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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.06.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100611016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910061101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910061101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-11
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
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lvezugs-PreiS str L«ip,ia uad iwrorr« durch u»I«r» Lräaer und Spedttrur, 2m,l täglich in« Hau« gedrachl: 90 monarl.. 2.70 vicrlrliLdri Br> uniern Filiale» u. L:w nahmeiiellen »dg-dolt 72 m»narl., 2.22 „«rtrllädrl. Durch dir »oft: Innerhaid Drurich.and« und der deutichen Kolonlen vlerrrlltdrl rt.69 monatl. IpiS ,u«>chl Postdrilrllgrld. ferner tu Belgien, Länemart den Donauslaaten, Italien. Luremburg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich Ungarn, Ausland, Schweden. S-Hweu ». Evanien In allen übrigen vlaarrv nur direkl durch di« Beichütrliiell« »«« Blatte« rrhtttlich. La« nmpgigr, tagediatt erschein' 2 mal täglich Sonn- » 8«>-rrag, nm morgen«. Ldonne «ni-Annaou» Augultu-vlatz 8, bei unteren träger» Filialen Lvedileuren und Ülnnadweftellev >mv>» BoÜLmrrr» und Briefträger» »rn»«l»e,r,ul»»r«l» »er viorgrn. Mltgad« lv -ih, »er ndendaa«gad» 2 -t» Stedaktton und Geichäfr4Üellei Zohanniegasle ». geruiprecherr I4IAL l«6llh. I46S4. Morgen-Ausgabe. rMgerTUMM Handelszeitnng. Ämlsölatt des Rates und des Volizeiamtes der LtadL Leipzig. Anzeigen-PrekS fär Inserate au« liewiug und Umgedung di« Sgeloaltene SO mw breit» Petit»eil« 2b di» 74 turn breit« Reklame,eil« l von aulioärt« UV ch, Reklamen 1.20 Inserate „n vebtrden '» amtlichen Lal die 74 mw breit» Petitzetl, 40 «rsch4tl«an»ei,en mit Pagvarfchriften und tu der Ldendautgad» im Preise erhogi. Rabatt nach Laris. Beilagegebühr b p. Lausend exkl. Postgebühr. Fester!rille Aufträge k-nnen incht zurtck- ge»oge» werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird kein» Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augustulplatz 8, btt sämtlichen Filialen u. alle» Annoncen- itlpedUionen d«. Ja- und «ullande». Hau»«-Filiale «erNn: T«rl Duncker. Her»ogl. vayr. Hostuch- handlung, Lützowstiatze!(L iL-lephon VI. Nr. «öttii). Hauvt-Siliale Oreäde»: Leestratze 4, i (Lelephoa 4621». Nr. lS9. Sannsben», »en l l. Juni >Sl0. 104. Jahrgang. Das Wichtigste. * Zn Gegenwart des Kaiserpaares wurde am Freitag der Neubau der Kaiser-Wilhelm- Akademie eingeweiht. (S. Dtschs. R.) * Die Reichstags st ichwahl in Usedom- Wollin findet bereits am 17. Juni statt. (S. d. bes. Art.) * Zm Prozeß gegen die dänischen Exminister Christensen und Berg erklärte der Ankläger, der frühere Ministerpräsident Christensen habe sich durch sein Nichteinschreiten gegen die Be trügereien Albertis strafbar gemacht. (S. Ausl.) * Die Reichsduma nahm den Finnland- Gesetzentwurf gegen die Stimmen der Okto- bristen an. (S. Ausl.) * Die aus Vertretern der beteiligten Staaten be stehende Kommission hat den Entwurf für ein marokkanisches B e r g w e r k s r e g l e m e n t fertiggestellt. (S. Ausl.) * Ein Aufsehen erregendes Sittlich keitsverbrechen (8 175) wird aus München gemeldet. Angehörige der vornehmsten Kreise der dortigen Gesellschaft sind durch mehrere Verhaftungen kompromittiert. (S. Tageschron.) Sie vereinigten Staaten bei üer Rückkehr Kooleoelts. Zwischen der Abreise des ehemaligen Bundes-Präsidenten in die Jagdgründe Afrikas und seiner Rückkehr ist ein Jahr der folgenschwersten inneren Umwandlungen in Nordamerika verflossen. Aeußerlich ist alles ziemlich beim alten geblieben. Innerlich aber vollzieht sich eine Machtverschiebung, deren Form wirkung noch gar nicht zu ermessen ist. Die Partei, die Roosevelt als Siegerin auf der Walstatt als Herrscherin im Staat zurückgelassen hatte, ist zwar noch im Besitz der Mehrheit, aber sie ist im Begriff, sich zu zersetzen und die Macht zu verlieren. Da dies die Partei des Ho chschutzzolls, des Imperialismus, des Panamerikanismus ist, so wird das ganze Ausland lebhaft davon be troffen. Die akute Augenblicksfrage ist die, ob die Eisenbahnen — alle nordamerikanischen Eisen bahnen gehören Aktiengesellschaften — eine Erhöhung ihrer Eüterfrachten und Passage preise vornehmen dürfen oder nicht. Alle haben beschlossen, solches zu tun, weil Löhne und Materialkosten erheblich gestiegen sind. Da sie eben reine Prioatunternehmungen sein, so sind sie formell ganz unbehindert. Ohne durch Gesetz oder staatliche Zustimmung ge bunden zu sein, können sie ihre Frachten und Passagepreise aufsetzen wie sie wollen. Daß das Gesetz ihnen geheime Frachtrabatte und gewisse Praktiken verbietet, die wir als un lauteren Wettbewerb bezeichnen würden, ge hört nicht hierher. Da aber die Eisenbahnen tatsächlich Monopolstellungen einnehmen, da sie sämtlich unter die Herrschaft der Trusts, des organisierten New Yorker Riesenkapitals gekommen sind, so ist nach der Ansicht ihrer Gegner der freie Wettbewerb auf diesem Gebiet vernichtet, das Sherman-Gesetz von 1887 also verletzt und folglich die Gesetzgebung zuständig. Der ganze ferne Westen ist nun auf die Beine gekommen. Alle seine Produkte, sofern er sie nicht selbst verzehrt, müssen mit der Eisenbahn weite Strecken nach dem Osten zurücklegen. Sie werden also durch Fracht erhöhung stark entwertet. Daher verlangt der ferne Westen, daß die Bundesregierung so fort einschreiten und durch ein Inhibitorium die Frachtoerteuerung verbieten soll. Das wäre eine starke Einmischung in das freie Geschäftswesen, aber in den Vereinigten Staaten ist die Stimmung gegen die Trusts so erbittert, daß ihr jedes Mittel recht ist. Dieser Tage muh sich die Sache entscheiden. Seit dem Beginn des Bürgerkrieges hat der Nordwesten, wo man keine Sklaverei kannte, zur republikanischen Partei gehört. Nur gan- selten sind einzelne Staaten abgefallen. Die Partei regiert seit 1861, also seit 4!) Jahren mit Unterbrechung von nur acht Jahren. Es ist sehr auffallend, daß sie nicht längst die Unterstützung der landwirtschaftlichen Nordwest- j staaten verloren hat. Denn diesen gereicht die Hochschutzzollpolitik des Nordostens zu empfind lichem Schaden. Sie müssen Lebensmittel in großen Mafien ausführen, wobei kein Schutzzoll der Welt ihnen nützen kann. Dagegen ver teuert der seit 1860 bestehende und fast un unterbrochen erhöhte Schutzzoll ihnen alle Be darfsartikel, nicht nur die des eigenen Haus gebrauchs, sondern auch die des allgemeinen, also Eisenbahnen, Brücken usw. Der Nord westen hat das ertragen. Er hat sogar ge glaubt, die republikanische Partei werde ein Einsehen haben und den Zolltarif revidieren. Roosevelt hatte das empfohlen. Aber dieser Hochschutzzolltarif ist die feste Burg der Trusts; von ihr aus wehren sie die Konkurrenz der englischen, deutschen und sonstigen fremden Waren ab. Und sie haben ihr Regiment immer drückender gemacht, immer brutaler haben sie die Preise für ihre Erzeug nisse emporgetrieben — zum Schaden der Land wirtschaft. Nun hatte Präsident Roosevelt sie mit einer Heftigkeit angegriffen, wie wohl noch niemals das Oberhaupt eines Landes eine Schicht seiner Untertanen ungefaßt hat. Er verglich sie mit Straßenräubern und Schlim merem. Dadurch wurde die Landwirtschaft, wurde der Westen zu dem Glauben veranlaßt, ? Roosevelt und seine Partei, die republikanische, würden den Trusts zu Leibe gehen. Das er folgte aber nur mit untauglichen Mitteln, mit Strafgesetzen, über welche sich die riesigen Geld mächte hüpfend hinwegsetzten. Das, womit man sie wirklich hätte treffen können, die Herab setzung der Zölle, unterblieb. Roosevelt war dazu nicht im Stande; die Trusts erklärten sich bereit, den ihnen aufge zwungenen Kampf aufzunehmen. Sie wollten der republikanischen Partei keine Gelder mehr spenden und selbständig einen Kandidaten auf stellen. Leider ließ man sich dadurch einschüch tern, obwohl die Trusts diese Drohung niemals ausgeführt hätten. Denn in solchem Falle hätte mit tödlicher Sicherheit die demokratische Partei gesiegt, und die ist noch viel trustfeindlicher als die republikanische. Es wurde ein fauler Friede ? geschlossen, der Republikaner Taft wurde ge wählt, der den Trusts genehm war, und Roose velt ging nach Afrika. Inzwischen hat der Haß gegen die Trusts reißende Fortschritte gemacht. Nach wahlen in altrepublikanischen Wahlkreisen sind demokratisch ausgefallen. Die Hauptdrahtzieher der Republikaner im Senat, die man geradezu als Diener der Trusts bezeichnen kann, ziehen sich vom öffentlichen Leben zurück, weil ihre Zeit abgelaufen ist. Im Kongreß selbst organisieren sich die Vertreter der landwirtschaftlichen West staaten immer mehr zu einer förmlichen „Jn- surgenten"-Partei, die bereits in einer Anzahl Fälle mit dem demokratischen Süden im Bunde gestanden und den trustfreundlichen Republi kanern des Nordostens empfindliche Niederlagen beigebracht hat. Was daraus wird: ein lleber- gang zu den (nicht absolut, aber doch relativ freihändlerischen) Demokraten, ob eine selbstän dige Partei, ob eine Reform der Republikaner, das läßt sich heute noch nicht übersehen. Eins ist sicher: mit der Herrschaft der alten Drahtzieher des Trustwesens über den Kongreß ist es aus. Im Herbst d. I. wählt man ein neues Repräsentantenhaus und dabei wird nach allgemeiner Annahme der alte Republikanismus geschlagen werden. Wie sich Roosevelt dazu stellen wird, ist noch nicht bekannt. Einige glauben, daß er sich an die Spitze einer neuen Partei mit dem Zweck einer Reform des ganzen Staatswesens und mit einer speziellen Spitze gegen die Trusts stellen wird. Andere nehmen an, daß er den Republi kanern treu bleibe, aber Reformen erzwingen werde. Noch andere halten es für wahrschein lich, daß er gar nicht mehr die Autorität besitze, um den Sieg der Demokraten aufzuhalten. Zwischen ihm und dem von ihm selber vor zwei Jahren so warm empfohlenen Taft scheint ein Wettstreit auszubrechen. Es gilt für sehr fraglich, ob Taft dem ehemaligen Freunde weichen werde. Er nimmt zu der eingangs er wähnten Eisenbahnfrage eine Stellung ein, die für den Wettstreitsgedanken spricht. Er scheint sich dem Verlangen des fernen Westens nach staatlicher Einmischung in die Verteuerung der Eisenbahnfrachten fügen zu wollen. Das hat denn an der New Yorker Börse eine starke Baisse, einen förmlichen Eisenbahnkrach hervor gerufen. Man muß aber immer bedenken, daß ein großer Teil der amerikanischen Politik aus Schaugerichten besteht. Gerade wenn man ostentativ Kanonen auffährt, ist anzunehmen, daß man keinen Schub abfeuern will. Zwei Reichstsgsrrsatzmahlen. Am 9. Juni hatte in zwei Reichstagswahlkrersen die Fortschrittliche Volkspartei ihren Besitzstand zu wahren. In Jauer-Bolkenhain handelte es sich um die Stichwahl zwischen dem fortschrittlichen Kandi daten Büchtemann und dem Sozialdemokraten Proll. Büchtemann siegte mit 9442 über 7916 für den Sozialdemokraten abgegebene Stimmen. Bei der Hauptwahl waren gezählt worden für Büchtemann iFortschr. Vpt.) 6429, für Stroßer lKons.) 3879, für Herschel lZtrm.) 3823 und Proll (Soz.) 6483 Stim men. Das Zentrum hatte sich beim zweiten Wahl gang für Wahlenthaltung entschieden. Die Konservativen hatten dagegen zur Unterstützung der freisinnigen Kandidatur ausgefordert. Es ist zweifel los, das der Zuwachs der freisinnigen Stimmen lediglich auf konservative Wahlhilfe zurückzuführen ist. Nicht feststellen läßt sich die Anschwellung der sozialdemokratischen Stimmen. Man kann aber wohl annchmen, daß der sozialdemokratische Kandidat Proll durch Zentrumslcute unterstützt worden ist, muß andererseits allerdings auch feststellen, daß, wenn diese Annahme richtig ist, von den Konser vativen immerhin über 800 Wähler zu Hause ge blieben sind. Der Wahlkreis des verstorbenen Ab geordneten Dr. Hermes ist jedenfalls der Fortschritt lichen Volksvartei erhalten geblieben, und das be grüßen wir im Interesse des gesamten Liberalismus mit lebhafter Befriedigung. In Usedom-Wollin fand am gleichen Tage die Hauptwahl statt. Dort hatte der infolge eines Ballonunglücks verstorbene Abgeordnete Dr. Delbrück im Jahre 1907 den bis dahin konservativ vertretenen Wahlkreis erobert. Da in jenem Jahre die Span uung zwischen der Sozialdemokratie und den Frei sinnigenstimmen nur wenig über 200 betrug, lag für diese die Eesahr sehr nahe, daß sie infolge der politischen Ereignisse der letzten Jahre von der Sozialdemokratie überflügelt und um die Stichwahl Möglichkeit gebracht würden. Denn es ist eine alte Erfahrungstatsache, daß unangenehme politische Situationen stets der äußersten Linken den größten Vorteil bringen. Dieser Fall ist leider tatsächlich eingetreten. Ls wurden für den Konservativen von Böhlendorsf- Kölpin, den früheren Vertreter des Wahlkreises, 6065, für den Fortschrittlichen Iustizrat Herrendörfer 4269 und für den Sozialdemokraten Kunz 7787 Stimmen abgegeben. Im Jahre 1907 erhielten im ersten Wahlgang der konservative Kandidat 8156, der Freisinnige 6353 und der Sozialdemokrat 6113. Die Gegenüberstellung dieser Ziffern ergibt folgendes Bild: Partei 191N 1997 Differenz Konservative 6065 8156 — 2091 Freisinnige 4299 6353 — 1954 Sozialdemokraten 7787 6113 4- 1674 . Die bürgerlichen Parteien haben demnach zu sammen rund 4000 Stimmen eingebüßt. An diesem höchst bedauerlichen Rückgang sind die Konservativen und die Freisinnigen nahezu gleichmäßig beteiligt. Die Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen fällt dem gegenüber um so mehr ins Gewicht, als die Wahl beteiligung gegen 1907 ausfällig geringer gewesen ist: es wählten diesmal rund 2300 Staatsbürger weniger. Alle diese Momente sind bei der Be wertung des für den Liberalismus zweifellos sehr schmerzlichen Resultates mit in Erwägung zu ziehen. Man kann nicht von einer direkten Niederlage des Liberalismus sprechen, sondern höchstens von einer Schlappe, die aus den oben angedeuteten Gründen immerhin wahrscheinlich war. Auf keinen Fall haben die Konservativen Grund, gegenüber dem Liberalismus zu frohlocken, denn ihr Stimmen rückgang ist immer noch mehr als 100 Stimmen größer, wie der der Freisinnigen. Für die Stich wahl, die bereits am 17. d. M. stattfinden soll, werden die Freisinnigen schließlich wohl doch die Parole für den Konservativen, als den nationalen Kandidaten ausgeben. Wir verkennen nicht die peinliche Lage, in der sich der Freisinn jetzt entscheiden soll, glauben aber, daß er ihrer leichter Herr werden wird, wenn er berücksichtigt, daß am gleichen Tage in Jauer- Bolkenhain 75 Prozent der konservativen Wähler für den freisinnigen Kandidaten in der Stichwahl eingetreten sind. Rus Sen SllmmerkommMionen. Die Strafprozeßkommisfion beschloß am Donnerstag unter Ablehnung einer Reihe von Anträgen mit geringer Mehrheit den 8 148 in folgender Fassung: Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich in Untersuchungshaft befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet. (Dieser Satz wurde nicht angefochten.) Liegen Tatsachen vor, welche die Annahme rechtfertigen, daß der Beschuldigte den Verkehr mit dem Verteidiger mißbraucht, um durch Vernichtung von Spuren der Tat oder durch Beein flussung von Zeugen oder Mitschuldigen die Er mittlung der Wahrheit zu erschweren, so kann der Richter anordnen, daß schriftliche Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger, deren Einsicht ihm nicht ermöglicht wird, zurück gewiesen werden, und daß Untersuchungen mit dem Verteidiger nur in seiner Gegenwart stättfinden. Mit 8 150, der ebenso wie 8 149 unverändert an genommen wird, ist der Abschnitt über die Ver teidigung und damit das Erste Buch mit den allge meinen Vorschriften erledigt. Das Zentrum ersucht in einem Antrag den Staatssekretär des Reichsjustiz amts um Mitteilung einer Statistik über dre Anwendung der Untersuchungshaft im ersten Halb jahr 1908. Der Vertreter des Reichsjustizamts erklärt hierzu, daß eine Statistik der einzelnen Ober- landesgerichtsbezirke nicht gegeben werden könne, weil dre Verschiedenheit der Verhältnisse eine Ver gleichung nicht zulasse; im übrigen solle der Kom mission das Material überlasten werden Von ver schiedenen Seiten wird dieser Standpunkt bekämpft. Der Zentrumsantrag wird angenommen. Das Zweite Buch der Strafprozessordnung regelt das Verfahren in erster Instanz. Der erste Abschnitt, 8 181 bis 159, handelt von der öffent lichen Klage. Bei 8 152 wird der Satz der Re gierungsvorlage: Die Klage kann nach Eröffnung der Untersuchung nicht zurückyenommen werden, durch Annahme eines Antrags Hernze lNatl.) ersetzt durch den Satz: Die Klage kann nach Eröffnung der Unter suchung nur mit Zustimmung des Angeschuldigten zurückgenommen werden. * Die Reichsversicherungskommission setzte die Beratung am Donnerstag bei 8 183 fort, der die in Betrieben oder im Dienste des Reiches, eines Bundesstaates, eines Eemeindeverbandes, einer Gemeinde oder eines Versicherungsträgers Be schäftigten von der Versicherung befreit, wenn ihnen gegen ihre Arbeitgeber ein Anspruch mindestens entweder auf Krankenhilfe in Höhe und Dauer der Regelleistunaen der Krankenkassen oder für die gleiche Zeit auf Gehalt, Ruhegeld, Wartegeld oder ähnliche Bezüge im anderthalbfachen Betrage des Kranken geldes gewährleistet ist. Das gleiche gilt für Lehrer und Erzieher an öffentlichen Schulen und Anstalten. Dieser Paragraph wird unverändert angenommen. Von konservativer Seite liegt ein Antrag vor, folgenden 8 183» einzuschalten: Die in Be trieben oder im Dienste anderer öffentlicher Verbände oder von Körperschaften des öffentlichen Rechts Beschäftigten werden auf Antrag des Arbeit gebers durch die oberste Verwaltungsbehörde von der Versicherungsvflicht befreit, wenn ihnen die im 8 183 bezeichneten Ansprüche gewährleistet sind und die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers sicher ist, oder wenn sie lediglich für ihren Beruf aus gebildet werden. Die Regierungsvorlage macht die ganze Bestimmung in 8 184 fakultativ. Die Sozialdemokraten verlangen auch in dieser fakul tativen Bestimmung die Streichung der Worte „wenn sie lediglich für ihren Beruf ausgebildet werden". Beide Anträge werden abgelehnt. Es verbleibt bei dem 8 184 der Regierungsvorlage. Nach 8 186 wird auf seinen Antrag von der Versicherungspflicht befreit, wer erstens auf die Dauer nur zu einem geringen Teile arbeitsfähig ist, solange der vorläufig unterstützungspflichtige Armenverband einverstanden ist, zweitens bei Er krankung an seinen Arbeitgeber einen Anspruch aus eine den Leistungen der zuständigen Krankenkasse gleichwertige Unterstützung hat, wenn der Arbeit geber die volle Unterstützung aus eigenen Mitteln deckt und seine Leistungsfähigkeit sicher ist. Die Sozialdemokraten bekämpfen diesen Paragraphen. Dagegen wird ausgeführt, daß Personen, die nur zu einem geringen Teil arbeitsfähig sind, vielfach über haupt keine Arbeit finden werden, wenn sie nicht unter Umständen von der Versicherüntzspflicht befreit werden können. Allgemeiner ist - der Widerspruch gegen die Ziffer 2 des Paragraphen, der die Der- sicherungspflicht ausschließt, wenn der Arbeitgeber eintritt. Hierdurch kann, wie ausgeführt wird, die Versicherungspflicht für weite Kreise prak tisch illusorisch gemacht werden. Ein Zentrums antrag verlangt für diesen Fall eine Hinterlegung der voraussichtlichen Kosten. Dies würde allerdings die Bestimmung illusorisch machen. Die Regierungs vertreter betonen das große Interesse der Landwirtschaft an diesem Paragraphen. Von freisinniger Seite wird eingewendet, daß die Ziffer 2 für die beteiligten an sich Versicherungs pflichtigen von Nachteil sei; die Landkrankenkassen würden dann lediglich vom mittleren und kleineren Grundbesitz gehalten werden müssen und nicht in der Lage sein, Nennenswertes zu leisten; die Be stimmung bedeute eine Privilegierung des Grund besitzes. In Süddeutschland habe sich ein Bedürfnis nicht gezeigt. Der bayerische Bundesbevollmächtigte be stätigt, daß inBayern von den Ausnahmebestimmungen selten Gebrauch gemacht werde, vielleicht aus dem Grunde, weil Bayern einen eigentlichen Großgrund besitz nicht kenne. Dem schließt sich der württem- bergische Regierungsvertreter im allgemeinen an. Beide Herren wollen damit aber die Zweck mäßigkeit der Bestimmung für Preußen nicht in Frage ziehen. Ein sreikonservatives Mitglied hält die Zwangsversicherung für Dienstboten nicht für zweckmäßig. Bisher haben die Dienst herrschaften die Fürsorge übernommen, und die habe sich bewährt. Ein konservatives Mitglied führt aus, daß mit der Ziffer 2 gerade beabsichtigt werde, den Versicherten Vor teile zu gewähren, da der Arbeitgeber bei gleich wertigen Leistungen sämtliche Kosten übernehmen solle. Die Fürsorge der Grundbesitzer gehe viel weiter, als vielfach angenommen werde. Der Redner erklärt, daß die Ziffer 2 dieses Paragraphen für die Stellung seiner Parteifreunde zum ganzen Gesetz von entscheidender Bedeutung sei. Ein nationalliberalcs Kommissionsmitglied stimmt für die Landwirtschaft der Ausnahmebestim mung zu, wogegen ein Zentrumsmitglied einer Differenzierung zwischen Landwirtschaft und Gewerbe entschieden entgegentritt. In der Abstimmuug wird Zunächst der Antrag auf Sicherheitsstcllung durch den Arbeitgeber gegen die Stimmen der Konservativen, der Reichspartei und der Nationalliberalen angenommen. Infolge dessen haben diese Parteien an der Ziffer 2 kein Interesse mehr und sie wird einstimmig abge lehnt. Infolge dieser Streichung muß auch 8 186 gestrichen werden. 8 189 will Lehrlinge auf Antrag des Arbeitgebers von der Vcrsicherungspflickt befreien. Ein Zentrums mitglied möchte das auf solche Lehrlinge beschränken, die bei den Eltern Kost und Wohnung Haden; dann treffe die Last die Eltern der Kinder. Der Paragraph wird dahin geändert, daß Lehrlinge, die bei ihren Eltern in der Lehre sind, auf Antrag von der Ver sicherungspflicht befreit find. Oemlches Seich. Leipzig 11. Juni. * Der Wahltermi« in Zschopau-Marienbera? Nach dem „Savdaer Amtsblatt soll die Ersatzwahl im 20. sächs. Reichstagsnlahlkreise erst für Ende Oktober oder Anfang November in Aussicht genommen sein. Das wäre ein sehr später Termin; wir hoffen, daß di« Ersatzwahl noch zu einem früheren Zeitpunkt angesetzt wird.
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