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Derartige Beispiele gehören jedoch zu den Seltenheiten. Im allgemeinen wirkt Licht auf die Farbstoffe zerstörend ein, eine Erfahrung, die schon jeder an seinen Kleidungsstücken, an den Tapeten und Teppichen seiner Woh nung etc. gemacht hat. Da es aber von grösstem praktischen Interesse ist, über die Lichtechtheit der praktisch verwendeten Farb stoffe orientirt zu sein, sind seit Jahrzehnten eine zahllose Reihe von Belichtungsversuchen solcher Farbstoffe von Seiten der Färberei chemiker und Färber vorgenommen worden. Die älteren Belichtungsversuche sind in dankenswerther Weise von H. W. Vogel in seinem „Handbuch der Photographie“ und von Eder in seiner „Geschichte der Photochemie“ zusammengestellt worden, Arbeiten, denen zunächst folgende Angaben entlehnt sind. Die meisten Blumenfarbstoffe bleichen im Licht, wenn der Lebensprocess der Pflanzen unterbrochen ist. Chevreul fand, dass Indigo, Orseille, Safflor bei Abwesenheit von Luft beständig sind, nicht aber bei Luftzutritt. Feuchtigkeit begünstigt die Bleichung, daher auch das Besprengen bei der Leinwandbleiche. Chevreul beobachtete auch bereits den Einfluss des Faserstoffs auf die Lichtempfindlichkeit; Herschel constatirte, dass die Bleichung der BlumenfarbenindemjenigenLichte am raschesten erfolgt, welches zur Farbe der Blume comple- mentär ist; so bleichen gelbe Blumen-Farb stoffe vorzugsweise in blauem Lichte; dies steht in vollkommenem Einklang mit dem Vogel’schen Absorptionsgesetz, welches besagt, dass nur diejenigen Strahlen chemisch auf einen Körper einwirken, welche von ihm absorbirt werden. J. Joffre war der erste, welcher con statirte, dass die Lichtechtheit nicht nur von der Natur der auf der Faser fixirten Farbstoffe abhängt, sondern bei demselben Farbstoff auch von der Menge des fixirten F'arbstoffs. Er stellte auch fest, dass die mehr oder weniger grosse Feuchtigkeit der Luft von Einfluss auf das Verschiessen ist. Dies erklärt zum Theil auch die bekannte Thatsache, dass gefärbte Stoffe am Meeresufer sich schneller entfärben als im Innern der Continente. Es folgten eine Reihe anderer Publikationen, die jedoch in sofern nicht ganz zuverlässig sind, als sie nicht den später zu erwähnenden Bedingungen bei Anstellung der Versuche entsprechen. Der auf dem Gebiete der Photochemie sich eines guten Namens erfreuende Capitän Abney stellte eine Reihe Versuche an mit Aquarell- Farben, die er i) ohne Abschluss von Luft und Feuchtigkeit, 2) in trockner Luft, 3) in luftleerem Raume belichtete. Es ergab sich daraus, dass Luft und Feuchtigkeit in den meisten Fällen das Verblassen beschleunigen. Anfangs der neunziger Jahre stellte u. a. auch Dr. C. Duisberg in den Farbenfabriken vorm. Friedr. Bayer & Co., Elberfeld, um Be ziehungen zwischen Constitution und Licht echtheit ausfindig zu machen, umfassende Be lichtungsversuche der gebräuchlichen Farbstoffe auf verschiedenen Fasern an. Die erhaltenen Resultate auf Wolle, Baumwolle, Seide und Papier sind indess nicht publicirt worden. Eine spätere Arbeit von Prof. Hummel in Leeds über die Lichtechtheit der Wollfarbstoffe ist zur ersten umfangreichen Publikation über die Lichtechtheit der heute gebräuchlichen künst lichen Farbstoffe verarbeitet worden (vgl. „Leipziger Monatschrift für Textil-Industrie“ * [1896] S. 580 ff.). Wie es bei derartigen umfassenden Arbeiten natürlich ist, waren Mangels eingehender Er fahrung auf diesem Gebiet Fehler unvermeid lich, und wenn die Arbeiten auch im allge meinen ein richtiges Bild gaben, sind doch, wie aus späteren Belichtungen hervorging, noch manche Irrthümer darin enthalten. Fehler und Versehen werden auf diesem Gebiete aber überhaupt nicht auszurotten sein. Die Beurtheilung der Lichtechtheit von Farb stoffen ist eine derart penible Arbeit, dass Täuschungen unvermeidlich sind; es spricht da die Natur des Faserstoffs, die relative Feuchtigkeit der Luft, die Anwendung diffusen oder direkten Sonnenlichts eine derartige Rolle, dass der Experimentator bei den wider sprechenden Resultaten anfangs oft in Ver zweiflung gerathen kann. Dazu kommt, dass der eine Farbstoff bald in hellen Färbungen relativ echter ist als in dunkeln, der andere aber das umgekehrte Bild zeigt. Einige Farb stoffe, wie z. B. Indigo, verschiessen in kurzer Zeit merklich, halten dann aber wochen- oder monatelange Belichtung aus, ohne weiter zu verschiessen; andere verändern sich wochenlang gar nicht; sobald aber die Reaction des Lichts eingeleitet ist, geht sie sehr schnell vorwärts. Aus diesem Grunde ist es wichtig, zu welcher Zeit die Belichtung als beendet angesehen wird. Dies ist besonders ein Punkt, der leicht zu verschiedenen Ansichten führen kann. End lich kommt die rein subjektive Beurtheilung ein und desselben Belichtungsresultates hinzu; ein Farbstoff verblasst allmählich, ein anderer verändert seine Nuance, geht z. B. aus Roth in Blau über etc. Alle diese Momente er schweren ein definitives Urtheil ausserordentlich. Die Hauptfehlerquellen bei Belichtungen liegen aber in der unrichtigen Art und Weise, in welcher meistens der Anfänger seine Ver suche anstellt. Es sei mir gestattet, auf diese Fehler hinzu weisen, wenn ich auch nicht hoffen darf, damit viel Neues zu sagen. Derjenige Fehler, welcher am häufigsten begangen wird und' der nächstliegende ist, besteht darin, dass man gleiche Gewichts mengen zweier Farbstoffe auffärbt und gegen einander belichtet, unbekümmert um die Farb kraft der Farbstoffe. Jeder, welcher öfters mit Handelsfarbstoffen zu thun hat, weiss aber, wie verschieden sie in ihrer Concentration sind; es giebt solche, die sehr schwach sind; es ist nichts seltenes, dass ein Farbstoff 3 bis 4 mal so stark ist als ein anderer von ähnlicher An wendungsweise und Nuance. Belichtet man nun z. B. eine 1 proc. Naphtolgelbfärbung gegen eine 1 proc. Chinolinfärbung, so wird man sagen, dass Chinolingelb nicht echter sei als Naphtolgelb. Und doch ist dieser Schluss falsch. Dem Färber kommt es auf eine ganz bestimmte Nuance an; hat er dafür 1 Proc. Naphtolgelb gebraucht, so kann er nicht für I Proc. Chinolingelb substituiren, denn dann hätte er viel zu wenig Gilbe; er wird vielmehr für 1 Proc. Naphtolgelb etwa 3—4 Proc. Chino lingelb gebrauchen, da letzteres 3 bis 4 mal schwächer ist; belichtet er diese im Effect gleichwerthigen Farbstoffmengen gegen ein ander, so erhält er den Beweis, dass Chinolin gelb bedeutend echter als Naphtolgelb ist. Derartige Farbstoffe belichtet man am besten in Mischungen, z. B. als Grün. Die Zerstörung der Farbstoffe durch das Licht ist ein rein quantitativer Process; helle Ausfärbungen brauchen im Allgemeinen bedeutend kürzere Zeit zu ihrer Zerstörung als dunkle; das sieht man am besten, wenn man Belichtungen eines und desselben Farbstoffs in verschiedenen Stärken vornimmt. Man ersieht daraus auch, wie bedeutende Unterschiede in der Echtheit zwischen chemischen Individuen von annähernd gleicher Nuance vorhanden sind. In einigen Fällen sind die dunklen Färbungen noch ganz unverändert, in allen aber ist die Veränderung eine geringere als bei den hellen. Zugleich zeigt sich dann die verschiedene Art des Ver schiessens: Thiazolgelb z. B. wird immer heller, bis es endlich weiss ist; Patentblau in satten Ausfärbungen wird zuerst dunkler, dann hell; Rhodamin dagegen wird bedeutend gelber und dann allmählich weiss. Ein zweiter Fehler, der kaum weniger oft begangen wird, besteht darin, dass man eine Ausfärbung des betreffenden Farbstoffs allein ans Licht hängt und notirt: in 4 oder 5—6 Wochen wenig verändert etc. Derartige Be lichtungen geben nicht nur kein richtiges Bild, sondern sind ganz dazu geschaffen, Verwir rungen hervorzurufen. Erstens geht aus der artigen Notizen meist nicht hervor, wie stark die Ausfärbung war, (ob hell, mittel oder dunkel); vor allem aber wird dabei ein Faktor ganz und gar äusser Acht gelassen, der eine sehr bedeutende Rolle spielt; das ist die ausserordentlich wechselnde chemische Intensität des Tageslichts. Jedem Laien ist bekannt, dass dieselbe nicht nur innerhalb des Tages wechselt und Mittags am intensivsten ist, sondern dass sie auch dem Jahreswechsel unterworfen ist. Bunsen und Roscoe stellten ! durch ihre Untersuchungen fest, dass die i chemische Intensität des Tageslichts eine Funktion der Sonnenhöhe ist, dass sie also ihr Maximum am 21. Juni, ihr Minimum am 21. December erreicht, dass sie, von Zufällig keiten wie Bewölkung etc. abgesehen, dieselbe ist z. B. am 21. Januar und 21. November, am 22. März und 23. September, am 21. April und 22. August u. s. w. Roscoe wies später nach, dass die Intensität des zerstreuten Lichtes wechselt mit der Durchsichtigkeit der Atmos phäre, und dass bei nicht absolut heiterem Himmel alle Schlüsse aus der Sonnenhöhe auf die chemische Wirkung des Tageslichts gewagt erscheinen. Ferner ist sie abhängig von der Dichtigkeit und der Reinheit der Atmosphäre. Sehr oft begeht man auch den Fehler, die auf ei n em Faserstoff gesammelten Erfahrungen auf einen anderen zu übertragen. Auch das ist nicht angängig; derselbe Farbstoff zeigt verschiedene Echtheit auf verschiedenen Fasern, und zwar ist im allgemeinen ein Farbstoff auf Papier am unechtesten; es folgt Baumwolle (ohne Tannin), und dann Wolle und Seide. Congoroth z. B., das auf Baumwolle dem Licht nur kurze Zeit widersteht, hält sich auf Wolle bedeutend länger. Aber auch Wolle und Seide scheinen Unterschiede hervorzurufen; sehr be deutende Differenzen zeigen sich auch gegen über den gewöhnlichen Erfahrungen bei Farb lacken; als Beispiel sei nur erwähnt, dass das sonst recht wenig lichtechte Naphtolgelb einen relativ echten Lack giebt. Von mehr theoretischem Interesse ist die Forderung, dass. für jeden Farbstoff die für ihn günstigsten Färbebedingungen gewählt werden; die Praxis kann sich dieser Forderung natürlich nur so weit anbequemen, als ihre sonstigen Anforderungen mit derselben nicht collidiren. Es dürfte den Baumwollfärbern und -Druckern bekannt sein, dass bei vielen basischen Farbstoffen die Lichtechtheit wächst mit der auf der Faser fixirten Tanninmenge; ohne Tannin fixirte basische Farbstoffe ver schiessen erheblich schneller, als wenn sie die genügende Menge „Beize“ haben. Dies erklärt wohl auch den Umstand, dass Methylenblau auf Wolle so ausserordentlich schnell ver schiesst, viel schneller als auf Baumwolle. Das