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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.09.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100901015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910090101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910090101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-01
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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Mr Aaser»» au« reivug und Umaedam, d» ««espaltene 10 mm breite Petit,««« 4> di* 7« mm breit« Aeklumezeii« i da« ausmLrt« 00 LicUain«« 1.Ä) Iiserate van Bebdrben >m amüichen Le,i di« 7« mm breit« Petiyeile 40 S«rchLtt«an^,en mir P a,vor,chri»tr« «ab «der «drvdautaad« >n> Preis« rrdüdi. Aabati nach Laut. Peilaaezebübr 0 ». Lautend exN. Postgebühr. F«st«rteiltr tluftrSge kbnnen mchr ,urü<t. »VS«' werden. ,>ür da« Erscheinen an d«st>mmt«n Lagen und Plätzen wird lein, Garanti« üdrrnammen. "s^) X I»»t,en.«naal,me, Nngusto-vla, 8, >-./ i d«i sämtlichen Filiale« u. allen Annonce«. _) I s Gamditionen de« In- nnd «utlanüe«. ^tO »aupt. Filiale verltn: Tart D u ncfer, Henogl. Vayr. Hosduis^ iandlung, Lützowftiabe 10. tLeievhon VI. Ar. 4000).. - 0 Vauvt-Silial« Drr«dem Srestratze 4,1 (Telephon 4tM> Das Dichttglte. * Der Kaiser konferierte am Dienstag mit dem Reichskanzler in anderthalb stündiger Audienz. * Die Gründung einer Kaiserlich-Wissen schaftlichen Gesellschaft unter dem Pro tektorat des Kaisers hat bereits ziemlich feste Formen angenommen. (S. Feuill.) * Der Bund deutscher Viehhändler hat sich gegen die Grenzöffnung für Fleischeinfuhr ausgesprochen. (S. Dtschs R.) * Nach amtlicher Mitteilung bestätigt sich bei sämtlichen im Landespolizeibezirk Berlin ge meldeten Krankheitsfällen der Choleraverdacht nicht. (S. Letzte Dep.) * Jin norwegischen Baugewerbe wurde seitens der Unternehmer eine allgemeine Aus sperr ung beschlossen. (S. Ausl.) Seüanl Ein Stück Weltgeschichte und Weltgericht liegt in diesem einen Worte, und deshalb ragen aus der glorreichen Zeit vor vierzig Jahren die Tage vom 1. und 2. September weit hervor, sie stehen in der Erinnerung unseres Volkes mit in vorderster Reihe. Ungemein heftig waren in den letzten Augusttagen 1870 die Kämpfe im Norden Frankreichs gewesen, wo Bazaine die verzweifeltsten Anstrengungen machte, den Gürtel, den die deutschen Truppen um Metz gezogen hatten, zu durchbrechen, und wo Mac Mahon, dessen Stützpunkt die kleine Maasfestung Sedan war, sich bemühte, Metz zu entsetzen. Alles das vereitelten die deutschen Truppen. Schon am 29. August sah sich die Armee Mac Mahons von den beiden Armeen des preußischen und des sächsischen Kronprinzen in weitem Halbkreise umfaßt und von Paris abgeschnitten, ohne in der Lage zu sein, den Umgehungsmarsch nach Metz fort setzen zu können. Nachdem am 30. August in der blutigen Schlacht bei Beaumont Mac Mahon geschlagen und über die Maas nach Sedan gedrängt worden war, hatten sich schon tags darauf die deutschen Truppen oberhalb und unterhalb dieser Festung des Uebergangs über den Fluß versichert. Die belgische Grenze in geringer Entfernung hinter sich und außer stande, nach links oder rechts auszuweichen, blieb der französischen Armee nur der Ueber- tritt nach Belgien oder die von vornherein einen ungünstigen Ausgang versprechende Schlacht. Mac Mahon wählte den letzteren Aus weg, und am 1. September um' -8 Uhr morgens begann der Kampf, der mit der Niederlage der Franzosen, mit deren Zurückdrängung nach Se dan und schließlich mit der Kapitulation endete. Auf deutscher Seite hatte man keine genaue Kenntnis davon, daß Napoleon selbst sich bei der Armee Mac Mahons und in Sedan befand. Um so größer war deshalb die Ueberraschung, als nicht nur am 2. September die Kapitulation der ganzen französischen Armee erfolgte, sondern auch Kaiser Napoleon sich dem König Wil helm ergab. Auf der Höhe von Fresnoy, wo der König seinen Standpunkt hatte, spielte sich der weltgeschichtliche Vorgang ab, daß der Fran zosenkaiser durch General Reille seine Unter werfung anbieten ließ. Alle bei diesem Ereig nisse anwesenden Deutschen waren stark bewegt, Freudentränen glänzten in jedem Auge, das Händeschütteln und Jubeln wollte kein Ende nehmen. Und als sich die Kunde bis zu den Biwaks der Truppen verbreitete, da erhob sich ein Sturm der Begeisterung, endlose Hurras ertönten und „Herr Gott, Dich preisen wir!" erklang es im vielstimmigen Thor, von der Musik begleitet, über das weite Schlachtfeld. „Welch eine Wendung durch Gottes Führung!" so schloß König Wilhelm das Telegramm, in dem er der Königin Augusta das große Er, eignis mitteilte. „Der französische Kaiser mit seiner Armee gefangen!" Diese Kunde trug der Telegraph am 2. September — es war ein Freitag, wie in diesem Jahre — in die Welt. Wer den Eindruck dieser Nachricht nicht mit erlebt hat, vermag sich keine Vorstellung davon zu machen. Glatzhte man doch zuerst allgemein, der Krieg sei nun zu Ende und der Friedensschluß werde bald folgen. Aber diese Hoffnung sollt« nicht in Erfüllung gehen, und wir find überzeugt, es war gut so. Denn wäre damals der Friede geschlossen worden, so wären Europa keine vierzig Jahre der Ruhe beschieden gewesen, Frankreich hätte längst schon Revanche gesucht, ob es dann auch wieder niedergeworfen wäre. So hart es den deutschen Müttern zwar ankam, ihre Söhne noch weiter im Feindeslands zu lasten, es mußte sein, denn noch war der Feind nicht vernichtet, und er wollte ja auch keinen Frieden — der Kaiser hatte sich wohl ergeben, aber nun führte das französische Volk den Krieg weiter. Fand also der Feldzug bei Sedan auch nicht seinen Abschluß, so wird hierdurch die Bedeutung des 1. und 2. September keines wegs beeinträchtigt. Abgesehen von der Nieder werfung einer Armee und der Eroberung vielen Kriegsmaterials lag der Hauptwert in dem moralischen Eindruck der Gefangennahme Na poleons. Binnen wenigen Stunden hatte sich das Schicksal des Franzosenkaisers vollzogen. Vom Glück verlosten, zog der einst so stolze Machthaber in die Gefangenschaft, und sein Adler, der so kühn und mächtig die Schwingen gebreitet hatte, sank in den Staub. Napoleon mußte aus dem Lande ziehen, das er zwei Jahrzehnte regiert hatte, und vernichtend wirkte es jedenfalls auf ihn, daß man ihn ohne Bedauern scheiden sah. Vierzig Jahre find seitdem verflossen. Die Generation, welche bei Sedan focht oder in der Heimat jubelnd die Kunde von den gewaltigen Ereignissen vernahm, ist ergraut, und viele haben schon der Erde den Tribut gezollt, aber in den Herzen des deutschen Volkes wird von Geschlecht zu Geschlecht die Erinnerung an die Großtaten seiner Väter erhalten bleiben, und insbesondere der Name „Sedan" wird als Ruhmesblatt in unserer Geschichte fortleben bis zu den fernsten Zeiten. Unerfreuliches sus Süükamermt. Ueber die Unruhen in Südkamerun hat man seit vierzehn Tagen amtlich nichts wieder gehört, obwohl man doch, wenigstens in Kolonialrreisen, recht gespannt ist, ob der Maka-Aufstand wertere Kreise gezogen hat oder nicht. Die Kolonialverwaltung schweigt sich aus, und nur durch Privatpersonen gelangen allmählich einige Nachrichten an die Oesfentuchkeit, die nicht ge rade erbaulich sind und ein wenig erfreuliches Licht auf dre politischen Zustände in Süd kamerun werfen. Einer der Hauptbeteiligten soll sich über die Unruhen sehr pessimistisch aus gesprochen haben. Es wird stark befürchtet, daß der Aufstand der Makas auf die benachbarten Stämme übergreift oder mittlerweile schon Lbergegriffen hat. Diese Furcht ist um so mehr begründet, da der mit den Makas verwandte Stamm, der vor 1'/» Jahren sich die Ermordung eines durch marschierenden Offiziers zuschulden kommen ließ, leider, wie neulich erwähnt, nicht ausreichend oder gar nicht bestraft worden ist und infolgedessen nur geringen Respekt vor uns haben dürfte. Man spricht davon, daß der bekannte alte Kameruner, Major Dominik, der wie kaum einer die in Frage kommenden Verhältnisse und Menschen kennt, damals eine umfastende Aktion gegen jene Stämme für nötig hielt, aber aus Betreiben des Stations chefs von Dume, eines noch jungen Offiziers, dem ein Eingreifen Dominiks in seinem Bezirk nicht behagte, mit seiner wohlbegründeten An sicht nicht durchzudringen vermochte. Das rächt sich jetzt. Nach der Meinung guter Landes kenner besteht rm Falle einer Ausbreitung des Aufstandes die Gefahr, daß sogar die Jaundes unzuverlässig werden, aus welchen sich vorzugsweise die Schutztruppe rekrutiert. In diesem Falle könnte auf Monate die ganze gegenwärtige Aktion gegen die rebellierenden Makas lahmgelegt werden. Die Schutztruppe besteht zwar zum Teil auch aus Haustas, deren Heimat in der Hauptsache weit im Norden der Kolonie liegt und die einer ganz anderen Raste als die Stämme des Südens «»gehören. Nur dieser Haussas könnte man im Ernstfälle ganz sicher sein. Es fragt sich nur, ob sie gegenwärtig zahlreich genug in der Truppe vertreten find, um gegen die Jaundes mit Er folg ausaespielt werden zu können. Der einzige Führer drüben, der seine Truppe in der Hand hat und sich unter normalen Ver hältnissen einigermaßen auf ste verlosten kann, ist Domi-nik. Aber wenn der Jaundestamm schwierig «erden sollte, so kann er seinen Leuten natürlich auch nicht mehr recht trauen. Was er in langen Jahren gutaemacht hat, ist offen« bar durch die Ungeschicklichkeit jüngerer Offiziere und Beamten wieder verdorben worden. All« «mein hört man, daß auf verschiedenen Eta- Konen im Innern die Disziplin der Truppe sehr mangelhaft ist, daß Ausschrei tungen gegen die Eingeborenen nur zu häufig vorkommen, aber daß die Offiziere , sich nicht recht getrauen, gegen ihre Leute Energisch einzuschreiten wo es nottut, weil sie Meutereien fürchten. Besonders soll dies für die Dumestation gelten. Wir haben in den letzten zwei Jahren leider schon mancherlei Fälle dieser Art festnageln müssen. Daß es bester geworden wäre, hat man aber nicht gehört. Im Gegenteil, gerade im Dumebezirk ist unlängst ein Fall vor gekommen, der vielleicht mit die Ursache der neuesten Unruhen ist. Ern deut cher Kauf mann lagerte eines Tages in Abong-Mbang am oberen Njong, der letzten Station vor Duin^ Da er plötzlich Schüsse fallen horte sah er sich in der Umgebung des Dorfes um. Da ,and er denn eine soeben erschossene schwarze Frau und ein Kind mit eingeschlagenem Schädel und da neben einen schwarzen Soldaten, der an seinem Gewehr hantierte. Zur Rede gestellt, entschul digte sich der Soldat durch die faule Ausrede, d,e Frau sei ihm verdächtig vorgekommen. Der Kaufmann sandte sofort einen Boten nach der Station mit einer Meldung über den Vorfall. Darauf erschienen nach einiger Zeit der zuständige Stationschef und der richterliche Beamte, ein Assessor — Namen wollen wir vor läufig nicht nennen — an der Mordstätte. Das erste war, daß der Stationschef den Kaufmann anherrschte, wie er den Soldaten beschuldigen könne, er könne ja gar nicht beweisen, daß dieser der Täter sei, überhaupt gehe ihn die Sache gar nichts an, er solle sich gefälligst um seine Angelegenheiten bekümmern, nicht um die der Station. Der Kaufmann erwiderte kühl, der Herr Stationschef möge doch zuerst den beschul digten Soldaten ^r^rn der daneben stand, aber die deutsch geführte Kontroverse nicht verstanden hatte. Dieser gab nun ohne weiteres zu, daß er der Täter sei, was den Beamten ernstlich unangenehm gewesen sein soll. Die Bestrafung scheint nicht weit her gewesen zu sein, denn der betreffende Kaufmann erhielt hinterher nur die kurze schriftliche Mitteilung, der Sol dat sei nach den Bestimmungen bestraft worden. Man scheint hiernach im Dumebezirk wirk lich merkwürdige Anschauungen über Disziplin zu haben. Damit stimmt auch die Tatsache zusammen, daß ein schwarzer Feldwebel, der bis dahin der Vertrauensmann des Chefs von Dume gewesen war, wegen Sklavenhandels und andrer unter Mißbrauch seiner Amtsgewalt Jahre hindurch verübter Vergehen mit zehn Jahren Kettenhaft bestraft werden mußte, und zwar durch einen andern ältern Offizier. In einem eigenartigen Gegensatz zu der Nachsicht, die man vielfach gegen die schwarzen Soldaten übt, steht das schneidige Auftreten gegen deutsche Kaufleute. Als der gegenwärtige Aufstand losbrach, ließ der oben erwähnte Assessor als stellvertretender Stationschef im Bezirk Lomie, südlich von Dume, allen weißen Kaufleuten die Gewehre wegnehmen, mit der höchst amüsanten Begründung, es solle verhütet werden, daß sie den Makas in die Hände fallen. Daß die Makas mit modernen Gewehren gar nicht umzugehen wissen, fiel dem Herrn offen bar nicht ein. Wenn die wehrlosen Weißen abgeschlachtet worden wären, das hätte weiter nichts geschadet! Auf die Beschwerde der Be troffenen verfügte Hauptmann Marschner, daß die Gewehre wieder zurückzugeben seien. Aus all diesen Fällen spricht eine Plan losigkeit in der Behandlung der Europäer und Eingeborenen, die alle Teile nervös machen muß. Und das Schlimme ist, daß solch ein Stationschef im tiefen Innern eine Macht hat, gegen die von den nicht beamteten Weißen, auch wenn sie noch so alterfahrene Afrikaner sind, nicht anzu kämpfen ist. Denn bis eine Beschwerde den Gouverneur in Buna erreicht, läuft viel Wasser den Njong hinab, und es können in der Zwischenzeit schlimme Dinge passieren. Es ist natürlich nicht immer möglich, älteren Offizieren die entlegensten Stationen zu über tragen; deshalb sollte die Kolonialverwaltung überlegen, ob es nicht ratsam wäre, immer einem älteren Stationschef, wie z. B. Major Dominik in Südkamerun, die dis kretionäre Oberaufsicht über einige be nachbarte Bezirke zu übertragen, damit in schwierigen Fallen jüngeren übereifrigen oder minder geistesgegenwärtigen Beamten und Offizieren rechtzeitig in den Arm gefallen werden kann. Außerdem wäre im Hinblick auf die Unzuverlässigkeit der Jaundesoldaten zu erwägen, ob man nicht lieber im Süden die Truppe aus Haussas rekrutiert oder doch zwei Züge aus Haussas, einen aus Jaun be reuten. Denn jede Unsicherheit wegen der Zuverlässigkeit der Truppe wirft naturgemäß "uf die jüngeren Offizier« beunruhigend ein und laßt sie nicht recht dazu kommen, sich das Zutrauen der Eingeborenen zu erwerben. Wenn sie ihre Soldaten nicht fest an die Kan dare nehmen können, so werden diese sich fort und fort Ausschreitungen erlauben und die Folge find dann natürlich Aufstände, die man den Eingeborenen gerechterweise nicht einmal allp» übel nehmen darf? Guscklsldereien. Man schreibt uns: Bon vornherein ist der Entwurf der verbündeten Regierungen zur Errichtung von Arbeiterkam mern mit geringer Begeisterung ausgenommen wor den. Die Organisationen der Unternehmer und der Arbeiter erklärten ziemlich einmütig, ein solches Werk hätte die Anstrengungen, Drucklegung und Begrün dung kaum gelohnt; sie nähmen an dem Zustande kommen der Vorlage ein sehr geringes Interesse. Der Entwurf ruht offensichtlich auf schiefer Grund lage, indem er nach seiner Anlage im Widerspruch mit allen bisherigen Interessenvertretungen wie Handels-, Landwirtschafts-, Handwerkskammern sicht. Alle diese Organisationen sind reine und bewußt ein seitige Interessenvertretungen, um den Willen der hinter ihnen stehenden Berussgruppen klar zum Aus druck zu bringen. Die Arbeitskammern nach dem vorliegenden Schema soll ein Harmonieerzeugnis, eine Verschmelzung verschiedener Interessenstand punkte abgeben. Das bedeutet, daß sie als Inter essenvertretung nicht Fisch und nicht Fleisch ist und daher erklärt es sich, daß die Öffentlichkeit diesem Schreibtisch- und Fraktionszimmerprodukt — das Zentrum hielt es für konstruiert — gleichgültig oder feindselig gegenübersteht. Erne eigentliche Opposition fehlte zwar bisher in der öffentlichen Meinung und in den Parteien, weil man rm großen und ganzen der Ansicht war, daß die Sache zwar überflüssig, aber auch unschädlich jein würde. Jetzt hat sich jedoch eine gewiße Gegnerschaft und dementsprechend eine Erhitzung der Debatte bei der Frage der Wählbarkeit der Arbeitersekretäre zu den Kammern ergeben. Denn mit dieser Wählbarkeit erheben sich Gefahren, und die will man nicht mit der Ueberflüssigkeit in den Kauf nehmen. Die Freunde der Gewerkschaftsführer und Arbeitersekretäre, die übrigens selbst in der Reichstagskommission sitzen, erklären, die Arbeiter seien in sich unfähig, ihre In teressen selbständig zu vertreten, sie bedürfen der sozialpolitisch und gesetzgeberisch geschulten Organi sationsbeamten als Vormünder, damit diese aus sprechen, was sie fühlten und wünschten. Entspricht das der Wahrheit, so liegt die Zwecklosigkeit des, immerhin mit Kosten für die Arbeiter, für die Unter nehmer und für den Staat verbundenen Unter nehmens klar auf der Hand. Kann der A beiter selbst nicht zum Ausdruck bringen, was ihm fehlt, so muh noch mit -er Errichtung von Arbeitskammern so lange gewartet werden, bis er dazu imstande ist. Soll die Einrichtung aber nur eine Gelegenheit für Parteibeamte und Arbeiterführer sein, in halbamt licher Funktion Gewerkschaftspolitik zu betreiben, so liegt ein allgemeines Interesse zur Erhöhung der Be deutung jener Persönlichkeiten sicherlich nicht vor. Ihre Anschauungen sind bekannt, für deren Verbrei tung braucht eine mit staatlichen Hoheusrechten aus gestattete Korporation nicht zu sorgen. Die Gefahr ist schon jetzt sehr groß, daß in den Arbeitskämpfen der Gegenwart die sozialdemokratische Bureaukratie, mit der natürlich die klerikale und christlich-soziale den Wettlauf aushalten muß. allo Gewalt an sich reißt und daß die Arbeiter einfach Maßen sind, die von diesen Führern und Strategen hin und her geschoben werden. Die Organisation und straffe Führung hat gewiß ihre Vorzüge, aber sie wird zur unerträglichen Plage und zur öffentlichen Gefahr, wie die Dinge bei uns liegen, wo die Sozial demokratie mit schonungslosem Terrorismus die sach lichen Gesichtspunkte und Interessen ihrer Macht politik unterordnet. In solchen Zeiten und Verhält nissen verstärkt man nicht mit der Gesetzgebung dis Stellung der Arbeitersekretäre und Gewerkschafts führer. Parlamentarisch steht die Sache so, daß im Reichs tage die Mittelparteien, Nationalliberale und Frei konservative, die Forderung der Wählbarkeit der Ar beitersekretäre zu den Arbeitskammern einmütig und entschieden ablehnen und daß auch die Regierung sie verwirft, ja unter Umständen die Vorlage zurück zuziehen droht, falls die Mehrheit daran fcsthält. Das letztere wäre überhaupt das Zweckmäßigere. Konservative und Zentrum sind noch an der Arbeit, einen Ausgleich zu schaffen, damit die Vorlage nicht zu scheitern braucht. Die Arbeitersekretäre der'Ncichs- tags-Zentrumsfraktion werden so lange wie möglich für ihre Machterhöhung kämpfen, aber vermutlich unterliegen, sobald das Zentrum umfällt. Alsdann werden wir wieder um eine papierne Einrichtung zur höheren Ehre der klerikalen Sozialpolitik reicher werden. Deutlches Keich. Leipzig, 1. September * Mit dem Wahlergebnis in Zschopau-Marienberg beschäftigt sich auch die antisemitische „Deutsche Reform". Anstatt aber mit Würde die Niederlage der eigenen Partei zu tragen, schlägt das Organ aus die 1'1'1' Liberalen los: „Der Wahlkampf in Zschopau-Marienberg hat der Reformpartei ein Mandat gekostet; dem säch sischen Liberalismus kommt er teurer zu stehen, ihn bringt er um seineacht säch sischen Reichstagsmandate. Nicht einer der Heinze, Strescmann, Günther 6 nnti guunri wird der roten Flut von 1912 widerstehen! Und sie find wert, daß sie verschwinden." Die beiden antisemitischen Abgeordneten Hanisch (Pirnas und Gräfe tPautzen) werden dagegen natür lich mit einer erdrückenden Mehrheit dereinst wieder- gewählt werden. Das ist ja bei der ungeheuren Be liebtheit der Reformer in Sachsen über allen Zweifel erhaben, vielleicht schneiden aber am End« die Lide, ralen doch viel besser ab al« die so arg verkannten, beklagenswerten Antisemiten. * Der 1. Rationale Arbeiter, «ad »«Hilfentag Sachsen« findet, wie bereits gemeldet, in den nächsten Tagen in Dresden statt. Für den 3. Sep tember, abends 8 Uhr ist im Herzogingarten ein Festabend mit verschiedenen Darbietungen geplant. Im Mittelpunkt de» Abend, steht die programmatische
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