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arbeitenden Teerchemiker. Im Gegenteil, Nitrobenzol, das den ersten künstlichen Gernchstoff gab, wird heute noch mit Nitro glyzerin als Explosivmittel verwendet. Nitro glyzerin hat den Nachteil, in der Kälte zu gefrieren und dann so gefährlich zu werden. Ein Zusatz von Nitrobenzol hält es auch in niedriger Temperatur flüssig. Trinitrobenzol und besonders Trinitrokarbolsäure oder Pikrin säure dient heute noch in den Bergwerken in großen Mengen als Sprengstoff und in ge eigneten Mischungen als rauchloses Pulver in den Armeen der zivilisierten Welt. Zum Schluß sei noch darauf aufmerksam gemacht, daß die Teerfarbstoffe in der Re produktionstechnik eine wichtige Rolle einnehmen. Tinten zum Drucken und Schreiben werden mit Teerfarbstoffen hergestellt und auch in der Photographie spielen sie eine große Rolle. Durch Zusatz gewisser Teer farbstoffe zur Photographie-Emulsion wird letztere besonders empfindlich gegen Licht, sodaß derartige Platten für Kodaks und alle anderen Knippsapparate von größter Wichtig keit sind. Erst mit Hilfe der künstlichen Teerfarbstoffe war es möglich, das Problem der Photographie in natürlichen Farben zu lösen. Ist es da nicht sonderbar, daß das Problem, von demPerkin vor einem halben Jahrhundert ausging und das auf seinen Wegen zu so außerordentlichen Erfolgen führte, noch heute vollständig ungelöst ist, nämlich die Her stellung des Chinins auf künstlichem Wege? Dem ist aber tatsächlich so, dies Problem ist heute noch ungelöst. In gleicher Weise, wie sich die genannten verschiedenen Industriezweige kraftvoll ent wickelten, zeigte sich auch der Wert der Perkin’schen Entdeckung für die chemische Industrie selbst. Die Herstellung des Anilins erforderte plötzlich große Quantitäten von Schwefelsäure und Salpetersäure zum Nitrieren des Benzols, und die Nachfrage der neuen Industrie nach hochkonzentrierter Schwefel säure brachte der Welt das berühmte Kontakt verfahren, nach welchem das schwefligsaure Gas, das sich zum Beispiel beim Rösten von Zink- und Eisenpyriten bildet und das so leicht in der Atmosphäre diese verschlechtert und die Vegetation zerstört, durch den Sauer stoff der Luft in Schwefelsäure übergeführt wird. Die Fabrikation des Alizarins erfordert enorme Quantitäten von kaustischer Soda. Brom und Jod wurden allgemeine Handels artikel. Die Elektrolyse von Salzlösungen wurde in rationeller Weise ausgebildet und im Verein mit dem Kontaktprozeß und der Ver flüssigung von Chlor im großen Maßstabe für die Synthese für Indigo nutzbar gemacht. Die Beschäftigung mit den elektrischen Methoden führte dann zu dem Problem der Herstellung von Salpeter aus dem Stickstoff der Luft, und wenn man nach den letzten Erfolgen urteilen darf, so wird in wenigen Jahren die Badische Anilin- und Sodafabrik, in deren Laboratorium ausgedehnte erfolgreiche Versuche durchge führt sind, Salpeter und Salpetersäure aus der Atmosphäre gewinnen und als Ersatz für Chilesalpeter in den Handel bringen. Wenn man bedenkt, daß der ganze Vorrat an Chile salpeter nach Schätzung von Geologen für kaum mehr als 20 Jahre ausreicht und daß dieses Salz für die Landwirtschaft als künst liches Düngemittel heute ganz unentbehrlich ist, so wird man einsehen, daß dessen künst liche Herstellung von höchstem Wert und geeignet ist, die Ängstlichkeit weniger Autoren zu bannen, die mit der fortwährenden Zu nahme der Bevölkerung eine baldige Er schöpfung des Bodens befürchten. Die Destillation des Teers selbst hat eben falls manche Entwicklungsstadien durchge macht. Alle Nebenprodukte wurden nutzbar gemacht und eines derselben, das Ammonium sulfat, ist, in sparsamster Weise verwendet, ebenfalls ein vorzügliches Düngemittel. In der Koksindustrie, die für die Eisen- und Stahlfabrikation so wertvoll ist, läßt man die gasförmigen Produkte nicht mehr in die Luft, sondern man fängt sie auf und konden siert sie zu Benzol, das wieder zum Carburieren von Leuchtgas benutzt wird. Große Werke, wie die United Coke and Gas Company, ar beiten auf einigen Werken schon derartig, daß dieses Gas das Hauptprodukt und der Koks nur ein Nebenprodukt darstellen. Bei der Behandlung dieser Gase erhielt man Cyankalium zu derartig billigem Preis, daß man es heute benutzt, um aus schwach gold haltigen Erzen, die bisher nutzlos waren, noch die letzten Reste des Goldes herauszuziehen. Mit Hilfe des Cyankaliums ist es erst mög lich gewesen, den heutigen Goldbedarf der zivilisierten Nationen zu decken. Die Chemie des Benzols brachte unsmoderne Theorien, besonders die von Kökule, deren geistvolle Anwendung die Verwirklichung mancher wunderbaren chemischen Vorahnung brachte und wohl heute als eine der wert vollsten Deduktionen des menschlichen Geistes betrachtet werden muß. Die Kohlenteer- Industrie gibt uns unsere modernen chemische Institute, Laboratorien und Werkstätten, bei denen das intimste Zusammenarbeiten von Technik und Wissenschaft den allerseits an erkannt hervorragenden Erfolg zeitigt. In der ganzen Geschichte der Zivilisation steht es wohl einzig da, daß die Ehre und der Ruhm der Entdeckung dieser enormen Werte einmütig und ohne Einspruch einem Manne zuerkannt werden, nämlich William Henry Perkin. Es ist eine einzig dastehende Tatsache, daß der Schöpfer dieser ungeheuren Industrie so glücklich gewesen ist, diese wunderbare Entwicklung während 50 Jahren mit eigenen Augen verfolgen zu können, und es steht auch wohl einzig und allein da, daß ein solcher Mann, als er sich nicht mehr den industriellen Problemen widmete, sich den schwierigsten theoretischen Arbeiten unter zog und zwar mit solchem Erfolge, daß er auch als Wissenschaftler sich einen dauern den Ruf errang. Mögen ihm noch lange Jahre glücklicher und gesunder Schaffensfreude be- schieden sein. —ts. Über chemische Untersuchungen von Appretur- unö Schlichtemitteln. (Originalbeitrag von Prof. Dr. Wilhelm Masset.) [Nachdruck verboten.] (Fortsetzung.) Ein gutes Kriterium allgemeiner Art zur Erkennung von Pflanzenschleimen und ähn lichen Körpern, auch von Gummi-Tragasol, welcher sich nach seinem Verhalten in diese Klasse von Körpern mit einreihen läßt,findet man in dem eigenartigen, oft ganz charakteristischen Aussehen der Fällungen durch Alkohol, in Gestalt von fadenartigen oder auch flockig sich zusammenballenden, stets aber durch scheinenden Gebilden. Zur Ausführung dieser Probe füllt man ein Reagensglas s / 4 mit 96-volumprozentigem oder mit absolutem Alkohol und gibt von der zu prüfenden wässerigen Lösung hinzu. Entweder sofort oder nach kräftigem Umschütteln erhält man im positiven Falle fadenartige Abscheidungen, überhaupt solche oben geschilderten Aus sehens, die namentlich für Traganth außer ordentlich typisch ausfallen. Trübungen, welche sich auch beim Stehen in obigem Sinne nicht differenzieren, deuten in der Regel nicht auf die Anwesenheit von Pflanzenschleimen hin, sondern sind ab und zu auf Beimengungen von unvollständig getrennter Stärke, auch zuweilen von Albuminsubstanzen etc. zurück zuführen. Die schleimige Beschaffenheit der zu prüfenden, nach den vorstehenden An gaben erhaltenen Flüssigkeit, ihre Schwer filtrierbarkeit sind allein schon gute Erkennungs zeichen, wenn von weiteren Reaktionen ab gesehen werden muß. Zweckmäßig überzeugt man sich in solchen Fällen, wo die Abscheidungen durch Alkohol zu Zweifeln führen, von ihrer Natur durch Prüfung ihres Verhaltens zu Jodlösung, welche Stärkeflöckchen blau färbt, oder man macht zur Prüfung auf Albuminausscheidungen von Millons Reagens etc. Gebrauch. Zu diesem Zwecke sammelt man die Ausscheidungen auf einem kleinen Filterehen, stößt dieses durch, spritzt mit heißem Wasser in ein Reagens glas und kocht auf. Albuminkörper werden sich in den meisten Fällen nicht mehr lösen, Stärke, Pflanzenschleime und andere Körper werden in Lösung gehen. Die unlöslich ge bliebenen, auf einem Filterchen gesammelten, dann wieder in Wasser suspendierten Anteile sind alsdann auf Albumin zu prüfen, während Proben der wässerigen Lösung zum Nachweis von Stärke, Dextrin etc. dienen. Eventuell wiederholt man, falls es angeht, mit der wässerigen Lösung der Alkoholabscheidung nochmals die Bleiessigfällung und die folgenden Operationen des Traganth-Pflanzenschleim- nachweises, wenn dies mit den zur Verfügung stehenden Mengen der Abscheidungen durch Alkohol möglich und aussichtsvoll erscheint. Das unter dem Namen Gummi-Tragasol im Handel erscheinende Präparat schließt sich in seinem ganzen Verhalten aufs engste an die pflanzenschleimartigen Körper an, auch in Bezug auf seine Indifferenz hinsicht lich wirklich gut erkennbarer, prägnanter Reaktionen. Das Produkt besteht aus einer grau-weiß aussehenden, gelatinösen, meist schwach karbolartig riechenden Masse, die sieh in Wasser zu einer schleimigen Flüssig keit löst. Jodlösung erzeugt darin keine Reaktion. Basisches Bleiazetat erzeugt, wie bereits hervorgehoben wurde, eine klumpig flockige Fällung. Bei der Zersetzung der selben auf dem Filter nach möglichst voll ständigem Abtropfen der Flüssigkeit durch 50 prozentige Essigsäure hinterbleibt eine homogene, dickseh leimige nicht filt rierbare Masse, während kleinere Anteile mit der Essigsäure das Filter passieren und im blei haltigen Filtrate enthalten sind. Versetzt & 17»