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Spinaerei. Untersuchungen über das Vorkommen und die Ursachen wechselnder und stetiger Differenzen in den Egalitätsverhältnissen der Baumwollgarne. Von Emil Staub. (Fortsetzung.) Wenn wir zurückgreifen auf jene Zusammen stellung, welche das theoretische Ergebniss einer mehrfachen Doublirung von Bändern bei den Strecken ausdrückt, so erscheint es uns, vom theoretischen Standpunkt aus betrachtet, beinahe unerfasslich, wie bei einer umfassenden ; mit Sorgfalt ausgeführten Vereinigung so zahl reicher Bänder die Ausgleichung in Wirklich keit dennoch eine so unvollständige sein kann, denn selbst wenn, wie wir gesehen haben, die von der Krempel kommenden Bänder in Num mer und Egalität noch so sehr von einander ab weichen, so ergeben sich nach Vereinigung einer grösseren Zahl dieser Bänder, welche nach stattgefundenem Verzug wiederholter Wie dervereinigung unterworfen werden, solche übereinstimmende Zahlen, welche die Egalitäts verhältnisse ausdrücken, dass man eigentlich allen Grund hätte annehmen zu dürfen, auf keine so auffallenden Differenzen stossen zu müssen und dies um so mehr, als man doch in der Praxis sucht, möglichst alle Bänder eines Krempelsystemes durch Doublirung in jedem von der letzten Strecke gelieferten Bande zu vereinigen. Dennoch haben wir bei Vergleichung er wähnter Egalitätsverhältnisse zweierlei Gruppen von Ungleichheiten sowohl bei Vorgespinnsten als fertigen Garnen zu verzeichnen, und zwar solche, welche sich in kurzen aufeinander folgenden Lunten oder Fadenstücken ein und derselben Spule oder ein und desselben Cops zeigen, und solche, welche sich in grossen Längen ganzer Spulen und Cops geltend machen. | Letztere drücken zwar stets das Durch- schnittsverhältniss der Summe der Ungleich heiten der ersteren, welche die bezüglichen ver schiedenen Spulen oder Cops bilden, aus, allein tragen als eine mehr als hunderttausendfache Verlängerung des Krempelbandes den Charakter in sich, der schon in dem Zustande der Baum wolle bei erster Manipulation und in letzterer selbst basirte und dann eine bestimmte Rich tung in der ganzen Weitereutwickelung zum Faden verfolgte. Hieran anknüpfend erlaube ich mir an einen früheren Artikel der Monatschrift zu er innern, welcher über die Feuchtigkeitsverhält nisse der Baumwolle und die Anlage der Mischungsräume handelt und bei Besprechung des vorliegenden Themas um so grösseres In teresse bietet, als gerade die Feuchtigkeits verhältnisse der Baumwolle bezüglich der sich bildenden Nummerdifferenzen eine keineswegs untergeordnete Rolle spielen. Dass die Baumwolle oft mit nicht unbe deutenden Procenten Wassergehalt von über seeischen Ländern zu uns herüberkommt, ist eine Thatsache, über welche sich hier wieder holt auf eingehende Weise auszusprechen über flüssig ist, da es unstatthaft wäre, bei Behand lung der Fragen, mit welchen sich dieser Artikel beschäftigt, auf anormalen Zuständen zu fussen, über deren eventuell vermehrte Mit wirkung sich ein Schluss über die daraus ent springenden Folgen in Bezug auf die Nummer differenzen ganz von selbst ziehen lässt. Wie in betreffendem Artikel dargethan wurde, beträgt der gewöhnliche Wassergehalt der Baumwolle 8°/ 0 , welcher sich aber, ohne den Spinnprocess schädlich zu beeinträchtigen, auf 4°/ 0 reduciren kann, und in welchem Rah men sich auch die gewöhnlichen Feuchtigkeits schwankungen bewegen, so lange dieselben nicht durch ausserordentliche Trockenheit in den Arbeitsräumen noch weiter heruntergedrückt werden, ein Vorkommen, welches sehr üble Missstände für den Spinnprocess zur Folge hat, und dem man ebenso sehr entgegenzuwirken besorgt ist, als man sich anderseits die Auf gabe stellt, die höheren Feuchtigkeitsprocente womöglich schon im Mischungsraum den sta bileren 4°/ 0 zu nähern. Da jedoch die Baumwolle besonders in ein mal aufgelockertem Zustande auch von dem Wechsel der Feuchtigkeitsverhältnisse der sie umgebenden Luft keineswegs unberührt bleibt, sondern das Maass der Verdunstung, sowie die Wiederaufnahme von Wassergehalt hiervon ab hängig ist, so treten auch betreffende Ver änderungen in der die Spinnereiräume durch- passirenden Baumwolle bald langsamer, bald rascher, sowie auch mit Unterbrechungen auf, dehnen sich jedoch mehr auf die ganzen Massen als nur einzelne Theile derselben aus. Wird nun die von der Mischung genom mene Baumwolle, nachdem sie die Oeffnungs- maschine passirt hat, auf dem Batteur mit grösserem oder kleinerem Feuchtigkeitsgehalt gewogen, so ändert sich dieser letztere beim Vorwärtsschreiten durch die meist wärmeren Räume der Spinnerei bald schneller, bald lang samer, wie es eben die örtlichen Feuchtigkeits verhältnisse zulassen, und es entstehen deshalb während diesem Vorwärtsschreiten, hiermit Schritt haltend, Differenzen, welche, wenn auch schliess lich nur in grossen Fadenlängen zum Ausdruck kommend, kaum vollständig zu vermeiden sind, obschon man bestrebt ist, diesen Veränderungen, sowie auch solchen, welche aus anderen mit wirkenden Ursachen entstanden sind, durch häufiges Sortiren der Bänder bei letzter Strecke corrigirend entgegenzutreten. Ob aber hier schon diese Veränderungen ihren Schluss er reicht haben, oder ob sie auch noch über die Strecken hinaus durch die Flyer fortdauern, das ist eine Sache, die aus verschiedenen Ursachen sich als wechselnd erweist, denn der Grad, bis zu welchem eine Verdunstung bei der Baum wolle stattfindet, ist nicht nur von der Wärme und dem Feuchtigkeitszustand der Luft in den bezüglichen Räumen überhaupt abhängig, son dern auch das langsamere oder raschere, manch mal auch unterbrochene, Vorwärtsschreiten der selben während der Verarbeitung spricht mit. Treten neue Mischungen in Verarbeitung, so zeigen sich gewöhnlich die Nummerabweichungen in erhöhtem Maasse, und dies um so mehr, als häufig gleichzeitig auch etwas veränderte Ab fallverhältnisse in Mitwirkung kommen, welch’ letztere zwar, wenn sie während der ganzen Verarbeitung der Mischung gleichbleiben, nicht von dauernd störendem Einfluss sind, immer hin aber sich insolange störend mitgeltend machen, bis die neue Mischung, gegenüber der alten, zur Herrschaft gelangt ist. Die von den Garden vorrückenden Bänder eines neuen Baumwollstockes mischen sich, wenn man eine Mischung in die andere über gehen lässt, nur successive mit den Bändern des alten Stockes, welch’ letztere, anfänglich in der Ueberzahl, nach und nach immer mehr gegen diejenigen der neuen Mischung an Zahl zurücktreten, wobei der Charakter der letzteren immer ausgeprägter zum Ausdruck kommt. War nun vorher während der Verarbeitung der alten Mischung das durch die Doublirung hervorgebrachte Resultat der Ausgleichung einigermaassen ein befriedigendes geworden, so drängen die nachrückenden Bänder der neuen Mischung in einseitiger Richtung zum Schwe rer- oder Leichterwerden hin, und trotz Doubli rung entfernt sich die Nummer zusehends vom früheren Durchschnitt und verlangt successiv Aenderung des Verzuges, bis endlich die letzten Bänder der alten Mischung äusser Mitwirkung treten. Während dieses Ueberganges nun müssen die Differenzen der Nummern der einzelnen Bänder einer Strecke wohl um so vielfältiger zur Aeusserung kommen, je grösser ein Krempel system und in Folge dessen die Zahl der Streckablieferungen ist, denn die ungleich vor rückenden und ungleich ablaufenden Bänder der beiden Mischungen, welche bei den ver schiedenen Ablieferungen auch mehr oder we niger abweichende Nummern zur Folge haben, können nicht gleichzeitig durch ein und den selben Streckkopf richtig corrigirt werden. Die verschiedenen Ablieferungen der letzten Strecke, bei welcher gewöhnlich die nöthigen Verzüge regulirt werden, liefern somit gleichzeitig zahl reiche Bänder von grösserer und geringerer Nummerdifferenz, welche zum Grobflyer ge bracht, ohne hier einer Doublirung unterworfen zu sein, bei dieser Maschine um das Vier- bis Fünffache verlängert werden. Wohl findet dann bei dem darauffolgenden Mittelflyer eine Chance der Ausgleichung durch Doublirung statt, allein da hier nur zwei Faden des Grobflyers zusammengeführt werden, so ist das wirkliche Eintreten einer Ausgleichung immerhin sehr zweifelhaft, da ja ebenso gut zwei leichtere oder zwei schwerere Faden als zwei ungleiche zur Doublirung kommen kön nen. Die Chance der Ausgleichung ist somit ungefähr dieselbe, wie diejenige, welche der Spieler in einer Lotterie mit ebenso viel Nieten als Gewinnen hat, und wer da schon dem Glücke mit etwas starkem Vertrauen auf den Erfolg der Doublirung die Hand geboten hat und auf Grund der Gleichzahl dahin calculirte, dass von zwei genommenen Loosen jedenfalls eins gewinnen müsse, hat sicherlich den nicht sehr ausnahmslosen Fall erlebt, dass seine beiden Loose auch auf Seiten der 50,000 Nieten Platz gefunden haben, und sich überzeugt, dass das System einfacher Doublirung sehr unzuverlässig ist. Eine ähnliche Chance nun besteht auch bei der Doublirung der Mittelspulen auf dem Feinflyer, nur mit dem Unterschiede, dass die jenigen Doublirungen, welche beim Mittelflyer von gewünschtem Erfolg waren, hier in günstige Mitconcurrenz treten, welche sich voraussicht lich bei einem vierten Flyer noch weiter in günstiger Weise geltend machen wird. Wie weit sich die Rolle erstreckt, welche die eben besprochenen Ursachen auf die Num merveränderlichkeit ausüben, zeigt sich am deutlichsten, wenn die ablaufenden Spulen bei den Spinnmaschinen durch neue ersetzt wer den, eine Arbeit, die sich der mit dem Auf stecken der Spulen beschäftigte Arbeiter natür lich zu seinem Vortheil einrichtet. Gewiss ist es eine Seltenheit, dass man da, wo man ge nau auf Nummern hält, mit dem gleichen Wechselrade, welches den Zug bestimmen soll, fortarbeiten kann, wie denn ja auch überhaupt die streckenden Wechselräder verschiedener Zeiten uns von den Schwankungen, die eben besprochen wurden, und die trotz wiederholter 44*