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Amtsklatt des Rates und des Rotizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis stir Ins«»»« au« Leipztg und Umgebung die stgespaltene -0 rum breite Petitzril« 28 di« 74 mm breite llieNamezeil« 1 von autwLrt« «1 I), ReNamen I.2Ü Inserate von Behörden im amtlichen Test die 74 ww breite Petitzeile 40 ch. »«schältian,eigen mit P adoorschristeu und tu der Adeudau«aabe im Preise erhöht. Rabatt nach Taris. Beilageaedübr 8 P. Lausend exkl. Postgebühr. Fefterteilte Lusträ« können nicht zurück gezogen werden. Für da« Erscheinen an bestimmten Lagen und Plätzen wird lei« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: klugustuäplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen «nnoncen- ltlpedttwnen de« Ja» und Au«lande«. Haupt-Filiale Lerlin: Tart Duncker, Herzog!. Biyr. Hosbuch» Handlung, Lützowstiaße IL (Telephon VI, !ttr. 4603). Haupt-Siliale Dresden: Seeftraste 4,1 (Telephon 4621). llr. 2lO. Mgstlng, üen >. August lSio. 104. Ishrgang. Die Verhaftung Lrippens. Ein Triumph der drahtlosen Telegraphie! Wie schon kurz im Morgenblatt gemeldet, ist es dem Detettioinspeltor Dew gelungen, den Gatten- mörder Dr. Crippen und seine Geliebte M iß Le Nsve auf der Reede von Fatherpoint bei Quebec zu verhaften. Die aufsehenerregende Derbrecherjagd über den Ozean hat da mit ihren Abschluß erreicht. Das letzte Kapitel eines der spannendsten Kriminalromane, den das Leben sensationeller zu gestalten vermag, als die frucht barste Phantasie der Schöpfer Nick Carters und Sher lock Holmes', hat sich bei der Landung an Bord der „Montrose" abgespielt. lieber die Verhaftung werden aus Montreal fol gende Einzelheiten gemeldet: In der Morgenfrühe des Sonntags lag dichter Nebel über dem St. Lorenz- Golf. Um 8 Uhr morgens klärte sich jedoch das Wetter völlig auf, und die „Montrose" landete plan mäßig bei Fatherpoint. Sofort begab sich eine An zahl kanadischer Detektives an Bord. Außer ihnen auch der Londoner Polizeiinspektor Dew, dessen Unachtsamkeit Crippen die Möglichkeit zur Flucht zu verdanken hatte, der aber den kanadischen Polizisten jetzt wenigstens bei der Identifizierung des flüch tigen Paares behilflich sein konnte, da ihm Crippen sowohl, wie die Le Neve aus mehreren Unter redungen, die er in London mit ihnen gehabt, per sönlich bekannt ist. Crippen war gerade im Begriff, mit dem Schiffsarzt auf dem Deck auf und ab zu gehen, als der Lotsendampfer anlegte. An Bord befanden sich der Polizeiinspektor Dew und zwei kanadische Poli zisten, die als Lotsen verkleidet waren. „Ist das nicht ungewöhnlich, drei Lotsen auf einmal?" rief Crippen aus, als er den Dampfer bemerkte. Der Arzt gab ihm keine Antwort. Inspektor Dew ging an Crippen vorbei, als ob er ihn nicht kenne. Er war nun sicher, daß es Crippen war. Hinter Crippen drehte er sich um, faßte ihn am Arm und sagte: »Crippen, Sie sind verhaftet!" Trippen war so vollkommen überrascht, daß ihm der Atem versagte und er zusammenzubrechen drohte. Miß Le Ntzve schien starr vorSchreck, weder er, noch sie leisteten der Verhaftung Widerstand. Das Mädchen beteuerte nur unter Tränen ihre Un schuld, als es hörte, wie Maccarthy zu Crippen sagte: „Ich verhafte Sie wegen Ermordung und Verstümmelung Ihrer Ehefrau." Crippen soll ein halbes Geständnis ab gelegt haben, indem er erklärte, die Nervenqual der letzten Wochen sei so fürchterlich gewesen, daß er die Verhaftung als Erlösung empfinde. Eine von der vorstehenden etwas abweichende Darstellung über die Verhaftung wird nach Paris ge kabelt. Danach erfolgte ein Kamps bei der Verhaftung, weil es schien, als ob der Verbrecher Widerstand leisten wollt«. Inspektor Dew unterhielt sich längere Zeit mit dem Kapitän, dann gingen beide gemein sam nach den Passagierkabinen. Im Salon zweiter Klasse befand sich der gesuchte Verbrecher. Vom Kapitän als der angebliche Robinson bezeichnet, trat Inspektor Dew hinter den Gesuchten und schrie plötz lich: „Dr. Crippen!" Dieser sprang ent setzt auf, drehte sich um und erschrak furchtbar. Jetzt entspann sich ein kurzerKampf. Polizei inspektor Dew schlug den Dr. Crippen zu Boden, der Kapitän und drei Polizisten halfen ihm dabei. Crippen wurde gefesselt und nach einer Kabine gebracht, wo er nun von den kanadischen Polizeibeamten bis zur Ankunft in Montreal be wacht wird. Kurze Zeit darauf konnte in ihrer Kabine Miß Le Neve verhaftet werden, die, als man ihr die Fesseln anlegte, in einen Schreikrampf ausbrach. Die Morgenblätter berichten noch über die Ver haftung Crippens: Als der Kapitän der „Montrose" telegraphiert hatte, daß er an der Identität Crippens nicht zweifle, wurde ihm aus London zurücktelegra- phiert, er möchte um jeden Preis einen etwaigen Selbstmordversuch Crippens verhindern. Als in die Kabine der Miß Le Neve gedrungen wurde, um sie zu verhaften, war sie im Knabenanzug auf ihrem Bett und las in einem Buch. Als ihr die Verhaftung ange kündigt wurde, stieß sie einen gellenden Schrei aus und brach zusammen. Seitdem nahm sie nur ge zwungen etwas Nahrung zu sich. Zur Verhaftung des Dr. Crippen wird endlich noch dem „Daily Chronicle" aus Quebec gemeldet: Beide Verhaftete bestreiten, daß sie die Absicht gehabt hätten, Selb st mord zu begehen, oder an der Ermordung der Belle More, o.c Gaurn Crippens, teilgenommen zu haben. Bei Crippen wurde nur noch ein 10-Dollar-Schein gefunden, sonst weiter kein Geld. Auf seiner Brust versteckt fand man aber eine große An- zahl Diamanten und sonstige Schmucksachen, dis irr Inspektor Dew als seiner ermordeten Gattin Belle More gehörig erkannte. Crippen und Miß Le Neve werden voraussichtlich gar nicht an Land gehen, sondern an Bord der „Montrose" bleiben, bis die Entscheidung über die Frage ihres Rücktransportes getroffen ist. Beide werden mit Umgehung des langwierigen Aus lieferungsverfahrens auf Grund der kanadischen Einwanderergesetze als sogenannte „unerwünschte Einwanderer" an Bord der „Montrose" nach Europa zurückgeschickt werden. Ein glänzender Sieg der drahtlose« Ozeantelegraphi«. Millionen Menschen in allenErdteilen verfolgten feit Tagen in Gedanken die Reise des sich den kanadischen Ufern nähernden Dampfers „Montrose", auf dem sich der einfache .^Landprediger Robinson" mit seinem Sohne in Antwerpen eingeschifft hatte. Allen war die Identität dieses Mannes bekannt, nur seine Mitpassagiere, die täglich und stündlich mit ihm in Berührung kamen, ahnten nicht, daß sich unter der Maske des biederen Landvfarrers und seines zarten Sohnes der seik Wochen gesuchte Verbrecher mit seiner Geliebten verbarg. In aller Welt wußte man, daß sich über dem Haupte des Verbrechers das Schicksal zusammenzieht, auf die Stunde genau wußte sie, wann der Detektivinspektor die unheilvollen Worte sprechen würde: Im Namen Sr. Majestät des Königs Georg, Tst. Crippen, Sie sind verhaftet!" Nur die Passagiere der Montrose", die mit Crippen am selben Tische aßen, sich von seiner kalifornischen Heimat erzählen ließen, sie ahnten nicht, welche schwarze Wolke sich über seinem Haupte zusammenzog. Einzig und allein der Kapitän, der erste Offizier, der Ingenieur, der die drahtlose Telegraphie bediente und dessen Funk sprüche über die Tiefen des Ozeans hinweg ganz Europa und Amerika erzählten, was der Mörder tat, sowie der Kabinen-Steward des verbrecherischen Paares waren Mitwisser des Geheimnisses. politische Nachrichten. Aus dem Wahlkreise Zschopau-Marienberg. Wir erhalten folgende Erklärung des natio nalliberalen Parteisekretariates im 20. und 21. säch sischen Wahlkreise zugesandt: „Gegenüber der Erklärung der Reformpartei auf der Landesversammlung zu Dresden am 10. Juli und gegenüber den fortgesetzten Behauptungen, die von feiten des Wahlkomitees für die Kandidatur Fritzsche in Versammlungen und Presseberichten auf gestellt worden sind, daß einflußreiche natio- nalliberaleHerrendesWahlkreises er klärt hätten, schon in der Hauptwahl für HerrnFritzsche einzutreten, stellt das Sekretariat folgendes fest: Das Sekretariat hat unter dem 14. Juli an das Wahlkomitee des Herrn Fritzsche ein Schreiben ge richtet, in welchem um Bekanntgabe und Nennung der Namen dieser einflußreichen Herren der nationallibe ralen Partei geoeten wurde, andernfalls die Er klärung des Wahlkomitees als nicht der Wahrheit ent sprechend bezeichnet würde. Darauf sind von Herrn Amtsgerichtsrat Handtke in Lengefeld und von Herrn Dr. med. Kay in Wolken stein Antwortschreiben eingegangen, worin Namen genannt werden. Nach Feststellung von feiten des Parteisekretariates sind nur zwei von den genann ten Herren Mitglieder der nationalliberalen Partei, die aber in ihren Organisationen keines wegs einflußreiche Stellungen bekleiden. Unter den Namen der genannten Herren, die natio nalliberal sein sollen, befindet sich sogar der Herr Bezirksschulinspektor Pönitz in Marienberg, ein hoch konservativer Mann und Leiter der reformerischen Versammlung in Marienberg, sowie Herr Amtsge richtsrat Dr. Mensel in Zöblitz, ebenfalls konservativ gesinnt. Nach alledem stellt das nationalliberale Partei sekretariat fest, daß die von der Reformpartei in Dres den uno von dem Wahlkomitce des Herrn Fritzsche aufgestellte, obengenannte Behauptung der Wahrheitnichtentspricht. Diese Tatsache ist von dem Parteisekretär bereits in zwei Versamm lungen des Herrn Fritzsche öffentlich, ohne Wider spruch zu finden, festgestellt worden." Der deutsch« Gesandte v. Flotow beim Reichskanzler. Brüssel, 1. August. (Tel.) Der deutsche Gesandte in Brüssel v.Flotow, hat sich zum politischen Dienst zum Reichskanzler nach Hohenfinow begeben. Er wird im September wieder ln Brüssel sein, um u. a. den in der zweiten Hälfte des Oktobers stattfindenden Besuch Kaiser Wilhelms in Brüssel vorzubereiten. Di« Stichwahlen für die französischen Eeneralrats« wählen. Pari», 1. August. lTel.) Von den gestern vor genommenen 144 Stichwahlen für die Eeneral- ratswahlen waren bis 2 Uhr nachmittags 142 Re sultate bekannt. Nach einer Statistik des Ministers des Innern wurden gewählt: 6 Konservative, 16 Progressisten, 106 Radikale, 14 geeinigte So zialisten. In den Stichwahlen verloren die Kon servativen 5, die Progressisten und Republikaner der Linken je einen Sitz. Die geeinigten Sozia listen gewannen 7 Sitze. Ruhestörungen in der spanischen Provinz Santander. * Paris, 1. August. lTel.) Aus San Sebastian wird gemeldet: Infolge der Streikbewegung in der Provinz Santander, wo die Arbeit gestern in allen Bergwerken eingestellt wurde, kam es zu Ruhestörungen. Gruppen von Arbeitern durch streifen das Minengebiet, um jegliche Arbeit zu ver hindern. Griechenland und Kreta. Athen, 1. August. lTel.) Theotokis und Rhallis sind übereingekommen, daß man sich von den kretischen Kandidaturen für die griechische Nationalversammlung keinen Gewinn versprechen könne. Venizolos trat eine Vergnügungsreise nach Triest an und nimmt wahrscheinlich von feiner Kandidatur Abstand. Die Bereinigten Staaten und Liberia. Ne« Port, 1. August. lTel.) In Washington findet man die europäische Erregung über Liberia unerklärlich. Halbamtlich wird erklärt, daß weder ein Protektorat, noch eine Annexion oder ähnliches beabsichtigt sei. Paris, 1. August. lTel.) „New Pork Herald" meldet aus Washington: Der interimistische Staats sekretär Wilson weigert sich, sich zu den Kritiken der Pariser Presse zur Frage des Verhältnisses der Vereinigten Staaten zu Liberia zu äußern. Es ist ein delikates Problem, erklärte Wilson,und es geht nicht an, der Oeffentlichkeit gegenüber sich unbefangen zu der Frage zu äußern. Was jedoch die Insinuationen anbetrifft, die man den Vereinigten Staaten gegen über der Regierung von Liberia unterstellt, so seien diese als vollständig erfunden zu bezeichnen. Im Staatsdepartement lehnt man es gleichfalls ab, etwas über die Angelegenheit mttzuteilen. Sus Lelpfts Mlü Umgegenü. Leipzig, 1. August. Wetterbericht der König!. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 2. August 1910. Wechselnde, meist schwache Luftbewegung, ver änderliche Bewölkung, warm, vorwiegend trocken, Neigung zu Eewitterbildung. Pöhlberg: Glänzender Sonnenuntergang, Abendrot,, fernes Gewitter nach Südwest bis Süd. Fichrelberg: Fernes Gewitter nach Süd bis West. * Klinisches Vogelschießen. Zum 59. Male wie derholte sich das traditionelle Vogelschießen der Leip ziger Klinikerschaft, das, wie immer, akademischer Humor in reichstem Maße begleitete und allen Be teiligten unvergeßliche Feststunden erschloß. In dem lauschigen Zöllnergarten des Etablissements Bonorand bemühte sich am Sonnabend die kli nische Gemeinde unablässig, den Vogel auf hoher Stange zu zersplittern. Hohe Festgäste aus Proses- sorenkreisen und der medizinischen Welt — so u. a. ii Glück sb! Eine Lustschifternovelle von Paul Burg. I. Die Fahrt ins Land. Hans Joachim Mehrstetten trat aus der Hinteren Gondel, wo die Antriebsmaschine lärmend die breiten Flügelflächen des Steuers bewegte, auf den schwanken Steg hinaus und schritt auf dicken, gläsernen Stufen unsicheren Fußes nach vorn. Seine Hand wand sich mit festen Griffen am erzitternden Geländer hin, und stockend schob er Schritt vor Schritt den Fuß weiter, der ihm durch die gläserne Fläche der Stufen in die Tiefe zu streben schien, die sich end los da unten breitete. Das Auge suchte geradeaus nach einem Ziel, sah in lauter flimmerndes, flirren des Licht, in unsicheres Leuchten wie von verborgenen Sonnen, und sah doch nichts als leeren Raum zwischen Himmeln und der fernen Erde. Hinter ihm klang ein Rattern und Rauschen, ein Gellen bohrte sich ihm ins Ohr, und sein Kopf schwindelte. Die Sinne gingen in uferlose Fernen. Mit allen Kräften seines Willens zwang er die Hand an das schwanke Geländer und schritt mühsam vorwärts, benommen wie im Traum, keuchend. Ein Gefühl schrankenloser Angst umfing ihn ganz, das er als Knabe oft empfunden, wenn ihm nachts träumte, er gehe eine Treppe hinunter, habe das Ge länder aus den Händen verloren und die Stufen ent sänken ihm unter den Füßen. Er fiel dann und fiel, um ihn brauste und wogte es. In unermeßliche Tiefen entsank er und hörte nichts al» sein eigenes Schreien. Dann war er immer schweißgebadet er- wacht und hatte sich lange nachher erst wieder mit Beruhigung in den weichen Kissen wiedergrfundrn. Dies altgewöhnte Angstgefühl, mit dem die Hast des Alltags schon de» Kindes Träume störte, hielt ihn auch zetzt mächtig umklammert, es drohte ihn zu ersticken, wcchrend er sich den schwanken Steg langsam hinabschob. Der Wille, den er sonst in allen Fähr nissen des Lebens mit eiserner Hand gemeistert, lockerte seine Hände von dem glatten Metall des Ge- länders. Endlich überschritt er die Schwelle der vorderen Gondel und sank erschöpft und fast ohne Be sinnung auf dem breiten Sitze längs der niederen Umwandung zusammen. In feinen Ohren dröhnte es uud vor fernen Augen wallte» LebeL und blutige Schleier. Um ihn aber floß lauter Licht und flog lautes Sprechen. „Holla, Mehrstetten! Menfchenskind, was find Sie für ein schlechter Luftkutscher! Wie sehen Sie denn aus? Seekrank? Natürlich nicht gefrühstückt. Hier, ein Kognak wird Ihnen aufhelfen." Eine Stimme rief es ihm zu. Er nickte nicht einmal mehr und schlua kein Auge auf. Starker Alkoholdust drang ihm in die Nase und seine Lippen netzte ein scharfes Wasser. „Schlucken! Mann, Sie werden doch nicht kapitu lierend Er schluckte gierig und richtete sich langsam hoch. Die drei Insassen der geräumigen Gondel standen bei ihm und sahen ihn aufmunternd an. Der ihm den Labetrunk gereicht, füllte den Becher aufs neue. „Da, noch einen, Kamerad. Was machen Sie für Geschichten! — Achtung! Eskadron aufaesessen! Menschenskind, was ist Ihnen denn? — Rasch noch einen! So. Nun aber mal was gegessen!" Er langte eine volle Tasche unter dem Sitze her vor und öffnete sie. „Hier, ein Schinkenbrötchen. Na, bloß ein kleines. Da!" Er reichte es Hans Joachim, der neubelebt danach griff und gierig abblß. Er sah seinen Schulkameraden Bergenratb, den lieben alten Kerl, dankbar an. Das war recht gut, daß sie zu fällig diese Fahrt zusammen machten, nachdem sie sich durch Jahre nicht gesehen hatten. Der Kamerao stellte ihm auch die andern Herren vor. Ihre Namen verstand er natürlich nicht. Man verbeugte sich lächelnd gegeneinander, ganz wie auf der Erde. Hans Joachims freundlicher Kamerad setzte sich zu ihm und aß auch ein Brötchen. Er war ein schlanker Mann in jungen Jahren, nach der Uniform, die er trug, und den Abzeichen Ooerleutnant bei den Husaren. In einfachem Rock hätte er, mit der Brille auf der Nase, hinter der ein Baar kluge Augen herspähten, und dem blonden Bärtchen eher für einen Gelehrten al» für einen Reiteroffizier gelten können. Sporen trug er nicht an den schönbesetzten Stiefeln, dafür aber einen Krimstecher am Riemen auf der Brust hängend, und an Stelle der Patronentasche eine dicke, schwarze Kamera an der Sette. So sah er nur halb wie ein Soldat und halb wie ein Forschungsreisender au«. Aus seinen Aermelauf- schlägen und Taschen sahen Karlen und dicke Papiere heraus, die das Bild de» Offizier« noch absonder licher machten. Die andern beiden Herren trugen ebenfalls über ihren Joppen Krimstecher und photographische Apparate am Riemen. Der eine, bebrillt und bärtig wie ein Oberlehrer, zog eben seine Uhr und bat den andern, einen älteren Herrn mit wallendem Grau haar. um die genaue Zeit. „Wir sind jetzt genau 10 Minuten unterwegs. Minuten dauerte der Aufstieg. Seit mehr als vrer Minuten fahren wir geradeaus." „Bis jetzt ging es großartig!" rief der andere. Sie sprachen sehr laut, denn von fern klang ein Surren und Brausen in die Gondel, das ihrs lauten Stimmen immer noch übertönen wollte. Ls war der Motor des Luftschiffes. Sonst war es ganz still in der Luft. Hans Joachim und sein Kamerad hatten ihr Frühmahl beendet. Bergenrath zog eine Karte aus dem Aermelaufschlag und entfaltete sie. „Mal sehen, wo wir sind." Er sah seinen Nachbar an. „Nicht wahr, Mehrstetten, das hätten wir uns vor zehn Jahren auch nicht träumen lassen, als wir noch beim Kiau auf der Schulbank saßen, daß wir uns eines Morgens nach I - Jahren in Eroßlichter- felde angesichts eines Luftschiffes wiedersehen und zugleich mal zusammen durch die Luft fahren würden, Hans Joachim Mehrstetten, der Primus, und Bergen rath, das größte Faultier in der Klasse. Auf den Gaul zu kommen und dämliche Husaren zu drillen, das war ja damals schon immer meine Vorstellung vom späteren Leben, aber hier oben herumsausm, nee, das bat ja kein Mensch je geahnt. — Nicht wahr, Herr Geheimrat, das hätten Sie sich doch auch nicht träumen lassen? wandte er sich an den graugclockten Alten. „Nun, nun, Herr Baron! Ich habe bei dem hohen Stande unserer Wissenschaft und Erfindungen . . . ." „Na ja, Sie. .... Aber was meinen Sie, laursaius, ruhmreicher Dichter, Denker und Patriot?" Der angeredete Dritte lächelte und strich sich den strupvigen Schnauzbart: „Ick gestehe Ihnen offen, daß ich mich mit meinen kühnsten Gedanken nie auch nur soviel über meinen Schreibtisch erhoben habe/' Er ließ die blitzenden Steine seiner Ringe an der ausgestreckten Hand in dem Lichte funkeln, das um die vier Männer glänzte und gleißte. Ueberall in der Luft war eine seltsame Helligkeit, die Hans Joachim bewunderte, denn er wußte nicht, woher sie kam, weil er die Sonne nicht sah. „Wo find wir?" fragte der Geheimrat und sah über den Bordrand hinab. lFortsetzung folgt.) Tageschnmilr. Berlin, 1. August. (Nach Unterschlagung von 30000 ^t) wurde ein bei einer Eroßfirma im Zentrum Berlins tätiger Buchhalter verhaftet. Er war, als seine Untreue entdeckt wurde, nach der Schweiz entflohen, kehrte jedoch von dort vor einigen Tagen hierher zurück und fiel der Polizei in die Hände. Berlin, 1. August. (Unter schwerem Ver dacht), sich an S ch ü l e r i n n e n seit langen Jahren in unsittlicher Weise vergangen zu haben, ist auf Ver anlassung der Berliner Staatsanwaltschaft der Rek tor Robert Bock von der 40. Berliner Mädchen- Eemeindeschule während seines Sommeraufenthaltes in Glatz verhaftet worden. Die Polizei hat festae- stellt, daß der Rektor sein Treiben mit den Schüle rinnen bereits seit 7 oder 8 Jahren ausführte. Der Rektor soll sogar die Mütter seiner Schülerinnen mit unsittlichen Anträgen belästigt haben. Swinemünde, 1. August. (Im Rausch.) Der Kaufmann Hornemann in Neustettin, der gestern in Konkurs geraten war, hatte sich in der Verzweiflung einen Rausch angetrunken. In animierter Stimmung kam Hornemann der Gedanke, sich an den Kaiser zu wenden und diesen um materielle Hilfe anzugehen. Hornemann gelangte bis zur Treppe der „H o h e n z o I l e r n", wo er angehalten und ver haftet, nach kurzem Verhör jedoch bald wieder freigelassen wurde. Köln, 1. August. (Dor den Augen der Mutter ertrunken.) Hier stürzte ein sechs jähriger Knabe, der in den Anlagen mit seiner Mutter und seinem drei Jahre älteren Bruder spazieren ging, in einen Teich und ertrank vor den Augen seiner Angehörigen. Der neunjährige Bruder machte einen Rettungsversuch, ging aber sofort selbst unter. Verzweifelt stürzte sich auch die Mutter ins Wasser. Sie wurde nur mit Mühe aus den Fluten gezogen und gewaltsam fortgeführt. Thor«, 1. August. (Thyphusepidemie.) In der Ortschaft Wirsitz (Provinz Posen) ist eine Typhus epidemie ausgebrochen. Bisher sind an 20 Personen erkrankt. Admont, 1. August. (Die vermißten Bres- lauerTouristen.) Nach zehntägigem Suchen hat sich nun herausgestellt, daß die Breslauer Touristen nicht verunglückt, sondern einfach durchs«-