Volltext Seite (XML)
Wendung der Maschine in diesem Sinne von höchster Bedeutung für den kulturellen Fort schritt sei. Bisher haben die Technologen der Hoch schulen, trotz wiederholten Hinweises auf die Notwendigkeit der Errichtung besonderer Ab teilungen für Fabrik-Ingenieure oder Ingenieur- Technologen, (nicht zu verwechseln mit den Ver waltungs-Ingenieuren für den Kommunal- und Staatsdienst in Charlottenburg), durchgreifenden Erfolg nicht erzielen können. — So interessant die Besprechung der Ursachen hierfür wäre, so muß dieselbe doch an dieser Stelle unterbleiben. Die große Bedeutung dieser Angelegenheit liegt darin, daß durch Überführung von Hochschul- Ingenieuren auch in dieses Gebiet der Industrie — was jetzt nur ausnahmsweise und erfahrungs gemäß erst auf Umwegen geschieht —, dieselbe leistungsfähiger werden und der Fortschritt sich in vielen Fällen schneller und gesicherter voll ziehen würde. Nicht etwa sollen fertige Spezialisten, z. B. für das Mühlenwesen oder die Faserindustrie usw. ausgebildet werden, was nicht den Zwecken der Hochschule entsprechen würde. Solche Lehrfächer sollen nur als Beispiele dazu dienen, den Studierenden im technologischen Sinne denken zu lehren; er soll das Fabrikationsfach von ver schiedenen Seiten und die allgemeinen techno logischen und wirtschaftlichen Gesetze kennen lernen, nach denen sich die Arbeitsprozesse voll ziehen. — Es soll gezeigt werden, wie man durch Zerlegung und Zusammensetzung selbst der schwierigsten technologischen Arbeitsprozesse, an deren vollständiger mechanischer Lösung über ein Jahrhundert geistiger Arbeit verwendet wurde, in kurzer Zeit Herr werden und zu deren Verständnis und Beherrschung gelangen kann. Ist dies z. B. in Bezug auf eine der komplizier testen Maschinen, den Selbstspinner der Baum- woll- und Wollindustrie, gelungen, der bekanntlich auf kaum 2 qm Grundfläche diejenigen Mechanis men vereint enthält, die durch eine eingeleitete Rotations-Bewegung ihre für den Nichtfach mann ans Wunderbare grenzende, auf mehrere hundert Spindeln gleichzeitig übertragene Tätig keit entwickeln und aus grobem Vorgespinst das Feingarn erzeugen mit so zarter Rücksichts nahme auf die besonderen Eigenschaften des Spinnstoffes, wie dies sonst nur von Seiten der Menschenhand möglich ist, und die dasselbe alsdann in gesetzmäßiger Weise so aufwickeln, wie dies für die Weiterverwendung erforderlich ist, — dann gibt es für ihn keine weiteren Schwierigkeiten. — Die Beherrschung der Kine matik des Selbstspinners hat ihn auf ein höheres Niveau gehoben. Mit hoher Freude an der ihm gewordenen Erkenntnis, die allerdings bedeutende Anforderung an sein Denk- und Vorstellungs vermögen stellt (weshalb auch die darstellende Geometrie ein sehr geeignetes Vorbildungsfach für den Technologen ist), wird er dann an andere Aufgaben gehen und seiner selbst immer sicherer werden. In die Welt des unendlich Kleinen muß ferner im mechanisch-technologischen Labora torium der zu bildende Technologe eingeführt werden, er muß mit dem bewaffneten Auge die mikroskopisch kleinen Organe kennen lernen, aus denen sich die Rohmaterialien zusammen setzen, er muß den Bau der Zellen, ihre Gruppie rung, er muß durch das Experiment die physi kalischen, chemischen und mechanischen Eigen schaften des Rohstoffes sowie der Halb- und Ganzfabrikate kennen lernen, um volles Ver ständnis für die Verarbeitungsmethoden zu er- | langen, welche sich auf jenen aufbauen. — Er wird alsdann bei der Wahl der Werkzeuge, die zur Verarbeitung eines bestimmten Rohmaterials zu einem bestimmten Fabrikate dienen können, keinen Fehler begehen, er wird störende Er scheinungen während der Verarbeitung alsbald auf ihre Ursachen zurückzuführen vermögen und nicht etwa, wie häufig der Empiriker, durch Hin- und Herprobieren — die Ursachen der fehlerhaften Erscheinungen schließlich doch nicht ergründen und jene daher auch nicht beseitigen können, wenn ihm nicht der Zufall zur Hilfe kommt.*) (Schluß folgt.) *) Schreiber dieses, ein jetzt alter Akademiker und Praktiker, hatte seine helle Freude, zu sehen, wie Schüler von ihm, welche großen Etablissements als Leiter vorstehen, sich Laboratorien nach Art des technologischen, in dem sie s. Z. als Studierende ge arbeitet, eingerichtet hatten und ihm versicherten, daß es ihnen absolut unmöglich sei, die Fabrikation ohne dasselbe rationell und ohne Ausstellungen von Seiten der Kunden befürchten zu müssen (die übrigens auch von Jahr zu Jahr klüger werden und ihre An sprüche an die Qualität der Fabrikate erhöhen), durchzuführen. — Ich habe ferner den Vorzug, mit einem hoch intelligenten Schüler des verstorbe nen, unvergeßlichen Technologen Dr. E. Hartig, Dresden, an ein und demselben Etablissement wirken zu können, der aus der Abteilung für Fabrikingenieure mit der Diplomarbeit: „Versuche über das Trocknen gewaschener Schafwolle in erwärmtem Luftstrom (Civil-Ingenieur, XXXIX. Band, 1. Heft),“ hervor gegangen ist. Er wirkt als disponierender Direktor in jeder Weise tadellos, nicht nur zu meiner, sondern auch zur Freude der Aktionäre, was die Haupt sache ist. Warum die erwähnte Abteilung für Fabrik ingenieure in Dresden aber eingegangen und warum der würdige Nachfolger Hartigs immer noch nicht zur Neuformierung einer solchen gekommen ist ~ ist mir zwar genau bekannt, kann aber hier nicht erörtert werden. D. Verf. Die Zollabfertigung harter Kammgarne. Aus den Kreisen der Kammgarnspinner wird uns geschrieben: Durch die Presse sind in letzter Zeit Mit teilungen über eine angebliche Unsicherheit bei der Zollabfertigung harter Kammgarne gegangen, die eine Richtigstellung bedingen. Einige Handelskammern (z. B. die Berliner) und Firmen haben bei dem Reichsschatzamt den Antrag gestellt, für die Zollabfertigung „harter Kammgarne aus Glanzwolle von über 20 cm Länge“ wieder die Dicke der Wollhaare als Untersuchungsmerkmal einzuführen. Mit Inkraft treten des neuen Zolltarife» ist diese seit 1888 gültig gewesene Untersuchungsmethode aufge hoben und bestimmt worden, daß nur solche Kammgarne als harte Kammgarne zu dem minimalen Zollsatz von 3,50 Mk. per 100 Kilo (za. 0,75 Proz. vom Werte!) eingehen dürfen, die in 5 Garnabschnitten von je 60 cm Länge 15 Wollhaare von über 20 cm Länge haben. Es sollen also jetzt im Garnfaden im Quer schnitt durchschnittlich drei Haare vorkommen, um einer Garnsendung den niedrigen Garnzoll zukommen zu lassen. In einzelnen Preßmitteilungen sind nun auch solche Handelskammern als angebliche Befür worterinnen des Antrages auf Wiedereinführung der Dickenuntersuchung angegeben worden, die den Antrag der Berliner Handelskammer ab gelehnt und dahin sich ausgesprochen haben, daß die neue Untersuchungsmethode d u r c h a u s z u v e r 1 ä s s i g ist und mit dem Gesetze nämlich dem Zolltarif — in Einklang steht. Es muß verwundern, wenn in den Äußerungen zur Eingabe der Berliner Handelskammer Be hauptungen wiederkehren, die bei den Zoll verhandlungen längst abgetan worden sind. Dahin gehören beispielsweise die Behauptungen, daß Kammgarne wie die englischen nicht auch in Deutschland hergestellt werden könnten, daß die dazu verwendete Rohwolle den deutschen Kammgarnspinnern nicht zur Verfügung stände und daß die deutsche Industrie die englischen Kammgarne weder gleichwertig noch genügend herstellen könne. Alle diese Behauptungen sind gegenstandslos. Die deutsche Kammgarn spinnerei steht in technischer Hinsicht an der Spitze aller Länder; sie hat die Rohwolle — einen ausgesprochenen Welthandelsartikel — genau so zur Verfügung, wie die englische Industrie. Es ist bekannt, daß die Produktion der Wolle in England eine im Verhältnis zur gesamten Wollproduktion so minimale ist, daß sie absolut nicht ausreichen kann, den Bedarf in sogenannten harten Kammgarnen zu decken. Diese Kammgarne werden zum überwiegendsten Teile aus Kolonialwollen hergestellt. Wie auf dem Kontinent, ist auch in England die Woll- i Produktion zurückgegangen, der Verbrauch j riesig gestiegen. Nach den alljährigen Fest stellungen des Yorkshire Daily Observer bilden die englischen Glanzwollen kaum noch 2 Proz. des Wollverbrauches Großbritanniens. England verarbeitet zu annähernd 80 Proz. Kolonialwolle, die ausschlaggebend für die Weltversorgung ist. Von dem Ertrag der englischen Schafzucht ist in den letzten Jahren ein immer größerer Teil exportiert worden; während es 1894 nur 9,2 Proz. waren, betrug die Ausfuhr einheimischer Wolle aus England 1900 schon 18 Proz, und in den letzten Jahren zwischen 27 und 29 Proz. Wer nur einigermaßen die Organisationen des Wollhandels kennt, der weiß, daß jedem Kamm garnspinner in der Welt durch direkte Einkäufe, durch Auktionen und natürlich durch den Zwischenhandel jede Wollsorte zur Verfügung steht, die er nur zu haben wünscht. Man sollte darum endlich die Behauptung aufgeben, daß nicht auch den deutschen Kammgarnspinnern alle die Wollen zur Verfügung stehen, die für irgend eine Kammgarnqualität benötigt würden. Die Änderung der Vorschriften über die Zollabfertigung harter Kammgarne wird nun als eine „höchst unglückliche“ bezeichnet, weil jetzt anstatt der Dicke der Wollhaare die Länge zu untersuchen ist. In der Zollposition für harte Kammgarne ist nichts von der Dicke der Wollhaare gesagt. Es ist nun aber klar, daß eine Ausführungsverordnung zum Zolltarife diesen selbst nicht abändern kann. Der Zolltarif spricht nur von Glanz, Härte und Länge. Die ersten beiden Momente sind vollkommen relative Begriffe. Es gibt für Kammgarne keine Skala des Glanzes oder der Härte. Das sind Begriffe, die bei jedem Unter sucher verschiedene Beurteilung finden können. Für diejenigen Kammgarne freilich, welche bei Einführung der unglücklichen Zollposition Mitte der 80 er Jahre als harte, glänzende Kammgarne gemeint waren, kann ein Zweifel weniger auf kommen. Es sind aber von den englischen Garnexporteuren ungeheuere Mengen als harte Kammgarne bezeichnet worden, die als solche gar nicht aufzufassen waren. Man versuchte, auch diese zu dem niedrigen Zollsätze durch-