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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.11.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101124025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910112402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910112402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-24
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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loll. Für Ostern 1911 ist vorgesehen die Errichtung einer Obersekunda als Beginn des dreiklassigen Ausbaues sowie die Errichtung einer realgymnasialen Untertertia durch Verwandlung einer der drit ten Massen der höheren Mädchenschule als Beginn einer jechsklassigen realgymnasialen Studienanstalt. Die weiter sich anschließenden höheren Klassen wür den dann in jedem der nächsten Jahre bis zum völli gen Ausbau der Anstalten folgen. Bis jetzt sind im ganzen 5,5 Anmeldungen eingegangen, nämlich 27 für die Obersekunda der dreiklasslgen Studien- nnstalt und 28 für die realgymnasiale Untertertia. Bom Bau eines eigenen Schulgebäudes soll vor läufig abgesehen und hie Klassen in der I. höheren Schule für Mädchen, bzw. in der V. Bürgerschule oder lll. höheren Bürgerschule untergetracht werden. * Auszeichnung. Das Königliche Ministerium des Innern hat dem seit 2. Oktober 1880 ununterbrochen in der Verlagsbuchhandlung und Buchdrucker«» m. b H. von Otto Wigand in Leipzig, Roßplatz 3, beschäftigten Schriftsetzer Mar Eberhardt Bech- ste i n in Leipzig das tragbare Ehrenzeichen für Treue in der Arbeit verliehen, das ihm heute in Gegen- wart des Geschäftsführers W. Bielefeld durch Ober bürgermeister Dr. Dittrich an Ratsstelle aasge händigt wurde. — Weiter hat die Königliche Kreis hauptmannschaft Leipzig dem seit 21. November »885 ununterbrochen in der Maschinenfabrik von Gebrüder Brehmer in Leipzig Plagwitz, Karl-Heine-Straße 111. beschäftigten Bobrmaschinenarbeiter Franz Louis Holzweißig in Leipzig-Kleinzschocher eine Be lobigungsurkunde ausgestellt, die ihm heute in Gegenwart des Firmeninhabers, Stadtrats Kommer zienrats Rehwoldt, an Ratsstelle ausgehändigt wurde. * Jubiläum. Die Direktrice Alma Marie Plöttner in Leipzig begeht morgen das Jubi läum Läjöhriger ununterbrochener Tätigkeit in der Präge- und Vergoldeanstalt von Clemens Müller in Leipzig, Lange Straße 6. p. Der kirchliche Familienverband zu L.-Lindenau sN a t h a n a e l g e m e i n d e) feierte am Dienstag im „Deutschen Hause" einen Familienabend. Nach altem Brauch leitete ein gemeinsamer Gesang aus der Familienharfe den Festabend ein. Totensonntag und Advent waren die Grundtöne, auf die der Ver bandsleiter Pastor Dietrich seine weitausgreifende Begrüßungsansprache abgcstimmt hatte, der ein bril lanter Klavieroortrag der Musiklehrerinnen Mar garete und Gertrud Eichhorn, und ein tiefemp fundener Choral, der unter Lehrer Schöbels tüch tiger Leitung stehenden Sängerabteilung des Ver bandes folgten. Darauf folgte ein geistvoller, frisches Leden atmender Vortrag des Professors Schauer hammer über das deutsche Volkslied. Hierzu Lieder in erzgebirgischer Mundart vom Lehrer Eber wein zur Laute angestimmt. Aus freudigem Her zen kam den beiden Vortragenden der Dank für das Gelingen des einzigartigen Abends, der nach einem zweiten Liede des gemischten Chores mit einem all gemeinen Gesänge geschlossen wurde. ** Der internationale Mädchenhandel und seine Bekämpfung lautete der Titel eines Vortrages, den der Kriminalkommissar von Treskow- Berlin am Mittwochabend vor den Mitgliedern desDeutschen Frauenbundes im Saale der Alten Handels börse am Naschmarkt hielt. Unter dem Mädchen handel versteht man. so führte der Redner aus, das Anwcrben und Verhandeln weiblicher Personen zu unzüchtigen Zwecken. Dieser Handel wird von allen Völkern betrieben und ist so alt wie diese, nur daß er unter den jetzigen veränderten Verkehrsverhält nissen andere Formen angenommen hat. Die Mäd- ckienhändler suchen ihre Opfer zumeist in Ländern, die unter schlechter wirtschaftlicher Lage zu leiden haben und in den niederen Volkskreisen, in denen die Un bildung herrscht. Zuvörderst sind es jene Kreise, die in ärmlichsten Verhältnissen leben und die in der Sucht nach schönen Kleidern und unter Vorspiegelung glänzendster Verhältnisse veranlaßt werden, ihre Ehre um schnödes Geld und kurzes Wohlleben zu verkaufen. Der Redner schilderte dann weiter die skrupellose und jeder Moral Hohnsprechende Art und Weise, in der die Mädchenhändler arbeiten, um ihre Opfer zu fangen. Nobles Auftreten, reiche Geschenke, Trink gelder. Inserate in den großen Tageszeitungen sind ihre Waffen, und alle möglichen Tricks werden ver sucht. Er erzählte aus seiner reichen Praxis ver schiedene Beispiele, nm seine Zuhörerinnen aufzu klären. Dann ging der Redner dazu über, die Art der Bekämpfung dieser Mcnschenhändler zu schildern. Dazu genügten die Landesgesetze nicht, und dies zuerst eingesehen zu haben war das Verdienst einer privaten Londoner Vereinigung, der sich dann bald nationale Komitees anschlossen. So kam es dann, nachdem es gelungen mar, auch die Regierungen von der Schäd lichkeit dieser Verbrecher zu überzeugen, am 18. Mat 1904 in Paris zu einem Abkommen, dem sich fast alle Regierungen angeschlossen Haden. Nach diesem Abkommen verpflichtete sich jede Regierung zur Schaffung einer Zentralstelle in ihrem Lande. Diese Zentralstellen erhielten das Recht, untereinander in direkten Verkehr treten zu können und so den lang wierigen Weg über die diplomatischen Vertretungen ausschalten zu können. Für Deutschland wurde daraufhin die Zentral Polizei stelle für den internationalen Mädchenhandel in Berlin geschaffen die dem Polizeipräsidium an gegliedert ist. Diese Zentralstelle, die vom Redner geleitet wird, hat bisher sehr gut gearbeitet und wird von dem nationalen Komitee in Berlin bestens unterstützt. Auch eine Anzahl Frauenvereine und be- sonders die Press« unterstützte diese Stelle. Der Vor trag wurde mit großem Beifall ausgenommen. Auf eine Anfrage erklärte der Vortragende noch, daß hier in Leipzig dasPolizeiamtdte Stelle sei, an die man sich zu wenden habe. Die Versammlung war außerordentlich stark besucht, Frau Zimmermann eröffnete sie und dankte am Schluß dem Redner für seinen interessanten Vortrag. Vom hiesigen Polizei amt waren Polizcirat Dix und Kriminalkommissar Dr. Finke anwesend. * Der Männerklub zu Leipzig-Lindenou beging am Dienstag im Großen Saale des „Deutschen Hauses" die Feier seines 10. Stiftungsfestes- Zimmermeister Schumann gedachte in einer An sprache der Bedeutung des Tages für den Klub. Konzert, Theater, Eesangsvorträge und Ball boten reiche Unterhaltung. * Die Bronzebüft« des Geheimen Sanitätsrat» Dr. Goetz, ein Meisterwerk Geheimrat Prof. Seif ners, das der Männerturnverein zu L.-Lindenau zur Feier des 30jährigen Jubiläums seinem hochver ehrten Vorsitzenden gewidmet hat, soll am Freitag abend in der Turnhalle des Vereins enthüllt wer den. Die Feier frndet im engsten Kreise Les Ver eins statt. * * Zu dem Vorgang des Pensionsschwindlers an geblich BeamtenanwärtersBrunoErwin Arnold Liedmann, geboren den 11. Julr 1885 in Greifswald, wird uns noch folgendes mitgeteilt. Am 17. November mietete sich Liedmann in »inem Pensionat der Leplaystraße ein und gab u. a. an, er habe 16 Semester studiert und werde bei der hiesigen Stadtverwaltung angestellt. Am 21. November ist der angebliche Liedmann fortgegangen und hat sich bisher nicht wieder sehen lassen. Die erheb» chen Schulden hatte er dabei „vergeßen" zu begleichen. Der Betrüger wird beschrieben als ca. 1.80 Meter groß, schmächtig, hat fahles blaßes Gesicht, dunkel blondes kurzgeschnittenes Haar, ebensolchen engli,chen Schnurrbart, auf der Stirn drei deutlich sickstbare Narben und trägt grünen Jackettanzug, dunkelbraunen Winterüberzieher, schwarzen, sterfen Hut, schwarze Schnürstiefeln und führt einen starken Spazrerstock mit gerader Krücke bei sich. Wahrscheinlich gibt der Betrüger noch weitere Gastrollen. Mitteilungen nimmt die Kriminalabteilung entgegen. * Ein Luftballon flog heute vormittag in östlicher Richtung ziemlich tief über unsere Stadt. Wie wir erfahren, handelt es sich um den Ballon „H a n s a", der unter Führung des Prof. Landmann rn Frank furt a. M. aufgestiegen ist. Der Ballon hatte also schon eine weite Reise hinter sich. * Zur Verantwortung gezogen wurden ein 22 Jahre alter Bäckergeselle aus Leipnitz und eine 19 Jahre alte Arbeiterin aus Straßburg. Leide hatten aus einer Wohnung, in der ste sich nur vor- übergehend aufhielten, verschiedene wertvolle Gegen, stände, wie ein Opernglas, ein Armband u. v. a. gestohlen. Die Gegenstände waren teils durch Versatz zu Eelde gemacht. Die Sachen konnten sämtlich wieder herbeigeschafft werden. * vermißt wird seit dem 11. November 1910 der Kontorist Wilhelm Kölbel, geb. 15. Fe bruar 1891 in Ikünchen, aus seiner elterlichen Woh nung Brüderstraße 41. Der Vermißte ist ca. 1.70 Meter groß, schlank, dunkelblond, hat schmales, blaßes Gesicht; bekleidet war er mit schwarzem Gehrock anzug, dunklem Herbstüberzieber, schwarzem steifen Filzhut, schwarzen Schnürstiefeln, sehr hohem weißen Stehkragen und vermutlich blauem Schlips. Die An gehörigen vermuten, daß sich Kölbel ein Leid ange tan hat. * Einbrüche und Diebstähle. Gestern nachmittag drangen Diebe in Abwesenheit der Wohnungsinhabe rin mittels Nachschlüssels in eine Wohnung der Leipziger Straße in Stötteritz, er brachen einen Schreibtischkasten und stahlen einen Geldbetrag von 20 ^l, während sie darin liegende Wertpapiere unberührt ließen. Don den Dieben fehlt noch jede Spur. — Gestohlen wurde aus einer Bodenkammer in der Brandvorwerk straße eine Anzahl Messer und Gabeln, Kaffee- und Eßlöffel, Elaswaren, Nippsachen u. a. Gegenstände; aus einem Lokal am Thomasring eine wert volle Hermelinboa; aus einem Schaukasten der Zeitzer Straße eine Anzahl Normalhemüen, desgl. Unter hosen, Unterjacken und Kragenschoner; einem Frem den in einer Gastwirtschaft der Seeburg st raße ein Portemonnaie mit ca. 60 Inhalt und «in Ring. — Von einem Wäscheboden in der Glocken- straße verschieden« Wäschestücke, wie Männer- und Frauenhemden. Bettbezüge, Handtücher, Bett- und Taschentücher. Die Wäsche ist teils „O. K." gezeichnet. * Unhold. Ein Unbekannter, bekleidet u. a. mit Schildmütze, der ein kleines Schnurrbärtchen gehabt hat, verging sich in einem Grundstück der Roßbach- straße in der schamlosesten Weise an einem Kinde. Der Unhold war dem Kinde von der Straße aus ge folgt. Er ist unerkannt entkommen. * Herrenlos aufgesunden wurde in einem Gar ten des Zohannistales ein schwarzes Lüster jackett und eine rotgcstrichene Wirtschaftswage. Die Gegenstände sind zweifellos Dicbesbeute. Die Sachen befinden sich in Verwahrung der Kriminalpolizei und können dort vom Eigentümer in Empfang genommen werden. * Verhaftungen. Festgenornmcn wurde ein 19 Jahre alter Hausdiener aus Erfurt, der von seiner Heimatsbehörde zur Verbüßung einer längeren Freiheitsstrafe, die wegen Einbruchsdreb- stahls verhängt worden ist, gesucht wird. Der Fest genommene hielt sich hier unangemeldet auf. — Frei willig stellte sich der Kriminalpolizei ein 19 Jahre alter Kellner aus Kuckshagen, der wegen gefährlicher Körperverletzung gesucht wird. — In Haft kam ein 25 Jahre alter Maler aus Feil- Bingert in Bayern, der in einem Lokal der Roß straße eine Zeche machte und dann, ohne Zahlung zu leisten, verschwand. Er wurde aber von mehreren Gästen eingeholt und der Polizei übergeben. — Er mittelt und sestgenommen wurde ein 23 Jahre alter Klempner aus München, der in der Nacht zum 19. November einen Schaulasten in der Hain straße erbrochen und daraus eine große Anzahl Wäschestücke gestohlen hatte. Die Gegenstände hatte der Dieb bereits zu einem Spottpreise zu Eelde gemacht. * Selbstmörderin. Gestern früh gegen 1 Uhr sprang in der Hohe Straße eine 1875 in Zauschwitz geborene W i r t s ch f t e r i n in die Pleiße und wurde heute zwischen der Haydn- und Mozartstraße aufge funden uno in die Anatomie gebracht. * Ein Stubenbrand fand gestern in einer Woh nung der Seeburg st raße statt. Er wurde von der Feuerwehr bald gelöscht. Kus Lstdlen. * Wermsdorf, 2^. November. (Entgleist) ist gestern früh beim Fahren aus dem Heizhaus« die Lokomotive zu dem früh 7 Uhr nach Mutzschen fälligen Personenzuge, der aus diesem Grunde ausfallen mußte. Der Uhr von Wermsdorf nach Oschatz verkehrende Zug erlitt 50 Minuten Verspätung. * Freiberg, 24. November. (Wieder ein- getroffen.) Der seit Sonnabend vermißte Schul knabe Merkel aus Naundorf ist, wie der „Freib. Anz." meldet, nicht dem Schneetreiben zum Opfer gefallen, sondern bei seiner in Niederzug wohnenden Schwester, die seine Mutter besucht hatte, wohlbehalten ein getroffen. * Klotzsche, 23. November. (Kohlengas) ent strömte während des Gottesdienstes in der hiesigen alten Kirche einem eisernen Ofen, so daß mehrere Kirchenbesucher ohnmächtig aus der Kirche getragen werden mußten. * Riesa, 24. November. (Unfall.) Bei Erd arbeiten in der Speicherstraße wurde der Arbeiter August Rose aus Gostewitz durch hereinbrechendes Erdreich verschüttet. Außer erheblichen Ver letzungen am Kopfe trug er Verstauchungen an den Beinen davon. Der Verunglückte fand Aufnahme im hiesigen Krankenhaus. * Großenhain, 24. November. (Raubmord?) Auf dem Rittergut Seußlitz a. d. E. wird seit Sonnabend ein 63 Jahre alter russischer Arbeiter vermißt. Am Sonnabend nachmittag hat sich ein hier beschäftigter 21 Jahre alter russisch-polnischer Knecht zunächst nach Großenhain begeben, sich einen schwarzen Hut gekauft und dann abends nach Wieder eintreffen in Seußlitz von dort entfernt, ohne wredcr- gekommen zu sein. Es besteht die Vermutung, oaß der 63jährige Arbeiter von diesem Knecht getötet und in die Elbe geworfen worden ist. Die Staatsanwalt schaft fahndet nach dem mutmaßlichen Täter. * Kötzschenbroda, 24. November. (Verschiede nes.) Der Oberjustizrat Eeyler, früher Amtsgerichtsvorstand Hierselbst, ist nach dem „Gene ralanzeiger" im 77. Lebensjahre in Niederlößnitz verstorben. Er war Ritter 1. Klasse des Ver dienstordens und Ritter des Albrechtskreuzes. — Am Totensonntag fand in der Nähe der Auer im Walde «in Duell zwischen einem Offizier au» Niederlößnitz und einem Kaufmann aus Rade beul statt. Es erfolgte ein dreimaliger Kugel, wechsel. Beim dritten Schuß wurde der Offi zier am Unterleib leicht verletzt. Die Ver anlassung zu dem Zweikampfe soll in geschäftlichen Differenzen zu suchen sein. Ans Sschlens Umgebung. * Halle a. S., 24. November. (Tödlicher Un fall.) Als schlesische Arbeiter an der Chaussee bei Böcklitz unweit Halle Bäume ausroden wollten, wurden sie von einem Schneetreiben überrascht. Der Sturm riß einen Baum los, der einem der Arbeiter auf den Kopf fiel und ihn sofort tötete. * Liebenwerda, 24. November. (Kugelblitz.) Gestern wurde hier bei heftigem Schneefall ein Kugelblitz beobachtet, der sich mit Hellem, blauem Schein langsam fortoewegte. r. Gablonz, 21. November. (Ratio nale Be schlüsse.) Große Freude herrscht in der hiesigen deutschen Bevölkerung über zwei nationale Beschlüße, die die Stadtoertrelung einmütig gefaßt hat. Erstens erwarb die Stadt käuflich von den Skrhaschen Erben die bisherige Beseda in der Talstraße, die trotz der Gründung des „Narodni dum" nach wie vor der Sammelpunkt der Tschechen und Sozialdemokraten geblieben war; dadurch machte die Stadtgemeinde mit einem Schlage einem gefährlichen Agitationsherd aller deutschfeindlichen Bestrebungen ein Ende. Zweitens kaufte die Stadt ein an das „Narodni dum" angrenzendes Grundstück, in dessen Besitz sich die Tschechen laut eines „PrÜliminarkauivertrages be reits wähnten. Auf diesem Grundstück wollten die Tschechen ein großes tschechisches Hotel errichten und dies mit dem „Narodni dum" verbinden. Projekt und Pläne waren bereits fertig. Der Kaufpreis für die Beseda, die nun in ein deutsches Heim umaewandelt wird, beträgt 76 000 Kr., für das Grundstück 18 000 Kronen. TsgesAronlk. Berlin, 24. November. (Eine mehrstündige Verkehrsstockung) des Stadt- und Vorort betriebes entstand gestern dadurch, daß der Brand kasten einer Lokomotive brach. Alle Versuche, die Maschine fortzuschaffen, scheiterten, so daß sie auf dem Gleis demontiert werden mußte. Stettin, 24. November. (Ein blutiges Lie- besdrama) ereignete sich in einem Restaurant am Königsplatz Der Kellner Tanke erschien plötzlich in der züm Restaurant gehörigen Wohnung, um ein schon gelöstes Liebesverhältnis mit der Tochter des Hauses wieder anzukniipfen. Als er energisch abgewiesen wurde, zog Tanke plötzlich einen Revolver und gab drei Schüsse auf das Mädchen ab, das schwerverletzt zusammenbrach. Auch der Bruder des Mädchens, der seine Schwester schützen wollte, wurde durch einen weiteren Schuß verletzt. Dann tötete sich Tanke selbst durch einen wohlgezielten Revolverschuß. Köln, 24. November. (Zusammen st oß mit d e n L a n d m e s s e r n.) Im Rheinlande kam cs bei der Zerlegung von Grundstücken in Holzweiler zu schweren Ruhestörungen. Die Dorfbewohner grif fen die Landmesser und Abschätzer in, Massen an, so daß diese flüchten mußten. Auch die Pferdeknechte auf den Feldern ließen ihre Gespanne stehen und schloßen sich dem Tumulte an. 8t. Frankfurt a. M., 24. November. (Raub mord.) Heute früh gegen 10 Uhr wurde die 34jährige Frau Maier ermordet und beraubt in der Filiale des sogenannten Stiefelkönig in der Vergerstraße 32 aufgefunden. Frau Maier, die bereits mehrere Jahre diese Filiale allein leitete, wurde mit zahlreichen Messerstichen im Geschäftslokal in einer Blutlache liegend von einem Kellner aufge funden Die Ladenkasse ist geraubt. Der Täter ist gegen 11 Uhr in der Nähe des Tatortes verhaftet worden, es ist der 38jährige st ellenlose Kellner Waldschmivt aus Gladenbach. Dem Transnort nach dem Polizeirevier folgte eine vieltausendköofige Menge, die mehrfach versuchte, den Mörder der Polizei zu entreißen und zu lynchen. Mit großer Mübe gelang es den Beamten, den Mör der nach dem Revier zu bringen. Der Täter har Stunden vorher auf ein Mädckien im Walltuchschen Eiergeschäft einen Ueberfall verübt und das Mädchen leicht verletzt. gründe richteten. Er liebte es vor allem, sich häufig im fernsten Auslande aufzuhalten und dort, was er für wissenschaftlich wertvoll oder für groß« Selten heiten hielt, anzukaufen. Stets brachte er von seinen bis nach Afrika und Indien ausgedehnten Reisen Altertümer, Waffen, Schmuckgegenstände, kostbare Stoffe usw. mit, für die er fabelhafte Summen be zahlte, und richtete auf seinem Gut ein förmliches Museum ein, Las er rmmer noch durch neue Er werbungen bereicherte. Natürlich wurde diese Leidenschaft auch nicht selten van Betrügern ausgebeutet. Da Almaßy überdies ein höchst verschwenderisches Leben führte, spielt« und Wetten einging, jo geriet er in Schulden und stand vor dem unvermeidlichen Ruin. Ein Leben ohne Luxus, ohne seiner Genußsucht frönen zu können, wäre ihm unerträglich gewesen. Deshalb ßrifs er zur Pistole und ließ die schöne vierzehnjährige Etelka, arm wie ein« Kirchenmaus, aber mit glühendem Be gehren nach allen Freuden des Reichtums zurück. Das Gut kam unter den Hammer, und Etelka fand eine Zuflucht im Hause ihres Vormunds, des Rechtsanwalts Hunold. Dieser war verheiratet, besaß aber keine Kinder. Er und seine Frau gewannen die 28ais« lieb wie eine Tochter. Als sie das sechzehnte Jahr erreicht hatte, be gleitete Etelka die Frau Rechtsanwalt in ein be rühmtes MoLebad. Dort sah der verwitwete Bankier Arno von Kronau das bildschöne Mädchen, verliebte sich in sie und warb um die Hand der schönen Ungarin. Vormund und Pflegemutter, von dem Wunsch ge leitet, die Zukunft ihrer Schutzbefohlenen sicherzu. stellen, willigten ein. Etelka liebte den ältlichen Freier natürlich nicht, aber die Aussicht auf eine glänzende Eristenz lockte das junge, verwöhnte, genuß süchtige Geschöpf, und so wurde sie, deren Herz damals noch nicht gesprochen hatte, Kronaus Braut und bald seine Gemahlin. Sein Sohn, zu jener Zeit ein zehnjähriger Junge, haßte di« jung« Stiefmutter vom ersten Augenblick an und wurde von ihr mit gleicher Münze bezahlt. Eie tat niemals das Ge ringste, um seine Zuneigung zu gewinnen. Rolf ist ein häßlicher, verwachsener Mensch, ohne alle liebens- würoigen Eigenschaften; aber dafür desto leiden schaftlicher und boshafter. Mit seiner schönen Stief mutter steht er beständig auf dem Kriegsfuß, wenn auch nicht vor aller Welt" „Wie erfährst du das alles?" „Die Schöne aus dem Ungarlande gehört zu den Frauen, von denen man spricht. Kronau war «in Emporkömmling, aus dem Volk hervorgegangen, und verdankte sein« späte Erhebung in den Adelsstand nur der Protektion hochstehender Personen, denen er wichtige Dienste leistete und die er aus arger finanzieller Klemme befreite. Er besaß von jeher di« klein« Schwäche, in vornehmen Kreisen verkehren zu wollen. Es gewährte ihm stets be sonderen Genuß, gesprächsweise mal zu sagen: Meine Frau, die Tochter des Magnaten Maurus von Almaßy." (Fortsetzung folgt.) Ll« «euer Mganaro. (Nachdruck verboten.) Nach der Ueberfütterung des deutschen Publikums mit norwegischer Literatur hat sich eine Gegen strömung von Süden rasch Bahn gebrochen. D'An- nunzio ist in überraschend kurzer Zeit auch bei uns zur Berühmtheit gelangt. Weniger bekannt als er, wiewohl in seinem Heimatland« mehr gelesen, ist sein Dichterkollege Foaazzaro, dessen Romane nicht der berückende Wohllaut D'Annunztanischer Sprache, wohl aber eine straffere Komposition und eine glän zend« Dialogführung auszeichnet. Mit fernem „Piccolo mondo anticco" und „Piccolo mondo moderno" hat er sich bereit» den deutschen Lesern in Uebersetzungen vorgestellt. Doch liegt die Schilderung des Kleinbürgertums italienischer Grenzstädtchen in den fünfziger und sechziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts dem Jdeenkreis des deutschen Leser» zu fern, um dem Autor für die minutiöse Ausführung seiner literarischen Radierung dauernd Beachtung zu sichern. Der meisterlich aufgebaute Roman „Daniele Cottis", die Geschichte eines römischen Parlamen tariers, wäre schon mehr geeignet, ihm einen größe ren Leserkreis in deutschen Landen zu sichern. Die von minderwertigen deutschen Autoren so ost fratzen haft verzerrt« italienische Aristokratie zeigt sich da in einem lebenswahren Spiegelbild, dem auch die frischen Tinten der Wirklichkeit nicht fehlen. Die Durchführung des Seelengemälde» — denn «in solches ist „Daniele Tottis", und nicht «ine simple Erzählung — ist die denkbar subtilste. Kein Hauch Sentiment, der sich auf dem Wege zwischen Konzeption und Wiedergabe oerflüchtet. Das Ganze ist lückenlos bi» auf die minimalste Eedankenbrücke, und doch nicht breit. In der ungesuchten, aber kraftvollen Sprache des Autors ein Meisterwerk mit einem Worte. Foaazzaro wurde berühmt. Man verschlang seine Werke. Man erwartete mit fieberhafter Un geduld jedes kommende. Da beging der Meister einen vielleicht verhängnisvollen Fehler, der seine Leser in zwei Heerlager spaltete und ihm viele seiner Getreuen abwendig machte. Er sah den Erfolg seiner Werke in seinen Gestalten statt in der Art, wie er sie dargestcllt hatte, und begann, sich einen Spezialgestaltenkreis zu schaffen, in dem er das Höchste leisten wollte. So etwa wie Leibl nur Dauerntypen malte, wollte Fogazzaro den Klerus zum Gegenstand seiner Kunst machen. Es fragt sich nur, ob diese Spezialisierung auf dem Gebiet der Literatur wirklich eine Steigerung des Könnens mit sich bringt, ob diese freiwillige Beschränkung nicht vielmehr von dem Leser als Einseitigkeit des Autors empfunden wird. Es fragt sich vor allem, ob das Interesse an diesem Thema stark genug ist, um auch in einer Folge von Variationen noch zu fesseln. Nun kann diese Frage für einen großen Teil des ita lienischen Lesepublikums ohne weiteres bejaht werden. Es sind in der Tat in dieser Zeit lebhafter Religions wirren brennende Probleme, die Fogazzaro an schneidet. Er legt auch absolut keinen Wert darauf, sich sowohl mit den Orthodoxen als auch mit den Freigläubigen zu verfeinden. Er predigt seine eigene Auffassung und will sich gerade dadurch die Denkenden unter den nicht Religionslosen zu seiner Gemeinde erziehen. Damit begegnet er dem Wohl wollen aller derjenigen Kreise, die sich die Religion au» Herzensbedürfnis erhalten möchten, ohne die dem Lande nach ihrer Ansicht verderbnisbringenden In stitutionen der Geistlichkeit fortbestehen zn laßen. So ist Fogaz-mro in gewißem Sinne ein Neuerer wie Luther. Nur hat er es fast noch schwerer als der große Rsformator. Er muß gegen zwei Parteien kämpfen, während jener nur einen Feind, den Katholizis- mu», batte. Jetzt, kurz vor dem Erscheinen seines neuesten Wer kes „Leila", ist Fogazzaro wieder die Zielscheibe der heftigsten Angriffe von allen Seiten. Kaum kennt man knapp den Inhalt des Roman«, der noch nicht auf dem Büchermarkt erschienen ist, da be spricht man ihn in ganz Italien mit einer leiden schaftlichen Parteinahme, die dem südlichen Tempera ment alle Ehre macht. Die Klerikalen kehren sich voller Wut gegen den Autor, dessen letztes Werk schon auf den Index gesetzt wurde. Die Liberalen schimpfen über diese „Welt von Schwarzröcken und Beicht kindern", für deren inneres Ringen nach Klarheit ihnen das Verständnis abgeht. Es ist offenbar, daß dabei Fogazzaro, der Künstler, gegenüber Fogazzaro, dem Apostel, vor dem Forum der Oeffcntlichkeit ins Hintertreffen gerät, ein Faktum, das bei einer so stark ausgeprägten Künstlernatur aufs tiefste zu be dauern ist. Und darum möchte ich diesem Dichter, den der Widerstreit der Parteien auf -talienischer Erde das Terrain zu entziehen droht, dem Ausland gerettet sehen. Fogazzaro ist ein Charakter und ein aufrechter M.'.nn, dazu ein Künstler, der aus der lautersten Quelle schöpft. Da» sind Eigenschaften, di« ihn jedem Deutschen wert machen könnten. Es sind durchaus nicht Thesen, die allein für Italien Wett haben. Was er will, ist von Bedeutung für jeden modernen Menschen, sofern er nicht dem Atheimus verfallen ist. Den Glauben retten aus dem Debatte der Religion, das wäre, kurz ausgedrückt, das Ziel dieses Kämpfers, dem Roosevelt, wie noch erinnerlich, trotz seiner ausgesprochenen Abneigung gegen sonsti ges italienisches Schrifttum durch einen ausgedehn ten Besuch seine Reverenz erwiesen hat. Fogazzaro verdient cs in der Tat wegen seiner künstlerischen Qualitäten, als auch wegen seiner moralischen Vor züge, über die Grenzen seines Vaterlandes hinaus Beachtung zu finden. Die männliche Hauptfigur seines bei Baldini L Tostoldi in Mailand erscheinen den neuen Romans, in der Fogazzaro sich selbst zeichnet, kann sich nicht mit pharisäischem Hochmut einer felsenfesten Elaubensüberzeugung rühmen, die ihn Lb«r die Zufälle und Widerwärtigkeiten des Lebens sanfttröstend hinwcghebt. Für den modernen Menschen gibt es kein Dogma. Der Zweifel ist für ihn der Sporn zum Glauben. Kein Wunder also, daß ihm die göttliche Seelenruhe des Naivglaubenden abgeht. Sein Seelenniveau kennt Ebbe und Flut. „Wenn ich mit dem, was ich vor einem Jahre glaubte, mein Glaubensbekenntnis von beute ver gleiche", sagt Massimo in den Roman Leila. „so frage ich mich voller Entsetzen, ob ich morgen noch an Gott glauben werde." Zweifel und Glauben, diese einstigen Wider sprüche, will Foaazzaro zu einer Einheit ver schmelzen. Ihm ist der Zweifel der Sauerteig, der den Teig durchwirken muß. Das ist e», was Fogaz- zaro zum Dichter der Modern« macht, der die Unter« strömungen der Seele aufdeckt. Drrlca Vorbusttr.
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