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zubringen und es ist dies auf Grund der früheren ZollvefOrdnung und ihrer Bestimmung über die Dicke der Haare auch gelungen. Nur in sehr seltenen Fällen ist man der offensichtlichen Täuschung auf die Spur gekommen. Das einzige positive Merkmal in der be treffenden Zollposition ist die Länge. Die Verordnung von 1888 ging nun von der voll kommen willkürlichen und ebenso vollkommen falschen Voraussetzung aus, daß die Dicke der Wollhaare und die Länge in einem parallelen Verhältnis zu einander ständen. Man ordnete an, daß die Garne als „harte“ zu verzollen seien, deren Wollhaare bei der Messung einer verhältnismäßig ganz geringen Anzahl eine bestimmte Dicke (34 Mikron = 34/1000tel Millimeter) im Durchmesser hätten. Man zog also den hypothetischen Schluß, daß Garne, deren 'Wollhaare die erwähnte Dicke haben, aus Wollen von über 20 cm Länge hergestellt seien. Der Verein Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner hat schon in einer Eingabe vom August vorigen Jahres auf Grund eingehendster Messungen zahlreicher Wollhaare nachgewiesen, daß die Dicke und die Länge absolut in gar keinem Verhältnis zu einander stehen. So ergab sich beispiels weise bei Wollhaaren einer durchschnittlichen Länge von: 8,92 cm * 37,9 Mikron 16,46 „ 60,0 „ i 21,03 „ 29,2 : 23,80 „ 14,8 „ I 24,37 „ 27,5 „ : 27,71 „ 34,0 „ . Es zeigte sich also, daß die Dicke völlig regel los zur Länge sich verhält und kurze Woll haare j die stärkste Dicke, die langen dagegen wesentlich geringere Dicken auf wiesen, somit ein Rückschluß aus einer gewissen Dicke auf die Länge der Haare niemals ge zogen) .werden kann. Es: sollte wahrhaftig eines Nachweises aber auch nicht bedürfen. Jeder Wollkenner weiß, daß dje Dicke der Wollhaare außer von der Rasse ) durch Umstände beeinflußt wird, die wechselnd sind, so namentlich durch die Er- näherüngsweise und das Klima. Die Dicke schwankt auch in der Wolle desselben Vließes, da die verschiedenen Hautstellen ungleich starke Haare tragen. Der Eingabe des erwähnten Vereins waren photographische Abbildungen zahlreicher mikroskopischer Vergrößerungen von Wollhaaren beigegeben, die ferner veranschau lichten, daß einerseits in einem und demselben Wollhaare ganz unterschiedliche Dicken vor kommen und andererseits der Querschnitt der Haare gar kein regelmäßiger und nicht etwa kreisrunder ist. Es erhellt, daß alle diese V erschiedenartigkeiten außerordentliche Ab weichungen in den Untersuchungsergebnissen zeitigen müssen, je nachdem ob nun der Zollbe amte ein Haar der mikroskopischen Untersuchung an einer zufällig dünnen oder zufällig dicken Stelle unterwirft. Dabei kommen in den Wollfasern des gleichen Garnes so große Abweichungen vor, daß nur eine sehr große Anzahl von einzelnen Untersuchungen einen gerechten Durchschnitt ergeben könnte. Im Verhältnis zum umständ lichen Mikroskopieren mit 300-facher Ver größerung ist die jetzige Untersuchung auf die Länge hin viel einfacher und namentlich sicherer. Bei der Erschwerung, die der neue Zolltarif mit seiner viel eingehenderen Ausge staltung den Zollbeamten im Abfertigungsdienst gebracht hat, kann es nur erwünscht sein, wenn eine leich tere Methode an Stelle einer schwierigeren gesetzt wird. Es ist sehr bezeichnend, daß . die Berliner Handelskammer in ihrer Eingabe die exakten Untersuchungen des erwähnten Vereins einfach übergangen hat und nur die bloße Behauptung aufstellt, daß die Stärke der Haare das charak teristische Merkmal der Wolle sei. Es wird aber zugegeben, daß selbst ein und dasselbe Wollhaar keine gleiche Stärke besitze, da das Wollhaar nicht konisch sei. Damit werden aber die Feststellungen der Kammgarn spinner in prinzipieller Weise bestätigt. Die Berliner Handelskammer vermag sich in ihrer Eingabe nur auf ein Gutachten englischer Kammgarnspinner zu berufen, das sich freilich über die wichtige Frage der Dicke und ihrer Beziehung zur Länge der Wollhaare völlig aus schweigt. Es verdient vielleicht festgestellt zu werden, daß deutsche Kreise in einer deutschen Zollangelegenheit der Reichs regierung englische Gutachten unterbreiten und verlangen, die deutsche Reichsregierung solle der Einfuhr keine Erschwerung bereiten, die von den englischen Importeuren nicht als rechtmäßig anerkannt würde! Vorläufig ist doch wohl noch die Auslegung des deutschen Zolltarifes eine deutsche Angelegenheit. Wir bezweifeln recht sehr, ob die englische Regierung bei der Auslegung eines englischen Gesetzes ein Gutachten deutscher Interessenten irgendwie beachten würde, ganz abgesehen da von, wenn das Gutachten um den springenden Punkt herumgeht. Man beruft sich in der Bekämpfung der jetzigen Zollverordnung noch darauf, daß im Zolltarife von Glanz wo Ile die Rede ist und daher die Länge der Wollhaare im Rohwoll- zustande maßgebend zu sein hätte. Nun ist aber für die Kammgarnspinnerei der Kamm zug das Produkt, aus dem die Kammgarne hergestellt werden. Es ist einfach absurd, bei der Zollabfertigung auf die Rohwolle Bezug nehmen zu wollen. Wie in Deutschland, so haben auch in England zahlreiche Kammgarn spinner überhaupt keine eigene Kämmerei; sie kaufen vielmehr den Kammzug und sie haben demgemäß die Rohwolle überhaupt nie gesehen. Das ganze Prinzip der Kammgarn spinnerei beruht nun darauf, die Wollfaser, wie sie im Kammzug ist, zwar zu strecken, zu egalisieren und parallel zu legen, aber doch unbedingt zu schonen. Gerade die hier in Rede stehenden Kammgarne werden ölhaltig gesponnen, wodurch die Schonung der Faser noch erleichtert wird. Es ist darum unrichtig, von einem sehr häufigen Zerreißen des Wollhaares im Spinn prozesse reden zu wollen. Ferner ist zu be denken, daß ein Garnfaden im Querschnitt 20—40 und mehr Wollfasern zählt. Wenn nun nach der neuen Verordnung nur 3 dieser Wollfasern über 20 cm Länge zu liaberi brauchen, so heißt das mit anderen Worten, daß 85'—95 Proz. der Wollhaare zerrissen werden können und daß dennoch solche.Garne zu dem niedrigen Zollsätze Eingang finden dürfen. Die Gegner der neuen Zollverordnung sind nicht in der Lage gewesen, eine bessere Unter- suchungsmethode vorzuschlagen. Das wird auch schwer fallen, weil allein dieLängenme s s u n g ein absolut genaues Ergebnis gewähr leistet und weil auf Grund des Zolltarifes ein anderes Merkmal als das der Länge nicht als gesetzlich anerkannt werden könnte. Man kann es wohl verstehen, wenn jene Kreise, die sich von 1888—1906 unter der unzuverlässigen Untersuchung der Kamm garne auf die Dicke hin sehr wohl befanden, jetzt -— gleichsam wie gewohnheitsrechtlich er worben —■ auch für die Zukunft dieselbe Methode beanspruchen. Die verbündeten Regierungen und namentlich die preußische, sächsische und die süddeutschen Regierungen haben aber er kannt und durch die neue Verordnung zuge geben, daß die Dickenuntersuchung halt los ist. Es erscheint ganz unmöglich, daß dieser auf Grund sorgfältigster amtlicher Unter suchungen gefaßte Beschluß wieder umgestoßen werden könnte. Die deutschen Kammgarnspinner verlangen einerseits, daß ihnen der minimale Zollschutz erhalten bleibt und daß somit keine Kamm garne zu dem niedrigen Zollsätze der „harten“ eingelassen werden, die nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, und andererseits, daß die Zollverordnung im Einklang mit dem Gesetze steht, also durch eine Ausführungs verordnung keine Änderung des Zolltarifes vor genommen wird. Sie haben außerdem die un widerlegbare Tatsache für sich, daß Dicke und Länge der Wollhaare absolut ohne Beziehungen zu einander stehen. Der Arbeitsmarkt in der deutschen Textilindustrie im Dezember 1906. Die Geschäftslage in der Baumwollindustrie war im Dezember des Jahres 1906 im allgemeinen gut. Fast, überall zeigte sich eine Verbesserung gegen Dezember 1905. Die Klagen über Arbeitermangel hielten fast in allen Bezirken an. Arbeitszeit und Arbeitsverhältnis waren den Berichten zufolge durch weg normal. Die Kammgarnspinnerei und ebenso die Vigognespinnerei waren gut beschäftigt. Teil weise herrschte Arbeitermangel. In der Buckskinfabrikation trat stellenweise eine Verschlechterung gegen den November ein. Die Nachfrage in der Roßhaarspinnerei hat sich im Vergleich zum Vormonat wieder gebessert. Die mechanischen Hanfspinnereien und Bind fadenfabriken waren im allgemeinen gut be schäftigt. Teilweise herrschte Arbeitermangel. Der Geschäftsgang in der Kunstzwirnerei und in der Strickwar-enfabrikation war im Dezember befriedigend. Auch hier herrschte stellen weise Mangel an geübten Arbeitskräften. Die Geschäftslage in der Tücherfabrikation hat gegen den Vormonat eine geringe Verschlech terung erfahren. Die Beschäftigung in der Tuchindustrie war, trotz einer Abschwächung gegen den Vormonat, immer noch befriedigend. Die Krefelder Seidenindustrie war im wesentlichen gut beschäftigt. Dasselbe trifft auf die Plauener Stickerei- und Spitzenindustrie zu. Die Nachfrage in der Färberei, Bleicherei und Appretur war nur zum Teil befriedigend. Stellenweise fand eine kleine Verschlechterung statt. In der Wäschefabrikation hielt die gute Nachfrage der vergangenen Monate auch im Dezem ber an, vielfach trat sogar eine Besserung gegen den Vormonat ein. Das Angebot in Arbeitskräften deckte die Nachfrage. Die Arbeitszeit blieb normal. Was den Geschäftsgang in der Konfektions industrie angeht, so besserte er sich nach den Berichten in der Herrenkonfektion gegen den Vor monat. In der Damenkonfektion war die Beschäf tigung den Berichten zufolge mäßig, da die Winter saison vorbei war und die Sommersaison im allge meinen noch nicht begonnen hatte. Die Arbeitszeit war normal. In der Putzfederindustrie war die Beschäf tigung im Monat Dezember, der einen Übergangs monat von einer Saison in die andere darstellt, im allgemeinen noch ziemlich rege; sie war naturgemäß etwas schlechter als im November, aber besser als im Dezember - 1905. Die Löhne blieben normal, während hier und da eine Verkürzung der Arbeits zeit nötig war. Die Korsettenfabrik waren im allgemeinen genügend beschäftigt, zum Teil besser als im Vor monat, da teilweise die Aufträge für das F rühjahr schon eingegangen waren. Das Arbeitsangebot deckte im wesentlichen die Nachfrage, wenn auch in ein zelnen Beschäftigungen wie gewöhnlich Arbeiter mangel herrschte. Überarbeit war nicht erforderlich,