Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.06.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-06-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100608012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910060801
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910060801
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-06
- Tag 1910-06-08
-
Monat
1910-06
-
Jahr
1910
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
I > i > > I I Bezogt-Pr-i» für Leipzig »»» «»r»rt, 4»«ch Träger uni Spedtieu« in« Hau« ,«brach,:»» ch -naaaL, viertel jährL v- an)««» MNal«» ». «». n-bmeitell» »—«- «.rs «M »»rMM»». vnrch »t» V»g! innerhalb Leulichlaad« »nd ber be»Sch«» Kolonien vlerteljLhrl ».»» ^», »»»a«. IL» a»«Icht- Pvstbestrllaelb. sierner in Belgien. Ltnemark. »en Doaaallaatr», Italien, Lnrembnrg, «tiedertanb«, N»r- wegen, Oesi erreich- Ungarn, N»tland, Schweden, Schweiz ». Spante». Zn allen übrigen Staaten »ar direkt burch di« «eiEglielle — «iatre» erchchulich. Da« Leipziger Dagedlati «rtch«>»i 2 mal täglich. Sonn- » Feiering« »nr m«gen». liidonne > -nr^ilnnupin» »NGnknIplatz 8, bei unleren Irriger» Filialen Spediteure» und «nnahmeftrNen lawi» Pallämrrr» uns Bries trligern Etnzelderkanstprei« »er Dtorgen« autgab« 1v 2Z. der ridenduutgat« ii Redaktion und Geschailgsteller Iohannisgaslc kl. Sernlprechrri 14622. 1408^, 14624. Morgen-Ausgabe eipMerTagMM Handelszeitung. NmtsVlatt -es Nates »nd -es Nolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Aazetqnl-Preit Ur Jnsernt« »ul Leipzig und Umgebung di, 6gelvaltene iv wm breit« Petitzeile L 2Z, di« 74 oua breite ReklamezeU« l »«» «»Notrt» 80 «eNamea UÄ) ^g: Inserate »»» BebdrNen >« amtlichen Dell die 74 m» brrtt« Petiizeil« 40 H. BrschLii«anzeigen mir Platzvorlchristrn UN» 's» der Sbendauggad« im Preiie erhöh,. Rabatt nach Takis. Beilagegebüdr s p. Tausend qM. Postgebühr. Ieftrrtetlw Lul trüge ktnnea nicht zurtck- aezoge» werden, girr da« Erscheinen an beulöuntra Lage» und Plttzeu wird kein« Garantie übernommen. «liqet^n-Umrahme: Lnguftusplatz 8t b«t sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen d«4 Ja» und Autlaiide«. H«Pt-Filiale Serlt»'. Tert D nncker, Herzog!. Vahr. Hofbuch- handlnng, Lützoivstiabe >0. (Telephon VI, Rr. 4603). Hanpt-SINale DrrSde« keestraße 4,1 (Telephon 4621). Nr. ISS. k » l k t l k r i r e r r Das Wichtigste. * Das preussische Abgeordnetenhaus verwies die Vorlage über Erhöhung der Zivilliste des Königs an die Budgetkommission, nachdem sämtliche Redner, ausgenommen die sozialdemokra tischen, die geforderte Summe als berechtigt aner kannt und sich für die Vorlage ausgesprochen hatten. sS. bes. Der.) * Der norwegische Handelsminister Arktander reichte infolge der Sanktionierung der Erweiterung des kommunalen Frauenwahlrechts seine D e m i f fio n ein. (E. Ausl.) * In amtlichen Pekinger Kreisen wird die AusdehnungderBewegung imZangtse- tal dementiert. k * Am heutigen Tage sind 100 Jahre seit der Geburt des Komponisten RobertSchumann ver flossen. fS. Feuill.) * Das jüngste Erdbeben in Italien hat zahlreiche Opfer an Menschenleben gefordert und grossen Schaden «»gerichtet. Staatliche Hilfe ist beschlossen. sS. Tageschronik.) * Auf dem Marsche nach dem Königsbrücker Uebungsplatze wurden durch Blitzschlag drei Soldaten des 177. Infanterie-Regiments ge tötet, 10 schwer und 5 leicht verletzt. sS. den bes. Art.) * Das Kalisyndikat ist gestern perfekt ge worden. sS. Handelsztg.) Die ungarischen Wahle«. Ein glänzender Sieg! Noch fehlen Dutzende von Wahlergebnissen, und schon hat die neugegründete „Nationale Arbeitspartei" die absolute Mehrheit überschritten! Endlich ein lichter Ausblick aus den Wirrnissen des inneren Haders in der Donau monarchie, der fast die Spannkraft auch ihrer aus wärtigen Politik zu lähmen schien, aus einer Zer fahrenheit der Parteiwirtschaft, die uns schon hoff nungslos dünkte! Welch ein Umschwung! Die alte Verfassungs partei von 1867, die nach einem Jahrzehnt durch Ver schmelzung mit Koloman Tiszas mächtiger Gruppe sich im Sinne einer ausgeprägteren Fortschritts tendenz umgewandelt hatte, war 1906 zusammenge brochen. Mit schnell wieder erlahmender Energie unternommene Versuche, die unmögliche Geschäfts ordnung zu vergewaltigen, hatten sie gesprengt und eine Behauptung der dreissigjährigen Mehrheit bei den Neuwahlen unwahrscheinlich gemacht. Da wag ten die Führer der Partei einen Schritt, der unserem andersartig gebildeten taktischen Empfinden unver ständlich dünkte: sie verzichteten auf die Bescheini gung ihres Misserfolges durch die verstimmte Wähler schaft und lösten kurzerhand die Partei auf, die im Augenblicke noch die Mehrheit besah und immerhin eine achtunggebietende Minderheit von Mandaten gerettet haben würde. Das etwas pedantische Kleben unserer heimischen Fraktionen an der Wahlstatistik ist eben in Ungarn unbekannt. Wir streben einer straffen Organisation auch des Parteiwescns zu und haben auch für die Fraktionen stehende Heere geschaf fen. Dem Ungarn steckt noch die Nomadenart seiner Vorfahren im Blute: man darf eine Armee ausein anderlaufen lassen und doch die Hoffnung behalten, sie im geeigneten Augenblicke von neuem zu sammeln. Das ist geschehen: die alte Deakpartei ist unter verändertem Namen wieder aufgerichtet und hat nach einer vierjährigen Ruhepause auf Anhieb ihre Mehrheit zurückgewonnen. Der Erfolg hat das Wag nis vollauf und über Erwarten gerechtfertigt. Die srischangestrichene 87er Partei steht in ihrer unbe fleckten Reinheit als di« Trägerin des Grundsatzes vom positiven Schaffen da, unangrkränkelt von einer Periode der Opposition, der Negation, die so leicht der Versuchung erliegen, mit denselben Methoden die Nachfolger im Regiment Heimzusuchen, die man an der früheren Opposition so tapfer gescholten hat. Hie Obstruktion — hi« Resignation: so durste man den taktischen Gegensatz den Wählern feststellen. Die Kossuthpartei gab nicht einmal den Staatsnotwendig keiten Gehör, wenn es sich um die Verfolgung ihrer Parteiziele handelte. Die Jünger des staatsklugen Deak liessen ihr« Widersacher unter sich und gönnten ihnen vier volle Jahre, in denen wahrhaftig selbst schwierige Probleme wie di« Wahlreform mit Ge mächlichkeit und Besonnenheit gelöst werden konnten. Sie begnügten sich mit der Zuschauerroll«. Mittwoch, üen 8. Juni 1910. 104. Jahrgang. Erbauliche Dinge haben sie zu sehen bekommen. Die Wahlreform ist in vier langen Jahren nicht ein mal angeschnitten. Von der ebenso unumgänglichen und ebenso mühevollen Reform der Verwaltung wurde es stiller und stiller. Die Parteien, welche die Fruchtbarkeit der früheren Regierung jahrelang mit den raffinierten Ränken eines perversen Parlamen tarismus gehindert hatten, erwiesen sich als selber mit Unfruchtbarkeit geschlagen. Ihre Mätzchen und Mittelchcn wandten sie gegeneinander. Ihre rll,ige des Frühwinters. Freilich hatte nicht die Kossuthpartei die Allein herrschaft. Es war die „Koalition", die das Erbe der Tisza, der Szell angetreten, die nach Fejervarys Interregnum das Ministerium Wekerle gebildet hatte. Eine Koalition beider Unabhängigkeits parteien von Kossuth und von Ngron, ferner der Nationalpartei Apponyis. der liberalen Dissidenten Andrassy, Banffy usw., und schliesslich der Katholischen Dolkspartei. Dass es nicht leicht war, ein solches Ge menge zusammenzuhalten, liegt auf der Hand. Tat sächlich hat sich der Sohn des grossen Andrassy längst zurückgezogen, um seine Zukunft nicht zu verderben. Aber er führte nur ein Häuflein. Der todbringende Riss entstand im Schosse der Kossuthpartei. Sie war ja auch der tonangebende Kern des Bundes. Man mag zweifeln, ob sie zu früh oder zu spät zum Regimente gelangt ist. Zu spät jedenfalls, was die Person ihres 60jährigen Führers anging, der ein Dutzend Jahre nach dem Tode seines Vaters zwischen dem Kultus seines Namens und seiner Neigung, Minister zu werden, geschwankt hat. Zu früh inso fern, als sie trotz aller Begünstigung durch die Fak toren, die in Ungarn Selbstverwaltung heissen, im Spiel der Kräfte niemals eine Mehrheit erreicht hatte und erst durch das Harakiri der Gegner an die Spitze geschnellt wurde. Programme der Oppositions parteien müssen allemal erst in den Dialekt der Ver antwortlichkeitsidee übersetzt werden, wenn sie ans Ruder berufen «erden. Ein anderer Mann von Kossuths instinktivem Opportunismus hätte vielleicht die erlösende Formel gefunden, die der Partei den Weg zur Regierungs fähigkeit gewiesen hätte. Aber Kossuth ist kein Selbst denker. Man sagt ihm nach, dass er in jeder einzelnen Audienz beim Könige vollkommen von der objektiven Berechtigung der königlichen Auffassung überzeugt worden, aus jeder Konferenz mit Justh aber wieder als ebenso überzeugter Demokrat herausgegangen sei. Die Folge ist natürlich gewesen, dass sowohl Franz Josef wie Justh vollständig jedes Vertrauen auf den Allerweltsanempfinder verloren haben. Den Aus gang des Wahlkampfes darf man wohl als die Tra gödie von Kossuth Ferenczs Glück und Ende letzten Akt bezeichnen. Ungarn mag man aber beglückwün schen zu seiner Befreiung von dem Manne, der einst als Jüngling den Eotthardtunnel öffnen half, aber als Greis es nicht verstanden hat, den selbstgeschaf fenen Alb vom Leithaufer wieder hinwegzuwälzen. Noch freudiger stimmt alle Freunde der Donau monarchie die Niederwerfung der Justhgruppe. Jusths Ehrgeiz hat die Kossuthpartei erst ihren letzten Rest von Regierungsunfähigkeit gebracht und sie dann in zwei Stücke zerschlagen. Demgemäss ist auch über ihn das Gericht der Wähler noch schlimmer hereinge- brochcn, als über Kossuth, von dessen Mannen an scheinend die grössere Hälfte auf der Wahlstatt liegt, während die Brigade Justh über zwei Drittel ihres Bestandes eingebützt hat. Auch die Katholische Volks partei hat stark gelitten. Wenn gleichzeitig die Ver treter der Nationalitäten herabgemindert sind, so liegt das wohl zum Teil daran, dass die Kandidaten der neuen Regierungspartei den Nationen Abstellung ihrer berechtigten Beschwerden versprochen, und auch gemässigtere Nationalisten Anschluss an die „Arbeits partei" genommen haben. Die Siebenbürger Sachsen gehen bekanntlich grundsätzlich bis an die Grenze der Möglichkeit mit den Madjarisch-Liberalen zusammen, und für die Banater Schwaden war die Anbrüderung mit den Rumänen und Slowaken ohnehin ein bisschen genierlich. Auch von unserer natürlichen Sympathie für unsere Stammesbrüder in der Diaspora abgesehen, dürfen wir Deutschen uns mitfreuen, dass die Macht der Kossuthianer beider Farben gebrochen, dass die östliche Reichshälfte der Doppclmonarchie in die Dahn eines normalen Derfassungslebens zurückge bracht und dadurch di« innere Bewegungsfreiheit unseres Verbündeten gekräftigt ist. Natürlich ist der günstige Wahlausfall nur als Vorbedingung zu wer ten. Die beiden grossen Aufgaben sind rückständig: die Wahlreform und die Verbesserung der Geschäfts ordnung. Erst wenn sie erledigt sind, wird Ungarn dauernd vor einem Rückfall in die alte Misere ge sichert sein. Man vergesse nicht, dass die alte Ge schäftsordnung ncch besteht und dem geschwächten, aber nicht vernichteten Gegnern die Wiederaufnahme ihrer Obstruktion ermöglicht. Indessen ist mit der Entmutigung der Justhianer zu rechnen, die sich nicht mehr darauf berufen können, dass der Volkswille hinter ihnen stehe. Diese „Demokraten" werden ohnehin Jahre brauchen, um da» Volk ihre Koalition mit dem Ultramontanismus vergessen zu machen. Selbstverständlich muh gerade in dieser heiklen Frage der Geschäftsordnung das Eisen geschmiedet werden, solange es heiss ist, solange der Siegesrausch und die gleichzeitige Behandlung desselben Themas in Cislei- thanien wirksam sind. Später wird dann die Wahl reform darüber sorgen, Rückfälle unmöglich zu machen. Allein auch hinter den Klippen und Untiefen der nächsten Zukunft öffnet sich kein freies Meer. Dahin ter lauert die Sturmzone des Sozialismus, der in Ungarn um so schlimmer toben wird, je länger seine Ventile durch ein vorsintflutliches Wahlrecht ver stopft gewesen sind. Dieses Mal haben die zu eigenen Siegen unter der heutigen Gesetzgebung zu schwachen Sozialisten im Lager der neuen Regierungspartei ge kämpft und den Kossuthismus niederringen helfen. Sie werden dereinst dem Grafen Khuen ihre Rechnung präsentieren, dem man den kurzen Sonnenblick seiner heutigen Volksgunst zwischen der Unpopularität von gestern und vielleicht von morgen gönnen mag. Der lateinische Tert üer Borromäus-Enzyklika liegt nunmehr vor. Er bringt die beleidigenden Stellen über die Reformation in folgender Fassung: Inter kaeo supvrki »s redelles boniiocs c-oosurxedsot, inimiei Ornois Lbristi, qui terrenn küpinnquorum Venz vovter e.-t.'i Ui non moribns oorrixemiis, seck vsAsotiiz Uiäei enpilidus animum intenäontes, omni» miseednnt, Intiorem sidi »liinquo muoiedant licentiss viam, nut eorts »ucloritntem Ucrlesise üuetilwquo «iet'o-ueotes, pro lubitu eorruptissimi cuiiikguo prineipis populivo, quasi impokilo iugo, äoetnonm eius.eonktitutionem, äiseiplinnm in exeiäium petodnot. Ueinäo, ioiquorum imitnti morem, nrl quos pertinet eommiontio: Vae qui äieitis mnium bonum et bonum niillum,') rebellium tumultom et illsm Läe> morumgue olsnlem sppsllnruut instnurationem, se-s sutem üis- ciplinno vvteris restitutoros. Uv tarnen ver» eorrup- torz» eTtiteiuot, quoö, erteountis Uuropav per covteotiooes et dell» viribus, äskeoliooe« darum tomporum et seeossionos matursruvt, quidus uno veiut impeta kaeto, triplex illuö, ante» äisiuuctum climioatioois ivstaurstum est xevus, » quo inviet» et sor-pes Uovlesi» sempvr ovnrvrnt; dov est, primae aetatis erneut» eetta- mina; äomestieam sudimio pestem errorum; ckeuigue, per speeiem saeraa Ubertatis vinäieaväas, eam vitiorum luom av äiseiplivns evcrsiouem, aci guam iortsosv uvv aetas meäi» proocsserat. Wir lassen die Uebersehung dieses lateinischen Textes folgen: „Inmitten dieser Verhältnisse erstanden hochmütige und rebellische Männer, Feinde des Kreuzes Christ,: Männer „irdischen Sinnes, deren Gott der Bauch ist." Diese suchten nicht die Sitten zu verbessern, sondern die Dogmen zu leugnen, brachten alles in Unordnung, liessen für sich und andere der Zügel losigkeit freieren Lauf" (wörtlich: machten für sich und andere den Weg der Zügellosigkeit breiter) „oder sie verachteten doch Autorität und Führung der Kirche und brachten mit einer gewissen Tyrannei nach dem Belieben gerade der verdorben- sten Fürsten und Völker ihre Lehre, Ver fassung und Disziplin in Verfall. Alsdann ahmten sie jenen Gottlosen nach, denen die Drohung gilt: Wehe euch, die ihr das Böse gut nennt und das Gute böse! und nannten den Tumult der Aufrührer und jene Zerrüttung von Glaube und Sitte Erneuerung und sich selbst Erneuerer der alten Ordnung" (die lat. Worte instsurütio, wst,gur»tor bedeuten sachlich dasselbe wie roform»no, Reformation, Reformatoren. Der ital. Text hat rikorm» und rikor- I»»'or>). „Aber in Wahrheit waren sie Verderber, weil sie Europas Kräfte durch Streit und Kriege verzehrten und so den Abfall und die Spaltungen der Neuzeit vorbereiteten (oder zur Reife brachten), in denen sich wie in einem Angriff jener dreifache vorher getrennte Kampf, aus dem die Kirche immer unbesiegt und glücklich hervorgcgangen war, ver einigte: die blutigen Kämpfe der ersten Zeit, dann die innere Pest der Irrtümer, endlich unter dem Vorgeben, heilige Freiheit zu beanspruchen, jene Seuche der Laster und Zerstörung der Zucht, zu der vielleicht auch das Mittelalter nicht gelangt war." In der Bewertung dieses Textes schliessen wir uns völlig dem Urteil der „Deutsch-evang. Korr." an, die sich dahin ausspricht: „Dieser lateinische Tert, auf den viele als auf den eigentlich offiziellen warten zu sollen meinten, viel leicht in der Hoffnung, er werde nicht so schwere Anstösse geben wie der italienische, ist datiert vom 26. Mai und in den -ZeM »postolivao seä>s Jahrg X, Bd. II. Nr. 9 veröffentlicht. An welchen Text man sich zu halten hat, diese Frage erscheint aber unerheblich, da die Abweichungen des lateinischen vom italienischen unerheblich sind. Es sind Nuancen des Aus drucks, am sachlichen Gehalt, am Gesamteindruck der Enzyklika ändern sie nichts, zumal Mil derungen und Verschärfungen einander die Wage halten. Als Milderung kann man gelten lassen, dass von ruer» überlas heiliger Freiheit, die Rede ist, wo im italienischen Text geradezu „evangelische Freiheit" gesagt war, sachlich rst's kein Unterschied: hätte der Verfasser etwa mit dieser Freiheit, die er als Deckmantel des Lasters hinstellt, etwas anderes gemeint, wie wäre man darauf ver fallen, im italienischen Text evanecliea zu sagen? I vkeetio und seeessw >es klingen weniger heftig als im italienischen ridelliunc o apostssia; umgekehr aber ist das vorraiUi^imi emn-cplv prineiws populivo, gerade der verdorbcnsten Fürsten und Völker, womöglich noch ärger als der italienische Text, den die Germania" in ihrer Uebersetzung so sehr gemildert hatte. Und ebenso vitiorum loo?-— das ist nicht anders zu übersetzen al» Seuche der Laster — jeder ') ?kil,p. III. 18. IS. 'i Is»i v. 20. Abschwächungsversuch ist hier vergeblich und jedes weitere Wort überflüssig." Weiter teilt die „Frkf. Ztg." mit, dass auf Wunsch der preussischen Regierung Prof. Adolf Harnack eine deutsche Uebersetzung des Urtextes hergestellt hat. Als ob dies nicht auch ganz gut von einem Beamten des preussischen Kultusministeriums hätte besorgt werden können. Offenbar erwartet man aber von Harnack eine besonders wohlwollende Uebertragung. Bei der Beantwortung der Inter pellationen durch den preussischen Ministerpräsidenten wird sich ja dann zeigen, wie Harnack den Text ver standen hat. Diese Interpellationen verursachen der preussischen Regierung überhaupt starke Beklemmungen. Sie lässt deshalb durch eine diensteifrige Korrespondenz eine Kundgebung verbreiten, aus der der Aerger über die neugierigen Interpellanten nur allzu ver nehmlich herauskllngt: „Dass die im Abgeordnetenbause von den beiden konservativen Fraktionen und den Nationalliberalen eingebrachten Interpellationen wegen der Borro- mäus-Enzyklika des Papstes vom 26. v. M. der Reflex einer sehr starken Bewegung in der evange lischen Bevölkerung unseres Landes sind, wird ohne weiteres anzuerkennen sein. Zweifelhafter aber erscheint es, ob der Weg der parlamen tarischen Interpellation geeignet ist, die innerhalb der evangelischen Bevölkerung gewünschte Wirkung zu erzielen oder auch nur zu unter stützen. Diese Wirkung kann nach Lage der recht lichen und tatsächlichen Verhältnisse nur durch eine Aktion der Regierung, und zwar auf diplo matischem Wege, erzielt werden. Der Erfolg einer solchen Aktion aber wird jedenfalls nicht er leichtert, wenn durch Anfragen im Parlamente der Anschein erweckt wird, als sei die Regierung in der Erfüllurm der ihr nach Lage der Dinge ob liegenden Pflichten lässig und bedürfe dazu der parlamentarischen Anregung. Es wäre deshalb wahrscheinlich rätlicher gewesen, wenn man der Re gierung das Vertrauen, das sie in diesem Falle be anspruchen kann, voll gewährt und so die Erfüllung dieser ohnehin nicht ganz leichten Aufgabe nicht er schwert hätte." Eben der ernste Zweifel an der Tatkraft der Re gierung ist es ja aber, der die Interpellanten zur Anfrage gedrängt hat, und deshalb können wir diese Art abwehrender Argumentierung in alle Wege nicht gelten lassen. Das Zentrum will übrigen» am Donnerstag eine kurze Erklärung abgcben, worin die Zuständigkeit des Landtages zur Beurteilung einer innerkirchlichen Angelegenheit bestritten wird. Gegen diese höchst sonderbare, für das Zentrum aber natürlich augerordentlich bequeme Auffassung der Lage lässt sich am besten mit den Worten aus einem Aufsatze Friedrich Naumanns in der „Hilfe" ant worten: Der Papst wird bei uns gesetzlich vor Beleidigungen geschützt, er aber be nutzt seine hohe Stelle, um zu be leidigen. In dem bekannten 8 166 des deutschen Strafgesetzbuchs wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft, wer eine der christlichen Kirchen oder ihre Einrichtungen beschimpft. Das Reichs gericht hat am W. Juni 1883 entschieden, dass eine Beschimpfung der Lehre von der Unfehlbarkeit des Papstes eine Beschimpfung der katholischen Kirche ist. Auf der protestantischen Seite besteht sicher kein Bedürfnis, dem Papste in seiner Tonart zu ant worten und etwa Papsttum und Katholizismus als Korruption und Sittenlosigkeit in der Weise hinzustellen, wie es der Papst gegenüber der Reformation getan hat. Aber schliesslich gilt doch der Satz: was dem einen recht ist, ist dem an dern billig! Und was wird die preussische Regierung tun? Ihr muh die Enzyklika noch unbequemer kommen als den Konservativen, denn sie sucht im allgemeinen gute Beziehungen zur Kurie, besonders auch zur gelegentlichen indirekten Beein flussung des Zentrums. Zu diesem Zweck unterhält sie eine Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl. Der König von Preussen, protestantischer Landcsbiichof, verhandelt mit dem Paost wie mit einer gleich gestellten politischen Macht. Das setzt voraus, dass ein solcher Verkehr beiderseits in Ehren geschehen kann. Es scheint, dass die preussische Regierung und das deutsche Reichslanzleramt sich bei diesem Llnlasse ernstlich überlegen müssen, ob es jetzt nicht eine Forderung der h o h e n z o I l e r n s ch e n Selbstachtung ist, den Gesandtschafts posten, der auch sonst wenig Zweck hat, zurückzuziehen. Der Papst will unpolitisch vorgehen er will sich nicht an die Formen des internationalen Verkehrs binden. Das ist seine Sache. Er muss wissen, was dem Katholizismus frommt. Der preussische deutsche Staat aber muss auch wissen, was er sich gefallen lassen kann. Kann er eine Gesandtschaft haben bei einer Macht, die zwei Drittcilc unseres Volkes der Korruption be schuldigt? Von keinem Souverän der Welt äusser dem Papste würde sich das die deutsche Regierung bieten lassen. Sie kann ihn nicht hindern, weitere derartige Kundgebungen zu erlassen, aber sie soll ihn dann als rein religiöse, unpolitische Grösse behandeln! Will der Papst als Politiker behandelt werden, o sind doch auch für ihn noch Grenzen vorhanden." Zu Sernlmrgs Lcheiüen. Schon vor Wochen, am 3. Mai — also zu einer Zeit, da bei Dernburg die Rücktrittsadsicht bereit» seststand — hat er dem deutschen Volke im Reich», tage gesagt, was er beabsichtigt und geplant, wofür er gearbeitet hat. Es scheint m dieser Stunde zweck mässig daran zu erinnern. Dernburg erklärte: „Acht Tage haben wir gekämpft, haben wir ge- sprachen über Kriegskosten, über Klein- und Mittel stand, über die Liebig - Koinpanie und über vieles andere mehr. Da» deutsche Volk, dessen Intelligenz ich sehr hoch einschätze, versteht nachgerade nicht mehr, um was es sich handelt. Ich habe dafür gestanden, dass Treue und Glauben im Verkehrsleben er« halten werden gegenüber einer Auffassung, die den Begriff des öffentlichen Wohls verwechselt mit dem Begriff des öffentlichen Säckel«, für die Ehre , der heimischen und Schutzgebietsbehörden gegenüber I an sie gestellten Anforderungen, di« keine gesetzlich«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite