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sich so frei bewegen könnte, wie es der faden lose Filz zuläßt, wäre das allerdings zuge standen; aber wie oft muß ein Stoß oder Schlag erfolgen, ehe die Faser sich in dem eingeklemmten Faden auch wirklich bewegt ? Sobald wir ein ganz lose eingestelltes Gewebe oder gar lose gedrehtes Garn eines gut walk fähigen Materiales verarbeiten, schreitet das Eingehen bedeutend rascher vorwärts, als wenn eine fest eingestellte Ware oder ein in Kette und Schuß festgedrehtes Garn vor liegt. Nun trifft aber auch nicht jeder Stoß oder Druck der Walkmaschine die ganze Fasermasse des Stückes, und es dauert immer hin einige Zeit, bis mehr oder weniger alle der Reihe nach zur Verschiebung gebracht wurden. Das Ineinandergreifen der Schuppen ist jedenfalls ein rein mechanisches und er folgt mehr oder weniger langsam in dem Maße, in welchem dieselben in die passende Lage kommen; es erfordert also Zeit und wird langsam fortschreitend immer enger und inniger werden. Man hat auch dem Kräuselungsvermögen der Wolle einen bestimmten Einfluß auf das Walken zugeschrieben und behauptet, eine langgestreckte Faser aus sonst gekräuselter Wolle würde infolge dieser Eigenschaft rascher eingehen, als eine minder gestreckte. Es ist fraglich, ob man diese Behauptung ohne weiteres gelten lassen kann; denn dann würde jg. Kammgarn, bei welchem die Faser doch in den Streckmaschinen bis-zur äußer sten Grenze ausgezogen resp. gestreckt wird, rascher und stärker eingehen, als Streichgarn, bei dem die Faser weniger glatt angeordnet sind. Gewiß sind beim Kammgarne noch einige andere Umstände mit in Rechnung zu setzen. Die schöner und glatter angeord neten Fasern im F-aden können sich besser aneinander schmiegen und auf diese Weise, da es mehr Berührungsstellen gibt, besser gegenseitig verbinden, andererseits aber sind die Fasern fester zusammen gedrängt, wo durch ihre Fortbewegung mehr gehemmt wird. Herr Ditzel stellt in seiner mehrfach er wähnten Arbeit die Behauptung auf, daß beim Filzen von gekrempelter Wolle in einem Säckchen mehr Haarspitzen als Haar enden aus dem Filz hervorständen. Dies mag in dem angezogenen Falle zutreffen, ob es aber für den gesponnenen Fad n sich ebenso verhält, ist wohl sehr fraglich. Setzen wir den Fall, in einem gesponnenen Faden stehe ein Wurzelende etwas vor, so wird dieses Haar nie nach der Mitte des Fadens hin, son dern nur nach auswärts ev. in die Nachbar fäden oder zurück in den Mutterfaden ein wandern. Es ist das bedingt durch den Bau der nach oben gerichteten Schuppen, das Haar kann nur gegen das Wurzelende hin wandern, genau so, wie eine Korn- oder Weizenähre, die uns zufällig in den Rockärmel geraten ist, den ganzen Ärmel hinaufkriecht, wenn ihre Spitzen nach Unten gerichtet sind. Auch die Wärme soll nach demselben Autor bei dem Walken auf das Kräu selungsvermögen resp. auf die Krumpf kraft und hierdurch auf das Eingehen hin wirken. Die geringe Temperaturerhöhung von etwa 30° C wird wohl hier weniger auf das Krumpfen selbst, als auf das Gleiten und die Schmiegbarkeit des Haares einwirken. Glanzwolle, z. B. Crossbredwolle, hat nach der beigegebenen Schuppentabelle nur 57 Schuppen pro cm bei einem Durchmesser von 4Ü / 1000 mm. Nach der auf gestellten Theo rie müßte demnach diese Wolle noch rascher walken als Kap-Merinowolle. Dies ist auch der Fall und nach unserer Ansicht spielen hier 3 Ursachen mit und zwar: 1. Das Vorhandensein von Schuppen und deren verhältnismäßig geringe Zahl. 2. Die dadurch bedingte Faserglätte, wo durch die Haare leicht gleiten können. 3. Die Steifheit, sowie die Dicke des Haares, wodurch dieses beim Stoß als Ganzes mehr vorgeschoben wird, da wegen der Dicke und Steifheit ein Stoß sich leichter fort pflanzt. Die beiden letzteren Umstände wirken bei diesen Wollen so stark auf das Schieben der Faser ein, daß sich ganze Fäden mit unter in Form von Schlingen aus der Ware herausarbeiten, sodaß man sagt, die Fäden oder Fasern schössen beim Walken, ja bereits beim Waschen an den Falten förmlich durch. Bei dieser Art Ware ist man deshalb stets genötigt, äußerst vorsichtig zu Werke zu gehen und ev. die Ware in den sogenannten „Sack“ genäht zu behandeln. Um genaue Beweise für das eben Gesagte zu erhalten, ließen wir auf einer baumwolle nen Kette je einen Abschnitt mit verschie denem Einschlag weben und zwar wurde zu nächst ein Stück von 20 cm Länge mit einem Crossbred-Zwirnschuß von 2/24er gewoben und hernach ein gleich großer Abschnitt mit feinem Streichgarnschuß von 23000 Meter pro Kilo, doppelt gespult, eingeschlagen. Letzteres Garn bestand aus 50 Proz. feiner Sidney-Wolle und 50 Proz. feiner Merino kämmlinge. Damit nicht etwa eine zweite wollene Faserlage in der Kette auf das Einwalken des Schusses auf die eine oder andere Art einwirkte, wurde eine baumwollene Kette ge wählt. Dieses Stück Ware von 40 cm Länge wurde nun zunächst ausgewaschen und dann eine halbe Stunde* lang auf die Breite ein- gewalken, wobei die Stelle mit dem Cross- bred-Garn 47,11 Proz. und diejenige mit dem feinen Merinoschuß nur 32,65 Proz. einge gangen war. Hier fällt auch noch weiter ins Gewicht, daß das Crossbred-Garn gezwirnt war und das feine Merinogarn nur aus einem einfachen lose gedrehten Schuß, der, um die annähernde Schwere des anderen zu erreichen, gedoppelt war, bestand. Zum Walken wird, wie schon mehrfach bemerkt wurde, auch Feuchtigkeit, ev. in Verbindung mit Wärme, zu Hilfe genommen. In früherer Zeit wandte man Seifenlauge entweder allein, oder in Verbindung mit anderen alkalischen Substanzen, z. B. mit Urin an; heute wird bekanntlich auch mit unter mit Säuren gewalkt, und man ver wendet zum Walken stückfarbiger Ware mit Vorliebe stark verdünnte Schwefelsäure, da gegen zu wollfarbigen Sachen verdünnte Essigsäure. Feuchtigkeit gehört unbedingt zum Walken und Filzen, ohne dieselbe geht der Prozeß garnicht vor sich. Die Feuchtig keit erfüllt einen zweifachen Dienst. Zu nächst macht sie die Faser schlüpfriger, so daß sie leichter gleiten kann. Dann erweicht sie auch das Haar und zwar in erhöhterem Maße, wenn gleichzeitig etwas erwärmt wird; hierdurch wird dasselbe geschmeidiger und formfähiger. Das Rauhen der Stoffe erfolgt ja fast ohne Ausnahme ebenfalls in feuchtem Zustande. Wollte man das Stück trocken rauhen, so würde zunächst nicht die gewünschte Glätte erreicht; denn ein großer Teil verfilzter und anderer Wollhaare könnte, weil ihnen die nötige Geschmeidig keit und Glätte fehlte, nicht nachgeben. Die an der Oberfläche zum Teile freiliegenden, aber doch fest haftenden Haarenden, fänden nicht Zeit genug sich zu entwirren, und sie würden abgerissen und als Flocken abgeführt. Verwendet man zum Walken Seifenlauge, also eine schlüpfrige Flüssigkeit, so darf diese nicht zu reichlich zugesetzt werden; denn wenn die Ware zu naß oder durch großen Seifengehalt zu schlüpfrig ist, kön nen die Schuppen sich nicht festhaken. Auch wird die Ware nicht leicht walken, wenn die selbe noch viel Schmutz und öl enthält. Es ist deshalb ja auch gebräuchlich, sehr schmut zige und fetthaltige Stücke vor dem Walken ganz oder wenigstens zum Teile auszu waschen, wobei sich, wie man sagt, die Schup pen reinigen. Den richtigen Gehalt an Seife in der Lauge zu bestimmen, ist Sache des Walkmeisters, der die Verdünnung nach der zu behandelnden Ware zu nehmen hat. Bei einer Ware, die zum Kahlscheren bestimmt ist, z. B. Strumpftrikot, Buckskin und über haupt Stoffen, welche einen guten Schluß, aber weniger Filz haben soll, wird man nässer walken dürfen, — und zwar mit einer Lauge aus reinem Kondenswasser und verdünnter Seifenlösung, bei kühlem Gang auf der Walk- maschine oder ev. durch eine lang andauernde Wäsche — als für den Fall, daß es sich um gedeckte Ware handelt. Bei Feintuchen, bei denen man auf einen kernigen Filz sieht, kann und muß man trockener walken; um dann aber ein zu starkes Abflocken zu ver hüten, wendet man eine mehr konzentrierte Seifenlösung an. Geht diese Ware aber zu trocken, so hört das Eingehen und Filzen nach und nach ganz auf, und der Stoff wird dann durch starken Materialverlüst (Flocken) geschädigt- Nicht selten kommt es' vor, daß sogar Bruderstücke von einer und derselben Kette und genau demselben Einschlag bei gleichem Dessin in der Appretur ganz verschieden aus fallen ; das eine Stück ist weich und das andere hart beim Anfühlen, und man neigt leicht zu der Ansicht, in der Weberei müsse irgend ein Irrtum untergelaufen sein, indes der Unterschied mitunter auf verschieden artige Behandlung in der Appretur zurück zuführen ist. Wurde das eine Stück'mit schwächerer Lauge oder bei anderer Tempera tur, oder auf einem andern System von Walken behandelt, als das Zwillingsstück, so wird unter allen Umständen ein äußerer Unterschied bemerkbar werden. Deshalb sollen Wäscher und Walker dieselbe Qualität von Ware ganz genau mit gleich starken Laugen, bei genau derselben Temperatur und mit denselben Maschinen behandeln, wenn sie musterkonforme Ware liefern wollen. Das Walken mit Säuren war seit langen Jahren bei der Herstellung von gewöhnlichen Filzhüten und anderen Filzen bekannt und man glaubte allgemein, daß die Säuren nur das Reinigen der Wollschuppen besorge. Noch im Jahre 1902 schrieb ein Fachmann, daß die Zugabe von Seifenlauge oder von Säuren beim Walken nur das Reinigen der Woll schuppen bezweckten. Löbner führt in sei nem schon angeführten Werke an, „daß Ver suche gezeigt hätten, daß die Säuren den na türlichen Trieb der Wollfaser, in die ihr eigene Spiralform zurückzukehren, förderten | und in der schwachen Anwendung von l 4 / 2