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Herren Schön-Werdau, Dr. Jansen-Dül ken und Evers-Linden zu cooptiren. Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen. Hierauf folgte eine Specialdiscussion, zunächst über die neu entworfenen Bestim mungen der Bremer Baumwollbörse. Unmittelbar an die Vorversammlung schloss sich die eigentliche Comitesitzung und thei- len wir darüber Folgendes auf Grund des uns zugegangenen Protokolles mit: Anwesend: die Herren Brauer-Bremen, Bischoff - Bremen, Hoffmann - Bremen, Achelis-Bremen , Addix-Bremen, Dege- ner-Bremen, Eichrodt-Bremen, Fritze- Bremen, Petzei-Bremen, Plate-Bremen, Commerzienrath Hassler - Augsburg, Frey-Mülhausen, Lang-Chemnitz, Evers- Linden und Schön-Werdau. Herr Präsident Brauer übernimmt den Vor sitz und begrüsst die anwesenden 5 Delegirten der deutschen Baumwollspinner, indem er auf die Wichtigkeit der Zusammenkunft hinweist. Dem Beschlüsse der eben beendigten Vor versammlung gemäss werden die Herren Com merzienrath Hassler, Frey, Lang, Schön, Com merzienrath Dr. Jansen und Evers als Comite- mitglieder anerkannt. Ferner wird den Verhandlungen der Vor versammlung entsprechend beschlossen, Absatz 3 des § 8 abzuändern wie folgt: Von den sechs Spinner-Mitgliedern des Comites wählen je ein Mitglied: 1) der Verein Süddeutscher Baum woll-Industrieller, 2) das Elsässische Industrielle Syn- dicat, 3) der Verein Sächsischer Spinnerei besitzer. Die drei anderen Spinner-Mitglieder des Comites werden einstweilen von dem Comite cooptirt, bis dasselbe über eine andere Wahl von Mitgliedern an Stelle der cooptirten Mitglieder Bestimmungen getroffen hat. Hierauf wurden die übrigen Punkte der neuen Bestimmungen durchberathen, deren erste beiden Paragraphen, welche den Zweck des Unternehmens und die Mitgliedschaft behandeln, wie folgt lauten: § 1- Der bis Juli 1886 aus im Staat Bremen wohn haften Mitgliedern bestehende Verein „Bremer Baum wollbörse“ wird durch Hinzutritt deutscher Baum wollspinner zu einem sich über ganz Deutschland erstreckenden Verein erweitert mit dem Sitz in Bremen und unter dem bisherigen Namen „Bremer Baumwollbörse“. Der Zweck der Bremer Baum wollbörse ist die Vertretung der Interessen aller am deutschen Baumwollhandel bezw. Baumwollconsum Betheiligten, und insbesondere die Förderung und Hebung des Bremer Baumwollmarktes zu einem grossen deutschen Baumwollmarkt. § 2 - Die Mitglieder der Bremer Baumwollbörse sind entweder ordentliche oder ausserordentliche Mitglieder. Ordentliche Mitglieder zahlen einen vom Comite fest zusetzenden Jahresbeitrag und haben Stimmrecht in der Generalversammlung. Ausserordentliche Mit glieder zahlen nur die Hälfte obigen Jahresbeitrages und haben kein Stimmrecht in der Generalversamm lung. Ordentliches Mitglied der Bremer Baumwoll börse ist jeder am Bremer Baumwollhandel als Im porteur, Händler, Agent oder Makler oder auch als Spediteur oder Bankier betheiligte Kaufmann, wel cher im Juli 1886 der Bremer Baumwollbörse ange hört und jeder deutsche Bauinwollspinner, welcher spätestens am 31. December 1886 durch schriftliche Erklärung an den Präsidenten des Comites (§ 10) dem Verein als ordentliches Mitglied beitritt. — Ausser ordentliches Mitglied der Bremer Baumwollbörse kann jeder deutsche Baumwollspinner werden, welcher durch schriftliche Erklärung an den Präsidenten des Comites bis spätestens 31. December 1886 als ausserordent liches Mitglied dem Verein beitritt. Nach dem 31. De cember 1886 ist zur Erwerbung der ordentlichen oder ausserordentlichen Mitgliedschaft durch schriftliche Erklärung Seitens deutscher Baumwollspinner, sowie nach Juli 1886 Seitens Bremer Kaufleute, die Ein- j willigung des Comites erforderlich. Die übrigen 82 Paragraphen regeln die (Einschlägige Materie und heben wir nachstehend I das Wichtigste daraus hervor: 1) das Comite | besteht aus 12 Bremer und 6 Spinnermitglie dern*); 2) der Importeur, bezw. Verkäufer (statt, wie bisher, der Käufer) von Baumwolle hat das Ausbessern (Flicken) der Ballen selbst zu be sorgen; 3) Ballen werden in Stickengewicht ohne Durchschlag (statt, wie bisher, mit l / 2 ko Durchschlag per Ballen) gewogen und berech net; 4) bei amerikanischer Baumwolle wird (wie in Liverpool) für Tara 4 Proc. unter Gegen wiegung der Reifen (statt, wie früher, 6 Proc.) vergütet; 5) für Proben wird (statt, wie bisher Vio k° per Ballen) nichts vergütet; 6) der Preis versteht sich gegen baar mit 5 Proc. p. a. Dis- cont für 3 (statt, wie bisher, 4) Monate; 7) die Frist für Empfang von in Bremen lagernder, bezw. auf Terminlieferung verkaufter Baum wolle ist von 14 Tagen auf 10 Tage reducirt worden; 8) bei nach Kost, Frachtbedingungen verkaufter Baumwolle darf das Gewicht des Rappers 3 9 / 1( . Proc. (4 Pfd. auf 112 Pfd.) und das Gewicht der Reifen 397 ko auf 100 Ballen nicht übersteigen; 9) die Frist für Reclamationen ist bei in Bremen lagernder, bezw. auf Termin lieferung verkaufter Baumwolle auf drei Tage nach Empfang, bei nach Kost, Frachtbedingun gen verkaufter Baumwolle auf 4 Wochen nach Landung ausgedehnt worden. „Wie aus diesen Abänderungen hervorgeht“, — schreibt der Präsident der Bremer Baum wollbörse, Herr G. B. Brauer, in einem dieser Tage zum Versand gelangten Circulaire — „hat die zweite Hand (unsere Baumwollhändler) im Interesse des Marktes auf erhebliche, bisher genossene Vortheile loyal verzichtet, um die Importeure in den Stand zu setzen, zu den selben günstigen Conditionen, wie sie die Liver pooler Importeure geniessen, Baumwolle nach hier zu importiren. Infolge dessen haben bereits einige amerikanische und englische Häuser Arrangements für den Import nach hier von Baumwolle für eigene Rechnung getroffen. Nachdem jedoch die deutschen (sowie auch andere, namentlich österreichische) Baumwoll spinner sich entschlossen haben, um sich in ihrem eigenen Interesse einen grossen deutschen Baumwollmarkt zu schaffen, bei gleichen Preisen vorzugsweise in Bremen zu kaufen, dürften be sonders unsere Bremer Importeure Veranlassung haben, unter den veränderten Verhältnissen den Import von Baumwolle energisch wieder auf zunehmen. Ein grosser Baumwollmarkt ist durch möglichst gleichzeitig vermehrten Import und Absatz bedingt, und wenn auch selbstver ständlich der gewünschte grosse Baumwollmarkt in Bremen sich nicht sofort hervorzaubern lässt, *) Das Comite ist bis Anfang 1887 zusammengesetzt wie folgt: 1) Bremer Mitglieder. Vorstand. Präsident: G. B. Brauer, Firma C. L. Brauer & Sohn. Vice präsident und Schatzmeister: H. Bischoff, Firma H. Bischoff & Co. Schriftführer: C. H. Hoffmann, Firma C. H. Hoffmann & Co. F. Achelis, Firma Joh. Achelis & Söhne. J. C. Addix, Firma Addix & Egestorff. R. Degener: Firma Rud. Degener. L. H. Eichrodt, Firma L. H. Eichrodt. J. Th. Fritze, i.F.: Gebr. Fritze & Co. Senator A. Nebelthau, Firma Gebrüder Kulen- kampff. C. Petzei, Firma Anton Unkraut & Sohn. G. H. Plate, Firma Gebr. Plate. G. Tölken, Firma G. Tölken. 2) Spinner - Mitglieder. Commerzienrath Th. Hassler in Augsburg, Director der Baumwoll spinnerei am Stadtbach, Delegirter für den Verein Süd deutscher Baumwoll-Industrieller. Max Frey in Mül hausen (Elsass), Firma Frey & Co., Delegirter für das Elsässische Industrielle Syndicat. Ludwig Lang in Chemnitz, Director der Chemnitzer Actien-Spinnerei, Delegirter für den Verein Sächsischer Spinnerei-Besitzer. Bruno Schön in Werdau, Firma C. G. Schön, Ver treter der Vigognespinner in Crimmitschau-Werdau. Commerzienrath Dr. Jansen in Dülken, Firma Bück lers & Jansen, Vorsitzender des Vereins z. W. d. g. wirthschaftlichen Interessen in Rheinland-Westphalen. J. L. Evers in Linden bei Haimover, Director der Hannoverschen Baumwoll-Spinnerei und Weberei. sondern nach und nach erarbeitet werden muss, so sind doch hierfür jetzt alle Chancen vorhan den, zumal die Erwartung berechtigt ist, dass durch die Unterstützung der mit uns verbun denen deutschen Baumwollindustrie sich eine für Bremen günstigere Normirung der Eisen bahnfrachten erreichen lassen wird.“ Unsere Leser werden aus Vorstehendem er sehen, dass das Ergebniss der Augsburger Zu sammenkunft als ein durchaus befriedigen des zu bezeichnen ist und wollen wir hoffen, dass die Zeit nicht allzu fern liegen möge, wo man den Bremer Platz mit vollem Rechte wird bezeichnen können als das deutsche Liver pool. M. Die deutsche Wollindustrie und Oesterreich- Ungarns neue Zollerhöhungen. Von Paul Dehn. Für die deutsche Wollindustrie ist Oester reich-Ungarn ein nicht zu unterschätzendes auf nahmekräftiges Absatzgebiet, obschon das öster reichische Wollengewerbe durchaus leistungs- und concurrenzfähig ist. Wird doch von öster reichischen Sachverständigen versichert, dass da, wo es sich um Formen und Farbe, Ge schmack und Mode handle, so unter Anderen in Herrenmodestoffen (Buckskin), Brünner Klei dungen und schlesischen Tuch- und Modestoffen, die österreichische Industrie der deutschen völlig ebenbürtig, ja zum Theil sogar überlegen sei und derselben nur da nachstehe, wo es, wie bei glatten Tuchen (Reichenberg gegen Aachen) hauptsächlich auf wohlfeile Massenerzeugung aukommt. Nichtsdestoweniger hat man in Oesterreich - Ungarn geglaubt, eine Reihe neuer Zollerhöhungen zu Gunsten des österreichischen Wollengewerbes vereinbaren zu müssen und das Inkrafttreten derselben ist zum Herbst d. J. zu erwarten, nachdem noch einige untergeordnete Meinungsverschiedenheiten zu lösen sind. Der grösste Theil der neuen Zollerhöhungen richtet sich gegen die deutsche Einfuhr. Das Interesse der deutschen Wollindustrie an dem österreichischen Absatzmarkt lässt sich aus folgenden Zahlen erkennen, welche Deutsch lands Ausfuhr nach Oesterreich-Ungarn zeigen. Deutschlands Ausfuhr nach Oester reich-Ungarn in Metercentnern 1881 1884 Wollgarn 7320 8876 Unbedruckte wollene Tuche . 12766 13508 Wollene Plüsche — 1317 Wollene Strumpfwaaren . . 732 1263 Kleider 2680 2278 In Wollgarnen (Einfuhr Oesterreich-Ungarns 1885: 47,353 Meterctr.) beklagen die öster reichischen Interessenten lebhaft die üeberlegen- heit der deutschen, insbesondere der elsässischen Concurrenz. In ihrem Jahresbericht für 1884 sagt die österreichische Permanenzcommission für die Handelswerthe: „Das preisdrückende, vehemente Angebot ging trotz der günstigen Zollsätze und rationellen Zoll Vorkehrungen vom Ausland aus, und gesellte sich der altgewohnten, nur zeit weise forcirten, belgischen Concurrenz die durch keinerlei Absatz- oder Saisonverhältnisse zu ver hindernde Ueberproduktion im Elsass hinzu. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass der bei den früheren deutsch-österreichischen Ver handlungen von keiner Seite vorhergesehene Eintritt des industriellen Elsass in den deut schen Zollverband vielfach schwer auf der österreichischen Spinnerei, Färberei, Druckerei und den Appreturanstalten lastet. Vielleicht könnte dieses bisher nicht berücksichtigte Mo ment dazu führen, gewisse handelspolitische Schwierigkeiten mit dem Deutschen Reiche bei-