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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.09.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100902018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910090201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910090201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
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Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-02
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Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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Oberkommando über da» Poltzeikorps von Rio de Janeiro übertragen. Im Jahre 1906 berief ihn der damalige neuerwählte Präsident Dr. Alfonso Penna in» Kabinett, um ihm da» Portefeuille de» Kriegs ministerium» anzuoertrauen. Im Frühjahr 1909 legt« der Marschall da» Portefeuille de, Krieg»- Minister, nieder, «eil sein« politischen Freunde und Anhänger ihn al» Kandidaten für di, bevorstehende Präsidentenwahl aufstellten. Die vor mehreren Mo naten staltgefundene Wahl ist inzwischen vom brafi lianischen Senat bestätigt worden. Der Amt»antritt findet am 15. November in Rio de Janeiro statt. * * Di« -erbstparade in Berlin. Am Donnerstag vormittag hielt der Kaiser auf dem Tempel hofer »elde die Parade über das gesamte Gardekorp» ab. Die Parade kommandierte der General v. Löwenfeld. Das Wetter war be. deckt. Di« Ausstellung der Truppen ist wie immer in zwei Tressen erfolgt. Um 8-L Uhr traf der Kaiser im Automobil am Steuerhäuschen in der Uniform des 1. Garderegiments zu Fuß, mit dem Feldmar- schallstad, ein und stieg zu Pferde. Es hatten sich ein gefunden. die Kaiserin und Prinzessin Viktoria Luise <m offenen Sechsspänner und in einem zweiten gleichen Wagen die Kronprinzessin und Prinzessin Eitel Friedrich mit den beide» ältesten Söhnen des Kronprinzen, der Kronprinz und die übrigen kaiser lichen Prinzen, die bei ihren Regimentern einge treten waren. Der Kaiser ritt mit den Fürstlich keiten und der gesamten Suite die Fronten ab. Es folgte ein zweimaliger Vorbeimarsch. Beide Male führte der Kaiser das 1. Earderegiment der Kaiserin vor. Die Parade war um ILA Uhr beendet. Die Kaiserin kehrte mit der Prinzessin-Tochter im Wagen mit Eskorte nach dem Schuch zurück. Der Kaiser führte die Feldzeichen ebendahin. Während der Parade stiegen die beiden Söhne des Kronprinzen aus dem kronprinzlichen Wagen in den Wagen der Kaiserin, di« einen von ihnen auf den Schoß nahm, während Prinzessin Viktoria Luise das gleiche mit dem anderen tat. * Erkrankung de» Generalstabschef». Der Chef des Generalstabs v. Moltke ist erkrankt. Er wird eventuell bei den Kaisermanövern vom 6. bis 10. September vom Generaloberst von der Goltz ver treten. * Die Vertretung der fremden Staaten bei dem Kaifermanöver. Nutzer dem Marschall Hermes da Fonseca und einigen anderen auswärtigen Offizieren, die auf Einladung des Kaisers al» seine Gäste an dem Kaisermanöver teilnehmen werden, werden sich folgende fremde Offiziere als Militär attache» in Vertretung ihrer Staaten auf dem Manöoerfelde befinden: Oberst Minobu Onu wird Japan vertreten, Major Freiherr von Bienerth wird Oesterreich vertreten, Oberst Calderaer de Palazzlo nimmt als der Militärattache Italiens am Manöver teil. Oberstleutnant Ruffel vertritt Grotzbritannien, Generalmajor von Michelson ist der russische Militärattache, Hauptmann o. Schenfild vertritt Schweden, Hauptmann Samuel G. Shartle Amerika, Rittmeister Mirca Mehdi-Kahn Persien, Major Jean Rascanu Rumänien, Major Enver Bdq die Türkei, Major Gantchesf vertritt Bulgarien, Oberst Jos« Sanchis y Eillen Spanien und Oberstleut nant Pellö Frankreich. Don den amerikanischen Offizieren ist zuerst außer dem genannten Haupt mann Sbartl« der Oberstleutnant Don Severo Toranzo zu nennen, der im Auftrag« d«r Regierung von Argentinien an den Manöver« teilnimmt. Als Stellvertreter Brasiliens wird sich im Ge folge des Kaiser» der Oberstleutnant Iullien befinden und als der Militärattache von Chile ist der Oberstleutnant Iorje Barcelo zu nennen, der an den Manöver» teilnehmen wird. Es sind demgemäß fast alle europäischen Staaten und die größeren Re- vubliken Amerikas bei dem Kaisermanöver vertreten. Di- ->ahl >äi> 'licher M'lsccirattock-es, welche sich im Gefolge des Kaisers befinden werden, beträgt 16. * Aufklärung über industrielle Bedürfnisse im Heer«. Bekannrlich hat die Militärverwaltung es sich angelegen sein lassen, einen landwirtschaftlichen Unterricht im Heere emzuführen, welcher nach Zei tungsmeldungen besonder» den Erfolg hat, datz zahl reiche zur Entlastung kommende Mannschaften direkt Stellen als Landarbeiter suchen und dann andere wieder Unterkunft in landwirtschaftlichen Betrieben begehren. Hierbei wird besonders da« Angebot vom Lande bevorzugt, während die Nachfrage nach Ar beitsstellen in den Fabriken nicht in dem reichlichen Maße vorhanden sein soll, wie dies sonst der Fall war. Es ist nur zu begrüßen, daß durch diese Auf klärungsarbeit der Militärverwaltung di« Klagen der Landwirtschaft wegen der Leutenot eine Vermin derung zu erfahren scheinen. Im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung der Industrie, des Handel», des Handwerk« und der Landwirtschaft wünscht aber der Hansabund, daß die ersteren Erwerbszweige Lei dieser Aus klärung nicht zu kurz kommen. Es muß entschieden gefordert werden, daß die Mannschaften im Heere auch über die wirtschaftliche und nationale Bedeu tung der Erwerbskreise außer der Landwirt schaft informiert werden. Auf diesem Meße können ln den Volkvgliedern diejenigen Gegensätze »m Keime erstickt werden, welche durch die einseitige. Handel, Industrie und Handwerk bekämpfende Wirtschaft»- politik de» Bunde» der Landwirte der Entwickelung unseres nationalen und wirtschaftlichen Leben» zur zeit entgegenstehen. * Die Blockkandidatur im Reichstagswahlkreis« Sera, von der einige Blätter berichteten, ist noch nicht völlig gesichert. Nach einer Meldung des Generalsekretärs der Nationalliberalen Partei für Thüringen sollten sich die Nationalliberale Par tei, Fortschrittliche Volkspartei, der Hansabund, der Bund der Landwirte, die Mittelstandsvereinigung usw. auf die Kandidatur des jetzigen Vertreters im Reichstage, des Geh. Regierunqsrats Max Horn in Schleiz, geeinigt haben, der Mitglied der National liberalen Reichstagsfraktion ist. Von der Fort schrittlichen Dolkspartei wird hierzu er klärt, datz der Fortschrittliche Landesverein vorläufig seine Zustimmung zu einer gemeinschaftlichen Reichstagskandidatur nur unter gewissen Be dingungen in Aussicht gestellt habe, die bisher noch nicht erfüllt werden konnten. * Die Fortschrittliche Bolkspartei in Württem berg beginnt Zeitig mit der vorbereitenden Arbeit für die nächsten Reichstagswahlen. 2n Stutt gart wird die Propaganda eröffnet mit einer öffent lichen Versammlung, in der Abgeordneter Dr. Nau mann über die politische Lag« sprechen wird. Am Sonntag findet in Blaubeuren, iin Hauptorte eines der Zentrumswahlkreise, der Oberschwäbische Partei tag der Fortschrittlichen Volkspartei statt. Der Frei sinn hat in Württemberg 7 Reichstagsmandate zu verteidigen. * D»r Evangelische Bund und der Katholikentag. Der Ausschuß des Evangelischen Bundes Augsburg veröffentlicht eine Erwiderung auf die Schlußrede des Präsidenten des Katholikentages. Dieser, Ober landesgerichtsrat Marx-Düsseldorf, hatte u. a. gesagt: „Wir sind am Ende unserer Tagung angelangt. Das war die Augsburger Pracht im Sinne und Lichte der katholischen Weltanschauung, das war die „Confessio Augustana Tatholicorum" (Rasender Verfall), und wenn einer unserer Alt vorderen, die um das Jahr 1500 gelebt haben, bei un» anwesend gewesen wäre, so würde er gesagt haben: Das sind meine Elaubensbrüder, das srnd Ideen, die wir genau so bis zum letzten Atemzuge im Jahre des Heils 1500 ver treten haben. Daran hat sich nicht» geändert uu^wird sich nichts ändern. Noch in weiteren IWffJahren wird der Katholizismus genau dasselbe sein, was er heute ist. Ich will nicht untersuchen, welche Folgen sich daran geknüpft hätten, wenn auf dem Weltkongreß für freies Christentum in Berlin oder auf der General versammlung des Evangelischen Bundes Luther und Melanchthon erschienen und ein kleines Examinatorium angestellt hätten über die Frage: Wie dünkt euch um Christum? (Anhaltender Bei fall.) Eine ernste Mahnung an die Glaubens brüder evangelischen Glaubens möchte ich mit aller Liebe, aber auch mit allem strengen Ernst aus sprechen, die Mahnung, wer Augen hat zu sehen, der sehe." Hierauf entgegnet der Ausschuß des Evangelischen Bundes: „Wir wissen nicht, was dem Präsidenten eines Katholikentage» das Recht gibt, an Evange lische mit „allem strengen Ernst" Mahnungen zu richten und andere Tagungen und Organisationen Fragen beantworten zu lasten. Noch leben wir im Deutschen Reich nach deutschem und nicht kanonischem Recht. Aber eines können wir ihm sagen: Wenn man auf gegnerischer Seite, in der nach des Präsi denten eigenen Worten seit dem Jahre des Heils 1500 unveränderten l!) römischen Kirche, sich an der Hand des apostolischen Evangeliums die Frage nach Christi wahrem und echten Christentum beant worten wollte, so würde man heute noch eine Reformation der Kirche an Haupt und Gliedern erleben. An Ansätzen dazu — siehe Stckenberaers „Für die Priester die Freiheit der Kinder Gottes" — fehlt es ja ohnedies nicht/' „Nicht wir", so sagt der Ausschuß des Evangelischen Bundes weiter, ,/ind in diesem Fall die Angreifer, sondern die Angegriffenen", und daran knüpft er einen energischen Aufruf an die Evangelischen an allen Orten und allen Ständen zum Massenbeitritt zum Evangelischen Bunde, der sich die Aufgabe gesetzt: Wahrung der deutsch protestantischen Interessen, Abwehr ultramontaner Schmähungen und Uebergriffe. * Sin Eingriff in di« Selbstverwaltung. Al» ge horsames Vollzugsorgan der Zentrumspartei begnügt sich die bayrische Staatsregierung nicht mit der An kündigung, datz sw den Betrieb eines Kremato- riums in Nürnberg verbieten und erforder- lichcnfalls mit Polizeigewalt verhindern werde, sie will jetzt sogar die Erbauung der Feuer best ar tungsanlage untersagen. Durch die Regierung von Mittelfranken ist dem Stadt- Magistrat Nürnberg folgend« Eröffnung gemacht worden: Nach den dem Stadtmagistrat bereits mitge- tetlten Entschließungen des Ministeriums des Innern sei der Betrieb von Feuerbestattungs anlagen in Bayern nicht zulässig. Bei dieser Sach lage könne die Aufnahme eines Anlehens zur Bestreitung der Kosten der Erbauung einer städtischen Feuerbestattungsanlage bzw. die Ver wendung von Mitteln des 10-Milli o- nen-Anlehens für 1910 bis 1915 zu diesem Zwecke nicht genehmigt werden. Dieser Ukas, der dem Geiste des Selbstverwal- tungsrcchts der Gemeinden stracks widerspricht, ge langte in der Magistratssitzung am Dienstag zur Ver lesung. Der Magistrat beschloß, gegen diese Re- gierungsentschließung Beschwerde an das Mi ni st erium des Innern einzulegen und hierbei darauf hinzuweisen, datz selbst dann, wenn man sich auf den Standpunkt der angezogenen Ministerial entschließung stelle, nur gegen die sofortige Inbetrieb- setzung, nicht aber auch gegen die Erbauung etwas gefolgert werden könne. Der Minister des Innern habe selbst in der Kammer di« Reformbedürftigkeit des nach seiner Anschauung bestehenden Rechts zustandes eingeräumt und auf die bevorstehende Aenderung de» Polizeistrafgesetzbuches als di« Ge legenheit zur ausdrücklichen Anerkennung der Leichen- Verbrennung hingewiesen; die Stadtgemeinde habe aber ein Interesse daran, den Betrieb wenigstens so fort dann eröffnen zu können, wenn er auch nach An- sicht der Staatsregierung (nämlich nach entsprechen- der Umgestaltung des Polizeistrafgesetzbuches) zu lässig wird. Ferner soll gegen denselben Regierungs erlaß Beschwerde an den Verwaltungs gert chtshof wegen Verletzung de« gemeindlichen Selbstverwaltungsrechtes gerichtet werden. * Anfrage an den Bund der Landwirte. Der Hansabund stellt an den Bund der Landwirte die An frage, ob folgendes in der Presse veröffentlichte Schreiben der „Vereinigten Landwirte von Frank furt a M. und Umgegend" über die Verteuerung der Milch tatsächlich existiert oder nicht. Das Schreiben hat nach Zeitungsangaben folgenden Wortlaut: „Die Knappheit der Milch hält an. Die Milch händler suchen fortwährend Milch. Wir legen Ihnen im eigenen Interesse und in dem der Ge samtheit (!) nahe, Ihren Abnehmern einen höhe ren Preis, und zwar siebzehn Pfennige frei Frank furt, abzuverlangen und bitten Sie, Ihrerseit» nickt dazu beizutragen, daß der Milchmarkt für uns verschlechtert wird, indem Sie weitere Milchkühe einstellen. Wir müßen unbedingt zu vermeiden suchen, daß größere Mengen Milch nach Frank furt a. M. kommen! Wir bitten Sie, dieses Schrei ben vertraulich zu behandeln." Auf die Antwort der Agrarier kann man ge spannt sein. * Di« Vermittelungsversuche im Werftarbeiter streik sind gescheitert, da die Arbeiter die Be dingungen der Werftbesitzer ablehnten. * Demonstrierend« Werftarbeiter in Bremen. Ueber 2000 streikende Werftarbeiter versammelten sich heute auf dem Spielplatz an der Nordstraße und veranstalteten einen Demonstrationsumzua durch die Stadt nach dem Bürgerpark. Die Polizei schritt nicht ein, obgleich der Umzug nicht an gemeldet war. * Sozialdemokratischer Terrorismu». Aus den Kreisen der deutschen Gewerkvereine wird von einem Ueberfall auf einen liberalen Arbeiter in Hamburg berichtet: Als der Dertrauensmann der Hirsch- Dunckerschen Gewerkvereine im Betrieb von Etern- way vt Sona in Hamburg, Oehlke, am 29. August früh zur Arbeit gehen wollte wurde er von drei ge dungenen Individuen überfallen und mit einem sogenannten Totschläger arg zugerichtet. Zur Aufk ärung fügen wir hinzu, daß ein erheblicher Teil der ozialdemokratischen Holzarbeiter dieses Betrie bes n den Streik eingetreten ist, um die Firma zu zwingen, keine Hirfck-Dunckerschen Holzarbeiter an zustellen. Oehlke hatte als liberaler Arbeiter «ine bürgerliche Kandidatur zur letzten Bürgerschastswahl angenommen und sich dadurch den tödlichen Haß der sozialdemokratisch organisierten Holzarbeiter zuge zogen, die ihn und die anderen Eewerkvereinler aus dem Betrieb entfernen wollten. Die Firma, die ver- ständigerweise diesen Fanatikern nicht zu Willen war und der deshalb der Streik erklärt wurde, besetzte die durch den Streik freigewordenen Plätze mit Ge- werkvereinlern. * Der Gouver«rme»t»postea in Dog». In kolo- nialen Kreisen ist aufgefallen, daß anläßlich der Er nennung de» Gouverneurs Dr. Seitz zum Gouverneur von Südwestafrika und des Regirrungsrat» Dr. Gleim zum Gouverneur von Kamerun nicht auch der Gouver- nementoposten in Togo neu besetzr wurde. Wie die Inf." erfährt, dürfte die» darauf zurückzuführen sein, daß Eraatssekretär o. Lindequist immer noch hofft, daß der Gouverneur Graf Zech für eine weitere Amtsperiode der Kolonie al» Gouverneur erhalten bleibt. Graf Zech befindet sich au, Gesundheit»rück- sichten aus Heimaturlaub und wollte deshalb nicht wieder in die Kolonie zurückkehren. Aus der Mög lichkeit, daß der verdiente Gouverneur doch wieder seinen Posten einnehmen könnte, kann wohl ge schloffen werden, daß es ihm gesundheitlich besser geht Suslauü. Veverretch-Ungsrn. * San Giuliano bei Kaiser Franz Josef. Aus Ischl wird telegraphiert: Der Kaiser empfing Donnerstag, vormittag *H10 Uhr, den Grafen Aehrenthal in längerer Audienz. Um U11 Uhr begab sich Marquis San Giuliano nach der Villa des Kaiser», wo er vom Kaiser empfangen wurde. Di« Audienz dauerte über eine halbe Stunde. Der Kaiser verlieh dem Minister da» Großkreuz des Leopoldordens. — Ueber die Entrevue de» italieni schen Ministers des Aeußern mit dem Kaiser und Aehrenthal verbreitet da» k. k. Wiener Telegr.-Korr.- Bureau folgendes Tommuniqu«: „Die Reise, die Marchese di San Giuliano nach Jnschl unternommen hat, um sich Kaiser Franz Josef vorzustellen sowie die Begegnung des italienischen Ministers des Aus wärtigen mit de» Grafen Aehrenthal, die vorher in Salzburg ftattgefunden hat, sind neue Bande für die freundschaftlichen, vertrauensvollen Beziehungen zwischen Italien und Oesterreich- Ungarn. Die Entrevue der beiden Staatsmänner gab ihnen die Möglichkeit, einen den Allianceverhält- ntffen entsprechenden intimen Gedankenaus tausch über die allgemeine Lage in Europa wie auch speziell- über die Verhältnisse im nahen Osten zu pflegen. In der Beurteilung dieser Fragen ergab sich eine erfreulich« Ueberein st im mun» der Ansichten der Vertreter der beiden Ka binette, die vor allem auf die Aufrechterhaltung des Friedens und des Statusquo gerichtet sind. Ins besondere erhoffen st« von dem neuen Regime in der Türkei die Konsolidierung dieser letzteren und wer den auch weiterhin das Gedeihen der Balkan staaten mit ihren Sympathien begleiten." — Das Communiouä ist im Gegensatz zu den bei den verschiedenen Ministerzusammenkünftrn der letzten Zeit veröffentlichten derartigen Kundgebungen recht knavp gehalten. Es begnügt sich im wesentlichen nnc einigen verbindlichen, allgemein gehaltenen Wen dungen, ohne auf einzelne Punkte, wie die Errichtung einer italienischen Rechtsfakultät, die militärischen Grenzfragen usw., näher einzugehen, mit Ausnahme einer für Oesterreich allerdings besonder» ins Ge wicht fallenden Frage: der Lage auf dem Balkan, in der di« volle llebereinstimmuna der Ansichten der beiden Minister hervorgeboben wird. Etwas eigen artig berühren muß di« Tatsache, daß in dem Communique» des Dreibundes mit keiner Silbe Erwähnung getan ist. Um so erfreulicher wirkt dafür wenigstens die Bezeichnung der Beziehungen beider Staaten als „freundschaftlich und vertrauensvoll", was bei der nicht abzuleugnenden gegenseitigen ge wißen Abneigung der beiden Völker besonders her vorgehoben sein soll. velglen. * Deutsche Reichstagsabgeordnete beim deutschen Geschäftsträger. Der deutsche Geschäft»träger Kräcker von Schwartzenfeldt veranstaltete am Mittwochabend zu Ehren der zur interparlamen tarischen Konferenz anwesenden Reichstagsabge ordneten ein Diner, an dem auch Vertreter der deutschen Presse teilnahmen. vsnemsrlr. * Versuchte Mystifikation des Sozialiftenkongresses. Aus Kopenhagen wird gemeldet: Der Sozialisten kongreß hat eine mit Briand unterzeichnete Depesche erhalten. Der Unterzeichner erklärte, er hab« seine politische Meinung nicht geändert und sei nach wie vor der Ansicht, daß die Zukunft der Sozialdemokratie Kiedrich der Große über üas Theater. Der Philosoph von Sanssouci, der so gefühlvoll oie Flöte blies und mit Voltaire geistreiche Briefe und Reden wechselte, der rauhe, raschentschlossene Kriegsheld Friedrich II. dachte, wie wir aus seiner Schrift über die deutsche Literatur wissen, gering vom deutschen Theater und den Schauspielern. Das waren Dinge und Menschen, die höchstens etwas in seinen Augen galten, wenn man ihm — französisch damit kam. Diese Vorliebe halte er schon in frühester Jugend, zur großen Entrüstung seines barschen, ein fachen Vaters, der in jenem bekannten Zorneebrief vom August 1731 an seinen Sohn schreibt: „Ich glaub«, wenn ich Dich ja wieder zum Sol daten mache, Laß es Dir doch nicht von Herzen gehen werde. Aber wa» gilt es, wenn ich Dir recht Dein Herz kitzelte, wenn ich au» Paris «inen wait^v 6s liuts mit etlichen zwölf Pfeifen und Musikbüchern, i»gleichen eine ganze Bande Komödianten und ein großes Orchester kommen ließe, wenn ich lauter Fran zosen und Französinnen, auch ein paar Dutzend Tanz, meister nebst einem Dutzend pstitv-ruattr« ver schriebe und ein große» Theater bauen ließ«, so würde Dir dieses gewiß bester gefallen als eine Com pagnie Grenadiers, denn di« Grenadier» sind doch, nach Deiner Meinung, nur Canaille», aber ein nLtit-rriaflre, ein Franzü»ch«n, ein doa vavt, ein Mufiquechen und Komödiantchen, da» scheint etwas Noblere», da» ist etwas Königlichere», das ist cfisvv ct'un vrinoe." Komödie spielte man in Rheinsberg an de» Kron- Prinzen Hofe recht fleißig, und fröhlich schrieb Fried rich nach der Aussöhnung mit dem Vater seiner Schwester nach Bayreuth: „Wir belustigen UN» mit Nichtigkeiten und bekümmern un« gar nicht um die Dina« de« Leben», die es unangenehm machen und die Verdruß in unsere Vergnügungen bringen. Wir spielen Tragödie und Komödie." Bei aller Freude an der französischen Komödie hatte der König für die „Komödianten" fast nur ab- fällig« Urteile übrig Sie bedeuteten ihm «in charakterlos«», moralisch minderwertige» Volk. So schrieb « einmal in einem zornige« Vries, entrüstet über einen Gelehrtenstreit an den Akademiepräsidenten Maupertius, mit dem er oft vertraute Briefe wechselte: „Der größte Teil der Gelehrten gleicht den Schau spielern, die mit schönen Empfindungen prunken, wenn sie auf dem Theater Helden und Heldinnen dar stellen, zu Hause aber niedrige Klatschereien machen und sich untereinander verunglimpfen." Gegen seinen Geheimkämmerer Fredersdorf äußerte sich Friedrich unwillig und verdrossen über eine aufsäs igc Schau spielerin: „Man saget in Berlin, die Ä trua wäre wieder rappelköpprsch, sie hat aber ihren Accord, und den muß sie einmal halten. Die Opernleute sind solche Canaillenbagage, daß ich sie tausendmal müde bin." Dabei hatte der König allezeit, selbst mitten in seinen vielfachen Kricgswirren für das Theater da» größte Interesse. Wir besitzen einen langen Bericht des Leipziger Professors und Dramaturgen Gottsched an den Königsberger Professor Flott well, worin er von einer vielstündigen Unterredung über das Theater und französische Komödienüber setzungen mit Friedrich dem Zweiten berichtet. Und das geschah im Oktober 1757 in Le io zig, also mitten im Siebenjährigen Kriege. In seinen zwei Bänden „Denkwürdigkeiten aus dem Le ben Friedrichs des Großen", bei Fr. W. Grunowin Leipzig, hat der um die friderizranische Forschung und Literatur verdienstvolle Magdeburger Staatsarchivar Geheimrat Georg Winter, dessen reiches Material diesen Ausführungen zugrunde ge- legt ist, jenen langen, wenig bekannten Bericht mit ausgenommen. Im Briefwechsel mit Voltaire zeigte Friedrich oft seine liebevoll gepflegte Kenntiri» des Drama» und der Technik de» Dramatischen. Da lesen wir auch einmal, wie sehr ihm ein großer Schauspieler im ponierte und wa» er von tüchtigen Schauspielern verlangt«. Jude» er war ein Franzose, L« Kain, und Voltaire hatte ihn ausgebildet. Friedrich schreibt: „Er ist ein ausgezeichneter Schaufpt^er, sein Organ ist gut, er benimmt sich mit Würde, hat edle Bewegungen, und unmöglich kann jemand aus das Mienenspiel aufmerksamer sein als er. Aber soll ich Ihne« ganz offenherzig sagen, welchen Eindruck er »auf mich gemacht hat? Ich wünschte, er übertrieb« etwas weniger, dann würde er, dünkt mich, voll kommener fein. Im vorigen Jahre habe ich Aufresne gesehen. Vielleicht braucht dieser etwas oop dem Feuer, das der ander« in zu reichem Maße hat. Ich sehe bei diesem Urteil auf die Natur und nicht auf das, was vielleicht in Frankreich gebräuchlich sein mag, indes habe ick mich weder im „Oepidus" noch in oer „Zaire" der Tränen enthalten können. Zn dem letzteren Stücke sind so rührende Stellen, daß man erweicht werden muß, und in dem ersteren so schreckliche, daß inan schaudert." In diesem Briese vom Juli 1775 findet sich auch jene Stelle, die man nicht übersehen sollte, wenn man Friedrich den Großen über den Geschmack der Deutschen in der Kunst sprechen läßt, und die da schließt: „Ich werde die schonen Tage meines Vaterlandes nicht erleben, indes sehe ich voraus, daß sie möglich sind." Daß Friedrich über den französischen Komödien feine deutschen Schauspieler vernachlässigt hätte, sollte man nicht behaupten. Im Gegenteil, er war ihnen ein gar gestrenger Herr, und die Künstler der Berliner Hofbühne mußten seinen Worten parieren wi« seine Grenadiere, sonst fuhr er mit einem Donnerwetter darein. Vorbildlich ist ein Brief von ihm an den Direktor der Königlichen Schauspiele in Berlin, den Kammerherrn von Arnim: „Bester, besonders lieber Getreuer. Ich werde aus Eurer Vorstellung vom 4. dieses gewahr, daß Ihr sehr sanftmütig und ein großer Freund serd von der Mara (Gertrud Elisabeth Schmäling) und ihrem Mann (ein liederlicher, zanksüchtiger Spieler), weil Ihr Euch derselben so sehr annehmet und vor sie dos Wort führet. Ich muß Euch aber nur sagen, daß Eure Sanftmut hier schlecht angebracht ist, und daß Ihr weit klüger handeln werdet, wenn Ihr dasfeing« tut. wa» Ich Euch befehle und Euch angewöhnt zu ranonnieren, denn da» lieb« ick durchaus nicht, und müffel Ihr Euch dergleichen nicht in den Sinn kom- men lasten. Die Mara soll di« Arien singen, wie Ich es verlange, und nicht widerspenstig sern, wo sie nickt will, daß es ihr ebenso wie ihrem Mann ergehen soll. Und er soll sitzen bi« auf weitere Ordre. Danach kann sie sich nur richten. Ihr hingegen müstet Euch nicht einbilden, daß Ihr Mein geheimer Rat seid. Dazu habe Ich Euch nicht angenommen, sondern Ihr habt Euch bester zu befleißigen. Meinen Ordre« Por tion zu leisten, wenn Ihr wollet, daß Ich ferner sei Euer gnädiger König. Wie mit seinen Schauspielern ging Friedrich auch mit der dramatischen Literatur streng ins Gericht. An seinem Lebensabend schrieb er die bekannte Schrift ,^ve la Litterature Allemande" und darin den Satz: ^Ich spreche nicht von dem deutschen Theater. Der Melpomene wurde nur von mürrischen Liebhabern der Hof gemacht, von denen di« einen sich auf Stelzen rn die Höhe winden, die andern im Schmutze Herum kriechen, alle aber entgegen den Gesetzen der Tragödie weder zu interessieren noch zu rühren verstehen und deswegen von ihren Altären verdrängt worden sind. ... Ich klage deswegen nicht die Nation an. es fehlt ihr weder an Geist noch an Begabung. Aber sie ist durch Ursachen zurückgehalten worden, die sie verhindert haben, sich gleichzeitig mit den Nachbarn zur Höhe zu erheben. " Hier findet sich auch jen« berühmt« Stelle, die Friedrich den Großen das Stürmen und Drängen einer neuen, großen, einer klastischen Zett des deut schen Theaters völlig verkennend zeigt, ick meine die abfälligen Worte über Shakespeare und über Goethes „Götz". Er nennt diese Stücke „würdig der Wilden non Kanada, weil sie gegen alle Regeln des Theater verstoßen. Diese Regeln sind nicht willkürlich. Sie finden sie in der Poetik des Aristoteles, wo die Ein beit des Orts, der Zeit und des Interesses als ein zige Mittel, Trauerspiele interessant zu machen, vor geschrieben werden. . . ." Friedrich schließt jene Philippika: „Cs bedarf nur eines Prometheus der himmlisches Feuer stiehlt, um sie zu ermutigen." Dieser Prometheus mar den Deutschen damals schon geboren. Friedrich Schiller. Zehn Jahre später war der himmlische Funke entfacht. Er ist nach hundert Jahren noch nickt verlodert. Möchte er nie verlöschen! I'auIZobaumbur^. * D« Stuttgarter -ostheater hat von der neuen Spielzeit an sein« sämtlichen Preis« um 10 Prozent erhöht, da die Hofdomänenkammer kein anderes Mittel weiß, um da« große Defizit de, Hof- theater» einigermaßen zu decken. « Pr»f«st»r E. G. Schilling», der bekannte Ver- faster von „Mit Blitzlicht und Büchse" tritt, wie man uns mitteilt, in Bälde eine neue Forschungs reise an, die ihn nach Indien führen wird. Der Forscher d«r neuerding» von Theodor Roosevelt, der ihm auq für die demnächst erscheinende Volk»-
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