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8. Beilage Tonntag, 5. Teptember 190V Leipziger Tageblatt Rr. 24«. 102. Jahrgang Mußestunden. m Pflicht und Liebe. Kriminalroman von Palle Rosenkran tz. „Am Abend des 7. Juli war das Medaillon im Besitze des Lor-s Jeversham, nicht in den Händen Saarbrückens", fuhr Rosenthal fort. „Der Lord fuhr wach Frankfurt; er suchte die Frau auf, wo er sie anzutrefsen glaubte. Hier erfuhr er, daß sie über Cronberg nach Falken stein zu ihrer Mutter gefahren sei. Ich komme jetzt zu dem Punkte, dem die Boruntersuchung scheinbar nicht genügend Bedeutung beigemessen hat, 'der aber meiner Meinung nach der wichtigste in der ganzen Sache ist. In der Tasche des Ermordeten fand man eine Rückfahrkarte Eron- berg—Frankfurt. Es hat sich nicht feststellen lassen, wann der Er mordete mit dem Zuge von Frankfurt zurüügekommen ist. Auch nicht, wo er den Abend zugebracht hat. Wir wissen nur folgendes: Ter Zeuge, der im Saarbrückenschen Hause in Frankfurt angestellte Hausdiener Müller, hat hier ausgesagt, daß der Lord am Abend des 7. nach Fran Saarbrücken gefragt habe, daß er ihm aber gesagt habe, sic sei nach Cronberg gefahren. Ein zweiter Zeuge, der Kellner Willmann im Eisenbahnhotel in Cronberg, meinte, aus der ihm vorgelegten Photo graphie des Lords mit Bestimmtheit einen Herrn wiederzuerkennen, der an diesem Abend in dem Hotel gewesen sei und es mit der Bemerkung verlassen habe, daß er einen Wagen nach Fallenstein suchen wolle. Seit dem hat man ihn nicht mehr gesehen. Bei der Leiche fand man eine Rückfahrkarte nach Frankfurt, die nicht benützt war. Daraus schließe ich, daß der Lord nicht nach Frankfurt zurückgekehrt ist. Er hat g.r nicht daran gedacht, nach Frankfurt -urückzukehren, denn in dem Falle würde er eine Rückfahrkarte Frankfurt—Homburg gehabt haben. Er ist am 8. nachmittags 5 Uhr im Park ermordet gefunden worden. Es ist undenkbar, daß der Mord in dem belebten Park am Hellen Tage stattgefunden haben kann; die Sonne ging um 3 Uhr auf. Also muß er in dem Zeitraum zwischen 12 und 3 Uhr, ohne Frank furt berührt zu haben, nach Homburg zurückgekehrt sein. Er kann einen Wagen in Cronberg genommen haben und den kurzen Weg gefahren sein. Dies ist unwahrscheinlich, denn er hatte offenbar keine Eile, nach Homburg zurückzukehren und würde sicher 'den Zug benützt haben. Außerdem würbe sich der Kutscher, der ihn gefahren hat, auch nachträg lich gemeldet haben. Auf welche Weise ist er denn aber zurückgekommen? Jetzt bin ich bei dem Punkt angelangt, wo ich mich, meine Herren (Geschworenen, auf den gefährlichen Pfad der Mutmaßungen begeben muß. Ich wage sie im Interesse des Angeklagten, dessen ganzes Dasein hier auf dem Spiele steht, wage sie, auch wenn sie einen Schatten auf einen Mann werfen, dessen ganzes Leben rein dasteht. Aber gerade weil er ein hochangeschener Mann ist, 'der sich seiner Haut schon wehren wird, wenn ihm Unrecht geschieht, trage ich kein Bedenken, das auszusprechen, was in meinem Innern zur festen Ueberzeugung geworden ist. Ich läge — der Mann, -er den Lord am 7. Juli zwischen 7 Uhr abends und 3 Uhr morgens von Cronberg nach Homburg beförderte, war kein anderer als der Herr Amtsrichter Fritz Sterner. Und zwar geschah dies im Sternerschen Automobil, in dem der Lord Fcversham den Weg von Cronberg bis zu 'der Stelle zurücklegte, wo er später seinen Tod fand." Isidor Rosenthal schwieg. Ein dumpfes Summen ging durch den Saal. Alle Blicke richteten sich auf den Amtsrichter, -er in seinem Stuhl zurückgelchnt, mit über der Brust gekreuzten Armen dafaß. Sein Gesicht war unbeweglich, der Schlag schien ihn nicht zu treffen. Der Präsident gab dem Amtsrichter durch ein Zeichen zu verstehen, daß er jetzt das Wort ergreifen dürfe. Sterner erhob sich aber und ,ogte kurz: „Ich werde mich zu der Sache später äußern, Herr Präsident." Isidor Rosenthal fuhr fort. Er schilderte die Automobilfahrten des Amtsrichters und stellte fest, daß Sterner am 7. Juli nachmittags Hom burg verlassen hatte, um eine seiner gewöhnlichen Touren nach Cronberg und Falkenstrin anzutreten, daß Schaltz ihn am Abend um 10 Uhr ver geblich ausgesucht habe, und daß seine Haushälterin dem Kommissar später mitgeteilt habe, der Herr Amtsrichter sei erst spät in der Nacht nach Hause gekommen. „Selbstredend denke ich nicht im entferntesten daran, den Herrn Amtsrichter Sterner direkt mit dem Morde in Beziehung zu bringen und ihn gar als Täter oder Helfershelfer hinzustellen. Meine Pflicht als Verteidiger ist es aber, das größtenteils von Herrn Amtsrichter Sterner als Untersuchungsrichter zusammcngetragcne Jndizienmaterial, das die Grundlage zu der Anklage bilder, zu entkräften. Auf wie schwachen Füßen es steht, wie dürftig, wie unglaublich dürftig es ist, sieht man am besten daraus, wenn man 'die gegen den Angeklagten sprechenden Indizien mit dem Material vergleicht, was gegen den Herrn Amts richter Sterner sprechen würde, falls das Geschick ihn unverschuldeter weise hier auf die Anklagebank gebracht hätte. Gegen Saarbrücken spricht: 1s Die Geschichte mit dem Medaillon, die ich erklärt habe, und die wohl dadurch hinfällig geworden ist. 2s Seine Abwesenheit vom Hotel von 12 bis IVa Uhr, ein Punkt, den ich aus Rücksicht auf 'den Namen einer Dame nicht aufklärcn darf. Ich habe meinem Mandanten mein Wort gegeben, auch wenn es seinen Kopf kostet, diesen Namen nie zu nennen. 3) Seine Vermögensverhältnisse und seine Schulden beim Lord. 4) Der Umstand, daß seine Frau die Erbin des Lords ist. Ein Um stand, der ganz bedeutungslos ist, wenn man in Erwägung zieht, daß Saarbrücken vom Lord, auf den er sich verlassen konnte, das feste Ver sprechen hatte, für ihn auch weiter zu sorgen, wenn er sich mit der Scheidung einverstanden erkläre. Dies hat er dann auch getan 5) Der Umstand, daß der Dolch in die Wunde paßt. 6j Der Umstand, daß ein Zeuge ihn gegen iVa Uhr im Park in der Nähe der Mordstellc gesehen haben will. Ich bitte Sie, zu bemerken, daß alle diese Umstände sich ebensogut wegerklären, als sich zu ungunsten des Angeklagten verwerten lassen. Deshalb will ich, ehe ich weiter gehe, die Indizien aufzählen, die sich gegen den Herrn Amtsrichter Sterner richten ließen. 1> Er ist nachweisbar zur selben Zeit wie Saarbrücken von Hause lort gewesen. Zwar hat niemand an ihn das Ansinnen gestellt, über sein Tun und Lassen während dieser Zeit Rechenschaft abzulegen. Wär« dies geschehen, so hätte er sein Alibi vielleicht auch nicht genügend nach weisen können. 2) Er ist mit Frau Saarbrücken verlobt gewesen, hat sie einer anderen willen verlassen, und hat dann die alten Beziehungen zu ihr von neuem in einer Zeit angeknüpft, die dem Mord unmittelbar voraufging. 3) Er verließ sie seinerzeit, weil sie arm war. Er wußte, daß He durch den Tod des Lords reich wurde. 4s Er wußte, daß Frau Saarbrücken die Erbin des Lords sei und hat die Scheidungssache mit großem Eifer betrieben. 5) Der Amtsrichter besitzt einen Dolch — ein Gegenstück zu dem Dolch hier auf dem Tisch —, mit dem, wie die Königliche Staatsanwalt schaft annimmt, der Mord verübt worden ist. Ich werde mir erlauben, eine Stelle aus -er bekannten Abhandlung des Herrn Amtsrichters Sterner über: Voruntersuchung im Strafprozeß, Seite 66, oben, zu verlesen: „Für einen Strafrichter empfiehlt es sich, sich mit dem Gebrauch von Waffen, besonders solcher Waffen bekannt zu machen, die der Wun^e unmittelbar ein bestimmtes'Gepräge geben. Unter ihnen habe ich m erster Linie die Lieblingswaffe der Italiener, den Dolch, im Auge. Während meines Aufenthaltes auf Korsika habe ich selbst Unterricht im Gebrauch des nationalen Vendettadolches genommen und es darin nach der Versicherung meines Lehrers zu einer für einen Ausländer seltenen Geschicklichkeit gebracht." Rosenthal hielt wieder inne. Das Gesicht des Amtsrichters war immer noch unbeweglich. Er saß zurückgelehnt da, als gehe das Ganze ihn nichts an. Eine gewaltige Unruhe herrschte im Saal. Der Prästbent mußte Ruhe gebieten; er wendete sich wieder an Sterner und fragte, diesmal in säst barschem Ton: „Wünschen Sie auch jetzt noch nicht zu sprechen?" „Nein", antwortete Sterner kurz, mit einer Verbeugung vor dem Präsidenten. Der Präsident gab dem Rechtsanwalt ein Zeichen, sortzusahren. Rosenthal wendete sich an die Geschworenen: „Wenn der Herr Amtsrichter Sterner auf Grund der von mir an geführten Punkte als Angeklagter vor Ihnen stände, würden Sie es dann wohl mit Ihrem Gewisfen vereinigen können, ein Schuldig zu sprechen? Sicher nicht. Und wie sieht es mit den Indizien aus, auf die die Anklage sich stützt. Ich behaupte, daß sie eher geringer und schwäche^ sind, als dasjenige Material, das gegen den Mann spricht, der zuerst die Untersuchung in dieser Sache geführt hat. Und ich sage Ihnen, meine Herren Geschworenen, aus voller Ueberzeugung: Ebensowenig, wie der Herr Amtsrichter mit der Tat zu tun hatte, ebenso wenig ist der Angeklagte schuldig. Daß Saarbrücken seinem Freunde Geld schuldete, und daß der Tod dieses Freundes ihn, was a-uch noch nicht einmal der Fall ist, zu einem reichen Mann machen würde, berechtigt doch noch lange nicht zu der Annahme, daß er diesen Freund ermordet hat. Noch gewagter ist es aber, diesen Schluß aus der Tatsache zu ziehen, daß Saarbrücken gerade an diesem Tage mit dem Lord ein Abkommen ge- troffen hat, wodurch der Angeklagte seine Frau sreigab und ihre gegen seitigen Geldverhältnisse geordnet wurden. Die diesbezüglichen Aus sagen des Angeklagten sind nun zwar nicht bewiesen, aber durch Frau Saarbrücken bestätigt, die ja auch zu Protokoll erklärt hat, daß sie an demselben Abend den Lord in dieser Sache erwartet habe, und daß er ihr wahrscheinlich, um sie dort zu treffen, nach Cronberg nachgefahren sei. Ich sage, Saarbrücken hatte an dem Tode des Lords kein Interesse, da seine Frau doch schon für ihn verloren war. Wäre der Lord aber am Leben geblieben, so würde er zweifellos — befreundet wie die beiden zusammen waren — den finanziell bedrohten Saarbrücken weiter über Wasser gehalten und auch für seine Zukunft gesorgt haben, und dies uw so mehr, als der Angeklagte, tvenn auch schweren Herzens, alle Wünsche des Lords in bezug auf die Scheidung erfüllt hatte. Auf das Jndizien-Mcdaillon werde ich nicht zurückkommen, es be darf keiner Widerlegung, auch nicht auf den Dolch. Ich habe nachge wiesen, daß wir hier mit zwei gleichen Dolchen zu rechnen haben, ihre Zahl ist sicher Legion. Dagegen muß ich mich bei dem Punkt, daß Saarbrücken im Park gesehen worden sein soll, länger aufhalten. — Es ist dies der Fall. — Er weigert sich aber, hierüber einen näheren Aufschluß zu geben, da er in seiner ritterlichen Art den Namen einer Dame nicht bloßstellen will. Sie kennen mich, meine Herren Geschworenen, und ich glaube, mein Wort hat einiges Gewicht. Saarbrücken hat mir eine vollgültige Er klärung für den Grund seiner Anwesenheit an dieser Stelle gegeben, die mir seine Unschuld in klarem Lichte vor Augen führt. Wollen Si , meine Herren Geschworenen, auf dies Indizium Saarbrücken ver urteilen, weshalb denn nicht auch die Zeugin, die ihn gesehen hat? Sie befand sich ja auch im Park. Dort werden in der betreffenden Nacht wohl noch viele andere Personen gewesen sein, die somit alle verdächtig wären. Ich könnte auch den Herrn Amtsrichter Sterner fragen: Wo ward'n Sie den 7. Jlkli dieses Jahres um 12^ Uhr? Ich behaupte be stimmt, dgß Saarbrücken auf dieser Grundlage nicht verurteilt werden kann. !kr hatte kein Interesse am Tode des Lords. Im Gegenteil." (Fortsetzung folgt.) * « lAuf Wunsch wird der Anfang dieses Roman- ueu hinzutretende» Abonnenten kostenlos nachgeliefert.) LormtaAS Lsöttavt! 60^ .-ii 11j86tlä60t(6N H I I. und II. Ltsxv I I in allen k^dvn, in klüsed u. lack. I g^s» der Kgl. Uotbäckerei I k/»ul»ror I von LIkred Särrvinkel. krüker 30 27 22 18 1k 12 W jet,^ 1-17^14 iS 10 87751 LSSL. I krttder 10 8 6 4.50 3.25 I .jot/.t.-4 §2.', 5.25 4 50 3 2'» 2730 ,118 W L7. WWWWWIWW^^WMlWWMI klilsek n. Inek 4IV1V11 kttiiuru.b'oostcr rvivi Lur Messe «arSiairn dgepasot varOiNL »dgepasst Wiritzstüll, regul. kreis 18. VsrßoiallllKou v.Svlegeln.BIlvrrrahm., Kronleuchtern re. trder Uri >^U>»7 Lndrled L L rauer, Sternwarteustr. 8. Beraolderri u. Rahmenfabrik. Tel. 7780. s.rr« bis 8 50 Mevlkvire» in grosser . regulärer kreis Astor 70 svtrt 45 . regulärer kreis Aster 90 Lvtrt 60 . regulärer kreis Aeter 1.30, A.— das keastor 6.— dis 7.—, . das kenstsr 8.— dis 14.—, 1K.—, 12—, 7.-, LS, neuester ckugendstil unä lliedermeierdsssins, — kruk.16.—,12.—,9.50,7.25,3.75,L«t-t».S<>,8.-,«.7S,4.7S, naed Astern sowie abgopasst, gestickt, in allen karben, V big Ay Ikrvt»! sämtliebe einscdlägieen Artikel in dieser LLL5I L^LL, H8L^ILTLL^L^I4L^IL, Draneke werden in Attn-stl. 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