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SPEZIAL-NUMMER DER LEIPZIGER MONATSCHRIFT FÜR TEXTIL-INDUSTRIE. [No. III. Die Zahl der durchreisenden Deutschen, die sich bei dem Handelssachverständigen Rat holten, hat im Berichtsjahr erfreulich zugenommen. Von Berichten des Handelssachverstän digen aus dem Jahre 1906 seien zunächst der Jahresbericht über den Handel Schanghais im Jahre 1905 sowie der über Chinas Außen handel und wirtschaftliche Entwickelung im Jahre 1905 genannt, von denen einzelne Teile, u. a. auch der in Spez.-Nr. I des laufenden Jahrgangs dieser Monatschrift zum Abdruck gebrachte Artikel über die „Einfuhr von Textil waren über Schanghai“, in den vom Reichs amt des Innern veröffentlichten „Nachrichten für Handel und Industrie“ für 1906 wieder gegeben sind. Für den Handelssachverständigen bei dem Kaiserlichen Generalkonsulat in Yokohama war das Jahr 1906 das erste seiner Tätigkeit. Das Journal des Sachverständigen schloß für das Jahr 1906 mit der Nummer 327. Auskunft bezüglich des Absatzes deutscher Waren in Japan wurde in 130 Fällen erteilt, solche über den Absatz japa nischer Waren in Deutschland in 5 Fällen. Die größte Zahl der Anfragen rührt her von deutschen Fabrikanten und Exporteuren, die Zahl der Anfragen japanischer Interessenten ist zunächst eine geringe. Ein Überblick über diejenigen Waren, über welche am häufigsten Auskunft erbeten wurde, ergibt sich aus nachstehender Tabelle: Erzeugnisse Großeisenindustrie und Maschinenbau Kleineisen- und Metallindustrie . . Textilwaren und Wäsche . . . Chemikalien, Drogen, Farben . . . Papier und Papierwaren Steine und Erden, Zement . . • • Leder und Lederwaren Physikalische u. Präzisionsinstrumente Bauten und Architektur Bergbau Stellengesuche Zahl der Anfragen 60 19 12 6 4 4 8 7 7 3 4 Sämtliche eingegangenen Anfragen wurden erledigt. In 34 Fällen wurden Kataloge und ähnliche Unterlagen zugesandt. Die Vermittelung in geschäftlichen Differenzen und Schuldforderungen, die aus der Einfuhr deutscher Waren in Japan entstanden waren, hat sich auf zwei Fälle beschränkt. Zum Zwecke der Vorbereitung der Aus kunfterteilung wurden 21 Schreiben mit japanischen Firmen und 38 Briefe mit japa nischen Behörden gewechselt. Von letzteren kamen in Frage die Handelskammern und die Abteilung „Handelsmuseum“ des Ministe riums für Ackerbau und Gewerbe. Anfragen über Musterschutz, Pa tente und Patent Verwertungen, sowie Anfragen über Zölle waren häufig mit denjenigen über die Absatzmöglichkeit deut scher Waren verbunden. In der Eigentüm lichkeit der japanischen Verhältnisse ist es begründet, daß die Anfragen zum größten Teile den Wunsch nach Angabe geeigneter Vertretung enthielten. Persönliche Besuche durchreisender Interessenten und Studienreisender waren wenige zu verzeichnen. Die meisten waren außerdem mit persönlichen Empfeh lungen reichlich versehen und nahmen die Mitwirkung des Sachverständigen zur Er reichung ihrer Zwecke nicht in Anspruch. Und doch wäre gerade eine nähere Fühlung mit diesen Herren für den Sachverständigen wertvoll, weil er dadurch über die Bedürf nisse der Interessenten im Heimatlande sich in direktem Verkehr unterrichten kann. Zu Informationszwecken wurde eine größere Reise durch Mittel- und Südjapan unter nommen, die hauptsächlichsten Industrie- und Handelszentren dabei besucht und Fabriken besichtigt. Viele Reisen nach Tokio waren nötig, um Auskünfte zu erhalten und Be ziehungen zu den in Frage kommenden japa nischen Behörden und Privaten anzuknüpfen. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag in der mündlichen Auskunfterteilung und der Fühlungnahme mit den deutschen Import- und Exportfirmen in Japan. Bei den japanischen Verhältnissen ist für den deutschen Produzenten ein direkter Ab satz seiner Erzeugnisse an japanische Inter essenten nur in ganz seltenen Fällen zu raten; es ist notwendig, daß er sich der Vermitte lung der dort ansässigen Importfirmen be dient. So war es für den Sachverständigen geboten, das Vertrauen dieser Firmen sich zu gewinnen. Es kam darauf an, sowohl den deutschen Fabrikanten die für sie geeigneten japanischen Häuser nachzuweisen und diese für sie zu interessieren, als auch den Import firmen für ihre Zwecke geeignete Firmen in Deutschland anzugeben, damit sie ihre Ge schäfte in erster Linie mit deutschen Firmen abwickeln. Es wurde ferner Wert darauf gelegt, diese Firmen über mögliche Absatz gelegenheiten und bevorstehende Geschäfte laufend zu informieren, ihnen, wo das angängig war, zur Erreichung ihrer Zwecke durch eine allgemeine Fürsprache für deutschen Handel und deutsche Industrie förderlich zu sein, ihnen die Bekanntschaft von Japanern zu vermitteln, die ihnen für ihre Zwecke wünschenswert erschien. In besonderen Fällen wurde technischer Rat erteilt. Das Gleiche wie für die Firmen gilt für die von ihnen angestellten Ingenieure und für die nach hier entsandten Vertreter deutscher Firmen. Ein großer Teil der von diesem Handels sachverständigen erstatteten Berichte ist den jeweiligen Interessenten unmittelbar in ver traulicher Form zugegangen, da eine Ver öffentlichung in anderer Form den Interessen der deutschen Industrie nicht förderlich er schien. Andere Berichte wurden in den „Nach richten für Handel und Industrie“ veröffent licht. Dem Handelssachverständigen bei dem Kaiserlichen Generalkonsulat in Konstantinopel brachte das Jahr 1906 eine wesentliche Ver mehrung der Wirksamkeit, die sich ziemlich gleichmäßig auf alle einschlägigen Fragen seiner Tätigkeit erstreckte. Der Umfang des Journals hat sich von 309 Nummern im Jahre 1905 auf 460 Num mern im Jahre 1906 gehoben. Was die A uskunfterteilung überden Absatz deutscher Waren betrifft, so muß in Berücksichtigung gezogen werden, daß Konstantinopel durch die von Tag zu Tag bequemer und schneller werdenden Ver bindungen den europäischen Industriezentren so nahe gerückt ist, daß viele Industrielle vor Anknüpfung von Geschäftsverbindungen mit dem Orient oder auch später, teils selbst, teils durch ihre Reisenden, sich mit dem Markte vertraut machen. Da ferner die meisten Geschäfte durch die in Konstantinopel ansässigen Kommissionäre, die ihrerseits — zum Teil jährlich und öfter — den Kontinent besuchen, sich vollziehen, | ' sind ziemlich rege Wechselbeziehungen vor handen, die in vielen Fällen einen schriftlich einzuholenden Rat des Sachverständigen ent behrlich machen. Vermindert sich nun hierdurch die schrift liche Auskunfteinholung, so wird andererseits die mündliche Inanspruchnahme des Handelssachverständigen außerordentlich aus gedehnt. Unter den mündliche Auskunft i Suchenden ist der Reisende, der den Platz oder den Orient zum ersten Male bereist, ; naturgemäß am häufigsten vertreten; dann er scheint auch der Reisende, der zwar den Orient schon kennt, sich aber aus irgend einem Grunde eine unparteiische Auskunft oder einen Rat holen will. Häufig — aber noch viel zu selten — kommen die Fabrikanten und die Unternehmer selbst, meist aber erst, nachdem sie schon längere Zeit mit dem Orient gearbeitet haben, um sich persönlich zu orien tieren und eine Ausdehnung ihrer Geschäfte zu versuchen. In neuerer Zeit verbinden viele derselben die jetzt so außerordentlich beliebt geworde nen Erholungs- und Vergnügungsreisen mit geschäftlichen Zwecken und kommen persön lich, um sich über Absatzmöglichkeit und eventuelle Geschäftsanknüpfung Rat und Auskunft erteilen zu lassen. Schließlich er scheinen auch die in Konstantinopel ansässigen Vertreter deutscher Häuser mit deren Reisen den oder Chefs, um diese zu überzeugen, daß diese oder jene Erleichterung usw. bei den j Geschäftsabschlüssen im Interesse ihres Zu standekommens gelegen ist. Es ist gerade im verflossenen Jahre dem Handelssachver ständigen gelungen, durch Bestätigung der artiger berechtigter Wünsche seitens der dortigen Vertreter wertvolle Beziehungen zu erhalten oder zu ermöglichen. Hieraus darf nicht geschlossen werden, daß bei dem deutschen Generalkonsulat in Konstantinopel nicht eine große Anzahl den Absatz betreffenden Anfragen einläuft; sie sind zumeist einfacher Art und werden von ihm, in geeigneten Fällen unter Zuziehung des Handelssachverständigen, erledigt. Einige größere Erhebungen erfordernde Anfragen wurden von diesem ausschließlich bearbeitet. Die Auskunfterteilung an Fremde bezüglich des Bezugs deutscher Waren oder des Absatzes türkischer Waren nach Deutschland geschieht, da der türkische Handel zum großen Teil in Konstantinopel konzen triert ist, fast ausschließlich auf mündlichem Wege. Der Rat des Sachverständigen wurde auch von dieser Seite in vielen Fällen in Anspruch genommen. Doch mußte in mehreren Fällen von einer Auskunfterteilung im Interesse der deutschen Industrien abgesehen und zu mal das Begehren nach Produzentenlisten öfters abgeschlagen werden, da sich um der artige Kenntnisse viele Elemente bewerben, die nicht geeignet oder würdig sind, deutsche Industrien im Orient zu vertreten. Die besonderen Verhältnisse in der Türkei lassen es für den Handelssachverständigen als vornehmste Aufgabe erscheinen, für alle Fragen des praktischen Wirtschaftslebens ein nach Möglichkeit genaues Material zu sammeln, um es zur Auskunftserteilung und für Berichte, die der Allgemeinheit oder speziellen Inte ressentenkreisen zugänglich gemacht werden, zu verwenden. Hierauf ist von Anfang an besonderes Augenmerk gerichtet und mit allen maß gebenden Kreisen der internationalen Kauf mannschaft entsprechende Fühlung genommen