kartoffeln, gekochte« Rindfleisch und Kalos- rippchen essen und Branntwein oder Apfelwein dazu trinken, so wollen auch die literarischen Feinschmecker ihr« täglich Nahrung haben, aber sie lieben aus erlesenere Dinge, weniger fade Tunken, bessere Weine." Flaubert studierte Jura, aber ohne rechte Lust und ohne die Sache recht zu begreifen; er fand nicht Flüche und Verwünschungen genug, um das heilige römische Recht in Grund und Boden zu schimpfen. Der Dichter hatte noch nicht sich selbst entdeckt. Ztalienilche Kelle-Kolinen. Also jetzt weiß man's! Die überaus freundliche Aufnahme, die der deutsche Reichskanzler Herr von Bethmann Hollweg in Rom gefunden, ist nicht auf feine Wahlreformvorlage zurückzuführen, sondern darauf, dah er dem Unterstaatssekretar des Aeußern, der bisher Obmann des Vereins zur Hebung ors Fremdenverkehr» in Rom gewesen ist (eine glänzende und doch verdiente Karriere, die allen Ob männern des Vereins usw. zu wünschen ist), durch Ziffern bewies, daß die Deutschen nach den Eng ländern dasjenige Volk sind, das am meisten in Italien reist. Dah man auf etn solche» Reiseoolk möglichste Rücksicht nehmen muh, ist selbstverständlich. Die auswärtige Politik auf die Basis des Fremden verkehrs zu stellen, ist keine schlechte Idee; man merkt ihr den kaufmännischen Ursprung des deutschen Reichskanzlers an. Dieses Argument sollte Deutschland auch den Eng ländern gegenüber al« Beweis seiner Friedensliebe ins Treffen führen. Baut Deutschland vielleicht eine Panzerflotte, um sich seine besten Reisenden wegzu schießen? Die Engländer wissen kaufmännische Argu mente mindestens ebensogut zu würdigen, wie die Italiener. Warum sind die Eisenbahnverwaltungen so rück ständig? Sie glauben, sich immer in den alten Gleisen bewegen zu müssen und fürchten den Wechsel, weil zumeist bet diesem ein Unglück geschieht. * Die Eisenbahndirektoren von Mitteleuropa sollten nicht bloß darum zusammenkommen, um ihre Uhren zu richten, di« Tarife zu erhöhen und die fahrplan mäßigen Zugverspätungen festzusetzen, sondern sie sollten sich auch jedesmal mitteilen, was es Neues gibt, wodurch man die Bequemlichkeit der Reise er- höhen und den Anreiz für da» Reisen verstärken Wenn man durch Deutschland, Oesterreich oder Italien fährt, muh man in jedem Bundesstaat, Kron land, bzw. Provinz einem neuen Schaffner seine Fahrkarte vorwetsen. Bei Nacht wird man aus dem Schlaf gerüttelt, durch die Laterne de« Schaffner« ge blendet und förmlich wie «in Verbrecher zur Aus- wei«letstung angehalten. Alle« die», trotzdem man ohne Fahrkarte nicht ins ToupS und nicht aus dem Bahnhof heraus kann. Würde die Kontrolle im Bahnhof nicht genügen? Und wenn sie nicht genügt — was läge daran? England ist leider nicht rn Mitteleuropa (oder doch?), sonst würde man von England auch in dieser Beziehung lernen können. Die Engländer sind doch die Meister des Reisens, und da» Publikum und die Hotel« lernen von ihnen. könnte. Zwei Einrichtungen haben sich die Bahnver waltungen — vornehmlich aus Unterschätzung ihrer Bedeutung — entgehen lassen: da» fahrende Bett und das fahrende Essen. Die Gesellschaft, die diese Einrichtungen für die Bahnen übernommen hat, zahlt gröhere Dividenden, als manch« Bahn. Wie wär's, wenn sich eine Gesellschaft bildete, die e» sich zur Aufgabe machte, dem Reifenden noch andere Be quemlichkeiten und feinere Genüsse zu vermitteln, als die im Schlafen, Essen und Trinken bestehen? Zum Beispiel einen Wagen beizustellen, dessen Heizvorrich- tung tadellos funktioniert, dessen Türen und Fenster keinen Zugwind und keinen Rauch durchlassen, dessen Scheiben in jeder Station geputzt werden, dessöfi Lampen genügendes Licht verbreiten, deren Gepäck netze das Herabfallen von Hutschachteln verhindern? Wagen, in denen vermittels drahtloser Telegraphie die neuesten Nachrichten mitgeteilt und in denen die neuesten Zeitungen jeder größeren Station aufliegen? Das alles könnte durch einen Zuschlag erreicht werden, nicht gröher als der für ein Bett oder für ein Diner. Sind diese Vorschläge wirklich wetter gehend, als die bereits bestehenden Einrichtungen des Schlaf- und Restaurationswagens? In Nord amerika kann man auch während der Fahrt ein Bad nehmen. Co weit will ich gar nicht gehen. Könnte man nicht tm Bequemlichkeitswagen ein Toiletten- kabinitt einrichten, in welchem nicht alle Einrich tungen mit Klappfedern versehen find, so dah man mög..ckst rasch machen muh, um nicht eingeklemmt zu werden, und rn welchem die Gläser und Flaschen und Lavoirs rein und ruhfrei wären? Ja, ich weih, daß ich ein Phantast bin. Könnten nicht auch die Bahnverwaltungen von ihnen lernen? Daß das Reisegepäck ohne Gepäckschein auf geladen und herausgeworfen wird, ist allerdings für ein deutsches Unterianenaemüt ein schrecklicher Ge danke, aber es ist so: jeder nimmt sich sein Gepäck und kein anderes — ohne Schein, ohne Stempel und Unterschrift. Di« Bahnverwaltungen werden mir sagen: Gebt uns ein englisches Publikum, und wir geben euch englische Einrichtungen. Leider, leider haben die Bahnverwaltungen recht. Ein Publikum, dem man jede Spanne lang vorhalten muh. dah das Htnaus- beugen aus den Fenstern gefährlich ist, dem man das Spucken tn den Wagen verbieten, dar Ordnen der Kleidung auftragen muh, ein Publikum, das sich untereinander mit der größten Rücksichtslosigkeit, ja Feindseligkeit behandelt, verdient die Beyandlung, die ihm von den Vahnoerwaltungen zuteil wird. Gestern wurde ich in aller Frühe durch den unaus gesetzten, eintönigen Glockenschlag einer Hotelzimmer glocke geweckt. In vielen Hotels besteht anstatt der Glocke, die im Korridor die Nummer des rufenden Zimmers beraustreten läßt, die Einrichtung, dah dre angeschlagene Glocke so lange tönt, bis es dem ge rufenen Stubenmädchen gefällt, zu hören und die Glocke abzustellen. An diesen Glocken kann man die Wahrnehmung machen, dah die Herren immer besser hören, als die Diener. Ich frage: Mit welchem Recht weckt mich der fremde Gast? Mit welchem Recht mutet mir der Hotelier zu. dah ich mich von jedem Glockengeläut wecken lasse? Warum gibt es nicht tn jedem Stockwerk ein Dienerschaftszimmer, in dem allein die Glockenzeichen vernehmbar sind? Es gibt eine ganze Reihe solcher Primitivitäten in jedem an geblich erstklassiqen Hotel. Ich scherze nicht, wenn uh behaupte, dah die Hoteleinrichtungen nur zur Be quemlichkeit des Personals getroffen sind, und dah das Personal bequemer ist, je seiner das Hotel. Der East hat nicht einmal das Recht, das Trinkgeld nach den Leistungen des Personals zu bemessen. Wo bleibt Italien? werden Sie fragen. Fragen Sie Cook. Ab-r nicht den Reiseführer Thomas Cook, sondern den Nordpolfahrer Cook. Es ist in Italien so kalt, dah ich mich für Cook ausgeben könnte. Bob.
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