Volltext Seite (XML)
Schweiz. H. Zur Lage der Stickerei-Industrie wird uns aus St. Gallen geschrieben: „Es sind Anzeichen vorhan den, dass man für die Stickerei eine gute Saison er warten darf. Völlig trostlos ist aber die Lage der Schifflistickerei und noch winkt auch nicht die leiseste Hoffnung, dass es auf den Herbst hin besser werde. Der Artikel zieht nicht mehr und es sind in der letz ten Zeit ganz bedeutende Summen darauf verloren ge gangen. So soll eine einzige Firma eine Viertelmillion auf ihrem Lager im Schiffliartikel eingebüsst haben.“ Frankreich. F. Patentprocess Grawitz. Wohl fast allen Färbern wird dieser nun bereits seit 1877 dauernde Process, dem ein gewisser Grawitz auf Grund eines ihm in Frankreich im Jahre 1874 auf Herstellung von un- vergrünlichem Anilinschwarz ertheilten Paten tes gegen eine Anzahl französischer Färber wegen Patentverletzung anstrengte, bekannt sein. Auch in weiteren Kreisen der Textil - Industrie dürfte das in diesem Patentstreit jetzt in letzter Instanz ergangene Urtheil Interesse erregen. Bekanntlich gewannen die Angeklagten den Process in erster Instanz, die Grawitz mit seinen Ansprüchen abwies, der sich dabei jedoch nicht beruhigte. Das in Folge der Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgte neue Ur theil ist nun im entgegengesetzten Sinne ausgefallen und wurde den Angeklagten äusser der Verpflichtung zur Zahlung aller, sehr bedeutenden, Gerichtskosten die Entrichtung einer Entschädigung von 75,000 Frc. an den Kläger, Herrn Grawitz, auferlegt. — Das Urtheil erregt in den interessirten Kreisen berechtig tes Aufsehen und wird selbstredend nicht günstig commentirt, da hervorragende Sachverständige es offen ausgesprochen haben, dass die Ertheilung des betreffenden Patentes an Grawitz überhaupt eine ungerechtfertigte (unvergrünliches Anilinschwarz wurde bereits vor Grawitz erzeugt) gewesen sei; jedenfalls ist die Angelegenheit noch nicht zum defi nitiven Abschluss gelangt. I 3*/ 2 Mill. Dutzend. Die Abnahme der Jute-Industrie wird durch die Concurrenz der continentalen und der ostindischen Fabriken erklärt. In der Seiden-Industrie ist der seit. 1881 an haltende Rückgang der Ausfuhr (von 53 Mill. Mk. auf 43 Mill. Mk. in 1884) zum Stillstand gekommen und sogar eine, wenn auch nur geringe Zunahme cingetreten. Sowohl Spinnereien wie Webereien be ginnen sich wieder zu vermehren, besonders in Schott land, und die Fabrikation wendet sich auch wieder mehr auf die Herstellung soliderer, theuerer Stoffe. Russland. P. Fabrikgesetz in Russland. Aus Petersburg schreibt man: Das eben sanctionirte Fabriksgesetz bietet den Arbeitern Schutz gegen die Willkür der Fabriksverwaltungen, indem die Herabsetzung der Arbeitslöhne und die Erhöhung der Zahl der Arbeits tage und der Arbeitsstunden vor Ablauf der ab geschlossenen Contracte, sowie willkürliche Geld strafen untersagt sind. Dagegen unterliegen an Arbeitseinstellungen sich betheiligende Arbeiter, falls dabei keine schweren Verbrechen vorkommen, einer Haft von zwei bis acht Monaten, gehen jedoch straf los aus, wenn sie auf die erste Aufforderung der Polizei die Arbeit wieder aufnehmen. Wenn eine Zerstörung von Fabrikseigenthum vorkommt, kann die Strafe bis zu sechzehnmonatlicher Haft verstärkt werden. Andererseits unterliegen die Fabriksver walter wegen Handlungen, durch welche Arbeiter unruhen hervorgerufen werden, einer Haft bis zu drei Monaten und verlieren ausserdem die Berechtigung zur Bekleidung von derartigen Stellungen. An dieses Gesetz wird sich Bunge’s Ünfallgesetz schliessen. Die russischen Fabrikanten von Baumwollenwaaren haben sich an das Finanzministerium mit der Bitte gewandt, dass bei der Ausfuhr fertiger Baumwoll- und Wollfabrikate ihnen der Zoll zurückgezahlt werde. | Das Project wird gegenwärtig vom Finanzministerium berathen. Italien. Grossbritannien. G. Aus derenglischenTextilindustrie. Nach amtlichen ; Ermittelungen betrug im Jahre 1885 der gesammte Produktionswerth der in England erzeugten baum wollenen Garne, Gewebe etc. nicht weniger als 1680 Mill. Mk. (1 Lstrl. zu 20 Mk. gerechnet). Davon gingen, wie wir einem diesbezüglichen Aufsatze des Exporteur entnehmen, für nur 340 Mill. Mk. in den heimischen Consum über, während für 1340 Mill. Mk. exportirt wurden, darunter Garne und Zwirne für nur 237 Mill. Mk. gegen 276 Mill. Mk. im Vorjahre. Die Anschaffungskosten der rohen Baumwolle, 1344 Mill. Pfd., werden zu 660 Mill. Mk., die gezahlten Löhne zu 520 Mill. Mk. veranschlagt, so dass für alle ande ren Kosten, für Verzinsung und Amortisation des Anlagecapitals sowie für Unternehmungsgewinn 500 Mill. Mk. bleiben würden. Die durchschnittlichen Verkaufspreise der Baumwollfabrikate waren wenig befriedigend; sie werden für das Pfund angegeben: 1882 1883 1884 1885 zu 5,63 5,60 4,86 4,55 Pence. Besonders fühlbar macht sich die Entwickelung der hauptsächlich mit englischem Capital betriebenen Baumwoll-Industrie in Ostindien; die Zahl der dorti gen Spinnereien betrug 1879 nur 56 mit 43,000 Arbei tern, 1885 aber bereits 87 mit 67,000 Arbeitern. Trotz dieser und anderer ungünstiger Umstände ist aber doch die Zahl der Spinnereien und Webereien | in Lancashire in Zunahme begriffen. Die englische Woll-Industrie verarbeitete 1885 1,360,000 Ctr. inländische und 5,200,000 Ctr. aus ländische, hauptsächlich australische, Wolle. Sie suchte der in vielen Beziehungen überlegenen conti nentalen Concurrenz namentlich durch Verminderung der Produktionskosten entgegenzutreten, sowohl durch Vervollkommnung der Maschinen, wie durch Herab setzung der Löhne und durch gesteigerte Verwerthung der Abfälle, und hatte nicht sowohl über Mangel an Absatz, als über unbefriedigende Verkaufspreise zu klagen. Der Werth der 1885 exportirten Game und Gewebe wird auf 490 Mill. Mk. gegen 480 Mill. Mk. im Vorjahre veranschlagt, darunter 88 Mill. Mk. wollene Garne; im Jahre 1880 hatte der Gesammt- werth nur 412 Mill. Mk. betragen und ist seitdem fast ununterbrochen gestiegen. Die Ausfuhr der Leinen-Industrie ist dagegen seit 1882, in welchem Jahre sie 140 Mill. Mk. oe- tragen hatte, andauernd gesunken auf ca. 117 Mill. Mark im Jahre 1885, darunter 2,3 Mill. Mk. Garne. Noch stärker ist die Ausfuhr- von Jutestoffen ge sunken von 50 Mill. Mk. im Jahr 1883 und 49 Mill. Mk. in 1884 auf 39 Mill. Mk. in 1885, während die Aus fuhr von Jutegarnen sich auf resp. 5,4, 6,3 und 5,4 Mill, stellte. Die hierbei nicht eingerechnete Ausfuhr von Jutesäcken, welche 1881 etwa 5*/ 2 Mill. Dutzend umfasst hatte, erreichte 1885 noch nicht Die Forderungen der italienischen Wollindustriellen in Bezug auf die Revision des Zolltarifs werden in einem Berichte des österreichischen Consulates in Mailand zusammengestellt. Zum Schutz der Kamm garnindustrie werden folgende Schutzzölle bean tragt: Bei einem Gewichte des Quadratmeters des Gewebes aus Kammgarn von weniger als 200 Gramm 245 Lire, von 200—300 Gramm 225 Lire, von 300 bis 400 Gramm 205 Lire, von 400 — 500 Gramm 185 Lire und über 500 Gramm 165 Lire für den Doppelcentnei- und bei einem Gewichte des Quadrat meters des Gewebes für Wollengewebe, gehechelt und gemischt oder Seide oder Mohair enthaltend, nach derselben Staffel 340 Lire, 320 Lire, 300 Lire, 280 Lire und 260 Lire. Diese Tarife werden als die äusserste Grenze des Möglichen bezeichnet, ohne die kein Schutz mehr vorhanden wäre, und es wird der Wunsch ausgesprochen, dass diese Zollsätze in keinem Falle als Compensationsobjecte betrachtet werden. Für Wirkwaaren beantragen die Industriellen die Classificirung: 1) Wirkwaaren im Stück; 2) confec- tionirte Wirkwaaren und schlagen Staffelzölle für weisse Wirkwaaren in Abstufungen um 25 Lire von 300—200 Lire in den erwähnten Staffeln und für ge färbte Wirkwaaren solche von 350 — 250 Lire vor. Für confectionirte Wirkwaaren wird die Berechnung des Zolles nach dem Gewichte eines Dutzend vorge schlagen und es werden bei dem Gewichte eines Dutzend von a. weniger als einem Kilogr., b. 1 bis 2 Kilogr., c. 2—3 Kilogr., d. 3—4 Kilogr., e. 4—5 Kilogr. und f. über 5 Kilogr. als Zollsätze in Lire für 100 Kilo ¬ gramm gefordert: aus dem Stück geschnitten auf dem Stuhle fertig hergestellt roh gefärbt roh gefärbt a. 350 400 400 450 b. 330 380 380 430 c. 310 360 360 410 d. 290 340 340 390 e. 270 320 320 370 f. 250 300 300 350 Für Decken und Teppiche und Gewebe aus reiner Wolle wird ein Zoll von 110 Lire beantragt, für genähte Gegenstände aus Wolle eine Erhöhung auf 30 Proc. über den am höchsten besteuerten Stoff in der Confection dieser Gegenstände. Fachschulwesen. Königliche Webe-, Färberei- und Appretur sehule zu Crefeld. Ueber die Webeschule, welche unter der be währten Leitung des Directors der Gesammt-Anstalt, Herrn Emil Lembcke, steht, entnehmen wir dem uns soeben zugegangenen neuen Prospecte dieses Institutes Folgendes: Diese Staatsanstalt, welche aus der seit dem Jahre 1855 in Crefeld bestehenden höheren Webeschule herausgebildet und, Dank der kräftigen Unterstützung des Königlich Preussischen Cultusministeriums, sowie der Stadtgemeinde und Handelskammer Crefeld, vollständig neu organisirt worden ist, hat den Zweck: sowohl durch theoreti schen als praktischen Unterricht Werkmeister, Dessinateure und Fabrikanten für alle Zweite der Weberei, sowie Maschinenbauer für die | Textil-Industrie heranzubilden, und ebenso jungen Leuten, welche sich als Einkäufer oder Verkäufer dem Manufacturwaarenfache widmen wollen, genaue Kenntniss der Fabrikation und damit die Fähigkeit richtiger Beurtheilung der Waare zu ver schaffen. Um diese Zwecke vollständig zu erfüllen, umfasst der Unterricht: Die Lehre von den Geweben aus den verschiedenartigsten Rohmaterialien, die schnellste und einfachste Ausführung der Muster zeichnungen, die Anleitung zur selbständigen Erfindung von Mustern und zu Calculationen für die Werthbestimmung der Stoffe und deren vor- theilhafteste Herstellungsweise. Ebenso gepflegt werden die Fächer: Fabrikbuchführung, Ma schinen-Elemente, Kraftmaschinen, Spin nerei und Appretur, sowie das Vorrichten der Handstühle, das Montiren der mechanischen Webstühle und andere praktische Arbeiten in der Maschinenwerkstatt (Holz und Eisen). Der Lehrplan zerfällt in 2 Abtheilungen mit | folgenden Unterrichtsfächern: A. Unterricht im Zeichnen und Musterzeichnen insbesondere. a. Untere Abtheilung. (Erstes Jahr.) Gründlicher Unterricht im Zeichnen und Malen | mit Rücksicht auf Weberei, Druckerei und andere ' Zweige der Textil-Industrie, nach Vorlegeblättern, Modellen und nach der Natur; geometrisches Zeichnen ! und Maschinenzeichnen. : b. Obere Abtheilung. (Zweites Jahr. Dessinateur schule. Weiterführung des Zeichnens bis zum selbst- s ständigen Componiren von Mustern für die Textil- } Industrie, geometrisches Zeichnen, Maschinenzeichnen. ! Vorträge über Kunstgeschichte der Textil-Industrie. Gesammtaufgabe dieses Unterrichts ist demnach: Musterzeichnern, Formenstechern, Graveu ren etc. im gewerblichen und künstlerischen Zeichnen gründliche Ausbildung zu gewähren, namentlich Dessinateure heranzubilden, welche selbständig neue, künstlerische Muster für die We berei und für die Druckerei zu erfinden im Stande sind. Nachdem die Schüler den Unterricht in der oberen Abtheilung genossen haben, können dieselben bei ausreichenden Fähigkeiten in den verschiedenen Ateliers der Anstalt Aufnahme finden, um daselbst unter specieller Leitung und Beaufsichtigung der Zeichenlehrer nach der Natur zu zeichnen und zu malen, sowie neue in der Industrie verwendbare Muster- herzustellen. Besonders befähigte Schüler können schon während des zweiten Unterrichtsjahres in den Ateliers beschäftigt werden. B. Unterricht in Decomposition, Composition, Calculation und im Weben. a. Untere Abtheilung. (Erstes Jahr.) Vorträge über die Gespinnstfasern und über die Elemente der Weberei. Lehre von der Decompo sition und der Stuhleinrichtung glatter und klein gemusterter Gewebe. Selbständiges Decompo- niren. Praktisches Weben glatter Stoffe und Sammete, sowie kleingemusterter Stoffe in Baumwolle, Wolle, Leinen und Seide auf Hand stühlen. Fabrikbuchführung und Calculation. Vorträge über Maschinentheile, sowie über Construc- tion, Aufstellung und Behandlungsweise der Hand webstühle und sonstiger Apparate der Handweberei. Anfertigung von Zeichnungen für die Vorträge über Handweberei und mechanische Weberei. b. Obere Abtheilung. (Zweites Jahr.) Lehre von der Decomposition, Stuhl Vorrichtung, Composition und Calculation der gemusterten Gewebe. Praktisches Weben von Sammeten, sowie von ge musterten Stoffen aus den verschiedenen Webe- Materialien auf Handstühlen. Praktisches Weben von Baumwoll-, Woll-, Halbwoll-, Leinen-, Jute- und Seiden-Stoffen, auch Sammeten, auf mechanischen Webstühlen. Vorträge über Con- stuction, Aufstellung und Behandlungsweise der mechanischen Webstühle und anderer Maschinen und Apparate für den Webereibetrieb, sowie An fertigung von Zeichnungen für diesen Unterricht. Vorträge über Motore, Spinnerei- und Appre turmaschinen. Demontiren und Montiren von Web stühlen und Hülfsmaschinen: praktische Hebungen an mechanischen Stühlen; praktische Uebungen in der mechanischen Seidenspinnerei; praktische Uebungen in der Schmiede, Schlosserei und Schreinerei. Die Lehrziele dieses Unterrichts sind: einerseits