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Nr. 215. 104. Iahr-rmg. Sormaberiü, 6. S«suv 1SW. nes Namens . ^je ganz unver gleichliche Stellung dieses „alten Meisters" in der modernen Kunst, die Magie seines Schaffens, die so gegenwärtig, so völlig neu uns berührt, das, sie be kämpft und geschmäht wird, wie die Arbeit eines „jungen", eines Künstlers, der mitten innen steht im Getriebe der Meinungen und Stile. Velasquez ist der „Seelenführer" gewesen, den die Jmpreffio- demokrattschen Stimmzettel auittiere». Ei» Kauf, mann sagle mir: Wenn die Erbanfglifteuer gekommen wär«, so wäre alles gut gewese»; man hätte dre kleinen drückenden Steuern nicht nötig gehabt. Das, die Negierung aber ja sagt zu vleuern wie der Zündholz st euer, das wird sich schwer rachen! Hunderte von ähnlichen Aeuke- rungen habe ich in Stadt und Land gehört lind der eine sagt» dem andern; cs geht und schleicht wie ein Gift durch die Massen. Die Wirkung zeigt sich. Es kommt vielleicht noch schlimmer! Da» sind die Folgen der konservativ-klerikalen Finanzpolink, deren Väter glaubten, 500 Millionen neuer Steuern bewilligen zu können, ohne gleich zeitig eine gerechte Befitzsteuer »inzusühren! * Zu» Ausstand der Werstarbeiter wird aus Hamburg gemeldet: Die Werftbesitzcr und Werft direktoren der deutschen Schiffswerfren hielten zwei Besprechungen über die Lage nach Erklärung des Ausstandes ab. Zn den Kreisen der Werftdirektoren werden die Schwierigkeiten der Situation durchaus nicht verkannt. Man rechnet sogar damit, das, der Kampf sich auf sehr lange Zeit ausdehnen wird, da anscheinend auch bei den Arbeitern keine Neigung vorhanden ist, nachzugeben. Ferner wird aus Kiel gemeldet: Wenn die Arbeiter in Hamburg nicht im Lause der nächsten 14 Taqe die Arbeit wieder aufnchmen. so werden voraussichtlich sämtliche Seeschiffswerften 60 Prozent ihrer Arbeiterschaft aussperren. Da» würde in Kiel 3000 Arbeiter treffen. Die drei kaiserlichen Werften in Kiel, Danzig und Wilhelmshaven werden durch die Lohnbewegung der Arbeiter auf den Privatwerften durchaus nicht berührt. * Di« bayrisch« Abgeordnetenkam»er nahm das Finanzgesetz, das die Zustimmung des ganzen Budgets bedeutet, gegen die Stimmen der Sozial demokraten an. Bor zwei Jahren hatten die bayrischen sozialdemokratischen Abgeordneten das Finanzgcsetz angenommen. Dieser „Disziplindruch" führte zu heftigen Auseinandersetzungen auf dem Nürnberger Parteitag. In diesem Jahre haben die bayrischen Genossen sonderbarerweise nach „nord deutschem" Rezept gehandelt. Es scheinen hierbei parteitaktische Maßnahmen mitgespielt zu Haden. Offenbar wollte man den norddeutschen Genoffen, die schon über die widerspenstigen Kammersozialisten in Baden sehr ausgebracht sind, einen neuen Aerger ersparen, und das ist von den bayrischen Genoffen ohne Zweifel sehr edel gehandelt. * Kolonial-Wirtschaftliche». Die am 1. August aogehaltene Mitgliederversammlung des Kolontal- Wirtschafilichen Komitees hat den Jahresbericht 1900 191" cntgegengenommen. Die Rechnungslegung für das Jahr IWO ergibt in Einnahmen und Aus gabe» die Summe von 1048 649 .41 Di« Versamm lung beschloß die Einsetzung einer „Kolonialtech- nischen Kommission" zur Bearbeitung und Nutz barmachung der technischen Unternehmungen des Komitees in den Kolonien. Sie nahm ferner Kenntnis von dem Beschlich des Staatssekretärs des Reichs - Kolonialcmts von Lindcquist wegen der Errichtung eines „Ständigen wirtschaftlichen Beirats der Kolonialvcrwaltung" und begrüßt die Schaffung dieser beratenden kaufmännischen Körperschaft mit Freude und Genugtuung. Der Arbeitsbereich des Kolonial-Wirtschaftlichen Komitees andrerseits um fasst bekanntlich die Vorbereitung und vraktischc Ausführung von wirtschaftlichen Unternehmungen in den Kolonien und überseeischen Interessengebieten. Als Programm für die Herbsttagung wurde fest gesetzt: Verhandlungen über Baumwollkulturversuche ,n den Kolonien und damit zusammenhängende tech nische Aufgaben nach Maßgabe der zwischen dem Neichs-Kolonialamt und dem Komitee bestehenden Vereinbarung; Förderung der Produktion von Oel- rohsloffen und Einführung der maschinellen Oel- gewinnung in Ost- und Westafrika; wafferwirtschaft- liche und landwirtschaftliche Erkundungen mit be sonderer Berücksichtigung volkswirtschaftlich wichtiger Kulturen in der Mkatlasteppe, der Landschaft Ugogo, des Pare-Gedictes und der Landschaften am Viktoria see in Deutsch-Ostafrika; Fortsetzung der Guttapercha- und Kautschukgcwinnung und Förderung des Reis baues in Neuguinea; ferner über die deutsche Ab teilung der Internationalen Kautschuk-Ausstellung London 1911, deren Geschäftsführung das Komitee übernommen hat, und über die Beteiligung an der Turiner Weltausstellung. * Ostelbisches au» Baden. In den Zeitungen von Engen und Singen am Hohentwiel findet sich seit einigen Tagen folgendes Inserat: Warnung. Zur Verhinderung von Unglückssällen, welche durch die bei den Rehrufjagden jetzt häufig ge brauchten weittragenden Gewehre leicht herbei geführt werden können, wird vor dem Besuche der Waldungen auf den Gemarkungen Engen, velasquez sn keinem 250. Tnüestsge. (6. August 1660.) Von Dr. Paul Landau. Etn Vierteljahrtaufend ist im Zeitenstrome dahin gerollt seil jenem Freitag, dem 6. August, im Jahre nach der Geburt des Heilands 1660, da der P a l a st - Marschall Seiner latholijchen Majestät, König Philipps I V. von Spanien, der Ritter des Hohen San- Uago-Ordens, Diego de Silva Velasquez mach Empfang der heiligen Sakramente, um zwei tlhr nachmittags, im 61. Lebensjahre, seine Seele ocm gab, der sie zu solcher Bewunderung der Welt ge schaffen hatte, alle in großer Trauer zurücklafjenv, und nicht am wenigsten Seine Majestät, die, als das Veben in Gefahr schwebte, zu verstehen gegeben hatte, wie sehr sie ihn lieb und wert hielt". Der Mensch, dessen irdisches Teil damals mit allen Ehren bestattet wurde, ist heute noch unter uns lebendiger und wirk samer, als all die Großen und Mächtigen, denen er mit bescheidenem Stolz gedient. Philipp lV., der Beherrscher zweier Welten, sein mächtiger ollge- bietendcr Günstling Olivarez, die Jnfanten und Prinzessinnen, Admiral und Feldherr — sie alle baden für uns nur »och Seele, haben Sinn durch ihn. nur weil ihr menschlich tiefes Abbild uns im In nersten ergreift und fesselt, haben wir auch Interesse für das, was sie waren, was sie erlebten. Während die Taten der Politik längst verklungen sind, ver, Hessen die Gestalten der Geschichte, die dem Maler den -lass für seine Bilder boten, find alle die hohen Werke seiner Hand „herrlich wie am ersten Tag . Wohl nirgends in der Kunst tritt uns die Gött lichkeit und Größe des Genies so eindruckvoll vor die Seele, als wenn wir des Delasquez ge malte Schönheitswunder, ihren magischen Zauber, ihre geheimnisreiche Vollkommenheit, ihre unendliche Wirkung betrachten und erwägen. Mägen sich auch Herostrate gegen die Unverletzlichkeit se vergangen haben, sie beweisen nur dn Bittelbruun, Schlatterhof, Wasserburg, Lckart»- brunn, Dornsberg, Honstetten, Emmingen ab Egg, Bieseydorf, Mauenheim, Bargen und Schopfloch während der Zeit vom 1. Auaust bis M August eindringlich gewarnt. Das Saiymeln von Hol^ Beeren, Schwämmen, Gras rx. in den Fürst lich Fürstenbergischen Waldungen ist während dieser Zeit au» Sicherheitsgründen strengstens verboten. Fürstl. Fürstend. Forflamt Enaen. Sind die Rehrufjagden so wichtig und unaufschieb bar, daß zehn Tage lang für zwölf Gemarkungen mit einer Bevölkerung von über 4500 Menschen der Verkehr um diese Zett unterbunden werden muß? Da ist es kern Wunder, wenn in solchen Gegenden die Bevölkerung langsann aber unaufhalt sam seit 40 Jahren Hurückaeht. Von 1871 bis 1906 verminderte sich im Amtsbezirk Engen, in dem 11 dieser Gemarkungen liegen, die Bevölkerung von 22 396 auf 21 279, also um 1117 ---- 5 Proz., wahrend zu gleicher Zeit der benachbarte Amtsbezirk Konstanz um 70 Proz. zunahm. Sltslsntz. Veyerretch-Ungsrn. * Zusammenkunft des Zaren mit Kaiser Fran, Josef? Die „Wiener Reichspost", die zu Kreisen Be ziehungen unterhält, die dem Thronfolger nahe stehen, weiß zu berichten, daß vertrauliche Verhand lungen wegen einer Zusammenkunft des Kaisers Franz Joses mit dem Kaiser von Rußlqnd stattlinden. Die deutsche Diplomatie soll von den Verhandlungen unterrichtet sein und Kaiser Wilhelm soll sich dafür auf das wärmste interessieren. Ihm wird di« Absicht zugesckrieben, den Plan bei ferner Zusammenkunft mit dem Zaren mündlich zur Sprache zu bringen. Sollte die Zusammenkunft erfolgen, so würde sie ver mutlich auf der Rückreise des Zaren von Darmstadt auf österreichischem Boden stattfinden. Bekanntlich sind die Beziehungen der Monarchien Oesterreich und Rußland seit der Orientkrisis nicht wieder völlig sreunoichaftlich geworden. Spanien. * Das Verbot der ultramontanen Kundgebung in San Sebastian hat Ministerpräsident Cana le ja s dem Madrider Mitarbeiter des „Petit Parisien" in folgenden kräscrgev Worten darge'rgt und begründet: „Der Kriegsminister und ich haben dem Generalkapitän der Baskengegend Weisungen zugehen lassen. Er wird mit größter Energie vor gehen, indem er Truppen an den strategischen Punkten sammelt, um unter allen Um ständen die Kundgebungen zu ver hindern. Die Regierung wird auch alle Beförde rungsmittel von Biloao nach San Sebastian zu ihrer Verfügung behalten, um augenblicklich im Notfälle Verstärkungen senden zu können. Wir hätten «ine Kundgebung der Katholiken ebenso geduldet, wie hundert andere, aber nur unter der Bedingung, daß sie anderwärts als nach San Sebastian, wohin Sonntags unzählige Fremde strömen, oder nach Bilbao einberufen würde, wo die Ausstände «ine anormale Lage geschaffen haben. Mir ist zur Kennt nis gelangt, daß der Pfarrer eines Dorfes Revolver verteilt hat. Ich habe ein« Unter suchung angeordnet. Wird die Tatsache bestätigt, so greifen die Gerichte ein. Kuy, alle Maßregeln find getroffen, um die Gesetzmäßigkeit zu ver teidigen. Wollen unsere Gegner eine Lehre, so sollen sie sie erhalten. Sie allein find für das, was kommen wird, verantwortlich." Frankreich. 'Die vudgrtkommiffion der Deputiertenkammer prüfte am Donnerstag die Marineausgaben, das Budget der Ehrenlegion und des Senatorendienstes. Am Nachmittag wurde mit der Prüfung de» Kriegs budgets begonnen Aus Vorschlag der Berichterstatter wurden die Kapitel über Besoldung und Unterhal tung der Truppen mit Rücksicht auf dre von der Kom mission verlangten größeren Ausgaben bei der Ein stellung der Rekruten des Jahrganges 1909/10 um 4 467 000 Franken gekürzt. Auch sonst erzielte die Kommission Ersparnisse in Höhe von IfH Millionen Franken. * ISVjähriges Jubiläum des Advokatenftande». Der „Figaro" erinnert daran, daß in diesem Jahre der Stand der Advokaten sein lOOjähriges Jubi läum feiert. Er war durch die Revolution abge schafft worden und wurde durch ein Dekret Napo leons I. vom 14. Dezember 1810 wiederhergestellt. Aus diesem Anlah wird eine glänzende Feier im Justizpalast stattfinden, zu der die Mitglieder der Regierung und der gesetzgebenden Versammlung ein geladen werden. Auch die hauptsächlichsten Vertreter des Advokatenstandes sollen Einladungen erhalten. * Da» Urtterseeboot „Fructidor" ist nach einer Rundfahrt von Cherbourg, Havre, Toulon, Dün kirchen zurückgekehrt und hat diese Fahrt ohne ZwlschenfqN in bester Verfassung überstanden. * Neu« varschriste» für die französischen Untersee boot«. Infolge der entsetzlichen Katastrophe des „Pluviöse" hat sich nach einem Bericht de» „Kosmos" die französische Regierung entschlossen, eine Reihe von Maßnahmen u» treffen, die zur Verhütung solcher Unfälle dienen sollen. Darunter finden sich manche, von denen e» auch das französische Fachblatt als er staunlich erklärt, daß sie nicht schon längst eingeführt sind. Zunächst hat der kommandierende Admiral in Rachesori den Kommandeuren der ihm unterstehenden Unterseeboote einige dahinzielende Befehle zugehen lassen. Vor allem werden sich die Boote bei ihren Fahrten und Hebungen wett außerhalb der Kurslinie der Ozeanschiffe zu halten haben. Ferner wird das Verbot von neuem einge schärft, daß irgendein Unterseeboot, zu welchem Zweck es auch immer sei, ohne ein Begleitschiff ausfahren dürfe. Die» muß über alle Bewegungen des Unter seebootes dauernd orientiert bleiben und jedes Schiff, das die Fahrt etwa kreuzen will, fernhalten. Jede Angriffsübung unter Wasser gegen ein Handelsschiff wird untersagt, e» sei denn, daß der kommandierende Admiral seine besondere Erlaubnis dazu erteilt. Das Begleitschiff bat einen weißen Ball anstatt der Flagge zu yissen, die für alle andern Fahrzeuge ein Zeichen sein soll, daß sie sich d«r Umgebung jenes Schiffes nicht nähern dürfen. Außerdem wird an der Küste ein ähnliche» Signal gehißt, so daß auch die aussahren- den Schiffe bereits in Kenntnis darüber find, daß Unterseeboote auf Uebungsfahrten in See sind. Dies Signalwesen kann selbstverständlich noch weiter aus gebildet werden, was wohl auch bald geschehen wird. Das wichtigste Mittel zur Vermeidung von Unglücks fällen liegt aber ohne Zweifel in der weiteren Ent wicklung des Periskops. LAweüen. * Der Internationale Friedenskongreß in Stock holm hielt am Freitag sein« letzte Sitzung ab. Mohammed Parid Bei forderte den Kongreß auf, seine Sympathie zu Aegypten auszusprechen und dafür zu sorgen, daß die ägyptische Frage aus das Programm des nächsten Kongreffes gesetzt wird. Von polnischer Seite wurde dagegen protestiert, daß die polnische Frage nicht auf da» Programm der Kon greffe komme. Der Kongreß beschloß, ohne Begrün dung die Entscheidung dieser Frage dem Bureau in Bern zu überlassen. Ferner wurde der Beschluß ge faßt, di« Vereinigten Staaten von Amerika zu er suchen, die Initiative zu einer diplomatischen Konfe renz zu ergreifen, mit dem Zweck«, die Unantastbar keit d«s Privateigentums zur See zu proklamieren. perven. * Zur Lag« in Teheran. Nach Meldungen der Blätter aus Teheran sind die abgesetzten Gou- verneure der Provinzen Noransen und Ku-- Histan mit größerer Truppenmacht aus dem Marsch« nach Teheran, um die Wiederein setzung des Exfchahs zu fordern. Internationale KrlmtnaliWche Vereinigung. (Von unserem Korrespondenten.) Drjtfxr Verhandlungstag. 8x. «rüffel, 4. August. Pen zweiten verhandlungsaegenstand der Inter nationalen Kriminalistischen Vereinigung bildeten zwei Referate über Psychologie dar Zeugenaussage. Hierüber sprach an erster Stelle Professor Clapq- rede- Genf. Er unterschied vier verschiedene Formen der Zeugenaussage: freie Zeugen aussage, plötzliche unvermutete Zeugenaussage, Zeugenaussage über Ereignisse, die au» dem Gedächtnis zurückgerufen werden und suggestive Zeugenaussagen. Redner hat diese vier verschiedenen Zeugenaussagen einem eingehenden Studium unter zogen. Danach find Kinderaussagen bester, als man im allgemeinen annimmt. Auch die Aus sagen von Frauen find im allgemeinen ziemlich genau. Sie haben nur den Fehler, daß sie sich zu sehr aus nebensächliche Einzelheiten einlasten. Unsicher find alle Zeugenaussagen in bezug aus die Festsetzung von Zeit und Entfernung. — Staatsanwalt Wern«r-Genf ergänzte diese Ausführungen nach verschiedenen Richtungen hin. Er besprach die Psyche der Zeugenaussage nicht nur vom richterlichen, son dern auch vom ärztlichen Standpunkt. Hierayf wurde in die Erörterung de» letzten Gegenstände» der Tagesordnung einaelreten: Di« internationale Regelung der Auslieferung. Al, erster Referent sprach hierüber Professor L i e p m a n n - Kiel. Wenn ein Land einen ent flohenen Verbrecher verfolgen will, so kann es das nicht tun ohne Hilfe der Afylftaaten. D«r Asylstaat kann auf ein derartiges Ersuchen in vierfacher Weise reagieren. Er kann die ganze Angelegenheit igno- rieren, er kann den Verbrecher nach seinen eigenen Gesetzen verfolgen und bestrafen, er kann ihn aus weisen oder ihn ausliefern. Es hat Zeiten gegeben, so führte der Redner aus, wo die Ignorierung die einzige Möglichkeit war, einen Verbrecher vor Grausamkeiten und Gewalttaten zu schützen. Im Mittelalter war der Verbrecher, der geweihten Boden betrat, durch die Kirche gegen weltliche Grausam keiten geschützt. Wir denken dabei ferner an die Mög lichkeit, daß ein Verbrecher durch eine rückständige Re gierung verfolgt wird, und daß es ihm gelingt, in einen Asylstaat zu flüchten. Wenn aber heute ein Staat einen Verbrecher in seinen Grenzen aufnimmt, so tut er es nicht, um ihn gegen die Grausamkeit der Strafe oder gegen eine rückständige Regierung zu schützen, sondern aus Gleichgültigkeit gegen die Interessen des anderen Staates oder aus dem egoisti schen Interests heraus, weil er einen Zufluß von Fremden braucht. Der Asylschutz hat sich heute als ganz unzulänglich erwiesen. Wir wissen, daß der Mensch nicht isoliert lebt, sondern daß die Menschen aufeinander angewiesen sipd, Genau dasselbe ist bet den Staaten der Fall, die heute durch ein Netz von internataonalen Beziehungen miteinander verbunden sind. Es wird kein Staat eine Ansammlung von gemeingefährlichen Elementen bei sich dulden können, weil er sich selbst dadurch ganz wesentlich schädigen würde. Der fremde Staat kann einen fluchtigen Verbrecher auf Grund der eigenen Gesetze auch aburteilen, aber diese Strafgewalt über den Ausländer kann imnier nur für bestimmte Hand lungen festgelegt werden, nämlich für die Hand lungen, bei denen man ein internationales Straf bedürfnis anerkennt. Es ist unmöglich, eine Straf verfolgung für alle Fälle festWsetzen. Eine Ab urteilung müßte aus Grund von Protokollen erfolgen, die durch fremdländische Richter ausgenommen sind. Es ist bekannt, daß das Sehen mit fremdem Auge, das Hören mit fremden Ohren sine Fehlerquelle be deutet, die man überhaupt gar nicht unter über schätzen kann. Ferner ist zu berücksichtigen, daß eine Straftat unter allen Umständen in dem Lande, in dem sie begangen worden ist, ganz anders beurteilt wird als in dem Lande, in das der Verbreiter ge flüchtet ist. Die Bestrafung von Auslandsdelikten ist also niemals allgemein zu empfehlen Sie stellt ein höchst unzulängliches problematisches Hilfsmittel da». Die Ausweisung wird als sicherheitspolizei liche Maßnahme nie zu entbehren sein. Allgemein auf ausländische Verbrecher angewcndcr, ist sie nickt so rücksichtslos gegen den ersuchenden Staat auf cer einen Seite und nicht so gefährlich für die Asylsicher heit auf der andern Seite wie die bloße Ignorierung. Sie befreit den Asylstaat von dem schädlichen Element und wird daher stets ein Ergänzungsmittel der Staatsraison bilden. Aber anderseits dient die Aus weisung nur dem augenblicklichen Interesse des Asyl staates. Sie ist in, übrigen auf die gleiche Stufe zu stellen wie die Tat des württemberglschen Bürger meister» aus dem Anfang des neunzehnten Jahr hunderts, der einen tollen Hund einfach über die bayrische Grenze jagte. Die Staaten, die gemein gefährliche Elemente von sich abstoßen, können sich nicht wundern, wenn die Nachbarstaaten Las gleiche tun. Die Ausweisung genügt aber vor allen Diqaen nicht der Anforderung des feineren Rechtsgefüyis. Hat der Verbrecher wirklich Strafe verdient, dann bedeutet die Ausweisung eine ganz ungerechtfertigte Milde. Ist er aber gar nicht ein Verbrecher, dann wird er zu Unrecht aus dem Lande vertrieben. Die Ausweisung wäre also in diesem Falle eine Brutg- lität. Ls kann dadurch die wirtschaftliche Existenz des Mannes vernichtet und es können seinem Ehr gefühl schwere Wunden geschlagen werden. Also auch die Ausweisung ist nur ein unzulängliches Hilfs mittel. Alle Erwägungen drangen dazu, die Ausliefe rung als das allein gegebene Hilfsmittel zu be trachten. Bei der Auslieferung erkennt der Asylstaat an, daß der ersuchende Staat nur sein Recht verwirk lichen will, daß die Flucht über die Grenze keine Straflosigkeit garantiert. Er erkennt die Rechts ansprüche des andern Staates an. und das ist der große Gedanke der Rechtshilfe. Leider ist dieser große Ge danke bis zum heutigen Tage nie klar zum Ausdruck gekommen, sondern diese Materie ist durch eine Reihe anderer Gesichtspunkte durchkreuzt worden. Das Au»- lieferungsersuchen und die Auslieserungsgewährung sind nicht als Angelegenheiten des Rechts, sondern als Angelegenheiten des diplomatischen Staatenverkehrs nisten und Pleinairisten sich zu ihrem Gott erkoxen; sein Vorbild, sein Muster half die wundervollen Kräfte entbinden, die in der herrlichen Kunst des 19. Jahrhunderts zum Licht und Leben drängten. So ward plötzlich um die Mitte des Jahrhunderts ein neuer Klassiker" entdeckt, einer, der ebenbürtig in den scheinbar längst geschlossenen Kreis der Maler allererster Ordnung trat, der mit Jan van Eyck um den Kipfel der Natürwabrheit, mit Holbein um die Schärfe der Charakteristik, mit Tizian oder Rubens um die Schönheit der Farben, mit Rembrandt um die Tiefe der Auffassung rang. Und dieser Klas siker war der modernste; er bot seine kühlen blonden Harmonien in all der strahlenden Reinheit und Fülle, wie sie ein Manet oder Whistler erträumten; er ent hüllte die weiche wogende Luft und die silbrige flim mernde Lichthelle, die die Figuren umspielen und in den Raum einbetten. Seine außerordentlich knappe, in flüchtigen Andeutungen alles erschöpfende Pinsel führung, wie sie seinen sogenannten „dritten Stil" charakterisiert, erschien als das Ideal impressionisti scher Darstellung. In seinen Landschaften, sowohl in den weit sich dehnenden Hintergründen der Meisterporträts als vor allem in den von silbrig grünen Lichtflccken durchwogten Skizzen der Villa Medici ist der Eindruck der von Helligkeit erfüllten, die Natur umgoldenden Lust bewußt gegeben. Bon blendendem Glanz ist in den sog. „ Meninas ", der Familie Philipps IV., das volle Sonnenlicht, das ein Diener durch die geöffnete Tür in mächtigem grellen Strome hereinfluten läßt; das in Dämmerung oersinkendc Zimmerlicht, das den ganzen Raum leise durchzittert, umkost mit seelisch sprechender Zartheit die Farbe» und Konturen. „Maler, nichts als Maler!" In dieser Definition liegt eine gewisse Erklärung für die einzigartige, unnergänglicke Wirkung seiner Kunst, für den unerklärlichen Reiz seines Genies. An Tizian, an Rubens Zällt neben ihrer rein künstle rischen Größe der Reichtum ihrer Kompositionen, ihres Gestaltungsvermögens auf. an Dürer, an Rem brandt die Mannigfaltigkeit ihrer Phantasie, die Tiefe ihrer Ideen, ihres Weltgefuhls. Vekosquez hat nie etwas „erfunden", nie aufgeregte Visionen eines Traumes im Geiste erschaute Fabelbilder aus die Leinwand gebannt. Wo er mytholoaischr Stosse behandelt, übertragt er sie in die harte Wirklichkeit, die er mit den nüchternen klaren Augen genau beob achtet, setzt seinen Bacchus, einen weichlich fetten Lebemann, unter sonnengebräunte, echt spanische Picaros und Vagabunden, macht aus der Schmiede des Vulkan ein streng naturalistisches Bild, aus dem Mars einen schnauzbärtigen Landsknecht. Das Hauptwerk seine» Lebens aber bestand darin, immer wieder die wenig anmutigen degenerierten Mit glieder dieses Königshauses in seiner Kunst zum Leben zu erwecken, sich in die sympathischen Gesichter, in diese düsteren Männertrachten und geschmacklos grotesken Frauentoiletten zu vertiefen. Er wollte selbst nichts als Erfassung des Sichtbaren, nichts als Wahrheit; ihm schien es das Höchste, als die römi schen Maler von dem Bilde seines Knechts Juan Pareja sagten: „Alles übrige, Altes und Neues, sei Malerei, dieses Bild allein Wahrheit!" Und doch gab er mehr al» eine Wiederholung der Natur, gab das innere Leben seiner Menschen, erfaßte sie in dem charakteristischsten Moment ihrer Existenz. Wie hätte ein kalter Realist seinem königlichen Herrn, den er durch fast 40 Jahre hin abkonterfeit, am Schluß jene grandiose Majestät, jenen bedeutenden Ernst geben können, wie Velasquez auf dem Madrider Brustbild Philipps! Es klingt in diesen ohne jede Schmei chelei durchgeführten Porträts des Königs und seiner Kinder die tiefste Liebe des treuen Spaniers zu seinem Herrscherhause an, der unerschütterliche Glaube an das Gottesgnadentum der Fürsten, an die Macht des reinen Blutes, an die auserwählte Stellung de, Adels, dem er selbst angehörte. Alles führt bei diesem Meister wieder auf das Malerische zurück, auf seine Farbe, seine Technik, die den spezifischen Zauber seines Genies umschließen und darum unergründlich sind. Immerdar werden sich Künstler und Laien die Köpf» zerbrechen über diese lustige, leichte Untermalung auf dünnem grauen Grund, die z. B. auf dem unfaßlich schönen Männerbildni» d«r Dresdner Galerie wirklich nicht mehr als ein duftiger Hauch ist, über die sichere rasche Manier, mit der ein paar Deckfarben die Bewegung des Lebens hineinbringen, mit der sich auch spatere Korrekturen dem Geiamteindruck einfügen. Die Anfänge Velasquez in Sevilla stehen ganz unter dem Einfluff« der damals „modernen" naturalistischen Malerei eines Taravaggio und Ri bera. Diese „Küchenstücke" haben etwas Starres, ein plastisches Hervortreten der Konturen, sind im schar fen Gegensätze von Licht und Schatten gearbeitet; die schwere, erdig braune Färbung paßt zu der scharfen Betonung der Neliefwirkung Das erste Bildnis des Königs, in dem Philipp an einem Tisch in ganzer Figur steht, zeigt den Maler schon auf einem neuen Wege, der sich allmählich als stärkster Gegensatz zu der bisherigen Manier erweist. Das grelle Licht und die tiefsten Schatten weichen einer gleichmäßig Hellen Behandlung; an die Stelle der skulpturalen Starr heit tritt eine bewegte Lebendigkeit, und die stark herausspringende Plastik der Figuren wird von einer rein malerischen Einbettung der Körper in dem lüft erfüllten Raum aufgelöst. Der rein lineare Ausbau, der großartige Gesamteindruck leidet sogar manchmal unter dieser Betonung der schönen Farbe, des über die Stoffe hinspielenden Lichtes. Die reifste Zeit, sein sogenannter „dritter Stil", bringt nun die Syn these der beiden erten Manieren, die Vollendung seiner Kunst. Die breite flächige Malweise mit ihren vollen koloristi chen Akkorden, wie sie etwa die ruhige Pracht der „Uehergabe von Breda" wunder voll darstellt, wird aufgegeben zugunsten einer viel unruhigeren, vielfach unterbrochenen fleckigen Tech nik, die der unserer Modernen jo nahe steht. Die koloristischen Akzente treten zuruck; als Grundton wird ein delikates Grau vorherrschend, da» von silbri gen bis zu blaugrauen Tönen alle Skalen durchläuft. Wo aber nun in diese neutrale Harmonie farbige Akzente eingefüqt sind, da leuchten sie hervor wie die Leoenspulse des ganzen Bildes, zittern in vibrieren der Bewegung. Nun erst wird in den „Menina »", den „Hila nderas" im letzten Philipp- Porträt jene körperliche Rundung, jenes Frei stehen der Gestalten im Raum erreicht, da» der junge Maler durch schwere Schattenrontraste erzwingen wollt«; aber seine Menschen stehen nun da, ganz um flossen von Licht und Luft, getrennt und doch ver bunden durch die großartigste Erfassung des Raums, rein malerisch zur vollsten Körperlichkeit erweckt. Die Entfernung der einzelnen Personen in den „Re ninas" voneinander kann man mit dem Meterstab nachmeffen; „die vollkommenste optische Täuschung, die wayre Kunst se hervorqebrackt hat", nennt ne Karl Voll. Walirlich: „Der Maler, der mehr Maler war als irgendein anderer!" Mit seinem rein malerischen Stil hat er nun Wunder der Schönheit vollbracht die in der Geschichte der Kunst einzig dastehen Nie hat die Kunst einen großartigeren Sieg errungen, einen stol zeren Triumph des Schönen. Die sieghafte Wirkung seiner Kunst, die göttliche und geheimnisvolle Leich tigkeit seines Schaffens, dieses rätselvolle Verschwin den seiner Persönlichkeit hinter seinen Werken, dies doch zugleim deutlich spürbare Walten seine» Gei stes, diese beute noch ungeschwächte Bedeutung seine»