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Polytechnische Beilage rar Leipziger Monatschrift für Textil-lndustrie. Mittheilungen für die Praxis des Fabrikbetriebs, insbesondere über Fabrikbauten, Dampf-, Wasser- und elektrische Anlagen, Ventilation, Heizung, Beleuchtung u. dergl. mehr. Das Anfeuchten der Luft. Von Director J. Spennrath in Aachen. [Nachdruck untersagt.] Die atmosphärische Luft ist ein Gemenge ver schiedener Gasarten. Zn den ständigen und überall vorkommenden Bestandtheilen gehört auch der Wasser dampf. Während aber der Procentgehalt der übrigen Gemengtheile der Luft ganz oder nahezu unveränder lich ist, ist der Wassergehalt starken Schwankungen unterworfen. Es steht dies damit im Zusammenhänge, dass die Fähigkeit der Luft, Wasserdampf aufzuneh men, mit ihrer Temperatur steigt, oder richtiger gesagt, damit, dass die Spannkraft des Wasserdampfes mit der Temperatur zunimmt. Je wärmer es ist, um so mehr Wasserdampf kann und wird sich folglich an der Oberfläche jeder Wasseransammlung bilden und sich mit der Luft mischen. Hat sich so viel Wasser dampf gebildet, dass die dem betreffenden Wärmegrade entsprechende Spannkraft erreicht ist, so hört, die weitere Verdunstung auf; wir sagen, die Luft sei bis zur Sättigung mit Wasserdampf versehen. Es ist hier nach klar, dass der jeweilige Wassergehalt der Luft innerhalb sehr weiter Grenzen schwanken wird, und es ist von Interesse, sich dies innerhalb der praktisch vorkommenden Grenzen zahlenmässig vor Augen zu führen Nehmen wir als äusserste Grenzen 30° C. über und unter dem Nullpunkt, also, wie man ge wöhnlich zu sagen pflegt, 30° Kälte und 30° Wärme an. Ist die Luft mit Wasserdampf gesättigt, so ent hält sie im Kilogramm bei den verschiedenen, von 5° zu 5° steigenden, Temperaturen die nachstehend ver zeichneten Wasserdampfmengen: n n 0,31g 0,49 „ 0,77 „ 1,19 „ 1,76 „ 2,59 „ 3,75 „ bei - 30» C. — 25« — 20» — 15» — 10» — 5» 0» bei 0» C. n T) n n 'n 5» 10» 15» 20« 25" 30» 3.75 g 5,34 7,51 10,43 14,33 19,47 26,18 M n n n » n Vorausgesetzt ist dabei ein Barometerstand von 760 mm Quecksilber; bei niedrigerem Stande des Baro meters ist die Wassermenge etwas grösser, bei grösse rem etwas kleiner. Man sieht, dass die Sättigungs mengen bei den verschiedenen Temperaturen sehr weit auseinander liegen. Die mit Wasserdampf gesättigte Luft enthält bei 30» C. das 84,4 fache an Wasser gegenüber dem Wassergehalte bei — 30» C. Für den Aufenthalt und das Arbeiten in ge schlossenen Räumen kommt es nun weniger in Be tracht, wie viel Wasserdampf die Luft in der Raum oder Gewichtseinheit enthält, sondern wie weit sie bei der gerade vorhandenen Temperatur von der Sättigung entfernt ist. Auch in der freien Atmosphäre ist die Luft höchst selten mit Wasserdampf gesättigt, meistens schwankt der Gehalt zwischen 60»/ o —80»/ o der Sät tigungsmenge. Eine ungesättigte Luft vermag nun noch weiter Wasserdampf aufzunehmen, kann folglich wasserhaltige Gegenstände, mit denen sie in Berührung kommt, austrocknen. Das Austrocknungsvermögen steigt in dem Maasse, wie der Procentgehalt der Sättigung der Luft geringer wird. Hieraus entspringen die Uebelstände einer zu trockenen Luft und das Be- dürfniss der Luftanfeuchtung in Arbeitsränmen, ins besondere der Textil-lndustrie. Nehmen wir als veranschaulichendes Zahlen ¬ beispiel den folgenden Fall. Es herrsche zur Winters zeit bei klarer Frostkiilte eine Temperatur von — 10» C., in den geheizten Arbeitsräumen aber betrage der Wärmegrad -]-20»C. Die Aussenluft sei zu 70“/ o mit Feuchtigkeit gesättigt. Nach der obigen Tabelle ent hält alsdann die Aussen lüft in Kilogramm 0,70 ><1,76 = 1,232 g Wasserdampf. Wird diese Luft im Arbeits raum auf 20» C. erwärmt, so kann sie bis zur Sättigung 14,33 g Wasser aufnehmen. Die relative Feuchtigkeit beträgt somit . = rund 8,6»/ 0 der Sättigung. 14,33 Eine solche Luft ist also relativ sehr trocken und ein mit derselben gefüllter geschlossener Raum wirkt ähnlich wie ein Trockenkasten. Es ist übrigens nicht einmal nöthig, eine Aussentemperatur von — 10» C. anzunehmen, um eine unzulässige Lufttrockenheit in geheizten Arbeitsräumen nachzuweisen. Nehmen wir an, dass die Aussenluft die Temperatur von 0» C. habe und zu 70“ mit Feuchtigkeit gesättigt sei. In diesem Falle ergiebt die Rechnung, dass die auf 20» C. in den Arbeiträumen erwärmte Luft nur 18,3°/ 0 der Feuchtigkeitssättigung erreicht, also immer noch eine durchaus unzulässige relative Trockenheit besitzt. Eine zu grosse relative Trockenheit der Luft wirkt schädlich auf die Athmungsorgane der Menschen, welche sich in einer solchen Luft aufhalten. Die Thatsache, dass es im Winter die meisten Krank heiten der Athmungswerkzeuge giebt, ist nicht auf den schädlichen Einfluss der kalten Luft, sondern auf die relative Trockenheit der erwärmten Luft in den Wohn- und Arbeitsräumen zurückzuführen. Erfah rungsgemäss werden von solchen Krankheiten Leute, welche sich ständig im Freien, also in der kalten Luft aufhalten, am wenigsten befallen, während die Innen arbeiter und die Stubenhocker ihnen ständig ausgesetzt sind. In der Textil-lndustrie aber tritt der schäd liche Einfluss einer zu trockenen Luft noch in anderer Weise in die Erscheinung. Gespinnstfasern, welche dem Thier- oder Pflanzen reich entstammen, sind bekanntlich sämmtlich, wenn auch in verschiedenem Grade, hygroskopisch. Der je weilige Wassergehalt richtet sich nach der relativen Feuchtigkeit bezw. Trockenheit der Luft, in welchem sich das Fasermaterial befindet. Es ist also klar, dass jedes Fasermaterial umsomehr Feuchtigkeit ver lieren wird, je trockener die umgebende Luft ist. Dies führt zu allerlei unliebsamen Erscheinungen. Die Fasern werden in dem Maasse. wie sie hygroskopische Feuchtigkeit verlieren, minder geschmeidig, hart und spröde. Diese Eigenschaften übertragen sich auf das Garn. So kommt es, dass eine Kette auf dem Stuhl schwieriger geht, wenn die Luft im Arbeitsraume zu trocken wird. Man schreibt den Uebelstand häufig der Wärme zu, während thatsächlich die durch Er wärmung relativ trocken gewordene Luft die Schuld trägt. Bei geleimten und geschlichteten Ketten kommt noch hinzu, dass der Klebstoff durch das scharfe Aus trocknen ebenfalls nachtheilig beeinflusst wird. Der getrocknete Leim oder Kleister wird in dem Maasse starrer und spröde, wie er schärfer austrocknet, die Ketten werden folglich härter, überdies erhält der spröde Klebstoff Risse und Sprünge, er schält sich theilweise ab, macht den Faden voluminöser und rauh. Die Reibung der Kettenfäden aneinander wird stark vergrössert, die Fäden scheuern sich bald durch und es entstehen zahlreiche Fadenbrüche. Die meisten sol cher Fadenbrüche beobachtet man nicht etwa zur heissen Sommerzeit, sondern im Winter, wenn draussen strenge Frostkälte herrscht. Im Sommer ist eben die Luft niemals relativ so trocken, wie sie es im Winter in geheizten Räumen notbwendig werden muss. Die Nachtheile einer zu trockenen Luft in den Arbeits« räumen der Textilindustrie sind übrigens so allgemein bekannt, dass eine Aufzählung im einzelnen überflüssig erscheint. Man hat deshalb auch insbesondere in den letzten Jahren seine Aufmerksamkeit der Sache zuge wandt und Abwehrmaassregeln vorgeschlagen und ein geführt. Leider finden sie nicht durchgehends das verdiente Interesse. In allen Arbeitsräumen einer der Textilindustrie angehörigen Fabrik, insbesondere aber in den Spinn- und Websälen, sollte die Luftfeuchtigkeit niemals unter 80»/ o der Sättigung betragen und sobald und solange dieser Feuchtigkeitsgrad nicht erreicht ist, ist künstliche Luftanfeuchtung angezeigt. Die Noth- wendigkeit dieser künstlichen Anfeuchtung steigt in dem Maasse, wie der Feuchtigkeitse'ehalt der Luft von 80»/ o nach unten abweicht. Zuvörderst wäre also in jedem Arbeitsraum an geeigneter Stelle ein Mess instrument, ein sogen. Hygrometer anzubringen, welches den Feuchtigkeitsgehalt zu jeder Zeit zuver ¬ lässig angiebt. Mathematische Genauigkeit ist dabei keineswegs erforderlich. Solche Instrumente werden heute nach dem Muster der Haarhygrometer für wenig Geld überall geliefert. Sie sind nach feineren Instru menten so geaicht, dass ein auf einer Scala spielender Zeiger den Procentgehalt der relativen Luftfeuchtigkeit unmittelbar angiebt. Das Anfeuchten der Luft geschieht in der Weise, dass man in dem betreffenden Raume flüssiges Wasser zur Verdunstung bringt. Hierbei ist zu beachten, dass bei gleichem Wärmegrad die Wasserverdunstung proportional der Verdunstungsfläche fortschreitet. Dies erklärt sich sehr einfach; die Verdampfung einer Flüssigkeit, also auch des Wassers, unterhalb des Siedepunktes geht nur an der Oberfläche der Flüssigkeit von statten, also da, wo die Flüssigkeit mit der Luft in unmittelbarer Berührung ist. Ver- grössern wir also die Oberfläche der Flüssigkeit, so vergrössern wir damit die Verdunstungsfläche und steigern damit auch die Menge des in der Zeit einheit in Dampf übergeführten Wassers. Daraus er giebt sich ohne weiteres, wie eine Luftanfeuchtung zweckmässig einzurichten ist, und welche Anforderungen dementsprechend an einen Anfeuchtungsapparat zu stellen sind. Von zwei Apparaten wirkt derjenige am vortheilhaftesten, welcher eine gegebene Wasser menge am feinsten vertheilt. Es muss das Wasser stets in Form eines sehr feinen Sprühregens und unter starkem Druck aus dem Apparat herauskommen. Je feiner die Tröpfchen des Sprühregens sind, um so zahl reicher sind sie und um so grösser ist die Verdun stungsfläche. Der starke Druck ist aus dem Grunde notbwendig, weil durch ihn die Tröpfchen möglichst weit fortgeschleudert werden, also auch mit entfern teren Partieen der Luft in Berührung kommen. Die Wassertröpfchen sollen, ehe sie den Boden des Raumes erreichen, verdunstet, also in Gasform übergeführt sein. Dies wird mit Sicherheit nur dann erreicht, wenn die Tröpfchen erstens so fein und folglich so leicht sind, dass ihr Gewicht von dem Luftwiderstand getragen wird, sie also wie Staubtheilchen längere Zeit in der Luft schweben können, und ferner, wenn sie thunlichst gleichmässig durch die Luft des Raumes vertheilt werden. Geschieht letzteres nicht, so wird die Luft an den von den Sprühregen getroffenen Stellen bald so feucht, dass sie kein Wasser mehr aufnehmen kann. Sehr wichtig ist es ferner, die Befeuchtungs apparate so anzubringen, dass die ausgeschleuderten Wassertröpfchen möglichst hoch, thunlichst an der Decke des Raumes zum Vorschein kommen. Einmal hat dies den Vortheil, dass der Weg von da bis zum Fussboden des Raumes der grösste ist, ferner wird der Tropfen auf diese Art am sichersten durch die Luftströmungen weiter getragen und den entfernteren Theilen des Raumes zugeführt. Das Verdunsten des Wassers bewirkt eine Abkühlung, somit auch eine Ver dichtung der Luft und deshalb Luftstömungen, wenn die Abkühlung in möglichst hohen Schichten des Raumes vor sich geht. Rechnet man die Verdampfungs wärme des Wassers zu rund 640 Cal., so werden durch Verdunstung von 1 kg des zerstäubten Wassers 640 Wärmeeinheiten gebunden, also der Luft des Raumes entzogen. Damit kann man etwa 560 cbm Luft um 1» oder 56 cbm Luft um 10» C. abkühlen. Man sieht daraus, ein wie ausgezeichnetes Mittel man ausserdem in der Wasserzerstäubung zur Herabminderung der Temperatur in heissen Arbeitsräumen hat. Man muss allerdings zur Sommerzeit, wo dies nöthig wird, auch für einen ständigen Luftwechsel in den Arbeitsräumen sorgen, da sonst die Luft bald mit Feuchtigkeit ge sättigt und dadurch erst recht unbehaglich werden würde. Die künstliche Luftanfeuchtung bietet so viele Vortheile, dass die geringen Kosten derselben gar nicht in’s Gewicht fallen können. 5