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266 LEIPZIGER MONATSCHRIFT FÜR TEXTIL-INDUSTRIE. No. 9. Sie Drehung der Drossel- und der Selfaktorgespinste in englischer Beleuchtung. (Nachdruck verboten.] (Originalbeitrag von Otto Holtzhausen.) Seit der Einführung des Ringspinnens in die Praxis sind die Zweifel an der Gleich mäßigkeit der Drehungsübertragung so häufig Gegenstand eingehender Erörterungen seitens hervorragender Fachleute gewesen, daß die Annahme berechtigt erschien, der Vorgang des Ringspinnens sei jedem Interessenten heut völlig klar und eine weitere Erörterung dieser Frage überflüssig. Wie unzutreffend diese Voraussetzung ist, zeigt ein Vortrag, der vor ungefähr Jahresfrist von Herrn P. P. Craven in der „British Association of Mill Managers“ zu Manchester gehalten wurde. Die von dem Redner hierbei aufgestellte Be hauptung und seine Beweisführung über die Drehungsübertragung auf die Gespinste der Ringspinndrossel und des Selfaktors stehen in so starkem Gegensatz zu dem, was wissen schaftlich und technisch hierüber unzweifel haft festgestellt ist, daß die Stellungnahme dieser Versammlung, die die Ausführungen des Vortragenden mit Beifall auf nahm, im höchsten Grade überraschen muß. Der Vortragende hatte sich die Aufgabe gestellt, folgende Fragen zu beantworten: 1. Hat das Selfaktor- oder das Ringdrossel gespinst gleichmäßigere Drehung? 2. Welche dieser beiden Gespinstarten hat größere Festigkeit? 3. Kann das Ringdrosselgespinst ebenso lose gesponnen werden als das Selfaktorgespinst? 4. Woher kommt es, daß die Innenseite der Ringe durch den Läufer mehr abgenutzt wird als die Außenseite? 5. Können Kops auf die bloße Spindel ge sponnen werden? Die folgenden Ausführungen richten sich zunächst nur gegen die Beweisführung über die Drehungsbildung, wie sie der Vortragende zur Beantwortung der Frage 1, bei der er sieh zu gunsten des Ringdrosselgespinstes entscheidet, vorbringt. Er stellt dabei folgende Behauptung auf: „Gegenüber der vielverbreiteten Ansicht, daß die Garne (und Zwirne) nicht soviel Drehungen enthalten, als die Spindeln Um- drehungen machen, stelle ich die gegen teilige Behauptung auf, daß die Drehungen im Faden den Spindeldrehungen gleich sein müssen.“ Demgegenüber muß darauf hingewiesen werden, daß diese oft erörterte Frage von autoritativer Seite in bezug auf das Ring drosselgespinst überzeugend und zweifelfrei dahin beantwortet wurde, daß die Drehungen der Garne gegenüber den Spindeldrehungen um soviel geringer sein müssen, als der Wickel körper Fadenwindungen enthalten. Dieser Nachweis soll nachfolgend nochmals erbracht werden, zu Nutz und Frommen derer, die mit Herrn Craven gleicher Ansicht sind. Zum Beweis seiner Behauptung bringt der Vortragende folgendes Beispiel: „Wird ein schwarzer und ein weißer Faden an einer Spindel befestigt und diese macht dann 10 Umdrehungen, so erhalten die beiden Faden 10 Drehungen. Das so ge zwirnte Fadenstück wird nun durch Dre hung der Spindel auf den Spindelkörper (bloße Spindel oder Wickelkörper?) ge wunden, wobei die Spindel wieder 10 Um drehungen macht, dann wird der aufge wundene Faden 20 Drehungen besitzen, wovon 10 vor der Aufwindung vorhanden waren, weitere 10 wurden ihm durch die Aufwindung zuteil. Wird dieser Faden nun von der Spindel abgezogen, ohne daß diese gedreht wird, dann sind tatsächlich 20 Fadendrehungen vorhanden. “ Dieses Beispiel an einem gezwirnten Faden ist zugleich vorbildlich für die Gespinste; es zeigt drei gesondert zu betrachtende maschi nelle Verrichtungen, von welchen I. die Fadendrehung und II. die Fadenwicklung auf Papierhülsen oder Spulen von der Spinn- oder Zwirnma schine ausgeführt wird, während III. das Abziehen des Fadens vom Wickel körper bei dessen Weiterverarbeitung durch Spulen, Haspeln, Weben usw., mit Anwendung besonderer Maschinen stattfindet, wobei es Bedingung ist, daß der Fadenabzug über die Spitze des befestigten Wickelkörpers stattfindet. Um aber mit dem gegebenen Beispiel den Beweis für die Behauptung zu erbringen, daß die Fadendrehungen den Spindeltouren gleich sein müssen, fehlt ihm nicht nur die nötige Klarheit, sondern auch die Möglichkeit, es praktisch mit den hierzu nötigen Maschinen auszuführen. Um einen Begriff zu bekommen von der Länge des Fadenstückes, mit welchem der Vortragende experimentiert, wird ange nommen, daß seine zehnmalige Umwindung an der, einen abgestumpften Kegel bildenden Spitze eines Drosselkops stattfindet., dessen größter Durchmesser 40, kleinster Durch messer 15, Höhe 36 mm beträgt. Hieraus ergibt sich ein mittlerer Durchmesser von 27,5 mm und eine Länge des Fadenstückes von (10 . 27,5 . 3,1416) 864 mm oder 34 Inches, auf welche sich die durch zehnmalige Umdrehung der Spindel erzeugten Faden drehungen verteilen. Ein derartig loser Zwirn wäre dem offenen gefachten Garn gleich, wie es der Duplierhaspel erzeugt; mit der Ringzwirn maschine läßt er sich überhaupt nicht her stellen; ebenso ist es unmöglich, Gespinste mit so loser Drehung zu spinnen. Aus diesen Erwägungen ist ersichtlich, daß diesem Bei spiel die Beweiskraft fehlt. Um nun die behauptete Übereinstimmung der Fadendrehungen mit den Spindeldrehungen nach vollendetem Spinnprozeß auf ihre Rich tigkeit zu prüfen, soll die Arbeitsweise der Ringdrossel und des Selfaktors, deren Leistung j in der Drehungsübertragung auf den Faden und seiner Aufwindung zu einem kopsförmigen Wickelkörper besteht, im nachstehenden einer näheren Betrachtung unterzogen werden, wo bei im voraus zu bemerken ist, daß diese Verrichtungen von beiden Maschinenarten in sehr verschiedener Weise ausgeführt werden. Bei der Ringdrossel werden die zwischen den Zylindern hervortretenden Fäden durch eine genau über der Spindelspitze befindliche Öse, an der Spindel vorbei zum Läufer, und von diesem seitwärts zur Aufwindestelle am Wickelkörper, die mit der auf- und abgehenden Bewegung der Ringschiene wechselt, geleitet. Durch diese Anordnung ist der im Ring frei hängende Läufer, dessen Mitwirkung am Spinnprozeß passiv ist, gezwungen, an den Um drehungen der Spindel teilzunehmen, indem er von dem um die Spindel schwingenden Faden nachgezogen wird. Durch diese Teilnahme des Läufers an den Spindeldrehungen erfolgt die Übertragung der letzteren auf den zwischen Zylinder und Aufwindestelle laufenden Faden und hiermit wird der eine Teil der von der Ringdrossel zu leistenden Arbeit erfüllt. Die weitere Arbeit der Ringdrossel besteht in der Aufwindung des gesponnenen Fadens in Kopsform. Die Zuführung des Vorge spinstes durch den Zylinder sowie die Dreh ungsübertragung durch die Spindel vollziehen sich in ununterbrochener Folge, während die auf- und abwärtsgehende Ringschiene den im Ringe freihängenden Läufer den wechselnd zu- und abnehmenden Umfängen an der Kops spitze gegenüberstellt. Infolge seiner eigenen Schwere und der Reibung, die der Zug des Fadens zwischen dem Läufer und der Innen seite des Ringes erzeugt, wird der Faden be lastet, der Läufer wird von dem schwingenden Faden nachgezogen und soweit hinter den Spindeldrehungen Zurückbleiben, als der Unter schied der zugeführten Fadenlänge gegenüber dem Umfang der Wickelstelle an der Kops spitze beträgt, und um diese Differenz zwischen der Zuführung, die unveränderlich ist, und der Wickelung des Fadens, die sich dem Um fang des Wickelkörpers anpaßt, steht die Fadendrehung hinter den Spindeldrehungen zurück. Eine vollkommene Übertragung der geleisteten Spindeldrehungen wäre nur denk bar, wenn der Läufer mit der kreisenden Spindel gleichen Schritt hielte, also sich stets dem gleichen Punkte des Wickelkörpers gegenüber befände. In diesem Falle wäre aber die Fadenwicklung aufgehoben und damit der Spinnprozeß überhaupt unmöglich gemacht. Das folgende Beispiel aus der Praxis wird das hier Gesagte am besten klarlegen. Eine Ringdrossel spinnt Nr. 20 Waterkops auf Papierhülsen mit 18,14 Drehungen pro engl. Zoll — 714 pro m. Die Maße der einen abgestumpften Kegel bildenden Spitze seien: Durchmesser unten 36, oben 12, im Mittel 24 mm, - dann beträgt der Umfang unten 113,1, oben 37,7, im Mittel 75,4 mm. Die Höhe betrage 40 mm, dann sind die Faden windungen mit 114 (hiervon 74 aufwärts, 40 abwärts) von 8,6 m Länge anzunehmen, ebenso das Garngewicht eines Kops mit 42 g. Da nun 1 engl. Pfund = 453,6 g und ein Hank — 768 m ist, so besteht ein Kop aus: — p'.* 1422 m Fadenlänge, = 165 Fadenschichten, 0,0 165 • 114 — 18 810 Fadenwindungen, 1422 714 — 1015310 Spindeldrehungen. Von diesen letzteren wurden 18 81<> für die Fadenwindungen verbraucht, sodaß nur