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Ein illustrirtes Fachjournal für die Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie sowie für den Textil-Maschinenbau; Spinnerei, Weberei, Wirkerei, Stickerei, Färberei, Druckerei, Bleicherei nnd Appretur. Redaktion, Expedition u. Verlag: Leipzig, Turnerstr. 17. Herausgeber und Chefredakteur: Theodor Martin. Fernsprech-Anschluss: Nr. 1058. Telegramm -Adresse: Redakteur Martin, Leipzig. Organ des Vorstandes des Vereins der Sächsischen Textil-Berufsgenossenschaft Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner, und des Voigtländisch-Erzgebirgischen Zeichner-Verbandes. Leipzig, 31. August 1891. Nachdruck, soweit nicht untersagt, ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. Nl- 8. VI. Jahrgang. Die Aenderung des deutschen Marken schutzgesetzes. Von * * * us einer Quelle, die es wissen könnte, verlautet, dass die vor längerer Zeit im Reichsamt des Innern aufgenom menen Arbeiten zu einer Umgestal tung unseres Markenschutzgesetzes vom 30. No vember 1874 soweit gefördert sind, dass vielleicht schon im nächsten Winter eine darauf bezüg liche Vorlage an den Reichstag gelangen wird. Es wäre dies umsomehr zu wünschen, als vom 1. October des laufenden Jahres die neuen Patent- und Musterschutzgesetze in’s Leben treten und die Gewerbewelt allgemein die bal dige Ausführung der letzten erhofften Maass- nahme zur Reorganisation des gewerblichen Eigenthumsrechtes erwartet. Es ist denn auch im Reichstage mit Rücksicht auf eine solche bald zu erwartende Vorlage von einer auf die Reform des Markenschutzes gerichteten Resolution Abstand genommen worden. Es würde also eine arge Enttäuschung bedeuten, wenn nunmehr die schon seit nahezu einem Jahrzehnt nach Abänderung des Markenschutzes drängende Bewegung wiederum ergebnisslos ver laufen sollte. Das Markenschutzgesetz ist das älteste der drei genannten Gesetze. In 17 Jah ren hat die deutsche Gewerbethätigkeit eine solche Umformung erhalten, dass die bei Be ginn dieses Zeitraumes erlassenen legislatori schen Maassnahmen heute nur noch bedingungs weise auf sie zutreffen. Ausserdem hat gerade der Werth, welchen andere Länder auf den Ausbau und die rigorose Handhabung ihres Markenschutzes gelegt haben, gezeigt, dass hierin ein Mittel liegt, geeignet, der nationalen Production nicht nur Vorschub zu leisten, son dern auch dasjenige Ansehen zu verschaffen, welches ihr nach der Höhe ihrer Entwickelung und der Gediegenheit ihrer Erzeugnisse gebührt, j Der Markenschutz hat sich in Deutschland nicht der Entwickelung der Industrie und des Handels entsprechend erweitert. Für die Textilindustrie ist dies schon aus der rein äusserlichen Thatsache ersichtlich, dass die im Auftrage des Reichsamts des Innern heraus gegebene Nach Weisung der geschützten Waaren- zeichen in jedem der letzten Jahre fast genau dieselbe Seitenanzahl des auf die Textilindu strie entfallenden Theiles aufweist, wie im vor hergehenden Jahre. In anderen Staaten hat die Anzahl der Waarenzeichen bedeutend zu genommen. Nun kann doch unmöglich ange nommen werden, dass die Industriellen und Handeltreibenden Deutschlands die Vortheile des Markenschutzes weniger zu würdigen wüssten, als die anderer Länder. Der Grund für diese Erscheinung muss in der bisherigen Gestaltung des Markenschutzwesens gesucht werden und zwar kann sowohl auf dem Ge biete des materiellen Rechts als auf dem der Markenschutzorganisation Abhülfe verlangt werden. Einer der Hauptfehler des Markenschutz gesetzes beruht darin, dass es keine genügende Bestrafung der Nachahmungen sichert. Zwar sind für die Verletzung des Markenrechts theils strafrechtliche Ahndung, theils civilrecht- liche Entschädigung vorgesehen. Das Haupt gewicht ist jedoch auf die Strafverfolgung ge legt. Es kann sogar bis zu einer Gefängniss- strafe von sechs Monaten erkannt werden. Die Entschädigung oder die an ihrer Stelle zu fordernde Busse stehen erst in zweiter Linie. Dazu kommt, dass der Entschädigungsanspruch erst dann erhoben werden darf, wenn eine wissentliche Verletzung des Marken rechts nachgewiesen werden kann. Nun ist zwar, wie gesagt, auf Veranlassung des Reichs amts des Innern eine Zusammenstellung der j bisher im Reichsanzeiger veröffentlichten Mar ken erfolgt. Jährlich wird ein weiterer Band herausgegeben. Der Richter kann doch aber | unmöglich bei Fällung seines Urtheils von der i Voraussetzung ausgehen, dass der Angeklagte diese Nachweisung eingesehen haben muss und zwar so, dass ihm kein Zeichen entgangen ist, er also hat wissen müssen, dass er eine straf bare Nachahmung beging. Wenn die Wissent lichkeit auch bei der strafrechtlichen Verfol gung angebracht ist, bei dem civilrechtlichen Anspruch ist sie es nicht. Hier müsste die fahrlässige Verletzung des Marken rechts genügen, um den Schadenanspruch zu begründen. Dann würde sich die Sachlage wesentlich anders gestalten. Gegenwärtig ist der Inhaber eines renommirten Waarenzeichens gegenüber einem gewissenlosen Markennach- | ahmer stark im Nachtheil. Nehmen wir an, ein renommirtes Waarenzeichen ist nachgemacht. Der Besitzer des echten Zeichens erfahrt doch | nicht sofort von der Nachahmung, sondern erst dann, wenn die mit der letzteren bezeich nete Waare in den Handel gebracht ist bezw. wenn die Marke im Reichsanzeiger veröffent licht ist. Es vergeht also erst einige Zeit, in welcher der Fälscher ruhig den Gewinn aus seiner Nachahmung in die Tasche streicht. Dann verklagt ihn der Besitzer der echten Marke. Ehe hier eine Entscheidung gefällt wird, auf Grund deren dem Fälscher das Recht abgesprochen wird, die Marke zu führen, vergeht eine noch längere Frist. Inzwischen ist der Besitzer der echten Marke vielleicht so stark geschädigt, wie er es gar nicht be rechnen kann. Die Unterlagen für einen Ent schädigungsanspruch herbeizubringen, ist also an sich schon eine sehr schwere Aufgabe. Wenn sie aber einmal in ausreichendem Maasse vorhanden sind, dann sollte wenigstens ihre Geltendmachung nicht dadurch vereitelt wer den, dass erst die wissentliche Nachahmung nachgewiesen werden muss. Jetzt kann das selbe geschehen und der Markenfalscher lacht sich in’s Fäustchen, wenn er sieht, wie ihm das Gesetz seinen aus der Nachahmung ge machten Gewinn sichert; auch die Busse ist kein hinreichender Ersatz für die Entschädi-