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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191011284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19101128
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19101128
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-28
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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BezugS-PreiS iür «iu> vorvrre durch »l« 2rtg«r und tz-»«diirur« 2»al ltalich iu»vaud gedrach!: Uü > nonall., 2.70 »icrtrliLhrl Bet unter« IiUalen u. A«. uadairtleUen adgedotll 78 m»natl„ 2.2L v ererltSbrl. Lurch dt« VoK: tnnerhalb Deuilchian«» und «er dexrtchen Solonir« vierteliidrl. 8.ÜV monatl. l^i» audtchl. PotldetieUaeld. ferner 'N Belgien, Dänemark, den Donauftaaten, Italien, liuremvurg, Niederlande, Nor. wegen, Oesterreich Ungarn, Rußland, Schweden, Sänveij u. Spanien. Jo allen übrigen Staaten nur direkt durch die (SetchaitSlieUe des Blatte- erhäiUlch. La» Leipziger Tageblatt erschemi 2 mal iäglich Sonn- u. Feicriag- nur morgen«. Lvonne enl-Ännanme: Uligulludplatz 8, bei unieren Trägern, Filialen, Lpediteuren und Annabmeslellen, sowie Poslämtern und Briesirkgeru. Ein,elverlaul«vr«l» der MorAen- au«gabe 10 der indend u-gabe Sch. Aedakltvn und GeschäfrSsiell«: gsdanniegasje v. Fernsprecher: 14<>iLi, I460L KMgcrTllgMM Handelszeitung. Amtsblatt -es Nates und -es Notizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeigen-Preis chr Inserate au« Leipzig nno Umgedan, die Sgetvaitene SO miu breite Pctttzeil. 2b ch, dt« 74 mm breite Reklaniezeile I «- von au-wärt- M ch, Reklamen l.Äl .M Inserate von Bebirden nn amtltchen Ten die 74 mm breite Petit,eile 40 ch. »elchäitianzeigen mit P atzvorschristen und in der Sbendau-gabe in> prene erboisi. Rabatt nach Taris. Beilagegebübr s p. Tausend exkl. Postgebühr. ^esterteilte Auiträge können nicht zurück gezogen werben, zür da« Urscheinen an besllmmten Tagen und Plätzen wirs keine (Äarantie übernommen. Anzeigen-Annahme: AugulluSplaq 8, bei sämtlichen Filialen u. allen «nnoncen- Sxpedittonen de« In- und Auslandes. -aupk-Filiale Berlin: Larl Duncker, Herzog!. Bavr. Hosbuch- Handlung Lüyowstrane 10. (T-I.phon Vl. Rr. Es. Haupk-Ziliale Trebden: Seestr,xe 4,1. (Telephon 40T1-. l04. Jahrgang Nr. 328 Montag, üen 28. Nooemver 1910. Das Wichtigste. * In der aus Anlaß seines 25jährigen Bestehens am Sonntag in Zittau abgehaltenev Festversamm- lung des National!', beraten Vereins für den 1. sächsischen Reichstagswahlkrcis hielten >ne Reichstagsabgeordneien Basscrmann und Dr. Heinze-Dresden bemerkenswerte Ansprachen. sS. den bes. Art.) Der Rat der Stadt Leipzig hat ein Ortsgesetz aufgestellt, nach dem in Zukunft die Schließung der Schaufenster auch an Sonn- und Festtagen unterbleiben kann. fS. Lpzg. Angel.) * Die meuternden brasilianischen Ma ri n e m a n n j ch a f t e n haben sich nunmehr er geben. sS. Letzte Dep.) * Die Schutzmächte wollen gegen die Kreter, die erneut den Anschluß an Griechenland forderten, einschrcitcn. sS. Letzte Dep.) Die Weltteile ürs üeulichen Kronprinzen. Von Dr. Oscar Bongard. II. Im Noten Meer an Bord des „Prinz Ludwig". Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Dr. Oscar Bongard, dessen ersten Bericht über die Ostasienreisc des deutschen Kronprinzen wir bereits veröffentlicht haben, sendet uns den folgenden zweiten Bericht zu. dessen erster Teil vom 10. November datiert ist: Um meinen letzten Bericht recht früh in der Heimat ankommen zu lassen, gab ich ihn am 7. November abends bei dem Zahlmeister unseres Dampfers, der zugleich Postverwalter der Seepost ist, ab So kam er noch in den für Deutschland bestimmten Postsack. Nachher tat es mir leid, daß ich den Bericht schon abgeschlossen und ausgcgebeii hatte, denn ich Härte Ihnen noch gar zu gern von dem allerliebsten Ball erzählt, der abends nach dem Diner improvisiert wurde. Die aus Stewards, das sind Schiffskellner, bestehende Musikkapelle fing um 9 Uhr an, auf dem Promenadendeck Tänze aufzuspielen, und bald kamen Kronprinz und Kronprinzessin mit ihrer Begleitung hinzu. Beide ließen sich eine größere An zahl von Damen und Herren aus den Passagieren vorstellen, und unversehens war ein munteres Tänz chen im Gange Die Kronprinzessin tanzt anscheinend leidenschaftlich gern. Cie ließ aber nicht, wie dir Hof etikette es verlangt, die Herren ausfordern, mit denen sie tanzen wollte, sondern die ihr vorgestellten Herren baten darum, ihnen einen Tanz zu gewähren. Der Kronprinz tanzte mit den vorgestellten Damen, be teiligte sich aber weniger, während die Kronprin zessin leinen Tanz auslicß. Man kann sich natürlich die Freude derer ausmalen, die so unverhofft dazu «amen, mit der Kronprinzessin oder dem Kronprinzen zu tanzen. Nirgends sah man Damen oder Herren in Demut ersterben, wenn sic mit den hohen Herrschaften sich unterhielten, sondern es war sofort ein unge zwungener Verkehr hergestellt. Dabei muß man es aber sowohl dem Kronprinzen als auch der Kron prinzessin lassen, daß sie über eine angeborene, also natürliche Würde verfügen, die zwar unmerklich, aber dennoch eine gewisse Schranke zieht, die auch unbe dingt nötig ist. Eine Ungehörigkeit kam aber doch vor: Ein Herr, der ein miserabler Tänzer war und dies doch wissen mußte, bat die Kronprinzessin um einen Tanz, und sic tat uns allen wegen der Takt losigkeit dieses Herrn im doppelten Sinne des Wortes Kunstausstellung im Sunlwerein. Nach der Französischen Ausstellung läßt der leip ziger Kunstverein (ein überaus glücklicher Griff seiner Leitung) deutsche Art zu uns sprechen, und die Wahl ist auf Fritz E r l e r-München gefallen, wohl das hoffnungsreichste Talent, trotz der Höhe des Er reichten, das München besitzt. Ursprünglich, aus der Fülle der Natur geschöpft erscheinen alle Werke, und ein Farbenreichtum, harmonisch zur Sinfonie zu sammenklingend, begrüßt uns in diesen Gemälden, deren Wirkung ein weißer Hintergrund hebt. Man staunt, mit welchem feinen Gefühl für Nuancen es Erler verstanden hat, Tausende von frischesten Farb könen sinfonisch zu einigen. Wie durch einen bunten Wald an wolkenlosem Herbsttage, wenn die Sonnen strahlen das farbenreiche Spiel der Blätter lichter er tönen und zusammenklingen lassen, so fchrettcn wir entlang an diesen freudigen Offenbarungen. Aber Erler bietet uns nicht nur den farbigen Abglanz für das Leben. Man kann mit der Hand tändelnd über Formen streichen, ohne sie zu empfinden, man kann mit gleich sanfter Gebärde di« Form in ihrer Mannigfaltigkeit abtastcn, so daß sie zur Erkenntnis wird. Das ist die Art Erkers als Porträtist: denn als solcher zeigt er sich diesmal, und er scheint trotz seiner Phantasie, trotz der Fülle geschauter Bilder, sich auf dieses Feld beschränken zu wollen. Doch nicht photo graphische Abbilder sind seine Porträts, er erfaßt den Menschen, wie Goethe von seiner Büste aus Trippels Hand in der „Italienischen Reise" sagt. lRom, 12. September 1782. „Gewiß ist sie in einem schönen und edlen Stil gearbeitet, und ich habe nichts dagegen, daß die Idee, als hätte ich so ausgesehen, in der Welt bleibt. ) Gleichsam für die Nachwelt ist herzlich leid. Wahrscheinlich hat ihn die Eitelkeit zu seinem Verstoß verleitet. Wie werden seine Ver wandten stolz auf ihn sein, und was werden seine Bekannten sagen, wenn er nach Hause schreibt, daß er mit der deutschen Kronprinzessin getanzt hat! Die Quadrille brachte die spaßhafte Verwirrung, wie ich sie noch immer bei Bällen auf See kennen ge lernt habe, und wurde hierdurch eine Veranlassung allgemeiner Heiterkeit. Zum Schluß tanzte der Kronprinz noch mit dem Töchterlein einer der anwesenden Damen. Es zeigt sich überhaupt täglich, daß er sehr kinderlieb ist. An scheinend seiner bei der Großmutter in Berlin zurück gebliebenen Kleinen gedenkend, gibt er sich gern mit dem kleinen Volk an Bord ab, wenn er vorüber kommt. Für einen Berichterstatter dieser Reise ist es eigentlich schwer, seine Eindrücke einem großen Leser kreis mitzuteilen, denn unwillkürlich wird er den An schein erwecken, als hätten öfteres Ansprechen von seiten des Kronprinzen, das gemeinsame Spielen oder freundliche Händedrucke menschliche Schwächen ge weckt und die Berichterstattung beeinflußt. Absichtlich habe ich deshalb vermieden, persönliche Freundlich keiten des Kronprinzen mir gegenüber zu erwähnen. Wenn ich mich aber auch so sehr bemühe, rein objektiv zu schildern: ich kann beim besten Willen nicht anders, als einen warmen Ton anschlagen, wenn ich über das Verhalten des Kronprinzen und seiner Gemahlin schreibe. InPortSaid kamen wir am 8. November früh an. Zum fünften Male sehe ich die Eingangspforte zum Suezkanal. Die Zahl der Gebäude ist gröber und sie selbst sind stattlicher geworden, sonst ist Port Said aber dasselbe trostlose Schmutznest ge blieben, wie ich es vor 9 Jahren kennen gelernt habe. In den Straßen des Einqeborenenviertels starrt es noch wie früher von Schmutz, der Gestank ist für Europöernaien noch genau so unerträglich wie ehe dem. Die Neulinge erstehen für teures Geld immer noch als ecbt orientalische Waren in Europa, haupt sächlich in Deutschland hergestellten Tand. Aber eine anziehende Straßenszene bleibt es doch, wenn man die feilschenden, kreischenden Araber und Aegypter in ihrer malerischen, bunten Tracht in der gleißenden afrikanischen Sonne mit den hier durchkommenden Fremden aller europäischen Nationen ein internationales Kauderwelsch rade breche» hört, wenn die Fellachenfrauen verschleiert durch die Straßen schreiten, der Eseltreiber mit lautem Schreien seinen Grauschimmel antreibt und die mit afrikanischen Eingeborenen, aller Art vollbesetzten Straßenbahnwagen durch die Hauptstraße rollen. In den Cafes lasten sich die Fremden nieder, die Weise» von Mandolinenspielern ertönen und Gaukler führen ihre Kunst vor. Ein Schwarm von Händlern um lagert jeden Passagier. Unser Dampfer nahm Kohlen ein. und da der feine Kohlenstaub auch durch die feinsten Ritzen in alle Räume des ganzen SMisses eindringt, war kein Passagier an Bord zurückge blieben Bei der Ankunft meldete sich der Kom mandant oes in Port Said liegenden deutschen Schulschiffes „Hertha" beim Kronprinzen, und letzterer machte mit der Kronprinzestin auf dem Kreuzer einen Besuch, wo von den Kadetten Turn- und Eeichükiibunaen vorgeführt wurden. Dann wurde eine Rundfahrt durch die Stadt unternommen. Bis unmittelbar vor Port Said hatte unsere Tele- funkcnstation in der Nacht vom 7. bis 8 No vember drahtlose Verbindung mit Mar- scille. Die Derständiaung war trotz der 2750 Kilo meter Entfernung vorzüglich. Um ein Uhr nach mittags licktere unser Damnrer die Anker zur Fahrt durch den Snezkanal. Gewöbnlich schwankt die Zeit für die Durchfahrt der ItiO Kilometer lanaen Strecke Zwilche" 16 und 22 Stunden. An Kanalgeb'ibren bat >lnse- Damnfer rund 15000 i( zahlen müssen- für d'e Netto-Registertonne 7.75 Fr. und kür den Vesta nier IN Fr. Unser Dampfer, der niroends festzn- lieaen brauchte, um «"taeoenkommend" Schiff- durch- znlassen. leate den Wea bis Suez in 11 Stunden zurück. Zweimal beaegne»en uns noch Einbruch der Dunkelheit deutsche Schiffe, die Signalfcuer auch das Wesen der Dargestellten festgehalten, und kleine genrehafte Beigaben nicht gescheut, wenn sie sich dem Dienste der Charakterisierung fügen. Allein das tiefste Mittel zur Charakterisierung der Wesensart bleibt bei Erler die Farbe, ein Hexen meister, der alle Geheimnisse der Seele bunt erschaut, schaltet er mit symbolischen Farbwerten. Um mit dem nocy stammelnden Erleben eines Kindes zu beginnen, betrachte man das Porträt seines «ohncs Fritz aus 1907. Auf schwarzem Teppich, mit einigem bunten Muster belebt, sitzt dieses weiße Etwas. Wie Kinderbeinchcn ständig zappeln, so zucken die Pinselstriche, das Mündch-n schnurrt ein Brummerchen, und die schwarze» Vogel augen starren ins dunkle Rätsel des Daseins. Daneben die junge Dame mit Rosen. Auch ihre Seele ist trotz der Mädchenträume, die darüber hin geglitten sind, ein unbeschriebenes Blatt. Hellgrün schimmernd, mit goldenen Lichtern ist ihr das Leben, und die violetten, trüberen Fragen rühren untenhin an ihr Dasein. Wie eine Bronze in Monu mentalformen steht das Porträt in Braun seiner Frau, violette Töne heben und betonen die Schwere. Der Lyriker Langheinrich. Verfasser von Gedichten mit Wasterzusatz, ist mit richtiger Erkenntnis in Bouillontöne gesetzt, auch die genrehafte» Beigaben von Laute, Buch und Primeln dienen zur Hebung solcher Stimmung. Wie anders faßt er die Porträts der hoffnungs reichen Künstler, Theodor o. Gosen und Kropp, an. Gosen, der etwas Schwerfällige, der nur im Freundes kreise vor buntester Fröhlichkeit flackert, ist dunkel vor hellrosa-oivletten Grund mit flimmernden Lichtern gestellt, Kropp, der Farbensucher, der Gauguinfreund, vor grünen, reichgemusterten, in schärfsten Linien, mit energischer Betonung eigen- willraer Eigenart. Doch als Glanzstückc der Lharakterisierungskunst durch Farben erscheinen mir das große Porträt der abbrannten und den Kronprinzen mit Hurra und dem Liede „Deutschland, Deutschland über alles" be grüßten. Mit welchen Gesühlcn mögen die Deutschen, die aus dem fernen Osten oder aus dem Süden Afrikas kamen, der Begegnung mit dem deutschen Thronfolger entgegengesehen haben! Sie alle, die da draußen waren, sie kennen die Notwendigkeit einer deutschen 26 e l t p o l i t i k. Sie wissen, daß ohne den deutschen Export nach überseeischen Ländern, ohne den deutschen Außenhandel und ohne die Anlage und gute Verzinsung deutschen Ka pitals im Auslande Deutschland bei seiner über raschend schnellen Bevölkerungszunahme den jetzt noch sich vergrößernden Wohlstand unserer Nation nicht auf der gleichen Höhe würde erhalten können, ja daß er in kurzem verloren gehen müßte. Deshalb klang aus ihrem begeisterten Zuruf nicht allein die Huldi gung für den sympathischen jungen Kaisersohn und sein 0-emahl, der auf seiner "Weltreise das Deutsche Reich verkörpert, sondern es lag auch die Hoffnung in ihm. daß diese Reise ein geschichtlich bedeutsames Ereignis werden möchte, indem der spätere Kaiser die lleberzcugung durch eigenen Augenschein gewinnt nnd non ihr für sein ganzes Leben durchdrungen wird, daß für Deutschlands Zukunft die Einhaltung der Welt- machtspolitik unumgänglich nötig ist. und daß wir unseren Platz neben England. Nordamerika und Ruß land behalten oder, bester gesagt, erringen müssen, wenn nicht unsere Nation später unrettbar der wirt schaftlichen Vernichtung anheimfallen soll. 11. November. Wir fahre» nnn schon den dritten Tag durch das RoteMeer. Eine so günstige Fahrt wie diesmal habe ich noch nie gehabt, und auch das Schiffspersonal kann sich dessen nicht entsinnen. Heute ist bisher der heißeste Tag, aber es weht eine starke Prise, so daß es durchaus erträglich ist. Soeben war der 4-Uhr-Kafsee, und es war recht vergnüglich mit anzusehen, wie Weiblcin und Männlein erwartungsvoll auf dem Promenadendeck vor dem Kaffeetisch standen und nach her in den Kuchen bissen, als hätten sie nicht erst zwei Stunden vorher aus den dreißig Gängen des Frühstücks die leckersten Sachen verzehrt. Solange der Appetit derartig ist, kann man nicht von den Schrecken des Roten Meeres sprechen. Sonst habe ich es durchgcmacht, daß man tagelang nichts essen konnte und nur nach Getränk lechzte, das sofort wieder zu allen Poren herausdrang. Bisher hat auch noch nie mand nachts an Deck geschlafen, und der gefürchtete Rote Hund hat sich noch nicht eingefunden, jene Haut krankheit, die durch das ewige Schwitzen entsteht und die sticht, als liege man auf Nadeln. Als angenehme Unterbrechung des Bordlebens fand gestern eine Theatervorstellung zugunsten der Seemanns-Witwen und -Waisen des Norddeutschen Llovd statt. Wir haben näm lich die „Erste Niederländische Theater-Gesellschaft" an Bord, die auf einige Monate ihren Landsleuten im Osten Abwechslung und Erholung in das an geistigen Genüssen arme Trovenleben bringen will. Die Vorführungen waren ganz wacker, und die Kron prinzessin und der Kronprinz, die ja bekanntlich in Berlin eifrige Theaterbesucher sind, amüsierten sich ebenso wie die Passagiere ganz vorzüglich. Anfangs hatte ich Furcht, das Marineab- lösungskommando würde das Leben an Bord durch Wegnahme des Raumes für Exerzieren, Appelle usw. beengen, aber nichts von dem ist ein getreten. Die frischen blauen Jungen sind jedermann eine Freude, ihre Musik abends hört man ganz gern, und die Secmannsipiele locken immer dankbare Zu schauer heran. Kein Scheltwort, kein auffälliges Kommando ertönt: und das gibt uns ein deutliches Beispiel, daß ein Kommandant, der seine Leute richtig zu behandeln versteht, auch in stiller Weise musterhafte Disziplin ausrechterhalten kann. Recht froh sind wir um die munteren Marine offiziere. die überall mit dabei und niemals Spiel verderber sind. Obgleich noch junae Männer, misten und können sie durch ihre weiten Reisen und die Be rührung mit allen Ständen und Nationen eine ganze Menge, und ohne sich etwas zu vergeben, sind sie frei von allem abstoßenden Standesdünkel. Lin nationsllibersles Jubiläum Zur Feier des 25jährigcn Bestehens des "Ratio- nalliberalen Vereins für den 1. sächsischen Wahlkreis fand am Sonntag in Zittau eine Versammlung statt, die von etwa 1000 Personen be sucht war und einen glänzenden Verlauf nahm. Fa brikant Zück er eröffnete die Tagung mit herzlichen Begrüßungsworten an die Erschienenen, unter denen sich die Reichstagsabgeordneten Basser mann, Dr. Heinze- Dresden und Dr. Weber- Löbau be fanden. Der Vorsitzende des Nationalliberalen Lau desverbandes für das Königreich Sachsen, Fabrik besitzer Eontard, sprach dem Verein die Glück wünsche des Landesverbandes aus. Dann ergriff Reichstagsabgeordnctcr Basjermann das Wort. Er betonte die Notwendigkeit der sort währenden Fühlung zwischen Parlament und Wähler schaft und führte dann aus: Für uns aber ist für die kommenden Reichstagswahlen Optimismus und Zuversicht notwendig. Die Zeit der Reichs gründung war die Glanzzeit des Nationalliberalis mus. Damals hat er die großen nationalen Aufgaben glänzend gelöst. Innerer Zwiespalt hat jedoch später die Stärke der Partei gefährdet und es bedurfte der ganzen Kraft eines Heidelberg, sie vor dem Verfall zu retten. Ein großer Aufschwung kam mit den Sep tennatswahlen des Jahres 1887. Aber bald ging es wieder zurück, gering ohne Schuld des nationallibe ralen Programms und seiner Vertreter. Seit den 90er Jahren beteiligte sich das Zentrum mit Inter esse an der nationalen Arbeit, und seither kennzeichnet sein stärkerer oder geringerer Einfluß die einzelnen Epochen des politischen Geschehens. Dem gegenüber ist die nationalliberale Parrei immer treu geblieben ihrem Grundsatz, der heute zu allgemeiner Anerkennung gelangt ist: „Eine starke nationale Ni acht ist die beste Friedensgarantie." Die Blockperiode hat gezeigt, was das Bürgertum vermag, sie ist uns eine ernste Mahnung, nimmer zu rasten. Die auswärtige Politik war die Stärke des Fürsten Bülow. Er vertrat eine energische Politik, mit der er den Frieden rettete, als er ^ür unseren Bundesgenossen das Schwert in die Wagschalc warf. Heute liegt die auswärtige Politik in den Händen des Herrn von Kiderlen-Wächter, de,» man allgemein Vertrauen entgegenbringt. Die innere Politik ist seit der Reichsfinanzreform ohne unsere Schuld sehr verworren geworden. Man hat sich für schädliche Steuern entschieden, das Gefühl der sozialen Gerechtigkeit verletzt und dadurch eine große Unzu friedenheit hervorgerufen, die sich in dem Anwachsen der sozialdemokratischen Mandate Ausdruck verschafft. Der Gedanke der Organisation zieht jetzt durch die ganze Welt. Möge das deutsche Bürgertum über die vorhandenen Schwierigkeiten hinweg dem Liberalis mus zu neuen Siegen verhelfen. "Man ruft die Nationalliberaleii nach dem Osten, ein Zeichen, daß man nicht pessimistisch in die Zukunft zu blicken braucht. Davor bewahrt uns auch vor allem das Vertrauen zum deutschen Volke, das durch aus monarchistisch, aber konstitutionell gesinnt ist. Dieser Gedanke kam ja auch im Reichstag in der gestrigen Debatte über die Interpellation betr. die Kaiserreden zum Ausdruck. Das deutsche Volk hat wirtschaftlich die Welt erobert, und darin liegt eine sichere Gewähr, daß die Grundlage unseres politischen Kerns gesund ist. Wir bekennen uns auch für die Politik Bismarcks und lehnen es ab, einseitige Klasteninteressen zu vertreten. Die "Aufgaben der Zeit können nur durch einen ehrlichen Liberalismus gelöst werden, der Kampf gegen die Sozialdemokratie energisch nur von ihm geführt werden. So wollen wir weiter schaffen: National und liberal, getragen von dem Wunsche, dem Allge meinwohl zu dienen! Der Redner fand stürmischen Beifall. eleganten Dame und das runde eines österreichischen Magnaten. Die elegante Weltdame ist in der Ecke ihres Boudoirs ausgenommen, einen gelbgebundenen Band Gedichte swahrscheinlich Verlaine) hat sie auf den bläulichen Diwan fallen lassen, und nun schaut sie uns )ieggewiß an, noch halb von der Stimmung des Buches umfangen. Parfüm und Puderquaste spürt man fast an diesem tbemälde, dessen Farbentönc wie Sekt prickeln. Das Aristokratenrundbild (es muß ein Aristokrat sein) ist Gold in Gold gehalten, und strahlt förmlich Vornehmheit. Gegenüber das Knabenbildnis, auf buntem Teppich vor weißer Tür, beweist aufs neue sein Verständnis für die Psyche des Kindes: doch tritt dies hier ein wenig in den Hinter gründ neben der Bravour der Malerei. Wie strnimt all das Bunt zusammen und schafft einen Luftraum und räumliche Tiefe um diesen Knaben! Während die obengenannten Bilder auch lichten Hintergrund, sanft getönte Interieurs verlangen, kann das Por trät des Geheimrats Reißer, Erlers väterlichem Freunde, die Umgebung eines ernsten Studierzimmers vertragen, wo sonst sein Platz ist. Auch in dekorativen Gemälden herrscht diesmal das kleine Format und der einzelne Frauenakt. Farbig am feinsten dünkt mir „Letzte Astern". Mit welchem Geschmack ist das bunte Tuch gemalt, wie leuchtet das Feuer im Hintergrund gelb zur Ver stärkung der violetten Töne der Astern im Vorder gründe! Weniger kann ich mich mit den in der Form originellen „Feuerlilien" befreunden. Das Oiesicht ist zu quittegelb und das grüne Gewand verstärkt diese gelbe Nuance. Doch den Akt am Strande, den Akt auf dem gelben Sofa kann man stets mit neuer Freude genießen. Mit taktvollem Geschmack wählt auch Erler seine Rahmen, die. ohne sich vorzudrängen, dennoch mitwirken im farbigen Konzert. Reken diekr Ausstellung verschwindet alles, was uns der Kunstverein bietet: und um gerecht zu sein, denn Fritz Erler gibt es eben nur einmal in Deutsch land, spare ich mir die anderen für ein andermal auf. Dr. Robert Oorrvcc-b. Theater unü Konzerte. Leipzig, 28. November. Zweite Kammermusik des Böhmischen Streich quartetts. Mit dem besonders in den letzten beiden Sätzen lebhaft interessierenden D Moll-Quartett ihre» Landsmanns Dvorük eröffneten die böhmischen Herren ihren gestrigen Abend. Mit Svannung wurde darauf Max Reaers neues D-Moll-Klavierquartctt erwartet, ohne Zweifel ein sehr interessantes Werk, dem gegenüber sich das bekannte Für und Wider die Stange hält. Reger scheint sich der Chromatik auf» neue, und zwar weit rückhaltloser als je zuvor, er geben zu haben, was die Nachfolge auch dem willig Unbefangenen nicht wenig erschweren mag. Ferner ist in besagtem Novum die wirkliche Erfindung ge wiß nicht so intensiv als z. B. im Es Dur-Streich quartett (Opus 109). Was mich, als ziemlichen Reger-Kenner, beim ein- und erstmaligen Hören aber doch unwiderstehlich packte, sind die in diesem Kla vierquartett (das übrigens tags zuvor in E. Eulen, burgs Partiturbibliothek erschien) ausgelösten Stim mungen. denen gegenüber an Goethes "Wort erinnert werden darf, es sei unglaublich schwerer, etwas über Musik zu schreiben, als sie zu machen oder zu hören. Reger ist der absolutesten Meister einer, und so hält es ost nicht leicht, ihm und seinen wahrlich nicht ein fachen Eedankengängen nachzuspüren. Der Ein- qangssatz seiner neuen Komposition ist von einer düsteren, ins Große gehenden Energie, von vor wiegend sehr dunklem Kolorit und einer klanglichen Kraft, die gern über die kammermusikalischen Grenzen hinausqchen möchte Mild wie schöner Abendsonnen schein berührt dagegen das Seitentbema. bald freilich
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