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Em illustrirtes Fachjournal für die Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Leinen-, Hanf- und Jute-Industrie sowie für den Textil-Maschinenbau; Spinnerei, Weberei, Wirkerei, Stickerei, Färberei, Druckerei, Bleicherei und Appretur. Fernsp rech-Anschluss : Nr. 1058. Tel egramm -Adresse : Redakteur Martin, Leipzig. Redaktion, Expedition Herausgeber und Chefredakteur: Theodor Martin. w. Organ des Vorstandes des Vereins der Sächsischen Textil-Berufsgenossenschaft Deutscher Wollkämmer und Kammgarnspinner. N°- 1. 1890. Nachdruck, soweit nicht untersagt, ist nur mit vollständiger Quellenangabe gestattet. V. Jahrgang. Zur Frage der Zolltarif-Revision in den Vereinigten Staaten. eber die für unsere nach den Ver einigten Staaten exportirenden Fabri kanten so überaus wichtige Frage der Zolltarif-Revision liegen jetzt von amtlicher Stelle Aeusserungen vor, welche auch diesseits des Oceans das Interesse der Industriellen erregen dürften. Kein Geringerer als der nordamerikanische ' Finanzminister selbst war es, der sich kürzlich , über jene Frage des Weiteren ausgelassen hat; in seinem Jahresberichte vom 4. December 1889 äussert sich derselbe nämlich wie folgt: Die Verminderung der Zoll-Einkünfte bildet ein anderweitiges Mittel, eine Verminderung der Regierungseinnahmen herbeizuführen. Das könnte geschehen: 1) Durch Ermässigung der Zollsätze auf gewisse Artikel, welche erstere mit den be stehenden Verhältnissen nicht im richtigen Ein klänge stehen. 2) Durch Erhöhung der Zollsätze auf Artikel, | welche hier zu Lande, weil deren Produktion ungenügend geschützt ist, nicht vollkommen j genug hergestellt werden; die heimische Pro- ' duktion würde auf diese Weise [angespornt wer- j den, und die Folge davon würde eine Vermin- ■ derung der Einfuhr bezw. der Zolleinnahmen sein. | 3) Durch Erweiterung der Freiliste auf Artikel, welche, aus verschiedenen Gründen, hier überhaupt nicht oder doch nicht derartig | hergestellt werden können, um die Concurrenz | mit fremden derartigen Artikeln aufnehmen ’ zu können. Mögen die Ansichten hinsichtlich des besten Modus, über die Ueberschuss-Einnahmen zu | disponiren, sowie einer die Erfordernisse der I Regierung übersteigenden unnöthigen Ansamm lung von Geldern im Bundesschatze Einhalt i zu thun, auch noch so sehr auseinandergehen, mag dasselbe auch der Fall sein hinsichtlich der abstrakten Besteuerungsfrage, so stimmen : doch alle Ansichten darin überein, dass eine I Revision des Tarifs sowie unserer Zollgesetze f eine geradezu zwingende NothWendigkeit ge worden ist. Meiner Ansicht nach ist in unserem grossen Gemeinwesen das Gefühl vorherrschend, dass bei Bemessung der Einfuhrzölle der Schutz für unsere heimischen Industrien eine geradezu aus schlaggebende Rolle spielen muss. Kann es doch nicht geleugnet werden, dass es die aus gesprochene Politik dieser Regierung ist, der artige Zölle aufzuerlegen, welche einen Schutz unserer heimischen Arbeit und unserer hei mischen Industrie gegen ruinöse fremde Con currenz gewähren. Einer der Hauptgesichtspunkte bei Erhebung der Einfuhrzölle, anlässlich der ersten Tarif acte vom Jahre 1789, war die Förderung unserer Fabrikanten sowie Schutz für dieselben. Der so aufgeworfene Lehrsatz hat sich, mit Zu nahme unserer Civilisation und Grösse, mehr und mehr erweitert, und wie verständig der selbe gewesen, beweist die geradezu wunder bare Entfaltung unserer heimischen Industrien, welche durch hohe Zölle geschützt waren, Zölle, welche angesichts unseres Bürgerkrieges für die Regierung eine Nothwendigkeit waren. Man sollte sich jedoch daran erinnern, dass man bei Einführung dieser hohen Zölle in erster Reihe die Erzielung von Einnahmen im Auge hatte, und die betreffenden Sätze wurden in Folge dessen mehr mit Rücksicht darauf als auf den Schutz und die Entfaltung der hei mischen Industrien bemessen. So kam es, dass im Laufe der Zeit in unserem Schutzzoll- Systeme grosse Unebenheiten und Unbillig keiten zu Tage traten; einige Industrien wur den dadurch ausserordentlich bevorzugt, wäh rend andere sich nicht gehörig entfalten konnten. Eine einheitliche Zollbemessung in den ein zelnen Häfen ist zur Zeit noch nicht gesichert worden; ja nicht einmal unter Importeuren derselben Waare und an denselben Häfen be steht dieselbe. Zweifel hinsichtlich der Aus legung der verschiedenen Tarifbestimmungen I haben zu steten Berufungen an den Finanz minister geführt, wobei speculative Importeure und schlaue Zolladvokaten noch hetzen. Wäh rend des letzten Fiscaljahres gab es so 25,349 I Berufungen seitens Importeure gegen Entschei dungen der Zollcollectoren. Grösstentheils rühr- | ten dieselben aus dem New-Yorker Hafen her. In der Verein. Staaten Circuit Court sind im Augenblicke 4497 derartige Klagen anhängig gemacht, welche sich auf mehr als 150 Artikel | beziehen, deren Classificirung eine streitige ist. I Von diesen letzteren Processen rühren 1725 aus dem letzten Fiscaljahre her, und während dieses Zeitraumes wurden nur deren 653 er ledigt. Die in diesen Processen involvirte Summe beläuft sich auf etwa 25,000,000 Dollars. Ich lenke die Aufmerksamkeit des Congresses auf die so häufig vorkommenden zu niedrigen Abschätzungen. Als Mittel, diesem Uebel- stande abzuhelfen, wird die Ersetzung der Werthzölle durch specifische Zölle vorgeschlagen, und ich schliesse mich dieser Empfehlung an. Auch die auf die Eintreibung der Zölle be züglichen Gesetze passen nicht mehr für unsere jetzigen Verhältnisse, wie auch die vorgeschrie bene Form der Facturen sowie der Consular- Beglaubigungen derartig modificirt werden soll ten, um eine Grundlage für den späteren Ver kehr abgeben zu können. Mit einem Worte — eine gründliche Revision und Codificirung unserer Zollgesetze ist, um in Einklang mit den jetzigen Verhältnissen gebracht zu werden, eine dringende Nothwendigkeit. Die englische Baumwollindustrie im Jahre 1889. (Von unserem Oldhamer Correspondenten.) ancashire, der Mittelpunkt des eng lischen Baumwollgeschäfts, unter schied sich im Vorjahre recht un- günstigvonandernlndustriedistrikten. Während fast in allen andern Branchen ein mehr oder minder grosser Geschäftsaufschwung bei namhaft bessern Preisen eintrat, litten die