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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110110017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911011001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911011001
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-10
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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Nr. lo. los. Ishrgany. wir in unseren Kolonien daran arbeiten müssen, den Anbau der wichtigen landwirtschaftlichen Ausfuhr, erzeuaniss« durch Eingeborene zu fördern. . Als ich nacht» um 11 Uhr durch die Eingeborenen- itadt fuhr, war ein Gewühl wie in Berlin abends um 7 Uhr in der Friedrichstraße Ueberall standen Gruppen von Menschen beieinander, die eifrig mit einander verhandelten. — Es war Börse. Um diese Zeit treffen nämlich die Telegramme von den europäischen Börsen ein und geben die Baum- wollpreise an. Tie Nachtzeit erklärt sich aus dem mehrstündigen Zeitunterschied zwischen Bomban und Europa, (hegen Berlin geht die Bombayzeit um :i stunden .">1 Minuten vor. Die Baumwolle wird auf offenem Markt und nicht vom Bauern ge laust. Hauptsitz der Daum wollfabrikation ist Bombay. Hier befindet sich die Hälfte der sechs Millionen Spindeln und der 77 000 Wcbstühle Indiens. Als Hilfsstoise kommen vor allem die „arben in Betracht. Deutschland hat geradezu ein Monopol für die Einführung sämtlicher Farbstoffe, und unsere großen Farbenfabriken haben ständig,' Vertreter in Bombay. Die lösten Abnehmer sind die Textilfabriken, während die kleineir Färber zum gröszren Teil noch Pflanzensarben, hauptsächlich Indigo, verwenden. Der Schwerpunkt der indischen Baumwollfabri- kation bleiben ungebleichte Sroste und (Harne, des halb findet auch noch eine ziemliche Einfuhr bunter Baumwollstoffe von Deutschland statt. Für den Kronprinzen war es wertvoll, nach dem Besuch der Plantagenkolonic Ceylon gleich darauf in Bombay den bedeutendsten Hasen der ganzen Malabarküste, an der Ein- und Ausfuhr, kennen zu lernen, daß ein großer Teil der hauptsäch lichsten Erzeugnisse, welche die Oiesamtausfuhr von durchschnittlich Milliarden Mark ausmachen, von eingeborenen Bauern hcrvorgcbracht worden ist. Dann gab sich auch Gelegenheit, die vielen Wechselbe ziehungen der Westküste Vorderindiens zu unserer vielfach verwandten Kolonie Ostairika zu erfahren, und der ost besprochenen Inderfrage Deutsch-Ost- afrikas, die für die deutschen Kolonien der ottasrika- nischen Küste fast gleiche Wichtigkeit hat, Interesse zuzuwenden. Der Aufenthalt in Bombay dauerte voni 1-1. bis 1C>. Dezember. An festlichen Veranstaltungen fand ein (haladiner beim Gouverneur und ein Gartenfest der deutschen Kolonie in der Villa des deutschen Konsuls Dr. Heyer statt. Alle anwesenden Deutschen — gegen hundert — wurden dem Kronprinzen vor gestellt, und er unterhielt sich mit jedem einzelnen einige Zeit. Dann ging es mit dem Hofzuge des Vizekönigs nach Hyderabad in das Reich des Nisam, -es grössten indischen Vasallenfürsten Englands. Oie Feuerdeltsttung in preutzen. Vor einiger Zeit war gemeldet worden, daß dem nächsten preußischen Landtage eine Feuerbe- stattungrvorlage zugehen werde. Ob es da bei bleiben wird, vermögen wir augenblicklich nicht mit voller Bestimmtheit zu sagen', auch nicht, ob, wie man in der Presse liest, sür den etwaigen Verzicht der Regierung die Erwägung in Betracht käme, daß es nicht wohlgetan sei, die Gegensätze zwischen Konser vativen und Liberalen noch mehr zu verschärfen. Eine solche Verschärfung wäre von der Feuer- l»cstattuna eigentlich gar nicht zu erwarten; die m der vorigen Session herv'orgetrctene Stellungnahme kon jervätiver Mitglieder des Herrenhauses und des Ab geordnetenhauses zugunsten der Feuerbestattung müßte dahin führen, den Austrag der noch vor handenen Meinungsverschiedenheiten in milden Formen vor sich gehen zu lassen. Dazu kommt der objektive Zustand der Feuerbestattungsfrage. Reli gion. Theologie und Polkssitte wurden früher gegen die Einführung geltend gemacht. Man mag zuge Der Drsmstiker Mlüs. Ein Blick auf seine Entwicklung. Von Paul Prina (Leipzig). Roch ein Jahr, und Ludwig Fulda wirs die Fünfzig erreicht haben. Dor etwa fünfundzwanzig Zähren war ihm der erst« Bühnenerfolg mit dem Einaller „Unter vier Augen" beschiedcn. Das Deutsche Theater in Berlin spielte damals dieses liebenswürdige Stück, und die Ausnahme, die es sand, war eine ungemein freundliche. Dieser Erfolg er munterte den jungen Schriftsteller, das Thema meines Erstlings nochmals in einem mehraktigen Stück, aber etwas ausführlicher zu behandeln. Denn man darf wohl sagen, daß das Lustspiel „Die wilde Jagd" nur eine wenn auch etwas kompli ziertere Variation des Einakters „Unter vier Augen" ist. In beiden ^Berken ist das Hauptthema eine leichte Satire aus das unausgesetzte, nervöse Hasten und Jagen -er Menschen von heute, die vor lauter Sucht nach äußeren Gütern und Ehren ihren inneren Meusck>en arg vernachlässigen und niemals zu einem ruhigen und stillen Genuß des Lebens kommen. Dieses Lustspiel. „Die wilde Jagd", spielte Barnay in feinem neu gegründeten Berliner Theater, und der ihm bcschiedene Erfolg war sehr groß Aber der Direktor schien damit keineswegs zufrieden zu sein. Er wollte höher hinaus, wollte den Horizont seines Schaffens erheblich erweitern. Der Naturalismus hatte sich durchgesetzt, hatte gesiegt und war hartnäckig nm die Lösung -er sozialen Frage in künstlerischer Form bemüht. Dieses allgemeine Ringen zog auch Fulda in den Kreis der sozialen Bewegung, und er erschien ein Jahr nach der „wilden Jagd" mit einein sozialen Schauspiel cm Deutschen Theater. Dieses Stück. „Das verlorene Paradies", wühlte aber keineswegs die soziale Frage in ihren Tiefen auf. Fulda wußte sehr gut, Laß ihm so etwas nicht lag. und deshalb nahm er aus die einzige ihm mög liche Weise dazu Stellung. Er streifte nur die so zialen Ideen, indem er ein kleines Stück sozialen Lebens mit menschlichem Wohlwollen freundlich be leuchtete. Gerade weil der Dichter ganz in den Grenzen seines Könnens blieb, sand das Stück eine »ehr sympathische Aufnahme. Ein« solckie war seiner nächsten dramatischen Arbeit, dem Schauspiel „Die Sklavin" — zum ersten Male — nicht beschieden. Zu diesem Schauspiel hatten ihn die damals schon ungemein häufigen Erörterungen der Frauenfrage, der unglücklick)en Ehe und Les geistigen Mordes an geregt. Der Hauptgrund, -aß er mit dem Stücke scheiterte, mag wohl darin gelegen haben, daß Fulda oiesmal zwar nicht sowohl über die Grenzen seines könnens als vielmehr über die seiner Individualität yinausgehen wollt«. Mit der „Sklavin" hatte er sich auf -en Boden der einst von ihm bekämpften modernen Richtung gestellt. Ein Thronift vom Ende de» Jahr hunderts, Adalbert von Ha» st «in, sagt dar- ulxr sehr richtig: „Das Stück macht« den Eindruck ein«r vortrefflichen Schülerarbeit, dl« nach den Vor schriften von Holz. Brahm und Hauptmann sauber und nett ausgesübrt war .... An Frische aber stand es hinter -en Lustspielen aus Fuldas Anfängen weit zurück." Fulda hat diesen Schritt vom Wege auch iozort ecngesehen und es für immer bei dem einen bewend«» lassen. E» sei bier daran erinnert, daß er Ende der siebziger Jahr« (mit Wolf gang Kirch. Lewllyer Tsyevlsn. vtrnstsy, l0. Januar ISN. in Kreisen habe, di« der Lehrerschaft feindlich ge sinnt seien. * Gegen die Schiffahrtsabgaben. Der Zentral« verein sür deutsche Binnenschiffakrt wird am Li. Januar, abends 7 Uhr, im Gebäude der Handels kammer zu Berlin eine außerordentliche Hauptver sammlung abhalten. Als Hauptpunkt steht auf der Tagesordnung die Stellungnahme und Feststellung der Abänderungsanträge zum Gesetzentwürfe über den Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die Er hebung von Schiffahrtsabgaben. Berichterstatter ist Handelskammer-Syndikus Meesmann - Mainz. * * 2n dem Entwurf über die Hausarbeit hatte die Reichstagskommission die Bestimmung getroffen, in allen Hausarbeitsbetrieben Lohntafeln aus zuhängen. Diese Maßregel findet weder den Beifall der Regierung noch der in Betracht kommenden In dustriezweige. Die Kommission hatte diese Be stimmung getroffen, um Prcisuntertreibungen in der Hausindustrie zu verhindern. Man ist aber der Ansicht, daß diese Maßregel wenig Nutzen stiften wird, da einerseits die gezahlten Löhne meistens bekannt sind und anderseits, namentlich in der Kon fektionsindustrie, die Löhne fe nach der Beschäftigung, der Uebung und der Geichicklichkeit der Arbeiter ver schieden sein müssen und die Zahlung von einheit lichen Preisen sich nicht durchsühren läßt. Die Re gierung ist der Meinung, daß für die eigentliche Hausindustrie, in welcher ein« Massenherstellung stattfindet, und deshalb ein Lohndruck leicht Platz greife, die Verpflichtung zur Offenlegung der Lohn verzeichnisse im allgemeinen empfehlenswert sei, nicht aber für jene Lewerbezweige, in welchem die Ge werbetreibenden eine geringere Anzahl von Per sonen der Hausarbeiter mit individuell ge arteten Arbeiten beschäftigen. Es sei auch nicht angebracht, «ine solche zwingende Vorschrift dort ein treten zu lassen, wo Lohntarise abgeschlossen sind. Am allerwenigsten ist eine solche Vorschrift aber am Platze bei kleinen Gewerbetreibenden, die nur einen oder wenige Hausarbeiter beschäftigen, zumal wenn diese für Privatkundcn Arbeiten Herstellen zur Be friedigung des persönlichen Bedarfs derselben; in solchen Fällen kann leicht eine Unzuträglichkeit aus der Offenlegung der Lohnverzeichnisse im Hinblick auf die in -cm Raum gleichfalls verkehrenden Privatkunden entstehen. Die Regierung ist bestrebt, bei der zweiten Lesung des Entwurfs im Plenum eine Aenderung der Kom Mission sbeschlüsse in dieser Richtung herbeizuführen. * Der Deutsche Verein für den Schutz des gewerb lichen Eigentums hält am Donnerstag, den 12. Ja nuar, abends 8 Uhr im Kaiserlichen Patentamt zu ' Berlin eine Versammlung ab. Justizrat Dr. Edwm i Katz-Berlin wird einen Vortrag halten über: « „Sachverständigen wesen." * Reichstagskandidatnren. Der Kreiswahlverein der Fortschrittlichen Nolkspartei des Wahl kreises Torgau-Liebenwerda hat einstimmig beschlossen, den Landtagsabgeordneten Delius in Helle a. S. als Reichstagskandidaten für den Wahlkreis Torgau-Liebenwerda aufzustcllen. Land- lagsadgeordneter Delius hat die Kandidatur ange nommen. — Di« sozialdemokratische Partei des Reichstagswahlkreises Frankfurt (Main) stellte für die kommenden Reichstagswahlen Len sozialdemokratischen Redakteur Dr. Quarck als Kandidaten auf. Dr. Quarck unterlag bei den letzten Wahlen gegen den Kompromißkandidaten der bürger lichen Parteien Dr. Oeser von der „Franks. Ztg.", der, wie berichtet, ebenfalls wieder als Kandidat auf gestellt ist. — Im 4. nassauischen Reiche- tagswahlkreis wurde von der Fortschritt lichen Dolkspartei der Rechtsanwalt Güth aufgestellt. Die Kandidatur Güth» ist nur gültig, wena kein Abkommen mit den Nationalliberalen stattfindet. Kommt «ine Einigung zustande, tritt Güth von der Kandidatur zurück. — Der Bund der Landwirte beabsichtigt in d«m früher«» Wahl kreis des Grafen Ortola in Friedberg-Büdingen wieder den Rechtsanwalt Dr. von Helmolt als Reichstagskandidaten aufzustellen, der in der Ersatz wahl dem Sozialdemokraten unterlag. — In Er furt ist von den Nationalliberalen wiederum Landgerichtsrat Hagemann als Kan^ didat für dte nächste Reichstagswahl ausgestellt worden. * Arbeitsdispositionen des preußischen Landtags. Der Landtag tritt, wie bekannt, am 10. Januar zu einer neuen Session zusammen Nach der Eröffnung des Landtags im „Weißen Saal" des Berliner Schlaffes, die durch den Ministerpräsidenten v. Beth- mann Hollweg nach den veränderten Reisedisposi tionen des Kaisers erfolgen wird, hält das Ab geordnetenhaus seine erste Sitzung am gleichen Tage um 1 Uhr nachmittags ab, in der der Fmanzminister Lentze den neuen Etat einbringen wird. Voraus sichtlich wird alsdann das Abgeordnetenhaus eine mehrtägige Pause eintreten lasten, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zum Etat Stellung zu nehmen. Von den in Aussicht gestellten Entwürfen dürfte dem Abgeordnetenhaus in der nächsten Woche nur das Zwecksverbancsgesetz zugehen,während die anderen Gesetze erst später vorgelegt werden sollen. — Das Herrenhaus wird am 10. und 11. Januar zwei kurze geschäftliche Sitzungen abhalten und sich als dann auf unbestimmte Zeit vertagen. Ihm werden in nächster Zeit zugehen die Wegeordnung sür Ost preußen, die rheinische Landgemeindeordnung und das Wegereinigungsgesetz. * Das neue preußische Fortbildungsschulgesetz. Unter den Vorlagen, die dem pceußischen Landtage demnächst zugehen werden, befindet sich ein Entwurf über die Einführung der allgemeinen Fortbildungs schulpflicht für alle gewerblichen Arbeiter unter 18 Jahren. Rach diesem Entwurf soll die Fort bildungsschulpflicht sür alle männtichen jugendlichen gewerblichen Arbeiter in allen Orten eingeführt werden, die bei der letzten Bolks'ählung mehr als 10000 Seelen zählten. Diese Schuten sind von den Kommunen zu errichten und zu unterhalten und werden im allgemeinen den bestehenden Volksschulen angealiedert werden, zulässig ist auch die Benutzung des Lehrerpersonals der Volksschulen für diese Fort bildungsschulen. Es kommen zurzeit etwa nur nocki 50 Orte in Betracht, die auf Grund dieses Gesetzes Fortbildungsschulen einzusühren hätten. Dem Wunsche, das neue Gesetz auf die jugendlichen ge werblichen Arbeiterinnen auszudehnen, konnte nicht slattgegebcn werden, weil dadurch eine zu große Bc lastung der Gemeinden eintreten würde und auch die Schwierigkeiten bei der Beschaffung geeigneter Lehrkräfte für diese weiblichen Fortbildungsschulen zurzeit noch zu große find. Es bleibe aber immerhin den Gemeinden überlasten, freiwillig solche Mädchen - fortbidungsschulen einzuführen. Für ileine Gemeinden dürfte aber kaum die Notwendigkeit für eine solche Maßregel vorliegen. Suslsnü. Srsterrri ch-U nflavn. * Das neue österreichisch« Kabinett. Wie das Wiener K. K. Telegr. Korr.-Bureau erfährt, ge, nehmigte der Kaiser die Vorschläge über die Ka binettsbildung. Danach setzt sich das Ministerium wie folgt zusammen: Ministerpräsident Bienerrh, Minister des Innern der bisherige Sektionschcf im stehen, daß das alles früher eine Bedeutung sür di« Gemüter haben konnte, heute ist es durch die tcusäch liche Entwicklung einigermaßen überholt. Preußen ist von Verbrennungsösen umgeben. Wer in Preußen lebt, kann letztwillia die Uebersührung der Leick-c nach Sachsen, nach Gotha. oder Homburg, oder anders wohin verfügen. Von da kommt dann die Asche nach Preußen zurück. Wer konsequent sein wollte, müßte da» verbieten: jeder Preuße müßte verpflichtet werden, sich beerdigen zu lasten. Daran scheint aber niemand zu denken So wird der jetzige Zustand ein fach zu einer Unbequemlichkeit und zu einer Bc günstigung der Neichen. Die Geistlichkeit söhnt sich immer mehr mit der Feuerbestattung aus. Als kürzlich ein hoher preußischer Würdenträger starb und seine Leiche eingcäscherl wurde, bat man nicht gehört, daß der Vertreter des Kaisers, die Staatsbehörden und die Geistlichteit sich dadurch irgendwie an der Bezeigung ihrer Verehrung für den Toten haben hindern lasten. Was den Großen recht ist, ist den Kleinen billig. Die Bevorzugung har keinen Sinn, sie wirkt nur unsozial. Dem tatsächlichen Zustande muß nun endlich der rechtliche Zustand nachfolgen. Wenn bisher die preußischen Gesetze aus Erd- bestattung zugeschnitten waren, und diese Ilnfertigteit der Gesetzgebung das Obcrverwaltungsgcricht zu einer ablehnenden Stellung geführt hat, so muß eben durch einen Akt der G-csetzgebnng das Necht vorwärts geführt werden. Das wird über kurz oder lang ge schehen. Daß sich noch große Kämpfe daran knüpfen, ist gar nicht einmal anzunehmen. Deutsches Reich. Leipzig, 10. Januar. * Reichstaqskandidatur in Leipzig-Land. Der Verband nationalgesinnter Vereine des 12. und des 13. sächsischen Reichstagswahlkreises stellte am Montagabend in seiner zahlreich besuchten Vertreter versammlung im Hotel „Sachsenhof" zu Leipzig ein stimmig Dr. Arno Günther, Redakteur für Po litik am „Leipziger Tageblatt", als Kandidaten für Leipzig-Land auf. Die versammelten Ler kreier verpflichteten sich einmütig, nach besten Kräften diese Kandidatur zu unterftützen. * Aus dem 21. sächsischen Reichstagswahlkreife. Am Sonntag, 15. Januar, spricht Basser mann ,n Annabe rg. Es wird eine Kundgebung zugunsten der Kandidatur Stresemann, der selbst mit an wesend sein wird, geplant. * Dementi. Der „Freib. Anz." hatte die Meldung von einem Gerücht gebracht, wonach der Vor sitzende des Sächsischen Lehrervereins bei einer Unterreduna mit einer vorgesetzten Stelle vor kurzem sich zum bibel- und bekenntnismäßigen christlichen Religionsunterricht bekannt haben und dieses auch schriftlich bestätigt haben sollte. Der Vorsitzende des Sächsischen Lehrervereins Oberlehrer Sattler dementiert diese Meldung ganz ent schieden. Er erklärt, die ganze Meldung beruhe auf Unwahrheit. Kürzlich habe überhaupt in Sachen der Reform des Religionsunterrichts gar keine Unterredung mit einer vorgesetzten Stelle statt gefunden. Auch bei -er letzten Unterredung, die vor Michaelis vorigen Jahres bei der Uebcrreichung der Denkschrift zur Reform des Dolksschulgesetzes statt gefunden habe, sei weder eine mündliche, noch eine schriftliche Erklärung von der in der Meldung des „Freib. Anz." erwähnten Art verlangt oder abgegeben worden. Die ganze Nachricht erklärt Sattler für eine tendenziöse Erfindung, die ihren Ursprung üach gemeinsam) ein begeisterter Jünger Paul Heyses in München war und sich von Jugend auf der väterlichen Freundschaft des alten Nibelungen dichters Wilhelm Jordan in seiner Heimat stadt Frankfurt a. M. erfreute. Dieser alte Herr grollte nach dem Erscheinen der „Sklavin" heftig und antwortete darauf mit einer kräftigen Philippika gegen den abtrünnigen Ludwig und die Berliner im allgemeinen: Ludwig, Ludwig, komm nach Hcruse! Nicht als übereil! sanguinisch widerlege schön« Hoffnung. Komm! Verkiimm're nicht berlinisch! »Rußt auch du zum Bühnenfutter Ehefäulnis dir erwitzeln, um, auf Märchenglück versessen, hohle Weiber toll zu kitzeln, bis sie schwören, daß nur Buhlschaft sie van heil'ger Schande rette, senn des Sakramentes Pflichtband sei nur schnöde Sklavenkette? Artig Eignes kannst du malen, brauchst nicht für den Markt zu pinseln, noch der kranken Wcltverkläger Unkenrufe nachzuwinseln. Keusch und vornehm wieder dichte, nnge nicht im Iiingfterchore, rüste echten Siea, verzichte stolz auf modisches Furore. Sei nicht mußesiecher Hulda Lüsterlaunen liebedienisch. Komm nach Hause, Ludwig Fulda, sonst verkümmerst du berlinisch. Und Fulda machte kehrt und kam nach Häufig das heißt, wieoer zu sich selbst zurück. Ob er nun den Mahn- ruf jeines alten Freundes sich zu Herzen genommen, oder ob es dessen gar nicht mehr bedurft hatte, kurz, der Dichter war nun. wenn auch ganz anders als Jordan es meinte, „auf Märchenglück versessen" und eroberte sich das Glück wieder mit einem Märchen. Andersens sage von des Kaisers neuen Kleidern batte sich in seiner so gern verseschmiedenden Phantasie festgesetzt und kam als das Märchendrama „D e r T a l i » m a n" wieder daraus hervor. Es erschien zuerst im Deutschen Theater zu Berlin, und der Erfolg war ein fast beispiellos großer. Kainz spielte den Könisi, Sommerstorff den Omar, Rosa Retty die Rita und Georg Engels den Habakuk. Wien» auch Fulda nie wieder eine solche Höhe des Sieges erreicht hat, so darf man doch behaupten, daß ihm seitdem im großen und ganzen der Erfolg treu geblieben ist. Man denke nur an die beträchtliche Wirkung, die unter Len späteren Schau- und Lust spielen „Die Kameraden", „Jugendfreunde". „Die Zwillingsschwester", Rovella oAndrea" und „Mas kerade" aurlösten. Inzwischen hatte er noch ein Talent in sich entdeckt, das seiner innersten Natur ganz besonders zu entsprechen schien, das des Ueoersetzers. Rostands „Cyrano von Bergerac" gab er ein« in jeder Beziehung geradezu vollendete deutsche Fassung, und um die Jahrhundertwende be scherte er uns einen mustergültigen deutschen Mokiere. Seit früher Jugend war ihm di« Ausgabe, Mo li c-r e in eine volkstümliche deutsche Reimform zu übertragen, als eine lohnende und verlocket« er- schienen. Und als Paul Schlentber 1889 «ckprächs- weise zu ihm äußerte, man müsse Moliäre schlankweg in Knüttelversen übersetzen, war di« Arbeit be- schlossene Sache. Er ersetzte also den französischen Alexandriner durch das Versmaß des „Faust". Die paarweise Reimstellung mußt« er dabei allerdings aufgoden, aber er überwand dadurch zunächst die ermüdende Eintönigkeit der Reime und erzielte be sonders, wie er selbst sagt, einen bedeutenden inneren Gewinn: „Das Reimwort kann, da es zwanglos nach einer, zwei, drei oder gar vier Zeilen einsetzt, immer mit der Pointe zusammenfallen, und hauptsächlich durch diese Möglichkeit kann der besondere Charakter des Molicreschen Stils treu nach geahmt werden." Sein deutscher Malier« stellte ihn in die vorderste Reihe der Uebersetzer. Zum Schluß noch einige Worte über Fuldas neuestes Schauspiel „Herr und Diener", das heute auf der Bühn« des Alten Theaters zum ersten Mal« erscheint. Der Dichter hatte das Werk dem Deutschen Theater in Berlin anonym ein gereicht. Erst nach der Annahm« trat er mit seinem Namen hervor. Wie dem „Talisman" und dem „Sohn des Kalifen" alte Märchen zugrunde liegen, so gab für dieses Schauspiel dem Dichter eine No velle des Bandello die Anregung. Matteo Dandello, ein Dominikanermönch, war einer der fruchtbarsten Erzähler der Renaissance. Er erfreute mit seinen Arbeiten die kunstsinnige Isa bella Gonzaga, di« Schwester Alfonsas von Este. Die Zahl seiner Novellen geht in die Hunderte; sie sind in der Art des Boccaccio geschrieben, erreichen aber nicht die Kunst dieses großen Erzählers des Trecento. Bandellos Erzählung hält sich durchweg im anmutigen Plauderton. Das gegenseitige Ringen um die Krone der Ritterlichkeit zwischen König und Seneschall, zwischen Herr und Diener, hat, nachdem sich die verschiedensten „Zufälle" abgespielt haben, bei Bandello einen friedlichen, versöhnenden Schluß. Fulda bat das Problem in tragischer Weise gelöst. Kunst UNS Mllenfchslt. * Arthur Nikisch wird nach einer Meldung aus Berlin in der nächsten Saison ein außerordentliches Konzert des Wiener Tonkünstlerorchesters dirigieren. * Der Kunstmaler Schulze-Rose, der Vorsitzende der Leipziger Sezession, hat gegen Ende vergangenen Jahres im Heimatmuseum des Kreises Luckau (N.-L.) eine Ausstellung von Arbeiten veranstaltet, deren Motive der Mark und Niederlaufitz entstammen. Die dortige Stadtbehörde hat ihm für seinen „Kirch gänger" einen ersten Preis zuerkannt. In dem An erkennungsschreiben wird besonders hervorgehoben, daß das Unternehmen des Leipziger Künstlers in seiner Absicht, durch die Kunst Heimatliebe und Sinn für die Schönheiten der Heimat zu wecken und zu vertiefen, erreicht worden ist, und dieses jetzt noch vereinzelt dastehende Vorgehen auf dem Gebiete der Volksbildung weite Beachtung verdient. * Stiftung des Kaiser». Der Kaiser bewilligte aus dem Dispositionsfonds für die afrikanische Expedition des Herzogs Adolf Friedrich von Mecklenburg, die unter dem Protektorat der Hamburgischen Wissenschaftlichen Stiftung steht, 50000.« Nach den letzten telegraphischen Meldungen, die dis zum 28. November reichen, sind sämtliche Teilnehmer an der Expedition wohlauf. Die Haupt erpedition unter dem Herrog selbst dürfte sich gegen- u^rtig in der Nähe de« Tschadsees befinden. * Reinhardts ^Oedipus" in Wien. Wie aus Wien gemeldet wird, ist Max Reinhardt auch mit dem Zirkus Busch am Prater in Verbindung, um in der zweiten Hälfte des März sechs Ausführungen des „Oedipus' zu veranstalten. Der Zirkus liegt auf kaiserlichem Grund, das Gesuch ist daher an das Oberhofmeisteramt abgegangen. * Frankfurter Nationalsestspiele. Aus Frankfurt a. M. wird uns geschrieben: Wie bereits kürzlich mitgeteilt, hatte Direktor Martin vom Frankfurter Komödienhaus das Albert-Schumann-Theater für den Monat Mai gepachtet, um daselbst Mai fest spiele in großem Stil^u veranstalten. Zu gleicher Zeit trat auch Max Reinhardt-Berlin mit der Veranstaltung großer nationaler Fe st spiele in Frankfurt auf. Zwischen beiden ist jetzt ein Abkom men dahin getroffen worden, daß Martin zugunsten Reinhardts von seinem Vertrage mit dem Schu mann-Theater zurücktritt und dafür eine Ent schädigungssumme von 10000 erhält. * Professor Wilhelm Berger, der bekannte Kom ponist und Nachfolger Steinbachs in der Leitung der Meininger Hofkapelle, der früher auch im Berliner Musikleben eine hervorragende Rolle gespielt hat. ist schwer erkrankt und hat sich in Jena einer ein greifenden Operation durch Professor Lexer unter ziehen müssen. Die Operation ist glücklich gelungen, und es besteht Aussicht, den bewährten Künstler seinem Wirkungskreis zu erhalten. * Musikchronik. Felix Weingartners dritte Sinfonie, die ber der Uraufführung durch die Wiener Philharmoniker so enthusiastische Aufnahme fand und auch bei der zweiten Aufführung in Nom mit Beifall ausgenommen wurde, wird noch diesen Monat durch das Wiesbadener Kurorchester unter Leitung von Kapellmeister Afferni die erste Auffüh rung in Deutschland erleben. — Die Oper „Cleo patra" des Dänen August Enna, die die Kgl. Oper in Berlin durch länger als ein Jahrzehnt - trotz erfolgter Annahme — unausgeführt ließ und die in voriger Saison eine glänzende Auferstehung in der Berliner Volksoper feierte, ist mit durchschlagen dem Erfolge in Zürich zur Erstaufführung ge kommen. Darsteller, Kapellmeister und Komponist mußten wieder und immer wieder vor der Rampe erscveinen, um für den begeisterten Applaus des Puolikums zu danken. * Millionen-Stiftuug für Bildunaszwecke. Der vor einigen Tagen verstorbene Kommerzienrat Wtnterheld vermachte der Stadt Wildenberg 1 Mil lion Mark für BUdungs- und Wohltätigkeitszwecke. * Hochfchnlnachrichten. Ter Privatdozent für Botanik Dr. Hans Kniep in Freiburg in Breisgau erhielt einen Ruf als etatmäßiger autzerordcntlicher Professor nach Straßburg. — An der Universität Jena sind die dortigen Prwatdozenten Dr. B. Spiet- doff (Haut- und Geschlechtskrankheiten) und Dr. W. Strohmayer (Psychiatrie und Neurologie) ru außerordentlichen Professoren ernannt worden. -- I)te neue naturwissenschaftliche Fakultät der Uni versität La Plata in Argentinien hat Frau Mar« garethe Bose als Professor sür Chemie be rufen. Frau Bose, eine geborene Dänin, hat an der Universität Kopenhagen den Magistergrad erworben. — In Mödling bet Wien ist der cmerit. ordentliche Professor der Seuchenlehre an der Wiener Universt tät und Professor für pathologische Anatomie am dortigen Tierarzneiinstitut Dr. Johann Czokor im 62. Lebensjahre gestorben.
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