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mernden Atlasgrund sich das Dessin in stumpfem Taffetgewebe loshebt. Fig. 28. Original in der Kgl. Gewebesammlung zu Crefeld. (*/ 3 der nat. Grösse.) In den Sammetstoffen dieser Epoche ist die | Zeichnung häufig nur durch schmale Contur- j linien hervorgebracht, welche in dem dichten | Sammet vertieft liegend, den Atlasgrund her vorscheinen lassen (Fig. 28). Es befinden sich in unseren Museen und Kirchen derartige Muster in grosser Zahl; in den Farben sind | es vor Allem ein prächtiges leuchtendes Grün, | ferner roth, blau und schwarz, welche durch | ihre unverwüstliche Dauerhaftigkeit noch heute unsere Bewunderung erregen. Doch nicht nur diese einfarbigen Muster, welche mehr durch den Glanz des Materials und die Schönheit ihrer tiefsatten Farben wir- | ken, waren es, die uns Kunde geben von der I hochentwickelten Textilfabrikation jener Zeit, — es finden sich sowohl in Seide wie in Sammet die herrlichsten und reichsten Texturen vor, wie sie in solcher Pracht vordem noch nicht angefertigt worden sind. Da sehen wir auf starkem golddurchwirktem Grunde in leuchtend rothem Sammet die fünfblättrige Rosenforin, inmitten derselben durch Goldfäden, in Art | des ungeschnittenen Sammets einbrocbirt, den blühenden Granatapfel. Wir finden Seiden- ' gewebe auf glänzendem Atlasgrund, inmitten buntfarbiger Umrahmungen aus Kelchen, Blü- { then, Pfauenfedern etc. den Granatapfel in Gold brochirt. Auch Sammetstoffe mit mehreren, ver- , schiedenfarbigen Poilketten wurden fabricirt, I eine Thatsache, welche hinsichtlich der vorge- , schrittenen Webetechnik erwähnenswerth ist. So zeigt Fig. 29 ein Muster, welches auf gelb lichem Satinfond zum grössten Theil (in der Zeichnung schwarz) aus dunkel bordeauxrothem Sammet besteht, während die grossen und kleinen Granatäpfel, die Blüthen, Wolken und Strahlen in hellrothera, grünem und weissem j Sammet gewebt sind. Es ist dieses Muster | noch in anderer Hinsicht interessant. Ver gleicht man dasselbe mit Fig. 24, so findet I man, dass der Theil des Musters, welcher zwischen den die Granatäpfel umgebenden fünfblättrigen Rosen liegt, bestehend aus styli- sirten Wolken mit daraus hervorbrechenden Strahlen und darauf sitzenden Vögeln, grosse Aehnlichkeit mit einer entsprechenden Stelle in Fig. 29 hat. Zeigt Fig. 24 noch scenische Thierdarstcllungen, dazwischen in bescheidener Weise den Granatapfel, so sehen wir in Fig. 29 ein Muster, auf welchem die Thierfigurationen bereits zu einem Minimum zusammengeschmol- zen sind, während der Granatapfel mit seiner Umgebung die dominirende Stelle eingenommen hat. In verschiedenen Sammlungen findet sieh denn auch dieses letzte Muster mit der kleinen Abweichung, dass aus dem darin vorkommen den Vogel ein grösseres Blatt geworden ist, welches dem Mittelstamme entspriesst, so dass bei diesen drei Dessins der allmähliche Ueber- gang der Musterung einer Zeit- oder Stylperiodc in diejenige der folgenden recht sichtbar ist. Eine interessante Art des Granatapfelmusters entwickelte sich gegen das Ende des 15. Jahr hunderts. Breite, im Innern ornamentirte, wellenförmig bewegte Bänder oder Stämme wachsen in leicht geneigten Linien aufwärts nach den Seiten Aeste entsendend, an welchen Blüthen, Blätter und kleine Granatäpfel sitzen, während die Bänder selbst in gewissen Zwischen räumen durch mächtige Granatäpfel bedeckt werden, umgeben von der mehrblättrigen Rosen form in geschnittenem Seidensammet, häufig in zwei verschiedenen Höhen. Während die in Sammet gewebten Theile des Musters meist mit kleinen eingewebten Goldöschen bedeckt sind, sind die inneren Kerne der Granatäpfel nicht selten in ungeschnittenem Goldsammet — or frise — dargestellt, Fig. 30. Ein Vorläufer für diese Art der Musterung dürfte in Fig. 26 zu erblicken sein, bei welchem nach Wegfall der scenischen Beigabe ein pflanzliches Dessin entsteht, welches in seiner Anlage grosse Aehn lichkeit mit derjenigen des hier vorliegenden Fig. 29. Original im Schatze der Marienkirche zu Danzig. (’/ 8 der nat. Grösse.) aufweist. Es erregen diese Stoffe in ihrer kräftigen unverwüstlichen Qualität, in ihren prachtvollen Farbeneffecten — rother oder tief blauer Sammet auf Goldgrund — endlich die colossalen Rapporte der Muster, oft in Meter ¬ höhe, in vollstem Maasse unsere Bewunderung, und es darf wohl mit Recht behauptet werden, dass kaum zu einer anderen Zeit Gewebe von so imponirender, decorativer Wirkung herge stellt worden sind. Diese Stoffe, welche ihrer Fig. 30. Original im Schatze der Marienkirche zu Danzig. (*/ 10 der nat. Grösse.) Natur nach vor Allem sich eigneten zum Schmuck der Wände und als Behänge für die Kirche, fanden nichtsdestoweniger auch Ver wendung für die Kleidung des menschlichen Körpers. Es ist die Mode des burgundischen Hofes in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhun derts, welche, in der Anwendung ungeheurer Stoffmassen für diesen Zweck, die Möglichkeit bot, diese Riesenmuster, noch einigermaassen im Zusammenhänge wirkend, zu verwenden. So sehen wir auf Bildern jener Zeit die Damen angethan mit weiten faltenreichen Gewändern, die oft meterlange Schleppe aufgenommen unter dem Arme tragend, die Edelleute vom Hofe Karl’s des Kühnen bekleidet mit mächtigem Obergewande, welches durch seine übermässige Länge in Falten am Boden liegt. Die Stoffe jener Kleidungsstücke, durchzogen von den grossartigen Mustern, wie sie oben beschrieben, wurden mit Hermelin und Pelzwerk verbrämt und glitzernden Edelsteinen besetzt. Selbst die Heiligen, die Gestalten der biblischen Ge schichte wurden von den Künstlern jener Zeit dargestellt, bekleidet mit den reichen Sammet brokaten der burgundischen Epoche. So sehen wir auf dem grossen Kölner Altarbild die hei ligen drei Könige mit reichem Gefolge heran ziehen, als wären sie selbst burgundische Her zöge. Die im Schmerz am Kreuz hingesunkene heilige Magdalena ist gemalt worden im glän zenden Festcostüm des burgundischen Hofes. Dass die Kosten derartiger Stoffe in’s Un geheuerliche gegangen sein müssen, liegt auf der Hand, und es darf daher nicht verwun dern, wenn ein Schriftsteller jener Zeit über die Kleiderpracht und den Luxus damaliger Zeit sich folgendermaassen auslässt: „Die Edel leute stecken vollständig in Gold und Silber, in Sammet und Seide, Satin und Taffetas; ihre Mühlen, Wiesen, Aecker und Holzungen, kurz, ihr Einkommen verschwenden sie in An schaffung von Kleidungsstücken, wovon die äussere luxuriöse Ausstattung oft noch den Preis der Stoffe bedeutend übersteigt durch