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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.04.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-04-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100405026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910040502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910040502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-04
- Tag 1910-04-05
-
Monat
1910-04
-
Jahr
1910
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Amtsblatt Les Rates und des Vokizeiarntes der Htadt Leipzig. Änzeigrn-PreiS sür Inserate -u« Leipzig und Umgebung di, «geipaltene b0 inro breit« Petitzeil» 2b di« 74 mm drert« Reklamezell« I vmr au«wärt« 60 NeNamen t.L) Inserate von Bebbrden 'm amtlichen Teil die 74 mw tret«« Petitzeil« 40 «elchLlttanzeigen m» B -«oorschrislen UN» in der Lvendautaabe >in Preiie erhäbi Nabatt nach Taris. Beilagegebilbr ü p. Tauseno exkl. Postgebühr. Hestert eilte vuiträge können nicht zuräL- gezogen werden, »sür da« ilrscheinrn an vejruumlen Tagen und Pläden wird kein« Garant!« übernommen. Anzeigen-Annahme, Luguftusplatz 8, dei sämtlichen gilialea u. allen Lnnoncen- ltlpedilionen de« Iu- und Sutlandet. Haupt-Silial« Berlin: Lari Duuiker. Herzog!, vrqr. Hosbuch- dandlung, Lüyowftiabe IL sLeiephan VI. Nr. 4603). Haupt-Filiale Dre-dein Leeltrabe 1 (Telephon 4621). Nr. SS Dienstag, üen S. Sprll ISIS. 104. Jahrgang. p Milche Nachrichten. Konferenz deutscher Finanzminister. Zn Berlin findet am heutigen Dienstag, wie der „Franks. Een.-Anz." berichtet, eine Konferenzder Finanzminister der deutschen Bundesstaaten statt, zu der der Staatssekretär des Reichsschatzamtes eingeladen hat. Der König von Preußen und die Wahlrechtsreform. Wie der „Franks. Ztg." aus Berlin gemeldet wird, hält sich der Kaiser entgegen anderweitigen Mel dungen in der Wahlreformfrage durchaus zurück. Herr von Bethm-nin Hollweg und das Staatsministe rium waren bisi-er in ihren Entschließungen in keiner Weise durch den Kaiser behindert. Die Entschließung, in welcher Form und von welcher Mehrheit die Re gierung die Wahlreformvorlage annehmen will, liegt beim Staatsministerium und seinem Ministerpräsidenten. Bor der Entscheidung im Baugewerbe. Die Entscheidung über Krieg oder Frieden im deutschen Baugewerbe wird heute fallen. Nach dem bisherigen Verlauf der Verhandlungen wird ange nommen, daß die Generalversammlungen der Ar beiterorganisationen, die sich gestern mit dem neuen Vertragsmuster beschäftigten, zu einem ablehnenden Votum kommen werden. Sämtlichen inBarmen beschäftigten 3000 Bau arbeitern ist wegen Lohndifferenzen, nachdem der Vertrag abgelaufen ist, bereits gekündigt worden. Deutschland und Liberia. Wie der Berliner Korrespondent der „Frkf. Ztg." hört, schweben schon seit längerer Zeit Verhand- l u n g en mit den Vereinigten Staaten, um bei der von diesen in Liberia geplanten Aktion die deutschen wirtschaftlichen Inter essen sicherzu stellen. Bei diesen Verhand lungen, die auf gutem Wege sein sollen, hat sich die Reichsregierung in ständiger Fühlung mit den deut schen Interessenten gehalten, und es ist begründete Aussicht vorhanden, daß das für den Schutz der Deutschen Erforderliche erreicht werden wird. „Die deutsche Gefahr." Der Pariser „Matin" veröffentlicht einen länge ren, mit sensationellen Bildern versehenen Artikel über die Anwesenheit von Ausländern und namentlich von deutschen Offizieren auf den französischen Flugfeldern. Das Blatt schreibt: „Wir müssen die Franzosen darüber aufklären, daß auf einem Gebiet, das ausschließlich der franzö sischen Militärbehörde gehört, deutsche Offiziere die Bedienung und den Bau von Aeroplanen erlernen. Wir müssen die Franzosen aufklären, welche Gefahr für die französischen Erfindungen und für die fran zösische Technik darin liegt. Eine schnelle Unter suchung, die wir in Mourmelon eröffneten, hat uns über diese Angelegenheit vollständig aufgeklärt. Seit dem Mourmelon Luftschiffzentrale geworden ist, sind die Fremden in stetig wachsender Zahl hier eingetroffen, und das Eros der Fremden bilden wieder ganz besonders österreichische und deutsche Offiziere. Diese vervollkommnen sich mit großem Eiferin der Kunst, Aeroplane zu steuern. Sie handhaben mit derselben Leichtigkeit Eindecker wie Zweidecker. Mehrere unter ihnen sind preu ßische Offiziere, die sich nicht gescheut haben, nach Frankreich zu kommen, um hier ihre Ausbildung als Militärluftschifferpilot durchzumachen." Es bleibt abzuwarten, wieviel von dieser schreck lichen Jnvasionsgeschichte wahr ist. Generalstreik der Seeleute in Marseille. Die eingeschriebenen Seeleute von Marseille haben am Montag den Eeneralausstand proklamiert. Die Ursache dazu liegt in der Verhaftung von 12 Heizern des Dampfers „Muluja", die ohne Kündigung die Arbeit eingestellt harten und deshalb verhaftet worden waren. Ursprünglich war nur ein 24sründiger Streik geplant: aber die Seeleute glauben durch einen Eeneralausstand eher zu ihrem Ziele zu kommen. Den Seeleuten von Marseille haben sich die von Toulon angeschlossen. Die Regierung will mit un nachsichtlicher Strenge einschreiten und trifft alle Vorkehrungen, um den geordneten Passagier- und Frachtverkehr zur See aufrechtzuerhalten. Ueber die Situation unterrichten folgende Telegramme: Paris, 5. April. (Tel.) Aus Marseille wird gemeldet: Die eingeschriebenen Seeleute be schlossen in einer am Nachmittag abgehaltenen Ver sammlung den Eeneralstreik, bis die verhafteten Seeleute der „Muluja" in Freiheit gesetzt, die un gesetzlichen Klagen der Kapitäne zurückgezogen und die bei einzelnen Gesellschaften beschäftigten farbigen Matrosen entlassen würden. — In Toulon ver kündeten die eingeschriebenen Seeleute ebenfalls den Aus st and. Paris, 5. April. (Tel.) In einer Unterredung sprach Ministerpräsident Vriandsich energisch gegen den plötzlichen, unverständlichen und unentschuld baren Kontraktbruch der eingeschriebenen See leute aus. Er sehe darin eine absichtliche Pro vokation, gegen die er mit allen gesetzlichen Mitteln ankämpfen werde: er werde der Zerstörung und Herbeiführung des Ruins der Handelsmarine unter dem Einfluß einiger Hitzköpfe nicht untätig zusehen. Unterstaatssekretär Cheron sandte an die eingeschriebenen Seeleute eine telegraphische Bot schaft, in der er die Verhaftung der schul digen Matrosen als gesetzmäßig bezeichnet, die Fürsorge der Regierung für die eingeschriebenen Seeleute betont und an ihre Einsicht, ihren Patrio tismus und ihr Pflichtgefühl, die den Ausstand ver böten, appelliert. Paris, 5. April. (Tel.) Der Ministerpräsident, der Marineminister und der Unterstaatssekretär im Marineministerium, Cheron, traten zu einer Kon ferenz zusammen, in der sie über die Maßnahmen berieten, um den öffentlichen Dienst und die Be förderung leicht verderblicher Ware und von Passa gieren sicherzustellen. Es wurde beschloßen, ge gebenenfalls die schärfsten Maßregeln in An wendung zu bringen, um dem Konflikt ein Ende zu machen. Man plant u. a. die I n d i e n st st e l l u n g von Kriegsschiffen zur Beförderung von Reisenden, Frachten und Postsäcken. Unterstaats sekretär Cheron ist nach Marseille abgereist. Ein Sieg des Ministeriums Asquith. Am 30. März hatte der Unionist Finlay zu den Vetoresolutionen des englischen Ministeriums im Unterhause ein offizielles Amendement eingebracht, dessen Zweck eine wesentliche Abschwächung der Re- formoorschläge der Regierung bedeutete. Die eng lischen Konservativen wünschten in diesem Amen dement zwar auch eine Reform der Pairskammer, aber sie lehnten jeden Vorschlag ab, der den ganzen Nutzen des Oberhauses vernichten würde. Sie wollten also im Grunde keine Beschränkung des Veto rechts der Lords. Zn der Unterhausdebatte vom 31. März hatte der Staatssekretär des Innern, Churchill, dieses Amendement heftig bekämpft, die Entscheidung wurde aber vertagt. Am gestrigen Montag wurde die Debatte darüber wieder aus genommen. Sie endete mit der Ablehnung des Amendements, also mit einem Siege des Ministe riums Asouiths, für das außer den Liberalen auch die Iren und die Arbeiterpartei stimmten. Ein Tele gramm berichtet darüber: London, 5. April. (Tel.) Im Unterhause wurde gestern nach Erledigung einer Anfrage über die Zuckerkonvention die Beratung des Oppo sitionsamendements zu dem Anträge Asquiths, daß das Haus sich als Kommission kon stituieren solle, um die Vetoresolutionen zu beraien, wieder ausgenommen. Lyttleton ging auf Churchills letzte Rede im Unterhaus ein und prote stierte gegen das, was er als einen unschönen und unziemlichen Versuch bezeichnete, dem König eine Politik zuzuschreiben, die der König nicht verlangen könne, und ihm beinahe ein Bündnis zwischen dem Throne und der radikalen Partei zu empfehlen, wo für auch nicht der Schatten einer Berechtigung vor liege. (Beifall bei der Opposition.) Nach lebhafter Debatte wurde das Oppositionsamendement mit 357 gegen 251 Stimmen abgelehnt und der Antrag Asquiths angenommen. Die Nationalisten und die Arbeiterpartei stimmten mit der Regierung. Menelik lebt noch. Der abessinische Ministerresident RasTassama benachrichtigte das „Bert. Tagebl.", daß die in Europa verbreitete Nachricht vom Tode des Kaisers Menelik nicht wahr sei und ermächtigte das Blatt zu einem offziellen Dementi. Tayeschranik. Die /lucht üer /rsu Tolelll. Wir brachten schon vor einigen Tagen eine Nach, richt, derzufolge sich Frau Toselli von Florenz aus nach Rapallo begeben habe. Wie sich jetzt heraus- stellt, hat sie ihren Gatten fluchtartig verlaßen und will von der Schweiz aus ihre Ehescheidung betreiben. Folgende Depesche berichtet darüber: Rom, 5. April. (Telegramm.) Die „Tribuna" erfährt aus Florenz: Die frühere Prinzessin Luise von Toskana hat bei Nacht und Nebel mit ihrem Kinde und zwei Dienstboten Florenz verlassen und scheint nach der Schweiz geflohen zu sein, um sich vor ihrem Mann in Sicher heit zu bringen und die Ehescheidung zu ver anlaßen. Frau Toselli lebte schon längere Zeit aus finanziellen Gründen mit ihrem Manne in Unfrieden. Sie sagte vor ihrer Abreise, sie wolle nach Rapallo zur Erholung fahren. Dann fuhr sie, nach dem sie sich mit einer Freundin beraten hatte, nach Montreux ins Palasthotel, von wo aus sie ihre Ehescheidungsklage einbringen will. Sie hat den schweizerischen Gesandten in Rom ersucht, ihr den Schutz der schweizerischen Behörden gegen die Ver folgung ihres Mannes zu sichern. Die am 2. September 1870 als Tochter des Groß herzogs Ferdinand IV. von Toskana geborene Prin zessin nahm im Juli 1901 den Namen Gräfin von Montignoso an und verehelichte sich am 25. Septem ber 1907 mit dem Florentiner Pianisten Enrico Toselli. Schlägerei in der Kirche. Stallupönen, 5. April. (Tel.) Nach einer Mel dung des „Ostdeutschen Erenzboten" soll es am Sonn tage in der Kirche von Wystiten zu einer blutigen Schlägerei zwischen Littauern und Polen gekommen sein, bei der die herbei gerufenen russischen Grenzsoldaten sckflicßlich von der Waffe Gebrauch gemacht hätten. Man spricht von einer großen Zahl Verwundeter, auch sollen mehrere Personen getötet sein. Unfall eines Botschafters. Wien, 5. April. (Tel.) Der spanische Bot schafter am Wiener Hose, Marquis de Hevera, hatte gestern einen schweren Unfall. Er fuhr mit seinem Wagen bei Bekannten vor und wollte aussteigen, als der Wagen noch in Bewegung war. Der Botschafter stürzte zu Boden und brach dabei einen Arm. Die Rache des Verschmähten. Trient, 5. April. (Tel.) In San Michele verübte ein j unger Privatbeamter gegen ein junges Mädchen, das seine Liebesanträge zu- rückwies, einen tückischen Mordanschlag. Bei einem Spaziergange bot er ihr einige Bonbons an, nach deren Genuß sie von furchtbaren Schmerzen überfallen wurde. Das Mädchen flüchtete in die Nähe einer Kirche, wo es mit den Worten nieder sank: «Laßt mich sterben, ich bin ver gifte t." Es st a r b in der Wohnung ihrer Eltern. Als die Gendarmen in die Wohnung des Attentäters drangen, fanden sie ihn stöhnend auf seinem Bette liegen. Er hatte selbst von den vergifteten Bonbons Flegelei. Uebermenschentum und Flegelei. Von Karl M. Brischar. Wir leben in der Zeit des krankhaft gesteigerten Individualismus und das „Sich-Ausleben" ist das Streben eines jeden einzelnen. So ist es denn lein Wunder, wenn Nietzsches nichtverstandenes Wort von Uebermensch-n dazu herhalten muß, leichtsinnigste Ge nußsucht, roheste Rücksichtslosigkeit und skrupellosen Strebersinn zu decken. Von den beiden Eckpfeilern dieses löblichen Tuns soll hier weiter nicht die Rede sein, nur mit der Rück sichtslosigkeit, mit der heute jeder seine Zntereßen als die ersten und obersten vor die der andern Men schen setzt und demgemäß mit Ellbogen und Fäusten soft nicht bloß in bildlichem Sinne) sich seinen Weg bahnt. Denn sie bedenken nicht oder wollen's nicht be denken, daß Ausleben nicht bloß Genießen heißt, daß die Persönlichkeit nicht bloß im Nehmen, sondern in erster Linie Geben besteht. Und wahres Sich-Aus- leben kann nur im Verfolgen eines großen hohen Zieles bestehen, kann nur im Dienst der Menschheit, einerlei auf welchem Felde, möglich sein. Und nur der, der solches Ziel verfolgt und sich in seinem Stre ben vom starren Hang am Althergebrachten, von Dünkel, Neid und Selbstsucht, von blindem Sich-Be- hagen gehindert sieht, chat das Recht, im äußersten Falle die Ellbogen zur Notwehr zu gebrauchen. Aber nicht ieder, der das tut, ist deshalb ein Genie, nicht jeder dummer Junge, der in frivolem Leichtsinn ein Mädchen verfuhrt, deshalb schon ein Uebermensch. Und Tausende giot's, die auf ihrem Wege alles niederstampfen und wenn man sie ums Ziel fragen würde, sie wüßten'» selbst nicht zu sagen. So läßt ein jeder seiner Rücksichtslosigkeit die Zügel schießen. Duldung, Verstehen, Rücksichtnahme sind unbekannte Werte geworden. Zeder kümmert sich nur um sich und seinen Vorteil. Seine An schauungen sind allein richtig und maßgebend. Und mit aller Schärfe wird über die des andern abgc« urteilt. Denn die meisten Menschen von heute ver tragen es nicht, eine andere Meinung als die ihrige zu hören. Wie die Wilden stürzen sie auf den, der anders denkt als sie, los. Wenn aber sie selbst im Irrtum sind, wenn das, was sie tun, nicht recht, dann drehen sie die Regel, das Gesetz nach ihrem Wunsch. Das nennen sie Persönlichkeit. So ist denn heute alle Meinung, alle Anschauung uniformiert, alles Denken, auch über die subtilsten Dinge, wie über Kunst und Geschmackssachen, in die Enge parteimäßiger Ein reihung gepfercht. Und wehe dem, der sich dem nicht fügt, der still und unbeirrt den eignen Weg gehen möchte. So ist es denn kein Wunder, wenn Rücksichts losigkeit und rüdes Drauflosgängertum auch auf die Formen des Verkehrs übergehen und hier in rohe Flegelei ausarten. Man beachte nur das Treiben auf Bahnhöfen, in der Straßenbahn und an Theater kassen. Da wird gepufft, gestoßen und getreten. Vor bei sind die Zeiten der Galanterie, vorbei die Zeiten der Höflichkeit. Ein besonderes Kapitelchen würde hier noch den Herren Automobilisten gebühren, die. den Fußgänger und die übrigen Fuhrwerke nicht achtend, mit ihren Vehikeln auch in der Großstadt mit ver größten Ge schwindigkeit dahinrasen. Was das Böse dabei ist, das ist, daß ein gewiße Absicht in diesem Treiben liegt. Ein frevles Spiel mit dem Leben der Mit menschen. Jene kühne Verachtung für die Nichtbe sitzenden, die das Vollgefühl in dem ungebildeten Reichen großzieht. Stärker aber als auf allen anderen Gebieten tritt dieses rücksichtslose Drauflosgängertum auf dem der Politik und — der Kunst auf. So sonderbar es schei nen mag, so fern diese beiden Gebiete einander sonst sein mögen, in einem gleichen sie sich aufs Haar. In dem Vorherrschen des Partei-Terrorismus. Da wird niedergestimmt, wer nicht derselben Ansicht. Der Geg ner für dumm und schlecht erklärt, in Acht und Bann getan, ja oft auch wirtschaftlich schwer geschädigt. „Wer nicht mit uns ist, ist gegen uns." In seiner ganzen Härte gilt heute der Spruch. Verboten ist jede eigene Meinung und wer „die Partei" — sei es welche immer — nicht zum Feinde haben will, der muß blind alles anerkennen, was sie will. Und wie schon gesagt, leider auch auf dem Gebiete der Kunst sauf dem der Wissenschaft war's schon lange so) macht sich dieser Terrorismus breit. Hier klastische Richtung, hier Nationalismus, hier Wagner, hier Strauß. So schwirrt » von allen Seiten von Kampf rufen. Und keine will einen anderen Gott und einen anderen Propheten anerkennen als den ihren. Dabei wird weidlich geschimpft, alles andere klein gemacht und in den Staub gezerrt. Aerger aber als diese Unarten des öffentlichen Lebens sind die des privaten. Jede Scheu vor der Eigenart, vor der Person des andern ist geschwunden. In die geheimsten Privatangelegenheiten stecken die lieben Nächsten ihre Nase, mit ihrem Klatsch alles begeifernd. Da wird gefragt und spioniert, geklatscht — und leider auch geschrieben. Zeder glaubt für sich das Recht zu besitzen, des andern Wesen znm Zeitver treib zu erforschen. Was Wunder dann, wenn der andere sich wchrr, sich rächt und mit gleicher Waffe sticht. So aber lommt's, daß unser öffentliches und privates Leben ein steter Kampf ist. Aber kein großer Kampf, kein Kampf um heil'ge Güter, wie die Dichter ihn be singen. Eine kleinliche Wirtshausriecherei nur, ein Nichts, für Nichts. Dem Beschauer aber fällt Me phistos Wort vom Menschen ein: Er nennt's Vernunft und braucht'» allein, Nur tierischer als jedes Tier zu sein. * * Direktor Hans Gregor von der Berliner Komischen Oper, der bekanntlich zum Generalinten danten der Stadttheater in Frankfurt a. M. aus ersehen war, hat, wie der „L.-A." erfährt, die Ver handlungen mit dem Komitee abgebrochen. * Deutsche Theaterausstellung Berlin ISIS. Man schreibt uns aus Berlin: In der vor Ostern ab gehaltenen Plenarsitzung des Ehrenkomitees und Arbeitsausschußes für die Theaterausstellung in ocn Ausstellungshallen am Zoologischen Garten, in der Vertreter der Eeneralintendanz der Kal. Schauspiele, der Hoftheater Stuttgart, München und Weimar, des Deutschen und Lessingtheaters, der Hamburger Stadt theater sowie mehrerer anderer Hof-, Stadt- und Privatbühnen, desgleichen die Leiter von Bibliotheken und öffentlichen Sammlungen und Angehörige der für das Theater tätigen Gewerbe und Industrien er schienen waren, wurden über die rege Tätigkeit, die an den verschiedensten Orten in der Sammlung historisch-interessanter und künstlerisch wertvoller Ausstellungsgegenstände betrieben wird, erfreuliche Mitteilungen gemacht. So wurden insbesondere aus Stuttgart, Lauchstädt und Weimar sowie aus Ham burgs klassischer Theaterperiode umfangreiche Sen dungen angekündigt. Der Generalsekretär der Aus stellung Dr. H. Stümcke gab in längerer Rede einen Ueberblick über das Programm der einzelnen Abteilungen und legte den Erschienenen die Notwendigkeit allseitiger Unterstützung ans Herz, damit willkürliche Lücken in der Beibringung der historischen Zeugniße der Schaubühne ver mieden werden. Zn der Debatte wurde die Wichtigkeit der Unterstützung auch seitens der pri vaten Sammlungen betont und die Hoffnung aus gesprochen, daß auch aus diesen Kreisen freundliche Nachweise und Angebote geeigneten Materials an das Sekretariat der Theaterausstellung (Berlin lV 50) in reicher Fülle gelangen werden. * Dialog bei der Probe. Ort der Handlung: Ein Schauspielhaus. Personen: Der Direktor. Die schönste Schauspielerin. Zeit: Die allergeaenwärtigste Gegenwart. Direktor (sehr aufgeregt): Fräulein, was treiben Sie denn eigentlich? Sie haben von Ihrer Rolle keine Ahnung. Bitte, probieren Sie die Szene noch einmal. Geschieht. Direktor (wütend): Unmöglich, Sie bringen den ganzen wichtigen Auftritt um. Wie kann man nur so bildhübsch und von so haarsträubender Talent- losigkeit sein! Die Schauspielerin ldreht sich zu ihren Kolle ginnen und flüstert hold- und glückselig lächelnd): Haben Sie gehört , . . der Herr Direktor hat gesagt, ich sei — bildhübsch . . . Der Vorhang fällt sehr rasch. (III. Wr. Extrabl.) * Kunstausstellung Dresden 1912. Aus Dres den meldet uns ein Privattelegramm: Auf An regung des Oberbürgermeisters Beutler in Dres den und der Dresdner Künstlervereinigung trat in Dresden eine Kommission zur Veranstaltung einer Großen Deutschen Kunstausstellung in Dresden 1912 zusammen, deren Vorsitz Professor Kühl übernahm. * Kleine Thronit. Aus Altenburg wird un» gemeldet: Hofkavellmetster Richard, der nach be endigter Spielzeit am yiesigen Hoftheater aus seiner Stellung scheidet, siedelt nach Heilbronn über, wo ihn der Gemilchte Chorverein „Singkranz" zu seinem Leiter erwählt hat-. Dieser Verein ist einer der größten, ältesten und reichsten Gesangvereine in Württemberg, und wurde bisher vom König!. Musik- direktor Schmutzler geleitet. — „Platos Schuler", eine soeben vollendete vieraktige Komödie von Han» L'Arronqe und Walter Tursstnsk», wurde vom Lust spielbause in Düsseldorf zur Uraufführung erworben. Der Vertrieb erfclgt durch die Vertriebsstelle de» Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller. G. m. b. H, Berlin.
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