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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.09.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190909070
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090907
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090907
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-09
- Tag 1909-09-07
-
Monat
1909-09
-
Jahr
1909
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BezugS-Prei» str L«tP,i, an» Vorort, durch nnftr, »^ner >d Spediteure in» Han« gebracht, V0^. ^att., ».70 otrrteljLbrt. vei uniera giUale» n. «nnahmeftellen abaebolt, 7S H moaatl., 4.4S »ierMjü-rl. Durch »«« choftr innerhalb Deutschland« und der deutsche» Kolonien vierteijühri. «44 monatl. 1.44 ^4 autschl. Postdesicllgeld. Ferner tu Belgien, Dänemark, den Donaukiaaten, Italien, Luremburg, Niederlande, Nor wegen, Oesterreich-Ungarn, Ruhland, Schweden, Schwei, n. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« 4ftlch»ft»II«lle de« Blatte« «bittlich. Da» Leio,tger Lageblan erscheint wücheitt- llch 7 mal und »war morgen«. »bomwmentchlnnabme i Bugustudplatz 8, bet anseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Snnahmestellen, sowie Posttmtern uud Briefträger». Dt» «inline Nummer kostet IV Redaktion und VeschLft-ftelle» Johannidgass« 8. Fernsprecher r 146S2, 14S83. 14SV«. MpMerTagMak Handelszeitung Nmlsvkatt -es Rates und -es Nolizeiaintes -er Lta-t Leipzig. 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Art.) * Burzew, der gegenwärtig in Berlin weilt, kündigt soeben neue, sehr wichtige Enthüllungen über die Tätigkeit der russischen Geheimpolizei an. (S. Ausl.) * Der Präsident der französischen Republik wird nach einer Pariser Meldung an den Manövern nicht teilnehmen, da er die Besuche der Könige von Belgien und Griechenland in der zweiten Hälfte des Septembers erwartet. * Ein italienisches Blatt meldet aus Konstantinopel, die kretische Frage werde bald ihre Lösung finden. Die Insel soll die Autonomie erhalten, und zum Gouverneur soll der Herzog von Teck ernannt werden. * Der Madrider „Jmparcial" meldet, daß die 12. spanische Division in Stärke von 11000 Mann unter dem Kommando des Generals Sotomayor nach Melilla abgehen wird. Weiteres zum Riff- Krieg s. Ausl.) * Nach Depesche«, die in New-Uork eingetroffen sind, soll Peary ebenfalls den Nordpol erreicht haben. sS. Letzte Tep.) * In dem gestern in Hoppegarten gelaufenen Rcnard- Rennen (28000 .ll) siegte die br. St. „Antwort" aus dem preußischen Hauptgestüt Graditz in einem Felde von acht P'erden. lS. Sport.) Asew, Harting und Loinpagnie. Und Compagnie. Bitte zu beachten. Man hätte das Buch, das unter diesem vielversprechenden Titel erschienen ist, vielleicht ignorieren können, wenn nicht Burzew, der Herkules im Augiasstall der russischen Revolu tion, unentwegt weiter enthüllte. Neuerdings hat er wieder eine Dame demaskiert, mit deren zungenbrecherischem Namen wir den Leser ver schonen wollen, und Berliner Blätter bringen ihre Lebensgeschichte und senden ihr Ausfrager ins Haus. Wir Deutschen nehmen ein merkwür- Lig reges Interesse an dem Kampfe dieser zweideutigen oder meist un zweideutigen Existenzen, ein Interesse, das weder durch politischen noch durch psychologischen Ertrag belohnt wird. Sachliches erfahren wir aus dem doch gewiß nicht uninteressanten Riesenreich nur allzuwenig, der Personalklatsch aber will nicht enden. So hat man, um einem tief gefühlten Bedürfnis abzuhelfen, auch das Buch übersetzt, in dem uns die Herren Jean Longuet und Georges Silber auf fast dreihundert eng- gedruckten Seiten erzählen, wie Herr Burzew Herrn Afew entlarvt habe. Man sollte meinen, es müsse ein Vergnügen sein, einem solchen Meister stück der Detektivkunst Schritt für Schritt folgen zu dürfen, aber diese Meinung wäre ein Irrtum. Das Buch, das sensationell wirken sollte, wirkt sensationell langweilig und, was das Schlimmste ist, es überzeugt nicht. Am Schluß wie am Anfang schwankt Asews Charakterbild, von der Parteien Gunst und Haß verwirrt, in der russischen Zeitgeschichte. Jean Jaurös, der ein Redner, aber kein SchMtsteller ist, hat ein Vor wort geschrieben, in dem er die „zaristischen Verbrechen" brandmarkt. Uns dünkt dies Wort eine agitatorische Phrase. Autokrati: und Um sturz haben einander mit allen Mitteln befehdet, und der Schreckens herrschaft von oben entsprach der Terrorismus von unten. Auch ein Mark Aurel hätte nicht anders gehandelt oder anders handeln können. Wie sinnlos die freiheitliche Bewegung sich in Rußland geberdete, er hellt aus einer einzigen Notiz. Die Adresse, die der Pope Gapon an der Spitze betörter Volksmassen dem Zaren überreichen wollte, schloß mit den Worten: „Was wir fordern, ist wenig; wir verlangen nur solche Dinge, ohne die das Leben kein Leben mehr ist, sondern ein Kerker, eine Tortur." Und was verlangte die Petition? „Die persönliche Freiheit, die Freiheit des Wortes, der Presse und der Koalition, den allgemeinen obligatorischen Unterricht, die Verantwortlichkeit der Minister vor dem Voile, die Freilassung aller derjenigen, die für ihre Ueberzeugung gelitten haben, den achtstündigen Arbeitstag, das Recht, sich in Syndikaten zu vereinigen und Korporativgenossenschaften zu gründen, die Arbcitervcr- sicherung, die Abschaffung der indirekten Steuern und die schrittweise Nationalisierung des Bodens." Jeder Einsichtige muß zugeben, daß auch der kühnste Reformatoren geist einen solchen Salto mortale nicht wagen konnte. Um das „Wenige", das die Gapon und Genossen in einem Lande fordern, das von Analpha beten wimmelt, kämpfen die Radikalen in den vorgeschrittensten Staaten Europas seit Jahrzehnten und Jahrhunderten. Aber die Herren Revo lutionäre fordern vom Leben mit Ungestüm und ohne Umstände die volle Erfüllung ihrer papiernen Doktrinen. Sie sind ihrer alleinseligmachen- den Lehre und ihrer guten Sache gewiß. Auch in Einzelheiten lassen sie nie den geringsten Zweifel aufkommen." Es ist erwiesen, daß Gapon während seines Exils in Paris und Nizza in ständigen Beziehungen zu dem arglistigen Grafen Witte stand und daß er von ihm beträchtliche Summen erhielt." Wie ist es erwiesen, wo sind die Dokumente? Sie sind nicht vorhanden, aber die Tatsache wird als ein unumstößliches Faktum der Leichtgläubigkeit des Lesers zugemutet. Die schwersten Be lastungen gegen Afew deponiert ein gewisser Bakai, der, als Mitglied der sozialdemokratischen Partei verhaftet, der Polizei seine Dienste an bot, um die Freiheit zu erlangen. Mit anderen Worten, der Typus Asew ist durchaus keine Ausnahme, vorausgesetzt, daß Burzews Be schuldigungen wahr sind; der Hauptbelastungszeuge ist — in kleinerem Stil — ganz dieselbe Nummer. Es hält eben gar mancher in Rußland bald mit den Revolutionären, bald mit der Polizei, und bisweilen mit beiden Parteien. Und natürlich wird in jedem Lager Spionage geübt. Aber cs ist etwas einseitig, die Geheimpolizisten, die -- mit Lebensgefahr und in Er- süllung ihrer freilich wenig beneidenswerten Pflicht — sich ins Vertrauen der Revolutionäre schleichen, als entmenschte Bestien anzuprangern, die Revolutionäre aber, die genau dieselbe Taktik einschlagen, als Helden und Märtyrer zu feiern. Wir haben es hier mit einem Kriegszustand zu tun, in dem die Gesetze der bürgerlichen Moral bei beiden Parteien keine Anwendung finden. Daher sind die Enthüllungen des Herrn Bur zew wohl für die unmittelbar beteiligten Kreise sehr wichtig; unverständ lich aber ist es uns, warum manche führenden Zeitungen tagtäglich fpaltenlang über die Interna der revolutionären Partei Rußlands be richten. Zum mindesten aber sollten diese Dinge mit Objektivität und Gelassenheit behandelt werden; wir wenigstens gestehen, daß wir uns weder für Asew noch für Burzew zu begeistern vermögen. Nach einem aufrichtigen Versuch, in der intrikaten Angelegenheit zu einem sicheren Urteil zu gelangen, können wir nur sagen: blon liguet. Stnttgnrtev Aaäsertage. sVon unserem Korrespondenten.) IV. Stuttgart, 5. September. In prächtigem Festschmuck erwartete die Haupt- und Residenzstadt Württembergs den Deutschen Kaiser, der mit einer stattlichen Reihe deutscher Fürsten und hervorragender Militärs des In- und Auslandes heute hier eintraf, um am Dienstag Heerschau zu halten über die württembergischen Truppen. In gehobener Stimmung flutete schon am Sonntag trotz der trüben Witterung fröhliches Menschengewimmel durch die Via triumphalis, die geschaffen ist, der brausenden Ovation einer vieltausendköpfigen Menge als Rahmen zu dienen. Aus der Ferne winken in bläulichem Dufte unsere anmutigen Rebenhügel; wie ein Ricsensestsaal stellt sich der herrliche Schloßplatz mit seinen unvergleich lichen Reizen der Natur und Kunst dar; flatternd wehen die Fahnen ihr feierliches Willkommen. Ein beträchtlicher Teil der Stuttgarter pflegt sonst in der ersten Septembcrhälfte noch in der Sommerfrische zu weilen. Diesmal aber ist „ganz Stuttgart" schon daheim. Zu Tau senden sind die Fcrienreisenden und Urlauber in den letzten Tagen zurückgekehrt. Beim Kaiserbcsuch will kein Stuttgarter zu Hause fehlen. Die freiheitliebcnden Schwaben üben zwar oft scharfe Kritik an dem Kaiser und seiner Regierung: aber darum sind sie doch gute Patrioten, stehen treu zu Kaiser und Reich und heißen das Kaiserpaar wiederum herzlichst willkommen. Zum neunten Male hält Wilhelm II. in unserer Stadt Ein kehr. Am 27. September 1888 machte er nach der Thronbesteigung keinen Antrittsbesuch. Damals ließ er seine Tischrede im Königsschlosse ausklingen in die denkwürdigen Worte: „Ganz besonders zieht mich hierher, daß das schwäbische Land auch die Wiege meines Hauses gewesen ist. Auch in meinen Adern rollt schwäbisches Blut, ebensogut wie in den Adern der Herren, die hier versammelt sind. Von fester und unverbrüchlicher Anhänglichkeit an dieses Land und seinen Herrn beseelt, erhebe ich mein Glas . . . ." Im Juni 1889 kam das Kaiserpaar zum Regierungsjubiläum des Königs Karl; im Oktober 1891 und November 1892 folgten Trauerbesuche aus Anlaß des Hinscheidens des Königs Karl und der Königin Olga. Am 14. Sep tember 1893 kam der Kaiser, begleitet von seiner Gemahlin, erstmals als oberster Kriegsherr zur Heerschau nach Stuttgart. Auf der Durch reise berührte das Kaiscrpaar im April 1896 und November 1898 die schwäbische Hauptstadt. Des Kaisers letzter Besuch erfolgte gerade vor zehn Jahren, vom 5. bis 8. September 1899, zur Parade der württem- bergischcn Armeekorps. Damals rühmte der Kaiser das „wunder volle Armeekorps" und betonte aufs neue, daß „auf württem bergischen Boden die Pulse seines Herzens schneller schlagen"; denn dieses Land bilde „die Wiege seines Geschlechts"; von hier aus seien seine Vorfahren in die Ferne, in die Nordmark gezogen, um ein neues Vaterland zu gewinnen. Abermals kommt der Kaiser jetzt hierher, nm mit dem streng prü fenden Auge des obersten Vorgesetzten die württembergischen Truppen zu mustern. Der Bahnhof prangte schon gestern in reichster Festtoilette. Rauch, geschwärzte Wände und Säulen haben durch Anstreicher neuen Glanz erhalten; die königlichen Wartesalons, die allgemeinen Säle, Gänge und Austrittspforten sind mit den Farben der deutschen Bundesstaaten, sowie mit Tannenreis, Topfgewächsen, Blumengewinden und Laub- kränzen reich und künstlerisch geschmückt; namentlich ist die Einfahrts balle für den kaiserlichen Hofzug gar prächtig herausgeputzt. Vom Bahn- Hof bis zur kaiserlichen Wohnung im Residenzschlosse ist auf städtische Kosten der Triumphweg hergestellt. Viele Masten mit Flaggen in deut schen, württembergischen, preußischen und Stuttgarter Farben und mit Girlanden, vergoldeten Eichenkränzen und Blumenkörben ziehen sich am Königsbau entlang. Die Gebäude am Bahnhof und Schlossplatz wetteifern in reicher und vornehmer Dekorierung. Am Abend erhöhen magische Effekte elektrischer Festbeleuchtung in allen Farben den Glanz und Prunk dieses Schmuckes. Auch werden abends auf allen Hügel- Vorsprüngen der Umgebung sHasenberg, Doggenburg, Dismarckturm, Kriegsberg, Burgholzhof, Gänsheidc und Degerloch) Höhenfeuer ausleuchten. Wie immer an festfreudigen Tagen, zeigt unsere größte und vornehmste Geschäftsstrasse, die Königsstrahe, ein glanzvolles, farben sprühendes Bild. Zu dem reichen Flaggen- und Blumenschmuck ge sellen sich allerlei Arrangements von künstlerischer Schönheit in den großen Schaufenstern, wobei Büsten und Bilder des Kaisers und der kaiserlichen Familie sowie unseres Königspaares eine wichtige Rolle spielen. Außerordentlich stark ist schon heute der F r e m d e n z u st r o m. Alle Hotels und Gasthäuser sind schon stark besetzt, und stündlich strömen auS den Bahnhofshallen ganze Karawanen Neuangekommener Festgäste, die aus allen Teilen des Landes herbeigeeilt sind, um in der Hauptstadt den Kaiser begrüßen zu können. Da gegenwärtia hier auch noch beträchtliche militärische Einquartierung untergebracht ist, finden viele Fremde keine Unterkunft mehr und müssen in den umliegenden Orten übernachten. Heute nachmittag werden Kaiser und Kaiserin unserem Neuen Rathause einen Besuch abstatten und dort einen von der Stadtver waltung dargebotenen Ebrentrunk nehmen. Abends ist Festtafel im Ncsidenzschlosfe, daran schließt sich die Galavorstellung im Hoftheater. Die Kaiserparade findet am Dienstagvormittag auf dem Felde bei Kannstatt unter der Leitung des kommandierenden Generals, des Herzogs Albrecht von Württemberg sdcs Thronfolgers) statt. O Ueder den Empfang des Kaisers und der anderen hohen Gäste wird uns telegraphiert: —I. Stuttgart, 6. September. Der Kaiser und die Kaiserin trafen im Sonderzug 2 Uhr 50 Min. auf dem hiesigen Hauptbahnhof ein. Der Kaiser trug die Uniform seines 120. Infanterieregiments. Zum Empfang hatten sich cingefunden: Ter König in der Uniform der Leibgardehusaren, die Königin und die Mitglieder des königlichen Hauses, die anwesenden fremden Fürstlichkeiten, die teils erst im Laufe des Vormittags ringe- troffen waren, Prinz Eitel Friedrich, Erzherzog Friedrich von Oesterreich, Prinz Ludwig von Bayern, Prinz Jo hann Georg von Sachsen und die zum Ehrendienst für den Kaiser bestimmten Herren, der Kricqsminister General der Infanterie Marchtaler, der württembergische Militärbevollmächtigte in Berlin, Oberst v. Dorrer und Ordonnanzoffizier Oberstleutnant v. Schott, der Ehrendienst der Kaiserin, ferner das Staatsministerium mit dem Mi nisterpräsidenten Dr. v. Äeizäcker und die gesamte Generalität mit dem kommandierenden General Herzog Albrecht von Württemberg an der Spitze und Graf Zeppelin in der ihm neuerdings verliehenen Uniform des 19. Ulanenregiments. Eine Ehrenkompanie des Grenadier, regiments König Karl (5. Württembergisches) Nr. 123 erwies die Honneurs. Die Majestäten begrüßten einander aufs herzlichste. Nach der Vorstellung der Umgebungen und einem Vorbeimarsch der Kompanie erfolgte die Fahrt zum Königlichen Residenzschloß, wo der Kaiser und die Kaiserin Wohnung genommen haben. Die Wagen wurden geleitet von einer Eskadron des Dragonerregiments König s2. Württem bergisches) Nr. 26 und einer solchen vom Ulanenregiment König Karl sl. Württembergisches) Nr. 19. Vor dem Schloß stand die 2. Ehren kompanie vom Infanterieregiment Kaiser Wilhelm und König von Preußen s2. Württembergisches) Nr. 120. Die Infanterieregimente! Kaiser Wilhelm und König Friedrich bildeten Spalier. Die Herrschaften wurden von einer grossen jubelnden Menschenmenge begrüßt. Mit dem Kaiser ist auch der Fürst zu Furstenberg einge troffen. Der Kronprinz wird der Kaiserparade bei Stuttgart nicht bei wohnen, da seine linke Wange infolge eines Wespenstiches derart ges chwollen ist, daß der Arzt seine Beteiligung nicht für wünschens- wert erklärt hat. Die Begrüßung der Presse. —I. Stuttgart, 6. September. Zum Kaiserbesuch bringen die hiesigen Blätter herzliche Festartikel. Der „S t a a t s a n z e i g e r" widmet der Ankunft des Kaisers und der Kaiserin einen langen Begrüßungsartikel, worin es u. a. heisst: Von Jahr zu Jahr sieht das deutsche wie das württembergische Volk seinen Kaiser rastlos tätig, um die Heeresverfassung Deutschlands, dieses mächtige Unterpfand unserer Sicherheit, auf der Höhe zu erhalten, weiter aus zubilden und zu vervollkommnen. Seine Sorge als oberster Kriegsherr reicht vom Fels bis zum Meer. Er kommt von der Ostseeküste, wo eine Flotte von nie zuvorgesehener Stärke Hebun gen abhielt, zu der Heeresschau über den grössten Teil der Truppen des deutschen Südens, wie sie in dieser Aus dehnung in Friedenszeiten noch nie vereinigt war. Der Artikel weist dann darauf hin, daß das württembergische Korps in edlem Wetteifer mit seinen Nachbarkontingenten vor dem Oberhaupt des Reiches unter Führung eines Prinzen des König!. Hauses in Ehren zu bestehen hoffe, und schliesst mit den besten Wünschen für daS Wohl ergehen der hohen Gäste im schwäbischen Lande. Leopoldus, -er bayrische Spioiragekotirman-ant. lVon unserm Pariser O-Korrespondenten.) Paris, 5. September. Der „Matin" ist in die Lage versetzt worden, einige sensationelle Enthüllungen über die deutsche militärische Spionage-Organisation zu machen, um damit auf die „schwerfällige Ironie" zu antworten, mit der die deutschen Zeitungen die französische Spionenfurcht verspotteten. Merci, für das „schwerfällig". Und nun hören wir an, was der stets fein geist- und taktvolle, ehrenwerte „Matin" augenscheinlich von dem zwar gesetzlich seit der Dreyfus-Affäre aufgehobenen, aber,' wie der Kriegsminister Brun unumwunden zugibt, ruhig fortexistierendcn Gegenspionagedienst erfahren hat: „Das Zentrum der deutschen Spionage befindet sich gegenwärtig in Metz. Der Chef der Organisation ist ein Major von einem bay rischen Regiment, den Spionen unter dem Namen Paul Leopoldus be kannt. Unter diesem Namen werden ihm die Briefe -ugesandt, als Adresse genügt: Metz. Leopoldus ist 50 Jahre alt und nicht verhei ratet. lFolgt ein Signalement modernster Realistik.) Mitunter setzt er, wenn er sich zu geheimnisvollen Rendezvous begibt, eine Brille mit dunklen Gläsern auf. Er knausert nicht mit Goldstücken; wenigstens dem Anschein nach bekundet er keinen Groll für jene, die ihn betrogen haben. Alle Spione, die mit ihm zu tun hatten, bewahrten ibn in an genehmster Erinnerung. Nach der Art, wie der Major Geld aus gibt, muss man annehmen, daß sein Dienst mit reichen Mitteln versehen ist. Leopoldus hat unter seinem Befehl den Pionierhauptmann Sch. Hauptmann Sch. hat sich in Festungsangclegenbeiten ,,spezialisiert". Vor allem sucht er sich mit Zivilbeamten der Pionierregimentsverwal tungen in Beziehung zu setzen. Er interessiert sich auch sür die Dach decker, Schreiner und Maurer, die in unfern Forts arbeiten. Man korrespondiert mit dem Hauptmann Sch-, indem man Briese an die Adresse des Fräuleins Milon in Metz richtet. Wie er behauptet, ist das der Mädchenname seiner Frau. Nach den Chefs die Untergebenen. Es gibt ihrer zwei. Zunächst der Sohn eines Feldhüters in Jouy-aux- Arches. Er war früher Mechaniker. Blond und hochgcwachsen, trägt er einen kleinen, blonden Schnurrbart und manchmal auch ein Bärtchen; denn er wechselt gern die Nuance, dank allerlei Färbemitteln. Er wohnte fünf Jahre lang in Frankreich, spricht ausgezeichnet unsere Sprache und kennt unsere befestigten Plätze im Norden und Osten aufs gründlichste. Besonderes Kennzeichen: Treibt Spionage mit Liebe und Leidenschaft; leistete Leopoldus hervorragende Dienste. Er hat seinen Beruf als Mechaniker aufgcgeben und gehört beute der Polizei an. Der andere Untergebene ist ein früherer französischer Polizcikommissar. Er hat in Diensten des Leopoldus das Amt des Lockspitzels und Werbers. Er kommt oft nach Frankreich, um neue Leute anzuwerben und den Eifer der alten anzustacheln. Daneben sind noch einige Komparsen zu nennen, so ein nach Belgien geflüchteter französischer Deserteur. Er ist beauftragt, Auskünfte über die Artillerie einzuziehen; es wurde ihm anempfohlen, seine Anstrengungen besonders auf die in Vincennes garnisonierten Regimenter zu richien und sich Auskünfte über die Kanone Nilmailho, sowie den Entlader zn verschaffen. Ferner ein fron- Mischer Deserteur, der beauftragt ist, Auskünfte über die östlichen Forts einzuziehen; ein Kellner in Metz, nach Toul entsandt, um die neuen Einrichtungen der Forts zu studieren; B., beauftragt mit der Zählung der Mitrailleusen in den verschiedenen Regimentern; A., nach Reims entsandt, um einen Artilleristen des 40. Regiments nach Luxem burgzu einer Begegnung mit Leopoldus zu bringen; D., beauftragt, sich ein Rohr der neuen Mitrailleuse zu verschaffen." Der „Matin" weist ferner darauf hin, daß in letzter Zeit „sechs Leute wegen Spionage ver haftet werden mußten: Gaston Troussier, 18 Jahre alt, vor zwei Mo naten in Bourges verhaftet; Havey, 25 Jahre alt, vor einem Monat in Reims verhaftet; Tafsin, 35 Jahre, vor drei Wochen in Nancy ver- boftet; Vertrank, 36 Jahre, angeblich Belgier, dieser Tage in Ledan verbaftet; Witwe Paternean, in Fourmies verhaftet, und Rose L., 28 Jahre, deren Namen wir ans besonderen Gründen nicht nennen, und die vor einem Monat in Nillerupt fcstgenommen wurde. Diese Rose L. stammt aus der Umgegend von Orange, und war die Geliebte eine« ge wissen Henneguin, der in Arras zu 3 Jahren Gefängnis wegen Spio nage verurteilt wurde. Um die Diskretion eines Geliebten zu belohnen, zahlte der deutsche Spionagedienst der Rose L. monatlich 50 ^l Pension. Sie erhöhte noch ihre Einnahmen, indem sie den Postdienst eines deut- scheu Agenten besorgte, dessen Briefe sie auf französischen Postämtern
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