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sich die einzelnen Theile des Fliesses in ihrer Güte etc. unterscheiden, giebt es auch für den Wollkämmer recht bemerkbare Unterschiede zwischen den Fliessen des Mutterviehes, der Hammel, Jährlinge etc., und in Fabriken, wo viel auf die feinen Unterschiede der verschie denen Qualitäten gehalten wird, giebt man beim Einkauf deutscher Wolle einer sachgemäss classificirten Waare gern den Vorzug, weil eine solche Eintheilung die Erzeugung von Speciali- täten im Voraus erleichtert. Die weichste, wenn auch nicht immer die feinste Wolle fast bei jeder Schafrasse enthält das Lammfliess, doch ist sein Haar stets von kürzester Faser und wegen des kleinen Felles ist die Lammwolje in den Stämmen quantitativ auch am schwächsten vertreten. Lammwolle wird wegen der Kürze der Faser nur zu ganz besonderen Zwecken verwendet und ist z. B. bei Melangen mit Mischungen von geringen Procentsätzen der Stichfarbe sehr beliebt, weil die kurze Faser eine gleichmässige Vertheilung der Stichfarbe in hohem Grade begünstigt. — Der Lammwolle an Weichheit zunächst kommt das Fliess des Jährlings; es ist meistens von ausgewachsener Faser, lässt aber den speciellen Charakter der Lammwolle immer noch durch blicken, während die Kräuselung der Faser den Uebergang vom Lamm zum ausgewachsenen Schaf deutlich kennzeichnet. — Dem Jähr lingsfliess an Weichheit des Haares folgt das jenige des Mutterschafes; es ist in quantitativer Beziehung in den Stämmen am stärksten ver treten und giebt für den Charakter der Wolle des Stammes den Ausschlag. — Das edelste Fliess in Bezug auf Feinheit des Haares liefert der Bock, doch ist dasselbe numerisch in den Stämmen sehr schwach vertreten, da in den Heerden nicht mehr Böcke gehalten werden, als die Ergänzung des jährlichen Abganges er fordert; es sei denn, dass in den sogenannten Stämmschäfereien aus der Veredlung gering- werthiger Stämme durch Zuchtböcke ein Ge schäft gemacht wird. Edle Zuchtböcke errei chen nicht selten einen Preis von mehreren Hundert Mark, ja sogar Thalern. — Das ge ringste Fliess in den Heerden bringt der Hammel, worunter der im ersten Lebensjahre entmannte Bock zu verstehen ist. Mit dieser Entmannung tritt eine Wandlung in dem Cha rakter des Fliesses ein; das Haar wird stärker, verliert an Weichheit, gewinnt dagegen an Länge, so dass die Hammelfliesse in der Regel das grösste Schurgewicht ergeben, zumal da diese Thiere an und für sich auch grösser und stärker als die Mutterschafe werden und gleichsam den Uebergang vom Woll- zum Fleischschaf bilden. Dem event. Sortiren der Wolle zunächst folgt die Wäsche. Sie bildet das eigentliche Fundament der verschiedenen Behandlungs weisen in der Fabrikation. Eine rationelle Wäsche ist wirklich als die Basis für das Ge lingen einer guten Waare zu betrachten. Wird sie fehlerhaft ausgeführt, sei es, dass sie über haupt nicht eine reine ist, oder, wenn dies der Fall, dass durch Anwendung zu scharfer Waschlaugen oder zu hoher Wärmegrade beim Trocknen der gewaschenen Wolle das Haar spröde gemacht wird, dann ist schon der Grund dazu gelegt, dass die fertige Wollwaare bei sonstiger Eignung der rohen Wollen den gewünschten Weichheitsgrad mehr oder weniger vermissen lässt. In früheren Zeiten, ehe die eigentliche Epoche der Massenfabrikation eintrat, benutzte man zum Waschen der Wolle fast allgemein ein Gemisch von Wasser und faulem Urin im Verhältniss von 2:1 unter Anwendung einer Temperatur von ca. 48—52° R. Heute hat man diese Waschmethode fast ganz verlassen, obgleich sie, was Milde und Weichheit des gewaschenen Materials anbelangt, fast unersetz bar ist. Man bedient sich der Soda, Potasche, auch wohl des Wasserglases und anderer che mischer Mittel. Es mag ja sein, dass mit der von Jähr zu Jahr zunehmenden Massenpro duktion in vielen Fabriken der Urin nicht mehr aufzubringen war, so dass man zu drastisch wirkenden Mitteln seine Zuflucht nehmen musste. Immerhin ist es im Interesse einer guten mil den Wollwäsche zu bedauern, wenn man sieht, wie in grossen Fabriken mit einem zahlreichen Arbeitspersonal das nicht unbedeutende Quan tum dieses vorzüglichen Waschmaterials all täglich unbenützt in die Abfallwässer oder Wasserläufe abgelassen wird. Daher kommt es auch, dass jüngere Kräfte der Wollenindustrie von diesem Waschmittel und seiner milden Wirkung auch nicht annähernd eine Ahnung haben, und mitunter nur die Nase rümpfen, wenn man sie gelegentlich auf die Vorzüge desselben aufmerksam macht. Gegen die Anwendung von Soda und Pot asche lässt sich im Grunde genommen, nichts einwenden, wenn das richtige Maass eingehal ten wird, was eben sehr oft nicht der Fall ist. Im Allgemeinen sind es drei Punkte, welche eine von Natur weiche und milde Wolle in der Wäsche schädigen und zur Herstellung weicher Waaren ungeeignet machen können. — Hierher gehört erstens eine zu niedrige Temperatur der Waschflotte, -welche in der Regel mehr schädigend auf den guten Ausfall der Wäsche wirkt als ein zu geringer alkalischer Gehalt der Waschlauge. Das in der Wolle sitzende Fett und der Schweiss werden hierbei nicht gelöst und nicht genügend verseift; kommt dann eine solche Wolle im Spülbottich mit kaltem Wasser zusammen, so ist die Woll wäsche überhaupt als verfehlt zu betrachten und alle nachträglich zur Verbesserung der Wolle angewendeten Hülfsmittel erweisen sich in der Regel als erfolglos, wenn nicht gar als Verschlimmbesserungen. Eine solche verwaschene Wolle wird zähe und hastig; das nicht ge nügend gelöste Fett erstarrt bei der Verarbei tung im kalten Wasser und bildet eine die Faser umschliessende Fettschicht, welche trotz aller Bemühung nie mehr ganz zu entfernen ist. Weniger schlimm steht es, wenn die Waschlauge nicht genügend kräftig, in der Temperatur aber richtig gehalten worden ist. Gebraucht man hier die Vorsicht, die Wolle entsprechend länger als sonst in der Wasch flotte zu belassen, dann wird man immer noch eine entsprechend gute Wäsche erzielen, voraus gesetzt, dass der schwache Gehalt an Alkalien der Waschflotte eine bestimmte Grenze nach unten nicht überschreitet. — Eine zweite Ge fahr droht von einer zu heiss gehaltenen Waschflotte, auch wenn diese in ihren alkalischen Zusätzen die erlaubten Grenzen nicht überschrei tet. Geht man bis hoch in die 50er Grade R., oder gar noch höher, so lässt nicht nur die Verseifung des Fettes und Sch weisses zu wün schen übrig, sondern die zu hohe Temperatur der Flotte- hat, mit dem Alkali zusammen wirkend, ein Verfilzen der Wollstapel im Ge folge, so dass nach dem Spülen in kaltem Wasser die Wolle einen band-, beinahe strick artigen Charakter erhält und in Bezug auf Zähigkeit und schwere Lösung der Bänder etc. beim nachfolgenden Krempelprocess wirklich nichts zu wünschen übrig lässt. — Ein dritter Fall misslungener Wäsche liegt vor, wenn in folge zu scharf angestellter Waschlauge das Haar spröde wird, gleichviel ob die Wolle sonst in Bezug auf reine Wäsche als gelungen zu betrachten ist. Nach einer solchen Wäsche verliert das Haar die ursprüngliche Weichheit und Milde, die Elasticität wird geringer; beim Ziehen der getrockneten Wolle giebt diese einen eigenthümlich rauschenden Ton von sich und die einzelnen Fasern springen in eine mehr oder weniger geringelte Lage zusammen. ■— Kommt in allen hier angeführten Fällen noch dazu, dass die Wolle nach dem Spülen bei zu hoher Temperatur getrocknet wird, so können selbst gelungene Wäschen zum Schluss noch im Punkte der Weichheit des Haares miss glücken, ganz unabhängig davon, ob die Wolle diese Eigenschaft von Haus aus in genügender oder nicht genügender Weise besessen haben mag. Allgemeine Normen betreffs der Temperatur der Waschflotte sowie ihres Alkaligehalts kön nen nicht aufgestellt werden. Je geringer der Fett- und Schweissgehalt einer Wolle ist, desto schwächer alkalisch kann die Waschflotte und deren Temperatur gehalten werden. Unter 45 0 R. sollte man jedoch selbst bei geringstem Vorkommen von Schweiss und Fett nicht herunter gehen, wohingegen man bei fetten, mastigen, mit erdigen Bestandtheilen und Aus wurfstoffen behafteten Wollen bis zu 50—52 n R., jedoch unter keiner Bedingung darüber hinaus gehen darf. Aehnlich verhält es sich mit der Stärke der Waschlaugen. Gewaschene Cap wollen, die aber immer noch 5—10 °/ 0 Fett gehalt und darüber haben, erfordern nur ganz milde, bis zu 45°R. erwärmte Flotten; deutsche und andere Rückenwäschen, besonders wenn solche kein Lager haben und bald nach der Schur zur fabrikmässigen Wäsche kommen, erfordern schon eine Temperatur von 48° R. und einen entsprechend grösseren Alkalizusatz zu den Waschlaugen. Bei im Schmutz und Fett geschorenen Wollen muss natürlich eine Steigerung nach beiden Richtungen hin ein treten, da die Verseifung der grösseren Fett masse auch einen grösseren alkalischen Gehalt der Waschflotte erfordert; nie aber sollte über einen Wärmegrad von 50, höchstens 52 R. hinausgegangen werden, da sonst selbst ge schmeidige Wollen an Weichheit und Milde verlieren und eine spröde Faser bekommen. Für jüngere, in der Wollwäscherei weniger oder gar nicht bewanderte Kräfte der Woll industrie sei noch im Besonderen hinzugefügt, dass bei der Verbindung des Sch weisses und Fettes mit den der Waschlauge zugesetzten Alkalien (gewöhnlich Ammoniak- oder calciuirte Soda) sieb Seife in der Waschflotte bildet, deren Wirkung erst recht zu Tage tritt, wenn die Waschflotte schon einige Zeit benützt ist. Es kann hier, wenn man will, von einer Er- sparniss gesprochen werden, sofern ein Zusatz von Soda während des Wasehprocesses und dessen weiteren Verlaufs nur dann nothwendig wird, wenn durch den nach und nach ein tretenden Abgang der Waschflotte eine Er gänzung derselben durch Wasser nicht mehr zu umgehen ist. Dass beim Waschen sehr fettiger und schmutziger Wollen mit der Zeit eine Ueberladung der Waschflotte mit Fett substanz und Schmutz eintritt, ist selbstver ständlich; eine solche Flotte muss dann zu rechter Zeit durch eine neu angesetzte Lauge ersetzt werden. (Fortsetzung folgt.)