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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.09.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-09-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191009256
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19100925
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19100925
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-09
- Tag 1910-09-25
-
Monat
1910-09
-
Jahr
1910
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BezugS-Pret» Durch di, »«»: «unerduld »»»ychtanv, und der »«Ilchr» Kolonien »ierteliLhrl. 3.t0 mouarU autichl. Postbrltrllacld. ,>ern« t» veigieu, de» DounutUuitr». S^Ue», Lq«ch««, «ch»«iu,»r, «»». »««c», Oesterrrtch-Ungar», tiichlaud, kch weben, Schwei, u. Spa nie,, g« alle» übrigen Staaten nur direkt durch die «ei»P,,nellr de, Watte, erhtitllch. La« Lrivgiger Laaedlatl erscheini Suml täglich, Son»- ». Fetirr^I »»r morgen«. liidoaneuieut-Snnadm«. Tuguk»,platz 8, b« unser«, LrLger», MUUe», Svedttau«» und iilnnabinestrllen, sowie Postämtern u»b venerhald »mirschianv, und der deutsche» I«2» aüischl. P, SriBtrtger». »t»»«l»,rtu»s«»««t» »er M»ea»» «ch^ch, It> -L »« illdmchachtz,^« » «e»«ktton »d «ärsch-Nästell« Jehaewi^ag« 8. S«r»chr«cher: 1««BL täSi». t««». UchyigtrTagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Rolizeiarrrtes der Ltadt Leipzig. Nr. 265 Sonntag, üen 2S. Septemver l9l0. Sn-ei-e«. Preis «schält,-rn,e>qrn mtt Pl^vurK»eitle» ,n» t» der >d«ld«cha»», im t!rei>« erhol,, Madall nach Laris. Petlaaeaevubr ü ^tz ».Laus«»» «xll. PostMbühc. ffeäerleilt, Nl-Nrtg« »n«, nutzt mrrtzil- »,»0««» werde», ffär da« Erscheinen an bemmwten Lagen und Plätzen wir» kein« iSaraati« udern owmen. »neigen, «nuahwe: kuguft»»pl»tz d« sämtlichen sssUialen ». alle» klnnoncr». »Medil i mwn de« I». u»d Ludio iideä. pan»»-SUtalr VerN»: T»rl Luniker, Herwar. lp-itzr. Hosdnch- h«»dlu»» Lützowstiatz« IL iLelevtzo» VI. «r. «uS). Haupt-Kiltale vreädr« Kersting« 4, ä (Le!ex-vn «Mich 104. Ishrgang. Das Wichtigste. * Der Leipziger Stiftungspreis llaOOO ^l), der am ersten Tage des Leipziger Herbstmeetings zur Entscheidung kam. wurde von der Graditzer ,Lor nisse" unter Dullock gewonnen. — Bei dem Berlosungsrennen fiel der Ge winn auf Los Nr. 5171. (S. Sport.) * Der finnische Landtag lehnte die Beratung der Russiftzierungsgesetze ab. (S. Ausl.) * Die offiziöse „JndLpendance Roumaine" er klärt die Meldungen von einer türkisch-rumä nischen Konvention als falsch und be tont die Friedensliebe Rumäniens. (S. Ausl.) * Der Patriarch von Konstantinopel hat sein Abschiedsgesuch eingereicht. * Der türkische Großwesir Hakki-Pascha tehrt auf Wunsch der Regierung in Konstantinopel, ohne seine Rundreise beendet zu haben, sofort in die Heimat zurück. vor Sollet. 2m Sommer hat sich die national liberale Reichstagsfraktion von mehreren Männern getrennt, die bisher in ihr keine ganz geringe Stellungeingenommen hatten. Lehmann- 2ena hatte nicht gerade im Vordergründe ge standen, aber Graf Oriola war lange Jahre Geschäftsführer der Fraktion und Freiherr Heyl zu Herrnsheim bekleidete den Posten eines zweiten Vorsitzenden der Fraktion. Dieses Amt hat allerdings nicht diejenige Bedeutung für den parlamentarischen Geschäftsbetrieb, die man auf Grund der Bezeichnung vermuten könnte, denn einesteils pflegt in der Fraktion der Vorsitz umzugehen, so daß einer nach dem andern an die Reihe kommt, und anderseits machte Herr von Heyl von der Residenzpflicht des Abgeordneten in letzter Zeit wenig Gebrauch. Er kam einfach nicht zu den Reichstagsverhandlungen und zu Len Fraktionssitzungen. Und wenn er kam? Die Wirkung ist einmal von einem, der sie un mittelbar spürte, also geschildert worden: ,War Herr von Heyl da, so ward die ganze Fraktion in einem Tage gegeneinander gehetzt." Wir wissen sehr wohl, datz es dem Libera lismus ansteht, duldsam zu sein und datz ihm ein Makel aufgedrückt würde, wenn er Ketzer gerichte veranstaltete. Auch datz es in einer grotzen Partei rechts und links geben mutz, leuchtet ein. Eine Partei mützte aus einer ein zigen Person bestehen, wenn das ausgeschlossen sein sollte; schon von zweien ist der eine mehr rechts und der andere mehr links, der eine mehr überlegend, der andere mehr vorwärts- stürmend. Es kann nicht die Aufgabe sein, die natürlichen lleberzeugungs- und Charakter unterschiede zu nivellieren; sie können das Leben der Partei segensreich befruchten. Vor jeder ausgesprochenen Ueberzeugung und Gesinnung wird gerade der Liberale Achtung bezeigen. So hat auch, als auf einem nationalliberalen Parteitage ein preußischer rechtsnationalliberaler Abgeordneter betreffs derForderung der geheimen, direkten Wahl Bedenken erhob und sic mit der Rücksicht auf die Koujervativen begründete, der Vorsitzende des Reichsverbandes der national liberalen Jugend, Rechtsanwalt Fischer-Köln, angedeutet, daß die Ueberzeugung national liberaler Mitglieder geachtet werden müsse; er hat aber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, datz die Rücksicht auf andere Parteien nicht ebenso achtenswert sei. Das ist wohl eine einwand freie Abgrenzung. Die Differenz, die die nationalliberale Partei und den Freiherrn v. Heyl schied, bestand nicht darin, datz Herr v. Heyl in seiner politischen Ueberzeugung sich ein Kitzchen weit rechts be fand. Sachliches und Persönliches griff inein ander, um ihn nicht als rechten Flügelmann der Partei, sondern als einen der Parteileitung in den Reihen der andern Feinde gegen überstehenden Gegner erscheinen zu lassen. Was seit der Trennung bis heutehin Freiherr v. Heyl unternommen hat, recht fertigt die Trennung glänzend. Sachlich hat Herr v. Heyl in seinen gelegentlichen Kund gebungen sich nicht als ein Rechtsnationallibe- raler, sondern als ein rückhaltloser Verherrliche: des Bundes der Landwirte und al» ein giftiger Bekämpfe: des Hansabundes erwiesen. Etwas Aehnliches zeigt sich ja auch bei anderen Eigen- brödlern; sie stellen sich nicht einen Schritt rechts von der Position der Partei, sondern gleich ein paar Meilen. Die Freude an der Uebertreibung mag dabei mitspielen. So haben die „Ham burger Nachrichten", die ursprünglich enge Be ziehungen zu den Nationalliberalen hatten, ihre Meinung gegenüber den politischen Gegenwarts fragen oft so extrem definiert, datz neben ihnen der konservative Herr v. Heydebrand noch als radikaler Reformer und Umstürzler erscheinen mutzte. Was das persönliche Verhalten des Herrn o. Heyl betrifft, so wird es durch das plötzliche Erscheinen der „Süddeutschen National liberalen Korrespondenz" gekennzeichnet, die sofort von aller Welt mit ihm in Verbindung gebracht wurde. Ueber das schlechte Deutsch, in dem diese Korrespondenz geschrieben wird, wollen wir heute hinwegsehen, um auch den Schein der Gemeinschaft mit solchen Leuten zu ver meiden, die, wenn sie im Kampfe der Meinungen sachlich nichts zu erwidern wissen, den Stil des Gegners bekritteln. Aber der Ton, der von der neuen Korrespondenz gegen die mehr links stehenden Nationalliberalen angeschlagen wird, ist so hahnebüchen, datz man von vornherein den Eindruck erhält: diese Korrespondenz will der nationalliberalen Gesamtpartei nicht nützen, sondern schaden. Oder soll man ihr etwa diese „Offenheit" gegen Parteigenoffen zum Lobe an rechnen? Wenn man es so auslegt, nun gut; dann soll aber auch die offene Antwort auf diese Quertreibereien nicht fehlen. Hierfür ist K a s s s l der gegebene Ort. Es scheint von gewisser Seite die Parole ausgegeben worden zu sein, in Kassel etwaige Meinungs unterschiede zu vertuschen und zu verkleistern. Das entspräche wenig dem Charakter einer Volkspartei. Mögen die Hamburger, die Dortmunder, die Wormser und die neuen Frankfurter mit ihrer Ansicht offen hervor treten. Es wäre ein schwerer Fehler, wenn ihnen das Wort verwehrt oder beschnitten würde. Wir geben bereitwillig zu, daß neben Verfehltem von ihrer Seite auch vielleicht manches Richtige vorgebracht werden mag. Der Parteitag' sott es anhören und er soll ent scheiden; nicht in brutaler Weise, wie der Magdeburger Parteitag der Sozialdemokraten, sonder in liberaler Weise, die e» erfordert, datz ein Austrag der Ideen durch geistigen Kamps erfolgt. Die Hauptversammlung einer Partei, die wie die nationalliberale eine Volkspartei sein will, mutz ein Geschehen sein, nicht eine vorge schobene Kulisse. Auch die Linksnationalliberalen können zulernen; sie müssen aber verlangen, datz von der andern Seite offen die Beschwerden vorgebracht werden, die nun so viele Monate in der Presse ein spukhaftes Leben führen. Dann kann durch Rede und Gegenrede eine um so reifere Gesamtmeinung gewonnen werden. Sanservstive Seüsnkengsnge. Zu den unter obigem Titel von uns gebrachten Artikeln schreibt uns Herr Geheimer Hofrat Opitz- Treuen: 1) Der Anspruch, das landwirtschaftliche Be triebskapital der der Vermögenssteuer freizulassen, ist niemals von einem sächsischen Landwirte in oder außerhalb der Kammer erhoben worden. Zweifelhaft war vielmehr nur, ob das landwirt schaftliche Betriebskapital bei der in Gestalt der Grundsteuer beibehaltenen Vermögensteuer für den Grundbesitz bereits mitgetroffen und daher bei der durch das Gesetz vom 2. Juli 1902 ein- gesührten Ergänzungssteuer außer Betracht zu lassen sei. Diese Frage ist durch den 8 19 des mir gedockten Gesetzes bejaht und deshalb das landwirtschaftlich-» Betriebskapital als nicht zu dem ergänzungssteuer- pflicktigen Vermögen gehörig bezeichnet worden. In demselben Sinne batte sich bei den Verhand lungen im Landtage über diese Frage auch der Be richterstatter der Devutation der Ersten Kammer, der der nationalliberalen Partei angehörige lüehcime Rat Dr. Wach, bekanntlich einer der ersten Juristen Deutschlands, ausaelvrochen. Trotzdem hat die kon servative Partei selbst den Antrag gestellt, durch Aufhebung des angezogenen tz 19 des Ergänzungs steuergesetzes das landwirtschaftliche Bettie'»-' k der Ergänzungssteuer mit zu unterwerfen und einer demzufolge von der Regierung eingebruchten Gesetzesvorlage ihre Zustimmung erteilt, so daß gegenwärtig, wenn jene Auffassung richtig .p, das landwirtschaftliche Betriebskapitel sogar doppelt: bei der Grundsteuer und bei der Eraänzungssteucr besteuert wird. 2) Der Gedanke der Einführung einer Ge werbesteuer für Sachsen ist nicht von kon servativer Seite, sondern von dem der national liberalen Partei angehörigen Geheimen Kom merzienrat Georgi, einem der ausgezeichnetsten Mitglieder, die je die Zweite Sächsische Kammer besessen hat, zuerst ausgegangen und außer mit dem Hinweise auf den Vorgang in Preußen damit begründet worden, daß eine solche Steuer dem Ge sichtspunkte „der Leistung und Gegenleistung" im wirtschaftlichen Leden der Gemeinde entspreche. Die konservative Fraktion hat die von der Regie rung eingebrachte Gewerbesteuer-Vorlage be kämpft und zu Fall gebracht. 3) Von der konservativen Fraktion haben bei den Verhandlungen über die Reform der Er st cn Kammer verschiedene Mitglieder, darunter die Abgeordneten von Querfurth und Ullriw. die Ver stärkung der Ersten Kammer um mehr als fünf Mitglieder aus dem Handels- und Eewerbestand be antragt. Aber auch wenn nach der Vorlage der Re gierung eine Verstärkung um nur 5 Mitglieder ein getreten wäre, so würde dies für Handel und In dustrie schon wesentlich ins Gewicht gefallen sein, da schon bei der gegenwärtigen Zusammensetzung der Ersten Kammer außer den ihr angehürcnden 0 In dustriellen, die 7 Bürgermeister der Städte, der Ver treter der Universität Leipzig, die Vertreter der Domstikte bzw. auch der Geistlichkeit den städtischen und industriellen Interessen näherstehen als den landwirtschaftlichen, und selbst von den Großgrund besitzern dieser Kammer mindestens 5 entweder selbst industrielle Betriebe haben oder doch mit solchen in unmittelbarer Beziehung stehen, so daß unter Hin zurechnung der von der Regierung vorgeschlagenen 5 weiteren Mitglieder, die der Industrie und den Gewerben angehöriaen oder ihr doch nahestehenden Mitglieder dieser Kammer unter Umständen selbst eine erhebliche Mehrheit gebildet Haden würden. Darauf hätten wir zunächst folgendes zu erwidern: Die Erklärung des Herrn Geheimrat Opitz ist dialektisch sehr geschickt abgefaßt, vermag aber sach lich unsere Ausführungen nicht zu entkräften. Tat- sä^sich ist der 8 19 des Ergänzungssteuergesetzes, der däs landwirtschaftliche Betriebskapital von der Er gänzungssteuer freiließ, während das industriell-ge werbliche ihr unterlag, von der konservativen Partei angenommen worden. Der Antrag auf Aufhebung des 8 19 ist erst gestellt worden, als die Konserva tiven inne wurden, welche Erbitterung sic unter den Industriellen mit ihrer Haltung hervargerufen hatten. Genau so haben die Konservativen bei der Ge- meindcstcuerreform gehandelt. Der Führer der kon servativen Fraktion hat bei Len damaligen Verhand lungen kurz vor der Entscheidung selbst erklärt, daß die Mehrheit für die Vorlage dawärc. Erst als ein Petitionssturm des Bundes sächsischer Industrieller einsetzte, änderte sich die Haltung der Fraktion. Die Meinung Georgis über die allgemeine Berechtigung einer Gewerbesteuer steht nicht im Widerspruch zu der Ablehnung der damaligen sächsischen Steuervorlage durch die Ratianalliberalen. da diese Steuervorlage weit über die anderwärts für zulässig erachtete Be steuerung des Gewerbes und der Industrie hjnaus- gina. Daß Herr Opitz den Industriellen die Bürger meister der Städte, die Vertreter der Domstifte und diejenigen Großgrundbesitzer zuzählt, die nebenbei an industriellen Unternehmungen beteiligt sind, ist eine reine Fiktion. Denn bekanntlich ist die For derung einer gesetzmäßigen Vertretung der Industrie in der Ersten Ständckammer gerade non einigen Bürgermeistern und Herrn Wach, der übrigens der nationalliberalen Partei nickt angehört. aufs schärfste bekämpft worden. Ebenso werden auch bei denjenigen Großgrundbesitzern, die nebenbei an in dustriellen Unternehmungen beteiligt sind, die Eroß- grundbesitzerinteressen im Zweifel stets überwiegen. Entscheidend war aber bei der Haltung der Industrie zu jener Frage noch der Modus der Wahl ihrer Ver treter. Gerade Herr Opitz und seine Fraktion waren die schärfsten Gegner des Zugeständnisses der eigenen Wahl an die sächsischen Industriellen, während den Großgrundbesitzern verfassungsmäßig dieses Recht der eigenen Wahl für einen Teil ihrer Vertreter in der Verfassung zugestandcn ist. Dies zur vorläufigen Erwiderung auf die Dar legungen des Herrn Opitz, auf die mir uns im übri gen ausführlicher znrückzukommen Vorbehalten. Oie Sunkt üer Strstze. Von» Berliner Schaufenster-Wettbewerb. Berlin, 23. September. Es ist wieder ein kolossaler Erfolg! Und es ist zu gleich seit dem September vorigen Jahres, da der erste Versuch einer solchen Konkurrenz unternommen wurde und sofort glänzend gelang, ein gewaltiger Auf schwung zu konstatieren. Ein quantitativer und ein qualitativer Ausschwung. An Stelle der 2V0 Fenster, die wir im vorigen Jahre zu besichtigen hatten, standen diesmal nicht weni ger als 390. Das Gedränge auf den Straßen, da? schon damals alle Erwartungen weit über- rraf, hat sich jetzt bis zu einer gelinden Lebensgefähr- lichkeit entwickell. Namentlich gestern abend, als die Lichter zu brennen begannen, fluteten bei dem freund, lichen Wetter ungeheure Massen durch die Eeschästs- adern der City, aber auch durch die belebteren Stra ßen der Außcnguartiere, um sich an den, durch ein kleines Plakat kenntlichen Wettbewerbssenstern so zu stauen, daß die Einzelnen nur ganz allmählich und mit erheblichen Quetschungen der Oberarme dazu ge langte», etwas zu sehen. Dazu noch ein besonderer Triumph: die Bvreaukratie streckt die Waffen, und die Polizei hat zugegeben, daß diese auserwähleten Fenster auch am Sonntag sich unvcrhüllt, nach Son nenuntergang sogar beleuchtet, den Augen der Men- schensühne daroieten! Aus Pest sind nicht weniger als zehn Herren im Auftrage der ungarischen Regie rung nach Berlin gekommen. Ebenso ist aus Belgien und Dänemark eine Studienkommission «ingetroffcn, und viele Hunderte Dekorateure aus ganz Deutsch land sind hergereist, um neue Anregungen zu finden. Noch wichtiger aber ist der qualitative Auf schwung. Schon 1909 durste man feststellen, daß die Kunst unserer Dekorateure in den letzten Jahren ver blüffende Fortschritte gemacht hatte. Seitdem ist sie abermals mit Siebenmeilenstiefeln vorwärtsge- gangen. Wir Berliner sind in allen Dingen, die den Geschmack und die Kunst unserer Stadt betreffen, wirklich recht kritisch, bescheiden und objektiv, wir schimpfen nach Noten, wenn wir Grund dazu haben, oft auch nur, wenn wir Grund zu haben glauben — aber hier dürfen wir ruhig einmal ein bißchen stolz sein. Ich glaube nicht, daß sich wesentliches dagegen einwenden läßt, wenn man behauptet, daß cs beute keine Stadt der Welt gibt, deren Schaufensterkunst auf einer so reifen und glücklichen Höhe steht, wie die Berlinische. In Wien wird viel Gutes geleistet, und manches, was man dort sehen kann, ist und bleibt unübertrefflich. In Paris gibt es einzelne Geschäfte, deren Auslagen wie Symbole für den exquisiten und raffinierten Geschmack der französischen Hauvtstadt wirken. Aber hier wie dort sind cs eben in der Hauptsache Einzelheiten, die das Auge fesseln, wäh rend die Berliner Straße von heute gerade durch die Fülle der Pracht und Großartigkeit, die sie zu bieten hat. durch die langhinreichende Kette schöner, über raschender, amüsanter Dinge imponiert. Darin har sie jetzt auch »Wien und Paris übertroffen; von Lon don ganz zu schweigen, das sich immer im Rückstände befand. Besonders lehrreich ist es diesmal, zu ver folgen, wie einzelne Geschäfte, die im Vorjahre noch halb in der Barbarei steckten, ihre Fehler eingefehen und verbessert haben. Wie andere von zwsifelbaktev Ausschmückungen zu einem sicheren und feinen Gefühl für das Notwendige und Richtige gelangten. Unter so glücklichen Auspizien hat lich das allgemeine Niveau derart gehoben, daß die Jurn tatsächlich ihre Medaillen und Diplome nur an fp» Ladeninhaber abzugeben hatte, die auch die strengsten Anforde rungen erfüllten. Eine ganze Reihe recht hübscher Fenster mußte darum ohne Auszeichnung bleiben, aber auch sie wird der Einheimische und der Fremde mit Vergnügen betrachten. Theodor Fontane hat einmal gesagt, die Berliner seien vor allem eine „anstellige Bevölkerung". Wahr haftig. sie wissen die Ohren zu spitzen, mit unerhörter Flinkheit praktische Winke zu verstehen und auszu nutzen. Es ist noch gar nicht lange her. daß untere Schaufenster ihre Haupteffekte in einem wilden Ge- wühl von Waren, einem kunterbunten Durcheinander von Farben und in möglichst schreienden Preiszetteln suchten als bestehe das Publikum, das voniberaeht, seiner Majorität noch aus Kindern und Angehörigen wilder Volksstämme. Jetzt hat man fast auf de» ganzen Linie die einfachen Wahrheiten erkannt, daß Wenig mehr sein kann als viel, daß ruhige, natür liche und materialgerechte Anordnung, vernünftig« Wahl und Zusammenstellung der Farben, Eliminie- rung aller Gegenstände, die nichts bei d<»n Ware» des hetreffenden Geschäfts zu tun haben. Geschlossen heit und Einheit des Fensters die Hauptforderungen sind. Wird das beachtet, so kann man auch auf ganz schlickte Meis- oute »Wirkungen erzielen, aber nat>>- lich führen der Ehrgeiz und die Konkurrenz bald höher, und so beschäftigen jetzt schon eine ganze Reihe großer Firmen Künstler von Rus. vor allem junge Maler und Malerinnen, aber auch speziell diesen Zweigen zugewandte Kunstoewerbler, um Außerge wöhnliches zu leisten. Der Bedarf nach solchen Kräften und das Verlangen, die amtierende Genera tion der Bernfsdekorateure im Sinne jener mo dernen Postulats zu erziehen, hat sogar zur Begrün düng einer „Höheren Fachschule für Deko rs t i o n s k u n st" geführt, die im Anschluß an den vorjährigen Wettbewerb vom „Verband Ber- liner Spezialgeschäfte" in Verbindung mit dem Deutschen Werkbunde gegründet wurde und sofort lebhaften Anklang fand. Di« Lei tung dieser Hochschule, die bereits seit dem 1. Sep tember in voller Tätigkeit ist, liegt in den Händen von Frau Else Oppler-Legband, die selbst seit Jahr und Tag mit größtem Erfolg in der Sckau- fensterlunst tätig ist und nun mit außerordentlichem Geschick das neue Institut organisiert hat. Der Zu lauf beweist, daß hier wirklich etwas Notwendiges, bisher Vermißtes geschaffen wurde. Die Fachschule hat sich denn auch gleich frischweg diesmal an der Konkurrenz beteiligt und sich eine silberne Medaille geholt. Sie hat in dem Hause, wo sie einqnartiert ist sGriinstraße 1), drei Fenster deko riert. die lauten Beifall fanden. Ein Blumenfenster zeigt die sichere Hand der Leiterin. Ein Bücherfenster ordnet, ganz originell, eine riesige Zahl von Bän den ganz nahe der Fensterscheibe in einer großen Fläche an. die nur in der Mitte durch eine viereckige Nisch» unterbrochen wird. Noch bester fast ist ein Obstfenster, in dem hohe gewöhnliche Körbe, mit pausbackigen Aepfeln überquellend gefüllt, zu einer starken Wirkung zurechtgerückt sind. Wenn es mir ge. stattet ist. an dieser Stell« «inen Vorschlag zu machen, so möchte ich anheimstellen, ob es sich nicht vielleicht empfehlen würde, bei dem Wettbewerb, den Leipzig kür den kommenden Monat plant, die Lehrer und Scküler dieser Berliner Dekorattonsschule heranzu- ziehen. Frau Oppler selbst hat sich außerdem noch an an deren Stellen betätigt, vor allem in dem Stickerei geschäft von Julius Brühl in der Leipziger Straße, wo sie auf einer halbrunden Bank ein Gedränge lustig-bunter Seidenkisten «»geordnet hat, vor denen ein Tisch mit Handarbeiten und bunten Fäden steht, deren Knäuel <mf die Erde herabgerollt sind. Auch hier gab es «ine Medaille, die sich Frau Oppler bei Gerson nicht holen konnte^oeil dies große Kon fektionsgeschäft leider außer Wettbewerb ausgestellt hat. Don den Künstlern, di« in aller«rst«r »Reihe stehen, ist dann vor allem Fräulein von Hahn zu nennen, die glänzend« Meisterin der Fenster von Wertheim in -er Leipziger Straße, die seit Jahren hier dauernd Auv-eichnet«, ja Muster-
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