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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.08.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100827026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910082702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910082702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-08
- Tag 1910-08-27
-
Monat
1910-08
-
Jahr
1910
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Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-PreiS für Inserate aus i!eip,i, und Umgebung di» st gehaltene so INI0 breit» Pettt,»il« LS dt» 7« uu» breit« «eNamezeile t von auswttti stv lttellamen 1.20 Inserate von Behörden m amtlichen Detl die 7« wm drctre Petit-eil, so SetchLttson^emen mit P atzvortchriften und tu der rldendausgade im Breite erhöht, «abatt nach tar>f- Beilogegebühr ü p. Lautend exkl. Postgebühr. sfesterteilte «uttt»ge können nicht zurück- «zogen werden. Für da» «Lrtchrineil an beltimmten Tagen und Plätzen wird keine Baranti« übernommen. Anzeigen-Annahme: Auguftusplah 8, bei tämtlichen Filialen u. allen Annoncen» ttjpeditionen de» In» und Auslandes. Hanpk.Alltale Derltn: Tarl Duncker. Her,»«!. Bage. Hosbuch» Handlung, Lützowstiatze Ith (Telephon Vl, Nr. sstoH. Haupt-Stttale Drr-den: Seestratze s, l (Telephon 46LH Nr. 236. vonnsdenü. »en 27. stugull lSI0. 10L Jahrgang. Die Reüe ües Sailers bildet naturgemäß das Thema des Tages. Sie wird, wie die unten angeführten weiteren Preß stimmen zeigen, zumeist abfällig beurteilt. Es läge nahe, auf einzelne Wendungen und Ge danken in ihr noch weiter einzugehen. So wäre zum Beispiel Gewichtiges gegen die Darstellung der Königin Luise als einer im stillen schaffenden deutschen Hausfrau zu sagen; denn, daß das Wirken dieser Frau eminent politisch gewesen ist, hat kein Geringerer als der Reichsfreiherr vom Stein bezeugt und auch beklagt. Es könnte auch das Thema Fürsten erziehung aufgerollt werden, wobei die Richt linien zu zeichnen wären, die für einen modernen Fürsten maßgebend sein sollten. Indes diese Probleme sind zurzeit zurückzustellen, ehe nicht über die viel wichtigere Frage Klarheit ge schaffen ist, ob der Kanzler des Deutschen Reiches die Königsberger Kaiserrede mit seiner Ver antwortlichkeit deckt, oder ob er die für ihn daraus entspringenden Konsequenzen zieht. Der „Vorwärts" weist darauf hin, daß am Donnerstagabend gegen 11 Uhr das offiziöse Wolffsche Telegraphenbureau den Zeitungsredaktionen eine Kaiser re de angekündigt habe, daß indessen dieser An kündigung eine halbe Stunde später ein Dementi gefolgt sei, mit dem Hinzufügen, die Kaiserrede komme erst morgen früh. In der Tat hat das Depeschenbureau die Rede des Kaisers erst am Freitagvormittag gegen 11 Uhr verbreitet, also 12 Stunden nach der ursprünglichen Ankündigung. Die Vermu tung liegt infolgedessen sehr nahe, daß die amtlich bekanntgegebene Fassung der Kaiser» rede erst einer redigierenden Bearbeitung unterzogen worden ist. Vielleicht wird auch darüber am heutigen Abend die „Nordd. Allg. Ztg." eine Aufklärung bringen. Eines gewissen pikanten Interesses entbehrt es endlich nicht, daß der „Reichsanzeiger" die Rede im nicht amtlichen Teile abdruckt. Damit soll offenbar der Versuch gemacht werden, eine Kritik der Kaiserrede im Reichstag zu unterbinden, denn nach einer vom Grafen Ballestrem als Reichs tagspräsidenten eingeführten Gepflogenheit dürfen im Reichstag nur die Kaiserreden be sprochen werden, die im amtlichen Teil des „Reichsanzeigers" wiedergegeben worden sind. * weitere pretzMmmen. Die „Kölnische Zeitung" sieht nichts Bedenkliches in der Kaiserrede: „Der Kaiser bekennt sich in diesen ernsten Worten zu der hohen verantwortungsvollen Auffassung seiner Pflichten dem Lande gegenüber, die er schon oft als Grundlage seiner Arbeit verkündet hat. Er verlangt anderseits von seinem Volke, daß es ihm auf diesem Wege zur „Wohlfahrt und friedlichen Entwicklung unseres Vaterlandes" folge; daß es sich nicht von dem d e m o k r a t i s ch e n Z u g e unserer Zeit be irren lasse, der die Staatsvernunft unter die Kon trolle der nackten Zahl stellen und im politischen Leden unerfahrene Frauen und junge Burschen zu gleichberechtigten Faktoren der Gesetzgebung machen will." Die alldeutsche „Rheinisch-Westfälische Zeitung" erklärt, „daß der Kaiser nicht oft eine Rede gehalten habe, die in ähnlicher Weise wie diese der freu- digenZustimmungin weite st en Kreisen sicher sein darf. Daß der Kaiser mit solchem be sonderen Nachdruck auf die Notwendigkeit hinweist, unsere Rü st ungen in Einklang mit denen unserer Nachbarn zu bringen, erscheint uns als ein Beweis, daß die Befürchtungen, als ob schwächliche Rücksichten der Regierung auf die gegenwärtigen widrigen Par teiverhältnisse und Sparsamkeit am unrichtigen Platze die Gestaltung der nächsten Heeresforderung zum Schaden für unsere Wehrmacht ungünstig beein flussen könnten, ohne Grund sind. Für unsere Linksliberalen und für das Zentrum werden diese Sätze des Kaisers eine unangenehme Enttäuschung sein." Dagegen betont das nationalliberale „Hamburger Fremdenblatt": „Wilhelm I. hat bei all seinem Gottvertrauen die Rechte seines Königshauses nie mals in geradezu dogmatischer Form in den Vordergrund gedrängt, die der modernen Auffassung vom Wesen des Staates dia metral zuw id e r läu st." Ebenso findet es die parteioffiziöse „Rational» liberal, Koeeefvndenz" bedauerlich, „daß diese Königsberger Rede Wendungen enthält, die nur so gedeutet werden können. Laß der Kaiser selbst die in den verfassungsmäßigen Institutionen zum Ausdruck kommenoe Meinung der Nation der Berück» sichtigung nicht für wert erachtet". Die „Natl. Korr." kann sich weiter der Besorgnis nicht verschließen, „daß die Rede von Königsberg den Widerspruch abermals mit einer Festig, keitherausfordern wird, die auf das Verhält- nis zwischen Fürst und Volk von ungünstigster Wirkung sein muß. Es ist das im nationalen Interesse tief zu bedauern; zumal kaum anzunehmen ist, daß der Kaiser von dem zu Königsberg abermals geäußerten Standpunkt noch abzubringen sein wird". Der „Vorwärts" schreibt: „Was sagt Herr v. Bethmann Hollweg zu dieser Rede? Har er ihren Wortlaut gekannt und ist er bereit, die Ver antwortung dafür zu übernehmen? Oder hat er nichts von dieser Rede gewußt, und ist er bereit, die Konse quenzen daraus zu ziehen? Wir fordern die Ein berufung des Reichstages. Wilhelm II. bat das persönliche Regiment proklamiert. Der Reichstag, die Vertretung des Volkes, hat eine unabweisbare Pflicht, den Fehdehandschuh auszu nehmen und der Krone die verfassungsmäßigen Grenzen anzuweisen." Don ausländischen Preßstimmen führen wir zu nächst zwei an. Die Wiener „Neue Freie Presse" sagt: „Kaiser Wilhelm, der sich als Instrument des Herrn betrachtet, unabhängig von den Tagesansichten, un abhängig von den Parlamenten, Volksmeinungen und Volksansichten, wird doch nicht vergessen, daß das Deutsche Reich und die deutsche Kaiser krone unabänderlich mti dem deutschen Reichs tagezusammenhängen. Sie wurden an dem selben Tage geboren, und eines ist ohne das andere gar nicht zu denken. Das Deutsche Reich kann nicht mehr ein bloßer Fürstenbund werden, wie es ehedem zu Frankfurt gewesen ist. Zum Deutschen Reich ge hören die Millionen und Millionen, die durch ihre Steuern die Mittel schaffen, um diese Rüstungen zu ertragen, die an den Schick salen des Vaterlandes selbsttätig mitwirken wollen und diesen Mystizismus, durch den ein Monarch als Instrument des Herrn über Parlament und alle Volksansichten sich stellt, schwer begreifen." Der Pariser „Matin" befürchtet eine ähnliche Er regung wie 1908 und schreibt: „Ganz wahrscheinlich wird Kaiser Wilhelm schon heute seine Worte in Königsberg bedauern; Kaiserworte, die sein ganzes großes deutsches Volk mißbilligt und die sein Kanzler sicherlich schwer be klag t.« politische Nachrichten. Bertretertag der nationalliberalen Partei. Für den am 1. und 2. Oktober in Kassel statt findenden 12. Allgemeinen Vertretertag der national liberalen Partei ist folgendes Programm fest gesetzt. Sonnabend, 1. Oktober: Erste ordentlich« Versammlung vormittags 10 Uhr im Stadtparksaal. Tagesordnung: 1) Eröffnung durch den Zen tralvorstand. Wahl des Bureaus. Begrüßungs ansprachen. 2) Die innerpolitische Entwicklung im Reiche seit Verabschiedung der Reichsfinanzreform. Referent Herr Abgeordneter Bassermann. 3) Wirtschafts- und Sozialpolitik. Referent Herr Abgeordneter Fuhrmann. Aussprache. Abends Uhr: Festkommers im Stadtparksaal. Sonntag, 2. Oktober: Zweite ordentliche Versammlung, vormittags 11 Uhr im Stadtparksaal. Tagesordnung: Mittelstandspolitik. Referent Herr Landtagsabgeordneter Dr. Schröder. Aus sprache. Nachmittags 3l4 Uhr zwei Versammlungen, und zwar: I. ZmPalaisrestaurant, Königs, straße, mit öffentlichen Vorträgen der Herren Reichs tagsabgeordneten Dr. Stresemann und Land tagsabgeordneten Dr. Hintzmann. II. Im Hanuschsaal am Ständeplatz mit öffentlichen Vorträgen der Herren Reichstagsabg. Dr. Heinze und Landtagsabg. Dr. Lohmann. Abends 6 Uhr: Festessen im Stadtparksaal; danach zwangloses Zusammensein im Hanuschsaal. Montag, 3. Oktober: Ausflug nach H a n n. - M ü n de n. Die näheren Angaben hierüber finden sich auf der für diese Fahrt zu lösenden Karte. Das Kaiserpaar in Danzig. Danzig, 27. August. (Tel.) Nach der gestrigen Abendtafel an Bord der „Hohenzollern^ begab sich das Kaiserpaar und der gesamte Hof nach der Tech nischen Hochschule bei Langfuyr, um dort dem großen Zapfenstreich der Kapellen des 17. Armeekorps beizuwohnen. Die Langfuhrcr Allee entlang bildeten die Truppen Spalier zuletzt bei der Hochschule die Leibhusarenbrigade. An der Haupt treppe wurde das Kaiserpaar von Rektor und Senat und dem kommandierenden General v. Mackensen erwartet. Vertreter der Studenten schaft in Wichs mit blanken Schlägern standen vor dem Portal. Bald darauf erschien der Kaiser in der Uniform der Leibhusaren auf dem Balkon im Ge» spräch mit General v. Mackensen. Die Kaiserin und der Hof folgten. Nach 9 Uhr begann der Zapfenstreich, dirigiert vom Armeemusikinspizienten Grawert. Die Hoboisten und Spielleute waren von Fackeln tragenden Mannschaften begleitet. Vorzüglich war die Wiedergabe von Beethovens „Leonoren". Ouvertüre Nr. 3 und der Auszug der Meistersinger aus Richard Wagners Oper. Gegen 11 Uhr kehrte das Kaiserpqgr an Bord der „Hohenzollern" zurück. Zum Werftarbeiterstreik. Hamburg, 27. August. (Tel.) Das Reichsamt des Innern hat Versuche gemacht, Be» sprechungen zwischen den streikenden Werft- arbeitern und den Werftdirekttonen einzuletten, die aber resultatlos verliefen, da die Werft- besitzer nach wie vor behaupten, daß selbst ein längerer Streik keine wirtschaftlichen Folgen nach sich ziehen wird. Sie zeigen daher keine Neigung, in Verhandlungen mit den streikenden Arbeitern ein» zutreten. Ein internationaler Seemannsstreik. Kopenhagen, 27. März. (Telegramm.) Der Internationale Transportarbeiterkongreß hat gestern beschlossen, einen internationalen Seemanns st reik ins Werk zu setzen, wenn die Reeder Verhandlungen wegen Lohnerhöhungen nicht aufnehmen wollen. Der Streik würde i n 2—3 M o - naten beginnen. Der Berliner Repräsentant IS) Noch. Roman von H. Courths-Mahler. Er neigte sich zu ihr herab. Seine Stimme bebte, als er zu ihr jagte: „Wie froh machen Sie mich durch diesen Wunsch, liebes, liebes Fräulein Ruth. Aber wird es nicht aufsallen, daß ich, der arme, unbedeutende Leutnant, die Gesellschaft der Tochter des Hauses genieße?" „Aly, lassen Sie das, mir ist es gleich, ob es auf fällt oder nicht. Man weiß doch, daß Sie eigentlich zu unserer Familie gehören." „Und Ihr Herr Vater? Wird er es billigen?" „Das ist doch selbstverständlich. Papa ist froh, wenn Sie mir Gesellschaft leisten. Er hat Sie sehr lieb." „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Ihr Herr Vater ist ein guter, edler Mensch; ich verehre ihn von gan zem Herzen. Sie sah ihm mit stolzem Leuchten der Augen ins Gesicht. „Das war ein gutes Wort von Ihnen, lieber Fred. Ich bin so stolz auf Papa. Sehen Sie. da drüben steyt er. Wie prächtiger aussieht, so stolz und glück lich, nicht wahr? — Jetzt winkt er zu uns herüber; sehen Sie woyl; er freut sich, daß Sie bei mir sind. O mein einziger, lieber Papa! Ich habe ihn so un endlich lieb." Ihre Augen hatten einen feuchten Schimmer. Sie sah jo lieb und hold aus, daß der junge Mann sie am liebsten in seine Arme genommen hätte, um sie nicht wteder loszulassen. Sern Herz klopfte zum Zer springen, und willenlos ließ er Ruth davon Besitz er greifen. In diesem Augenblicke fragte er nicht mehr, ob es klug oder unklug war, sich in die reiche Erbin zu verlieben. Er wußte nur eins — Ruth Waldeck war sein Schicksal. Er mußte sie lieben mit der ganzen, innigen Glut, deren seine Seele fähig war. Sein Herz schlug ihr entgegen mit der heiligen Kraft seiner unverbrauchten Jugend. Er fragte nicht mehr danach, ob ihn diese Liebe glücklich oder unglücklich machen würde, er war sich nur bewußt, daß er für ein liebes Wort aus ihrem Munde seine Seligkeit dahin gegeben hätte. Am liebsten hatte er sie auf seinen zungen, starken Armen yinausaetragen, um ihr in der Einsamkeit tausend süß«, törichte Wort« zuzu flüstern. „Warum find Sie so still", fing Ruth plötzlich in seine heißen, sehnsüchtigen Gedanken hinein. ,Zst es Ihnen leid, daß ich Sie für den ganzen Abend mit Beschlag belege?" Sie waren in eine Fensternische getreten. Er sah sie an mit einem vollen, heißen Blick unser. Irüllter Liebe und hielt fie mit dielem Blicke fest. Glühend schoß nun auch das Blut zu ihrem Herzen. Weltverloren blieb ihr Blick in dem seinen hängen, und in all dem lauten Eesellschaftstreiben flogen sich zwei junge Herzen zu. Wie aus einem Traum erwachend, fuhren sie empor, als Frau von Erotthus zu ihnen trat. Ruth faßte nach ihrer Hand und legte sie an ihre heiße Wange. „Liebe, liebe Tante", sagte sie leise, als müßte ihr junges Herz einen Ausweg suchen für all das drängende Elücksgefühl. Die alte Dame sah die beiden jungen Menschen unbemerkt prüfend an. Weit davon entfernt, für ihren Sohn um jeden Preis eine reiche Heirat zu wünschen, wäre es ihr doch als ein großes Glück erschienen, wenn es sich fügen würde, daß er ein Mädchen lieben lernte und deren Zu neigung gewänne, die ihm wenigstens so viel Ver mögen zubrächte, daß sich seine Zukunft sorgenloser gestaltete, als ihr eigenes Leben gewesen war. Ohne Liebe sollte er gewiß nie heiraten, das wünschte sie ihm nicht, weil sie seinen liebebedürftigen, tief angelegten Charakter kannte und in solchem Falle sein Unglück voraussah. Mutterliebe bat scharfe Augen. Sie fühlte, daß zwischen ihrem Sohn und Ruth etwas emporkeimte, was ihren heimlichen Wünschen Erfüllung bringen konnte. Aber um Himmels willen nicht daran rühren. Was da still und verborgen sich entfaltete, war so zart, daß selbst eine leise tastende ^and Schaden an richten konnte. * * Frau Erna strahlte vor Uebermut und froher Laune. Baron Soltenau war ein amüsanter Gesellschafter, und seine kecken Augen sprachen so deutlich aus, daß er die schöne Frau an seiner Seite bewunderte, daß sie voll befriedigt war von dem Eindruck, den ihre Person aus den schönen, schneidigen Offizier machte. Sie wußte, er war von den Frauen verwöhnt, und nur die Schönsten fanden Gnade vor seinem Kenner blick. Im Anfang ihrer Bekanntschaft war er sehr reserviert und zurückhaltend ihr gegenüber gewesen. Das hatte ihre Eitelkeit verletzt und sie gereizt, ihn an ihren Triumphwagen zu fesseln. Sie war in allen Künsten der Koketterie erfahren, und hier, wo sie um jeden Preis gefallen wollte, gelang es ihr auch, dies Ziel zu erreichen. Soltenau war bald aus seiner Reserve herausge treten. Ihr Entgegenkommen ermutigte ihn zu kleinen Vertraulichkeiten, und nach kurzer Zeit führten seine und ihre Augen eine Sprache, die gegenseitig nicht mißverstanden wurde. Baron Soltenau wußte sich überall in Ernas Nähe zu pürschen. Daker heute bei Tisch ihr Nachbar war, hielt er für ein Werk der jungen Frau. Mit einem tiefen Blick hatte er sich dankend vor ihr verneigt, als er neben ihr Platz nahm. „Heißen Dank für die hohe Gunst, die Sie mir er- wiesen, meine gnädigste Frau. Ich werde mich be mühen, sie zu verdienen." „Den Dank muß ich zurückweisen, Herr Baron; es ist ein Zufall, daß Sie neben mir sitzen." „Es ist grausam von Ihnen, mir den Glauben an Ihre Güte zu nehmen." Sie sah ihn mit zauberischem Lächeln an. „Vielleicht hätte ich den Zufall herbeigeführt, wenn es nötig gewesen wäre." Ihre Blicke trafen sich. „Schauen Sie mich nicht so an, ich komme von Sinn und Verstand", flüsterte er mit heiserer Stimme. Sie erbebte. Die Glut, die aus seinen Augen drang, entzündete ihr Herz. Aus dem leichten Spiel drohte Ernst zu werden. Sie trank hastig von dem kühlen Wein und wandte sich an ihren halbtauben Tischherrn, der sich zufrieden in die Würdigung der auserwählten Speisen vertiefte. Sie plauderte mit ihm und nickte, sprühend vor Lebenslust, ihrem Gatten zu. Inzwischen widmete sich Soltenau seiner Tisch dame, einer blassen, unbedeutenden Frau, die nur wenig Worte sprach. Die Unterhaltung schleppte sich mühsam hin. „Wenn sich die Sonne mir nicht wieder zuwendet, mutz ich elend verkommen", flüsterte er Erna zu. Sie hatte hastig und viel getrunken. Ihr Blut jagte durch die Adern und ließ sie alle Vorsicht ver gessen. Glühend erwiderte sie den kühnen Blick des jungen Mannes, der verlangend ihre frische, blonde Schön heit umfing. Er sah mit lodernden Blicken auf die herrlichen weißen Arme, den königlichen Nacken und das rosige kleine Ohr, das von dem blonden Haar halb verdeckt wurde. „Es ist unerlaubt, so schön zu sein, süßeste Frau. Ihr Wohlsein!" Er trank ihr zu. Sie tat ihm Bescheid, und während sie tranken, sagten sich die Augen glühende Bekenntnisse. Zufällig sah Waldeck in diesem Augenblicke zu seiner Frau hinüber. Er fing diesen Blick unver hüllter Leidenschaft auf und sein Gesicht wurde plötz lich totenbleich. Seine zitternde Hand umschloß sein Glas mit so krampfhaftem Druck, daß es zerbrach. Er merkte es nicht. Der Wein floß über seine Hand und seine Nach barin stieß einen erschrockenen Ruf aus. Das brachte H ihn zu sich. Er raffte sich auf und zwang sich, einige Worte zu sprechen. Seine Stimme klang ihm fremd, als habe zemand anders gesprochen. Mit wütender Eier wühlte der Schmerz in seiner Brusi. Er ließ die beiden nicht mehr aus den Augen. Qualvoll sah er die werbenden, verlangenden Blicke herüber und hinüber. Es brach etwas Schönes, Göttliches in ihm in Stücke. Ohnmächtiger Grimm schnürte ihm die Kehle zusammen. Das Weib da drüben, mit den Blicken unge zügelter Leidenschaft, scheinbar leicht berauscht, er schien ihm wie eine Bacchantin. Das war nicht mehr die Frau, der er in seinem Herzen einen Altar auf gebaut hatte. War dies ihr wahres Gesicht, dann wehe ihr und ihm, dann war es aus und vorbei mit dem Glück, das er in später Stunde sich noch errungen. Er stöhnte leise in schmerzvoller Wut. Warum war sie sein Weib geworden, wenn sie ihn so wenig liebte, daß sie nach kurzen Monaten einen anderen jo ansehen konnte? Warum war sie so zärt lich und hingebend gegen ihn gewesen, wenn ihm ihre Liebe nicht gehörte? Sollte das alles Verstellung, Berechnung gewesen sein? Hatte sie ihn, den altern den Mann, nur aus pekuniären Gründen geheiratet? Sie hatte ihm doch so deutlich zu verstehen ge geben, daß sie ihn liebte, als er, an sich selbst ver zagend, endlich um sie geworben hatte. Wenn das alles Komödie war, welch ein Abgrund von Niedrig keit tat sich da vor seinen entsetzten Blicken auf! Durfte er solche Gedanken fassen? Hatte ihn nicht ein toller Spuk geäfft und ihm etwas vorgetäuscht, was nicht wahr fein durfte, wenn er nicht den Glauben an sein Weib verlieren wollte? Erna hatte eben bemerkt, daß ihr Mann mit un heimlich forschendem Blick zu ihr hinüberstarrte. Sie erschrak fast, faßte sich aber sofort und trank ihm mit scheinbar harmloser Freude zu. Dabck sagte sie leise mit gleichgültigem Tonfall zu Soltenau. „Mein Mann beobachtet uns, bitte, seien Sie vor sichtig." Er verstand sogleich und unterhielt sich mit seiner anderen Nachbarin so angeregt, daß Waldeck wie er löst aufatmete. Gleich nachdem die Tafel aufgehoben war, huschte Frau Erna an Waldecks Seite. Sie schmiegte sich an seinen Arm. .Zch habe den ganzen Abend so große Sehnsucht gehabt, Liebster. Es ist gar nicht hübsch, daß wir so wenig voneinander haben." Eie sah ihn zärtlich schmachtend an, und er hätte sie am liebsten in seine Arme gerissen und mit Küssen erstickt. Er schalt sich selbst aus, fuh durch eine Ein»
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