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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.06.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191006054
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100605
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100605
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-05
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
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Amtsblatt des Nates und des Nokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lszeige»-Preis Mu-Scheoot» au» Leipzig und Umgebung bi» SaespoNrne Sst nun breite Petitzelle L bi» 7« rum breit« Reklame,eile i tw« auswärts Ust Reklamen 1.20 Inserat« do« Behörden im amtlichen Dell di, 74 um» breit« Petitzeile 40 -V SleschäftSanzeigeii mit Platzvorschristen und in der Abendausgabe i»i Preis« erhöht. Rabatt nach Laris. Beilagegebübr 5 p. Lausend exkl. Postgebühr. Festerteilt« ilusträge können nicht zurück- gezogen werden. Für da» iirscheinen »a bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Augusto Splatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen des Ja- und Auslandes. Haupt-Rliale verlio: Karl Duncker, Herzog!. Bayr. Hosbuch- handlung, Llitzowstraßc 10. lLelephon V1, Nr. 4013). Haupt-Ailiale Dresden: Seestraße 4,1 (Telephon 4621). Nr. lS3. sonnwg, üen s. Juni ISIS. 104. Jahrgang. Oss Dichtiglte. * Die Königlich Sächsische Porzellan. Manufaktur in Meißen blickt auf ein 200 jähriges Bestehen zurück. (S. den bef. Art. 6. Beilage.) * Nach den nunmehr veröffentlichten Vorlagen soll die preußische Zivilliste insgesamt um 3'/L Millionen erhöht werden. (S. Dtschs. R.) * Die Neichstagskommission für die Reichs versicherungsordnung lehnte die Zulässig keit von Landesversicherungsämtern ab. (S. d. bes. Art.) * Die Zweite badische Kammer sprach sich einmütig gegen den Vorschlag der teilweisen Wiederherstellung der Fassade des Otto- Heinrich-Baues aus. * Die Stockung in den Verhandlungen der Kretafrage wird auf einen Umschwung in der Haltung des englischen Kabinetts zurück geführt. (S. Ausl.) * Graf Hülsen-Häseler will Belei digungsklage gegen Hofoperndirektor Wein gartner erheben. (S. Tageschr.) * Zn Petersburg konstituierte sich ein Komitee zum Dau einer Eedächtniskapelle auf dem Schlachtfelds von Leipzig. (S. Letzte Dep.) Lächle« suk üer Weltausstellung (Von unserem Brüsseler o-Korresvondenten.) Brüssel, 4. Juni. Die sächsische Spitzenindustrie. Wenige Tage nach der Eröffnung der deutschen Abteilung begegnete ich einem jungen Brüsseler Be kannten, der Ostern das Gymnasium absolviert hatte. Auf meine Frage nach der von ihm getroffenen Be rufswahl erhielt ich die frappierende Antwort, er gehe auf die Königlich Sächsische Industrieschule für Textilindustrie in Plauen, um Spitzenzeichner zu wer den. Ich meinte, das hieße doch Eulen nach Athen tragen, aus Brüssel, dem weltberühmten Hochsitz der Spitzenindustrie, nach Plauen gehen! Aber er sagte mir nur: Gehen Sie auf die Plauener Abteilung, lesen Sie aber vorher das im vorigen Jahre hier er schienene Buch über den Niedergang der Brüsseler Spitzenindustrie, und Sie werden alles begreifen, auch warum ich als Eymnasialschulabiturient ein Metier ergreife, das nicht gerade zu den akademischen zählt. Ich las das Buch — darüber am Schluß — und ging, durch die Lektüre schon etwas in die Materie eingeweiht, auf die Abteilung für die „vogtländisch- erzgebirgische Industrie gestickter und geklöppelter Spitzen, Pointlace, tamburierter und Spitzengardinen, sowie Perl- und Flitternäherei". So lautet nämlich der offizielle Titel, und alles, was in Deutschland offiziell ist, ist etwa» schwerfällig. Die Abteilung bildet den vordersten Teil der Jndustriehalle, hat also den Ehrenplatz inne. Sie wird auch nicht nur die meiste Aufmerksamkeit bei den Brüsslern erregen, sondern auch den größten pekuniären Erfolg haben. Eine Dame empfängt und repräsentiert namens der vereinigten Industriellen. Daß sie eine Deutsche ist, bewies sie mir sofort durch die Gründlichkeit, mit der sie meine Legitimationskarte prüfte, bevor sie mir Auskunft gab. Dann aber noch mehr durch die Sach kenntnis, die sie in allen Zweigen ihres Gebietes be wies und durch das beinahe leidenschaftliche Inter esse, das sie für das Zustandekommen eines nicht nur richtigen, sondern auch fachmännisch geschriebenen Ar tikels im Leipziger Tageblatt an den Tag legte. Cie hatte sich bereits eine Sammlung der bisher nur in Fachblättern erschienenen Artikel über ihre Abteilung angelegt, und all da» mußte ich in ihrer Gegenwart exzerpieren, wobei sie mich auf einige Unrichtigkeiten ausdrücklich aufmerksam machte. Wenn einmal an Ihrer Handelshochschule ein Lehrstuhl für Spitzen kunst errichtet wird, empfehle ich aufs wärmste die Dame al« Dozentin. Der Dortrag, den sie mir über eine Stunde hielt, war nach Diktion und Inhalt wirk- lich viel besser, al» ich ihn von manchem Universitäts professor gehört habe. Es ist mir ein Herzensbedürf- nis, der liebenswürdigen Lehrmeisterin den mündlich ausgesprochenen Dank nochmal« an dieser Stelle zu wiederholen. Ueber den Gesamteindruck der Ausstellung kann ich Ihnen nur mit den Worten berichten, die ein Freund von mir stet, anzuwenden pflegte, wenn er in Ekstase über irgend etwa« geriet. Das ist keine Ware, das ist ein Gedicht! Da« ist Duft und Poesie! Ich habe es zum erstenmal bedauert, ein Mann zu sein, der an seinen Unter- und Oberkletdern so gar keine Möglichkeit hat, Spitzen anzubringen und zum erstenmal ist mir das Verständnis dafür aufgegangen, daß in der weiblichen Kleidung Poesie, sogar lyrische Poesie liegt. Die einzige Lyrik, die in Deutschland noch gut bezahlt wird. Kleiden Sie eine Kuhmagd aus dem Erzgebirge in Spitzenrobe und Spitzen häubchen, und sie sieht wie ein Dornröschen aus. Doch das sind Phantasien, aber keine wissenschaft lich greifbaren Dinge, pflegte ein illustrer Leipziger Jurist von den Ansichten seines nicht minder berühm ten dortigen Dozentenkollegen zu sagen. Ich steige deshalb wieder herab auf das steinige Feld der Sach lichkeit. Die Ausstellung besteht aus drei Teilen. Aus der Sammetausstellung der Maschinenklüppelspitzen- industrie, aus den Darbietungen der König!. Sachs. Kunstschule für Textilindustrie in Plauen, sowie der Könlgl. Spitzenklöppelmustcrschule in Schneeberg, und endlich aus der Ausstellung der sächsischen Hand klöppelspitzenindustrie. Ich beginne mit der letztgenannten Abteilung. Ihre Erzeugnisse werden bekanntlich von Heim arbeitern mit der Hand hergestellt, also auf dieselbe Art, wie die Brüsseler Spitzen. Die Sachen sind wundervoll gearbeitet, Spitzen aller Fassons, Decken, Kissen, Läufer und als Clou eine ganze Spitzenrobe, ein Prachtstück. Die ganze Abteilung wurde on Kloo von der Firma Aug. Pölich in Leipzig ängekauft, so daß Sie im Herbst Gelegenheit haben werden, die Ausstellungsobjekte in Leipzig zu bewundern. Die König!. Sachs. Por zellanmanufaktur in Meißen hat einzelne wenige ihrer Erzeugnisse in der Spitzenabteilung untergebracht. Sic bilden zwar mit der duftigen Drapierung ein sehr harmonisches Ganzes, aber es ist doch bedauerns wert, daß Meißen nicht auch in der Raumkunsthalle, und zwar da, wo alle anderen großen deutschen Por- zcllanmanufakturen vertreten sind, nämlich in dem Separatabteil für Porzellan, ausgestellt hat. Die erzgebirgischen Spitzen werden aber kaum sich den Markt in den romanischen Ländern erobern, ein mal, weil da die Brüsseler- und Valencienner, Venisor- und spanischen Fabrikate dem allgemeinen Geschmack näher kommen, und sodann wegen der ver nichtenden Konkurrenz der Produkte aus der deut schen Schwesterabteilung, der Maschinenklöppclaus- stellung. Die Hälfte dieser Abteilung ist durch eine einzige Firma eingenommen; nämlich durch Z. L B. Wolf in Plauen. Zn der Mitte der Vitrine rubt ausge breitet auf einer Ottomane eine Spitzendecke. Man eifert jetzt so sehr gegen die Superlative im Zeitungs stil, aber selbst rch, der ich bisher Spitzen nur aus den leichten Illustrationen des „Journal amüsant" kannte, konnte nicht einmal mehr einen Superlativ finden, sondern nur sprachlos über das Wunderwerk staunen. Es überkam mich dasselbe Gefühl wie einst, als ich im Schloß Herrenchiemsee vor dem Prunkbette des unglücklichen Bayernkönigs stand. Wundervoll, aber schlafen möchte ich um alles in der Welt nicht unter solcher Pracht. Der Gedanke, daß bei jeder unvorsich tigen Bewegung für 100 Spitzen reißen könnte, ließe keinen Schlummer aufkommen. Die Aufsichts dame hat mir „unter Diskretion" mitgeteilt, daß ein solches Gewebe einen Wert von 2000 repräsen tiere, aber es war dieselbe Art von Diskretion, mit der einst Bismarck einem liberalen Journalisten der Verbreitung bedürftige, aber offiziell nicht vertret bare Konfidenzien machte, um dann hinterher, als der etwas begriffsstutzige Herr das Mitgeteilte auch tatsächlich vertraulich behandelte, entrüstet zu Lasker zu sagen. „Meint der Mann wirklich, daß ich ihm Privatgeheimnisse anzuvertrauen habe?" Ueber der Spitzendecke wölbt sich an der Hinter wand ein Baldachin in venetianischer Manier, dessen Mittelstück aus einer Kopie eines Voucherschen Ge mäldes besteht. Auch die Spitzcnkunst hat gleich ihrer Schwester, der Eobelinwebcrci, die bildliche Kunst zum Adjutanten gemacht. Die Kopie ist in Filet antique auf gelbe Seite gearbeitet. Gleichfalls in venetianischer Art sind zwei Stores gefertigt, zwei andere wiederum im italienischen Renaissancestil mit Filetarbeit. Besonders gefallen hat mir noch eine Tülldekoration mit Store, ebenfalls Filetarbeit. Die ganze Ausstellung ist von Wertheim in Berlin angekauft und von dem größten Kaufhaus Brüssels in diesem Genre, den Magasins Au Bon Marchä, nachbestellt worden. Unglaublich, aber wahr, ein Brüsseler Großhaus bezieht Spitzen aus Plauen! Neben Wolf hat die Firma Gebrüder Lay in Plauen ausgestellt. Außer Decken, Kissen aller Art und Taschentüchern erregt besonders die Bewunderung aller Kenner ein in Lila gehaltener Schal, der schon dreimal verkauft ist. Er stellt nämlich ein Novum auf dem Gebiete der Spitzcnindustrie dar, die sich da mit der Herstellung farbiger Erzeugnisse unter Ver wendung von Kunstseide zugewandt hat. Daran reiht sich an die Kollektivausstellung der Firmen T. R. Eichhorn, Mar Allihn und Paul Simon rn Plauen, deren Erzeugnisse bei den Brüsselern das meiste Interesse erregten, weil sie nämlich die Brüsseler Spezialari, breite Points de gaze. mit Rosen vervoll kommnet. imitiert. Aber es ist eine Imitation, die dem Original so täuschend ähnlich ist, daß, wie ich ver raten kann, schon Damen der höchsten Kreise davon Ankäufe gemacht haben. In der nächsten Hofball saison wird manche „echte" Brüsseler Spitzengarnitur zu sehen sein — mack« in binnen! llebrigens ist auch das Genre Aleneon und Venise in vollendeter Imitation vertreten. Es folgt die Firma Blanck Tie., Plauen und Pari», die Spitzen in neuen Mustern aller Art in hübscher Gruppierung mit einer Meißner Porzellan- gruppe bietet. Schraye L Roessing in Plauen stellen Voint de gazc- Spitzen im Genre der echten Point L l'aiauille aus, wahrend Turt Hartmann ät Cie. daselbst sich auf die veniser Art geworfen bat. Daneben brilliert Jo hanne« Singer (Plauen) in Kambrik- und Mada- polamftickerelen. Neben Wolf reiht sich rechts die Ausstellung der Firma Max Ludwig (Eibenstock) an, welch« sckeich- fall, groß« Bewunderung erregt. Drei Spitzenstores I in solcher Feinheit, daß wohl nur der Fachkundige die Maschinenarbeit unterscheidet. Die mitausgestellten Perlstickereien zur Garnierung von Kleidern in allen Farbenzusammenstellungen bilden eine Neuheit in der Industrie, doch haben sie meinem Geschmack nicht sehr zugesagt. Als Appendix Mr Spitzenabteilung hat noch die Sächsische Kunstweberei Claviez in Adorf ihre Kunst webereiprodukte (Teppiche, Möbel- und Wandstoffc) ausgestellt. Wenn ich nicht durch meinen jungen Freund im voraus ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wor den wäre, würde ich wohl an der Eingangsaoteilung der Spitzenausstellung, nämlich den Vitrinen dec Königlich Sächsischen Kunstschule für Textilindustrie und der Königlichen Spitzenklöppel-Musterschule Schneeberg achtlos vorübergegangen sein. Aber für den Kenner bilden sie. wenn sie auch räumlich nicht hervortreten, den bei weitem wichtigsten Faktor. Die Kunstschule hat den Zweck, Zeichner heranzubilden, und die Musterschule verfolgt die Ausbildung von Lehrerinnen für die Klöppelindustrie, die Pflege der Spitzenkunsttechnik und die Herstellung und Abgabe neuer Muster für die Industrie. Die ausgestellten Muster sollen, wie mir ein Brüsseler Industrieller sagte, das Vollendetste 'ein, was auf diesem Gebiet überhaupt geleistet werden kann. Diesen beiden sächsischen Staatsschulen wird es zu danken sein, wenn in absehbarer Zeit die Plauener Industrie ihren Siegeszug m die Gebiete der bel gischen halten wird. Das Buch, das ich ihnen ein gangs erwähnt habe, ist eine Tragödie von dem Todeskampf der Brüsseler Industrie, zugleich aber auch ein Preislied auf die Tüchtigkeit Deutschlands, das wieder einmal zur rechten Zeit erkannt hat, durch welche Mittel man die arg bedrängte Handklöppel industrie vom Untergange retten kann. Gleich der erzgebirgischen, ist die Brüsseler Spitzenindustrie reine Handarbcitsindustric. Ter Kampf gegen die Maschi nenarbeit kann von ihr nur dann mit Erfolg geführt werden, wenn eben die Handarbeit an künstlerischer Ausführung die viel billigere Maschinenarbeit weit übertrifft und durch das Plus an Wert das Plus an Preis ausgleichr. Aber einerseits ist die Maschinen arbeit so vollkommen geworden, daß es schwer ist, sie zu übertreffen, anderseits hat in der Kunst fertigkeit die Brüsseler Industrie keine Fortschritte gemacht. Früher, als alle Svitzenfabrikation in Heim- a^rit ausgeführt wurde, da vererbte sich in den Familien von Mutter auf Tochter ein gewisses Maß von künstlerischer Veranlagung. Aber heute, wo die Spitzenklöpplerinnen Fabrrktaglöhnerinnen sind, wie alle anderen Arbeiterinnen, und noch dazu recht schlecht bezahlte, ist künstlerischer Sinn bei ihnen nimmer zu finden. Dabei verlangt der gesteigerte Luxus stets neue und stets aparte Muster, und ebenso wie an begabten Arbeiterinnen fehlt es hier in Brüssel an guten Modellzeichnern. Der einzige Weg, beiden Hebeln abzuhelfen, wäre der von der sächsi schen Regierung beschrittene, die Errichtung von Schulen, in denen Zeichner ausgebildet und Lehr kräfte für die Arbeiterinnen herangezogen werden. Aber vis die belgische Industrie, der es stets an Initiative mangelt, es soweit gebracht Kat, wird noch viel Wasser ins Meer fließen. Und kommt es wirklich dazu, so hat bis dahin das tatkräftige Deutsch land durch die Resultate seiner beiden Schulen schon einen so weiten Vorsprung erreicht, daß die deutsche Ware sich den Brüsseler Markt erobert hat. Verhüten ist aber bekanntlich leichter als Sanieren, und da es die Brüsseler Industrie versäumt hat, durch geeignete Maßregeln die deutsche „Invasion'^ auf dem Spitzenmarkte zu verhindern, wird es ihr später wohl nicht mehr gelingen, den verlorenen Posten für sich zurückzuerobcrn. Sie werden es nun auch begreifen, warum mein junger Freund trotz seines Bildungsganges das Metier eines Spitzenzeichners ergreift. Wer es eben in dieser Kunst zu etwas bringt, der wird in Belgien besser bezahlt als ein kommandierender General. Hat er zudem noch organisatorisches und kaufmänni sches Talent, so steht ihm der Weg zu einer führenden Rolle eher als wie in jeder anderen Industrie offen. Kus üen SammerkommlManen ües Reichstages. Aus der Strafprozeßkommission. Die Strafprozeß komm ission beschloß am Freitag nach Ablehnung freisinniger und sozialdemokratischer Anträge über die notwen dige Verteidigung bei Verbrechen oder Ver gehen den 8 116 nach einem Anträge Gröber (Ztr.) in folgender Fassung' „Vernimmt den Verhafteten der zur Entscheidung über die Untersuchungshaft berufene Richter, so hat er über die Einwendungen gegen den Haftbefehl, falls nicht sofortige Freilassung angeordnet ist, in nichtöffentlicher münd licher Verhandlung nach Anhörung des Verhafteten zu beschließen. Beantragt der Verhaftete Lie Herb«- schaffung bestimmter Beweismittel zu dieser Ver handlung, so hat er anzugeben, welche Tatsachen durch die Beweismittel bewiesen werden sollen. Hem Anträge ist stattzugeben, soweit die Beweismittel für den Beschluß über die Fortdauer der Untersuchungs haft von Bedeutung sind. Hierauf ist der Verhaftete, der Einwendungen gegen den Haftbefehl erhoben hat, hinzuweisen. Soweit der Antrag abgelehnt wird, ist dem Verhafteten zu eröffnen, daß er befugt sei, auch Beweismaterial selbst herbeizuschaffen, ins besondere Zeugen und Sachverständige unmittelbar zu laden oder ohne Ladung zur Verhandlung zu stellen. Der Verhaftete hat der Staatsanwaltschaft rechtzeitig vor der Verhandlung die Beweismittel zu bezeichnen, die er selbst hcrbeischaffen will oder herbei geschafft hat. Von der Zeit der Verhandlung und der den Bcweisanträgen de» Verhafteten statt- gebenden Entscheidung sind die übrigen Prozeß- beteiligten und der Verteidiger zu benachrichtigen; ihre» Erscheinens bedarf es nicht. Weist der Richter die Einwendungen zurück, so hat er dem Verhafteten zu eröffnen, daß ihm das Recht der Beschwerde zu stehe." Ferner folgender p 116«: „Vernimmt den Verhafteten «in anderer Richter, so hat er ihn zu de- fragen, ob er Einwendungen gegen den Haftbefehl erhebt, und wenn dies geschieht, darauf hinzuweisen, daß er verlangen kann, dem zur Entscheidung über die Untersuchungshaft berufenen Richter zur münd lichen Verhandlung über die Einwendungen zugeführt zu werden." Beim 8 117 wird von den Anträgen angenommen das Recht des Untersuchungsgefangenen auf Selbstbeköstigung, Tragen eigener Kleidung, das Recht Briefe zu schreiben und zu empfangen, das Recht auf Zuziehung eines Arztes, Geistlichen, Rechtsanwalts, Notars, der Ausschluß der Ver pflichtung, die Zelle zu reinigen. Ferner erhält 8 117 auf Antrag von Dr. Heinze (Natl.) einen Zusatz, wo nach der Bundesrat einheitliche Bestimmungen über den Vollzug der Untersuchungshaft zu erlassen hat. Die 88 116—120 werden mit unwesentlichen Aende- rungen angenommen. Nach 8 121 verfällt die zur Verhütung der Untersuchungshaft ge leistete Sicherheit der Staatskasse, wenn sich der Beschuldigte der Untersuchung oder dem Antritt der ertanntcn Freiheitsstrafe entzieht. Als über einstimmende Ansicht von Kommission und Regierung wird festgestellt, daß Selbstmord nicht als Entziehung im Sinne dieser Bestimmung liegt. 88 121 bis 127 werden nicht wesentlich geändert. Aus der Reichsversicherungskommission. Die Reichsversicherungskommission nahm am Freitag den 8 66, der die Zuziehung von technischen Beiräten von der Zustimmung der obersten Verwaltungsbehörde abhängig macht, unverändert an, strich die 88 67 und 68 und beschloß, bei 8 69 unter dem Widerspruch der Negierung, daß sämtliche veriönlichen und technischen Ausgaben der Abteilung für Arbeiteroersichcrung den Bundes stauten zur Last fallen. Infolge dessen wurden die 8 70 bis 73 der Vorlage gestrichen. Die 88 74 bis 96 handeln von den Obervcrsiche- rungsämtern. Hierzu werden von verschiedenen Seiten eine Reihe Anträge gestellt, schließlich aber die 88 74 und 75 nach der Regierungsvorlage an genommen. Der 8 76 der Vorlage über besondere Oberversicherungsämter für Reichsbetriebe usw. wird im Hinblick auf die früheren Beschlüsse abgelehnt. Die 88 77 bis 81, die Ausführungsbestimmungen für die Ooerversichcrungsämter enthalten, werden ange nommen unter Wegfall der Bestimmungen über Sondervcrsichcrungsämter. Bei 8 82 wird beschlossen, daß die Mitglieder des Oberversicherungs amtes im Hauptamt oder für die Dauer des Haupt amtes auf Lebenszeit oder nach Landrecht u n - widerruflich ernannt werden. Die 88 83 bis 96 bleiben, unter Fortfall des 8 88, unver ändert, nur werden bei 8 92 jn Folgerung des frühe ren Beschlusses sämtliche persönlichen und sächlichen Kosten des Observierungsamtes den Bundesstaaten auserlegt. Die 88 97 bis 122 handeln vom Reichs versicherungsamt und den Landesoer sicherungsämtern. Von mehreren Seiten wird die Errichtung von Landesversicherungsämtern be kämpft. Nach längerer Debatte werden die 88 97 bis 102 sowie 106 bis 112 unverändert nach der Regie rungsvorlage angenommen. Bei 8 103 wird be schlossen, daß die nichtständigen Mitglieder von den Beisitzern der Oberversicherungsämter gewählt wer den, je zur Hälfte von den Vertretern der Arbeit geber und Arbeitnehmer und daß die Stimmenzahl der Beisitzer sich nach der Zahl der stimmberechtigten Mitglieder der Krankenkassen des Bezirks des Ober versicherungsamtes richtet und auf die Beisitzer gleichmäßig verteilt wird. Diese Bestimmung tritt an Stelle der 88 104 und 105 der Vorlage. O Tie Reichsversicherungskommission führte am Sonnabend die Beratung bei 8 115 weiter, der be stimmt, daß dos Reichsoersicherungsamt den Großen Senat für die Aufgaben bildet, die diesem das Gc- setz zuweist. Die Sozialdemokraten wünschen die bis herige Besetzung des Großen Senats mit zwei Arbeit gebern und zwei Arbeitnehmern beizudehalten. Nach dem Vorschläge der Regierung soll der Senat aus 7 Mitgliedern bestehen, nach dem konservativen 'An trag aus 9, nach dem sozialdemokratischen aus 11 Mit gliedern. Vom Zentrum tritt man für den Antrag der Sozialdemokraten ein, um eine Verminderung des durchaus bewährten Laienelements zu ver hindern, während ein Vertreter der Rcichspartei rn der Mitwirkung der Laien im Großen Senat mehr ein dekoratives Element sieht. Die Regierung be tont, daß es in den Senaten, auch im Großen Senat, im wesentlichen nur darauf ankomme, den Versicher ten Gelegenheit zu geben, sich davon zu überzeugen^ daß nach Recht und Gerechtigkeit verfahren wird. Aus die Zuziehung von Vertretern des Bundesrates legt die Regierung das größte Gewicht. Schließlich wer den sowohl der Antrag der Konservativen wie der der Sozialdemokraten angenommen. Der Große Senat besteht danach vorbehaltlich der durch 8 1667 vorgesehenen Verstärkung (nämlich wenn ein Spruch scnat eines Landesversicherungsamtes von einer Ent- scheidung des Neichsverficherungsamtes abweichen will) aus dem Präsidenten oder seinem Vertreter, zwei vom Bundesrate gewählten Mitgliedern, zwec ständigen Mitgliedern, zwei richterlichen Beamten, zwei Arbeitgebern und zwei Versicherten. Die 88 116 und 117 über die beim Reichsversicherungsamt zu er- richtend« Rechnungsstelle und die Uebcrnabme der Kosten des Reichsvsrsicherungsamtes einschließlich des Verfahrens auf das Reich werden unveränoert an genommen Dabei wird protokollarisch festgelegt, daß eine AenderungderGefahrentarifenicht beabsichtigt wird. Bei der Frage der Landesversicherungsämter (§8 118 bis 122) wurde die gestrige Aussprache zum Teil wiederholt. Die Landesversicherungs- ämter werden schließlich gegen di? Stimmen des Zentrums gestrichen. Die 88 118 bis 122 fallen also fort. Es folgt der Ab schnitt „Sonstige gemeinsame Vorschriften". Di» U 123 bis 127 (Behörden) werden angenommen. Nach 8 133 können Gewohnheitstrinkern, die nicht entmündigt sind, ganz oder teilweise Sachleistungen gewährt werden: auf Antrag eines beteiligten Ar menverbandes muß dies geschehen. Ter Ausdruck Gewohnheitstrinker" wird durch „Trunken bolde" ersetzt, und auf Antrag Dr. Mugdan (Dpt.)
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