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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.11.1910
- Erscheinungsdatum
- 1910-11-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191011247
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19101124
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19101124
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-11
- Tag 1910-11-24
-
Monat
1910-11
-
Jahr
1910
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BezuqS-PreiS Mr Leipzig und L»rorc« durch «N« Lrt,« und Sprdiirnr« 2m«l »»glich nr» Hau» gedrachi ttv p> nonati., L.1Z) vierteliiihri «et uni«« Filiale« ». Liu> oahmeftellen adgeholir 78 monatl., ll.chü vlerteljthri. Durch die P«k; t>o«rh«ld Deurlchland« und der dentichrn Kolonien vierrelitdri !t.S» ^e, monatl. I^i» audichl. Poswrltrllgeld Ferner i» Belgien, Dänemark den Donaniiaalen, Italien. Luremburg, Niederlande, dior- wegen, Oesterreich Ungarn, «udiand, Schweden, Schweiz n Spanien In allen übrigen Staaten an» direkt durch di« ibeichäitliielle o«» Blatte« erbätUich. Da« Lerfllger tageo-ati ericheint 2 mal täglich, «sonn, a Feierrag» nia morgen». Ldonneuenl-Ännadm« Buguitutplatz 8. bat »nieren träger». F>>>a>en snedileuren und Annahmestellen loivie Zollämtern und Briefträgern. St»,«l»«r kaui »pr«»ä »er Morgen. «ägad« 1t» der «benduuLgabe S Morgen-Ausgabe. MpMer TagMatt Handelszeitung. Amtsvkatt des Rates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeige». PrekS Mr Irlernte ««1 Leipzig uns Umgeduna di« Sgeipalten« iv nun breit» Petrtzelle L> die 7« »» breite SlrNamezell« l ^g »«> „«wärt« ch) bieklamen O2l) Jiserate von Sebbrden i» amtlichen teil bi« 7« nun breit« Petitzeil« «0 G«schLik«anzrigei, mit P atzvorichriste» UN» in der Abrndaulaad« im Breiie erhäht. biabatl aach tauf. Seilagegebübr L p. tauieno exkl. Postgrbühr. Festerteilt« Auftrage klinnen mchl zurück- gezogen werden. Für da« iäricheine» an drstimmten tagen und Plähen wirb kein« Garantie übernommen. »uzeigen- Annahme i Lnguftnäplatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncrn- itrpeditionen de» Zu- und »utland«». Redaktion und Geschäftüftellr: Iodanmsgasfe v. Fernfprecher i4SS2. l46«j, IE«. Haupt-Filiale OreSbein Leestraße 4,1 (Telephon 4621^. Nr. 324. Oss Wichtigste. * Der kürzlich verstorbene Privatmann Renk witz in Leipzig hinterlieh sein Vermögen im Be trage von 1V291l4,5v Mark der Stadtgemeindc Leipzig. (Näheres siehe Stadtverordnetenbericht.) * Der Bundesrat genehmigte auher einigen Etats die neue Heeres Vorlage. (S. Dtschs. R.) * Im Reichstag wurden am Mittwoch die sozialdemokratischen und konserva tiven Interpellationen über die Fleisch not behandelt. (S. Leitartikel nnd d. Reichstagsber.) * Am heutigen Tage findet im Reichstage die Wahl des zweiten Vizepräsidenten statt. (S. Reichstagsber.) * Dem Reichstage gingen von der natio ¬ nalliberalen und Zentrums- Fraktion Interpellationen über die Bekämpfung der Rebschädlinge zu. (S. Dtschs. R. und Reichstagsber.) * Die Suffragettes verübten in London weitere Roheitsakte. (S. Ausl.) * Die Kämpfe zwischen Revolutionären und Regierungstruppen in Mexiko dauern an. Bei Torreon sollen die Truppen zu rückgeschlagen worden sein. (S. Ausl.) „Die deüsuerüche Milch teuerung." Unter so viel Fleischmaterial, wie es in der Reichstagsdebatte über die beiden Fleisch- teuerungsinterpellationen geboten wurde, hätte man des Kontrastes halber gern ein wenig Geist gehabt. Das Verlangen blieb unbefriedigt. Die Interpellanten, wie die Interpellations beantworter liehen davon nichts verspüren. Nur Rindvieh und Zahlen, Zahlen und Rindvieh wurden serviert. Und wenn es auch nach Beth- mann Hollweg ein Zeichen politischer Dekadenz ist, eine sachliche Debatte nicht zu schätzen, so müssen wir doch mit einer gewissen neidischen Wehmut an verklungene Tage zurückdenken, als noch volkswirtschaftlich wichtige Debatten ge führt werden konnten, ohne dah Debattierer, Hörer und Leser in einem Meer von Lange weile und Zahlen ertranken. Die Debatte am Mittwoch mutete eigentlich mehr an die Lesung des Rohmaterials für eine mustergültige Debatte an. Die Gründlichkeit hat gegen früher viel zugenommen, aber — so ähnlich schreibt Lothar Bucher — wer mit einer Lupe bewaffnet in grohen Erscheinungen herumkriecht, der wird viele recht schätzenswerte Entdeckungen machen, der Erscheinung aber in ihren grohen Zügen wird er nicht gerecht werden. Es war im wesentlichen ein Streit mit Zahlen und ein Streit um Worte, um die Worte „Fleischnot" oder „bedauerliche Fleisch teuerung". Und je nachdem, wie man die Zahlen gruppierte, welche Gruppen man in den Vordergrund schob, welche man vernachlässigte, errechnete man das eine oder das andere schier hundertmal errechnete Ergebnis. Die Antwort auf die Frage, was gedenkt der Herr Reichs kanzler zu tun, läht sich zudem in den Einsilber „nichts" mit der erforderlichen und aus reichenden Genauigkeit zusammenfassen. Und allen, die es angeht, allen, die von irgend welchen Schritten der Reichsregierung ein rapides Hinabstürzen der Preise für Rinder-, Kalb- und Schweinefleisch gläubig ersehnten — wird die Begründung wenig Trost bieten, dah der Reichskanzler schon so viel für sie getan habe, dah ihm zu tun garnichts mehr übrig bleibe. Herr Delbrück hat mit viel Gewissenhaftig keit, sekundiert von Herrn von Schorlemer- Lieser, der ein sehr gründliche» Debüt gab, alles Zahlenmaterial ausmarschieren lassen, das ihm die Reichs- und Staatsämter zu liefern irgend in der Lage waren. Deutschland erfuhr mit einer Genauigkeit, auf die es wenig Wert legen wird, wieviel Rind vieh, Schafe und Schweine es in den 7 ersten Monaten der 7 letzten Jahre verzehrt hat, und was uns diese Ochsen, Schafe und Schweine in jenen insgesamt 49 Monaten gekostet haben. Es wurde eingehend informiert über das Bestehen und Erlöschen der Maul- und Klauenseuche in Oesterreich, in der Schweiz, in Frankreich, in Holland, in Belgien, der Rindertuberkulose in Dänemark, der Rinder pest in Rußland. Alle diese „Lupenerfahrun gen" dursten es schon deshalb verhältnismäßig kühl lassen, weil die paar veterinärpolizeilichen Erleichterungen, die man gewährt hat, zu sehr der Zeit nach hinter die öffentlichen Klagen Donnerstag, üen 24. November l910. 104. Jahrgang. über die Fleischteuerung oder die Fleischnot fallen, als daß man nicht an eine ursächliche Verknüpfung glauben sollte. Und so wird die Oeffentlichkeit wohl im wesentlichen die Rolle des anderen spielen, der von allem nur das Nein hört — wobei Sachsen besonders ein Ohr für das Nein haben wird, das dem Verlangen aufErhöhung desEinfuhrkontingents aus Oester reich-Ungarn nach den sächsischen und bayrischen Schlachtviehhöfen entgegengestellt wurde. Viel Neues hat die Debatte — wenn man es anders eine Debatte nennen will, daß fünf Redner nacheinander mit denselben Gründen und nur anderen Worten dasselbe sagen — nicht zutage gefördert. Man wird ihr, wenn man mit Realien rechnen will und nicht der Hoffnung lebt, durch Reden, Seufzer, Krast- ausdrückc und Leitartikel von heute auf morgen die Welt aus den Angeln heben zu können, die Gewißheit entnehmen müssen, daß von der Reichsregierung auf diesem Gebiete nichts zu erwarten ist. „Eßt Fische und schaltet den Zwischenhandel aus" — das ist der dürftige Trost, den man sich aus Schorlemcrs Worten herausfischen muß. Zu allen anderen Abhilfs mitteln — so vor allem Dingen dem der Ein fuhr frischen Fleisches aus Amerika — wären Ge setzesänderungen erforderlich, derenVoraussctzung wiederum eine entsprechende Initiative der Reichsregierung und die Zustimmung des Reichs tags wären. Da dieser aber nicht nur über eine landwirtschaftfrcundliche Mehrheit — glücklicherweise —, sondern vielmehr — be dauerlicherweise — über eine hyperagrarische Mehrheit verfügt, so würde jene Initiative von einer wesentlich tatkräftigeren Regierung ergriffen werden müssen, als die gegenwärtige. Westen Ehrgeiz es deshalb nicht genügt, die Luft durch energische Deklamationen zu er schüttern, der wird sich wohl oder übel da mit begnügen müssen, an die Verwirklichung des gedachten Schorlemerschen Trostes zu gehen. Das Fischesten ist dabei eine Sache, die jeder mit sich selbst abzumachen hat. Das Ausschalten des Zwischenhandels aber überall da, wo er sich unangemessen verteuernd bemerk bar macht, wäre ein recht eigentliches Arbeits gebiet für die Fleischerinnungen und die Kommunen. Ob sie sich ihr unterziehen werden ? Die Hoffnung scheint vorläufig gering. Sie kann aber wachsen, wenn man einiges von der Energie, die man bisher zur Bearbeitung der Regierungen ziemlich fruchtlos vertan hat, auf die Bearbeitung der hierfür maßgebenden Faktoren verwenden will. Line Lrmiüeruny. Wir erhalten folgende Zuschrift: Leipzig, 23. November 1910. Sehr geehrte Redaktion! In dem Artikel Ihres gestrigen Morgenblattes, der „Ein Gedenktag" überschrieben ist, haben Sie Ihre Leser mit den Ergebnisten meiner kleinen Studie über den Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund dctanntgemacht und dem Abdruck der Schlußsätze meiner Schrift einige wohl wollende Bemerkungen vorausgeschickt. Sie sprechen darin auch von meiner allgemeinen historischen Auffassung, nennen mich einen „ausgeprägten Jndividualhistoriker", der aber unter dem Ein druck der Tatsachen das eigentliche individualistische Prinzip, „daß nur die hervorragenden Männer die Geschichte machen", aufgegeben und sich der An schauung genähert habe, „daß für den Verlauf der Geschichte, auch der politischen, die Maste des Volkes ein ebenso wichtiger Faktor ist, wie die einzelne Persönlichkeit". Sic bezeichnen das als eine „für den Anhänger der modernen Geschichtsauffassung" nicht uninteressante Beobachtung. Sie werden es mir nicht verdenken, wenn ich gerade vor unserem Leipziger Publikum nicht gerne als ein Mann dastehen möchte, der an einer von der Wissenschaft überholten Anschauungsweise in einer prinzipiell so wichtigen Frage hartnäckig festhalte, obwohl er in der Praxis sich zu dem stillschweigen den Zugeständnisse gezwungen sehe, daß sie unhalt bar sei. Ich bitte Sie daher, Ihren Lesern durch den Abdruck dieser Zeilen Gelegenheit zu geben, meine Stellung zu dieser Frage, wie sie wirklich ist, kennen zu lernen. Zunächst: eine Geschichtsauffassung, die alleinige Wirksamkeit großer Männer und völlige Einfluß- losiakett der Masten behauptet, gibt es meines Wissens unter Vertretern der Wissenschaft über haupt nicht und hat es schon seit hundert Jahren nicht gegeben. Wenn Treitschke oder Carlyle, die Sie als Beispiel« einer solchen anführen, in ihrer temperamentvollen Art hier und da ein Wort gesprochen oder geschrieben haben, das ein mit ihren historischen Darstellungen unbekannter Leser in diesem Sinne deuten könnte, so beweist das nicht«: wer von Treitschkes „Deutscher Geschichte" auch nur weniges gelesen hat, weiß, daß dieser große Historiker auch das Leben und Denken, die Stim mungen und Interesten der Volksmasten da, wo ihre historischen Wirkungen sichtbar werden, eingehend schildert, was er nicht getan haben würde, wenn er sie nicht als wichtige Faktoren des geschichtlichen Lebens betrachtete. Was mich persönlich angeht, so habe ich einer so einfachen und etwa« kindlichen Auffassung nie ge huldigt, und war also auch nicht in der Lage, jetzt von ihr abzuweiche». Ich erkenne vielmehr die Massen als sehr bedeutsame historische Kräfte an. Allerdings vermag ich in ihnen nicht die alleinigen Träger der Entwicklung zu sehen, und ganz be sonders nicht die vorwärts drängenden, Neues schaffenden Kräfte. Das schöpferisch wirkende Element ist nach meiner Ilebcrzeugung immer die Einzelpersönlichkeit, sei es, daß sie die in den Masten dunkel gefühlten Bedürfnisse er kennt und die Mittel zu ihrer Befriedigung entdeckt und zu verwirklichen sucht, sei cs, daß sie neue Ziele von sich aus aufstellt und die Masten allmählich für sie gewinnt. Ohne führende Einzel persönlichkeiten, die sich im Denken und Handeln von der Maste ihrer Zeitgenossen unterscheiden würde ewiger Stillstand herrschen. Die Masten ihrerseits aber bilden das zurückhaltende, verzögernde Element. Sie müssen für eine Aenderung des Be stehenden erst gewonnen werden: eine Persönlichkeit, die bei ihnen keine Resonanz findet, bleibt unwirk- am. Die Massen gewährleisten die Kontinuität der Entwicklung: sie verhindern es, daß einzelne je nach ihrer Laune die Geschichte eines Volkes bald hierhin, bald dorthin treiben können: sie sorgen dafür, daß keine großen Sprünge gemacht werden, daß immer an die bestehenden Einrichtungen und Gefühle angeknüpft werden muß: denn die Führer, die Gefolg schaft haben wollen, müssen sich dem Gesichtskreise der Massen jo weit unbequemen, daß sie ihnen verständlich bleiben. Durch die Schwierigkeit der Ueberwindung eingewurzelter Massenüberzeugungen nnd Masten gewohnheiten wird der umgestalienden und vorwärts drängenden Kraft der führenden Individuen die Grenze gesetzt, über die sie nicht hinausgehen können, ohne zu scheitern. Grade beim großen Staatsmann besteht das Geheimnis seiner Erfolge darin, daß er ein sicheres Gefühl für das Mögliche hat, d. h. dafür, wo diese Grenze liegt. Mit dieser Anschauung steht das, was ich in meiner Schrift über Bismarcks Leistung gesagt habe, in vollem Einklang, und ich muß mich durchaus da gegen verwahren, daß ich von meiner Erundaus- sastung abgewichen sei. Ob hiesc Meinung „modern" zu nennen sei, halte ich für völlig gleichgültig. In der Wissenschaft sollte die Mode keine Rolle spielen, denn wenn etwas „modern" ist, so ist damit nur gesagt, daß cs dem augenblicklichen Durchschnitts- geschmacke zusagt, nicht aber, ob es richtig oder ver kehrt ist. Hochachtungsvoll Professor Dr. Brandenburg. Wir wollen uns auf die Ausführungen dieses Briefes an dieser Stelle nicht in dem von mancher Seite wohl erwarteten Maße einlasten, da uns eine Tageszeitung nicht als rechter Ort erscheint, wo rein wissenschaftliche Probleme eingehend be handelt werden sollten. Aber zwei Bemerkungen halten wir doch für notwendig. Wenn von der „modernen Geschichtsauffassung" gesprochen worden ist, so ist damit lediglich eine Zeitbestimmung gegeben. Hätten wir eine wissenschaftliche „Mode" damit bezeichnen wollen, würden wir einen anderen Ausdruck gewählt haben. Im übrigen halten wir es trotz der Ausführungen in dem abaedrllckten Briese mit Friedrich List: „Die Geschichte lehrt, daß die Individuen den größten Teil ihrer produktiven Kraft aus den gesellschaftlichen Institutionen und Zuständen ziehen." Die Volkszählung und das Glaubens bekenntnis. Von „Wolffs Sächs. Landesdienst" wird folgender, anscheinend offiziöser Artikel verbreitet: Von verschiedenen Seiten ist in der letzten Zeit der Versuch gemacht worden, weitere Kreise dazu zu be stimmen, daß sie bei der am 1. Dezember d. I. statt findenden Volkszählung die in den Haus haltungslisten gestellte Frage nach dem Glaubens bekenntnis mit einem „nein" oder ähnlich be antworten. Zum Teil verbinden sich mit diesem An sinnen Demonstrationsabjichten, durch die der Re gierung bewiesen werden soll, daß die breite Masse des Volkes nicht mehr religiös sei. Nun er scheint aber eine derartige Absicht von vornherein ganz verfehlt, weil die Regierung überhaupt nicht er fährt, wer die Demonstranten sind: denn das Ur material der Volkszählung kommt bei der Auf arbeitung nur in die Hände von Hilfspersonal der statistischen Aemter, und die Regierung erfährt nur die durch die statistischen Aemter festgestellten Zah len, aus denen sic nickt erkennen kann, wer und wes Standes die als Religionslose gezählten Personen sind. Ganz abgesehen aber von der Verfehltheit dieser Demonstration würde sie bei ihrer wirklichen Aus führung im großen ganz andere als die er warteten Folgen zeitigen. Taucht bei der dies maligen Zählung in irgendeinem Landesteile eine im Vergleich mit den früheren Zählungen auffallende Menge von Religionslosen auf, so ist die nächste Folge die, daß die Aufbereitungsstelle gezwungen ist, der Sache aus den Grund zu gehen. Die betreffenden Listen werden wieder an die Gemeindebehörden zu rückgeschickt, damit die Angaben über das Glaubens bekenntnis nachgeprüft werden. Es steht nämlich fest, daß derjenige, der einer Kirche oder Religionsgemein schaft angehört, nur dadurch von der statistischen Zu rechnung zu seiner Bekenntnisgemeinschaft frei wird, wenn er seinen Austritt erklärt und eine Aus trittsbescheinigung erhalten hat. Ist dies nicht der Fall, so ist er, gleichgültig, wie es in seinem Herzen aussicht, dem betreffenden Bekenntnis zuzurechnen. Macht er eine andere Angabe in die Zählungsliste, so ist sie falsch und bedarf der Berichtigung. Denn es sollen nicht die Ueberzeugungen, sondern die Bekenntniszugehörigkeit gezählt werden. Die Gemeindebehörden würden sonach bei der Nach- Prüfung der Zählungslisten von jedem, der kein Glaubensbekenntnis angegeben hat, die Vorlegung der Austrittsbefchetnigung fordern muffen. Kann diese nicht vorgelegt werden, so erfolgt die Eintragung des Glaubensbekennt nisses ohne Rücksicht auf die Zustimmung des Be troffene«. Di« Folge der Demonstration wäre also eine sonst leicht vermeidliche Belästigung des Publikums, ferner eine starke Vermehrung der Arbeiten an der Volkszählung und im Gefolge davon eine Erhöhung der Kosten. Diese fallen zwar zunächst dem Staate zur Last, in zweiter Linie aber dann wieder den Steuerzahlern. Es kann also nicht dringend genug angeraten werden, den Vorschlägen auf Nicht angabe des Glaubensbekenntnisses lieber nicht Folge zu leisten, da nicht das geringste oamit erreicht werden würde. Einst und jetzt. Als durch die Rheinschiffahrtsakte vom 17. Okto ber 1868 die Rheinzölle und durch das Nordoeutsche Bundesgesetz vom 11. Juni 1870 sämtliche anderen Schiffahrtszölle auf den deutschen Strömen beseitigt waren, schrieb am 3. Juli 1870 ein konservatives Blatt, die „Schlesische Zeitung", u. a.: „Der deutsche Zopf, das einzige unzerreißbare Band, durch welches Deutschland seit dem Beginn und Aufschwung der Kleinstaaterei so lange nieder gehalten worden, naht sich nun wirklich seinem Ende. . . Zu Lieser alten deutschen Zopfwirtjchaft gehörten auch die Flußzölle auf den deutschen «trömen. Dieses Kapitel hat seine Geschichte, eine wirklich haarsträubende Geschichte von den deutschen Vaterländern, in denen man oft nicht eine Meile weit gehen oder fahren konnte, ohne dem Zöllner zu verfallen und wie ein Fremder mit Schlagbaum und Maut behandelt zu werden. . . . Der Rheinzoll, der Weserzoll und auch der Lldzoll waren F i n a n z qu e l l e n der einzelnen Territo rien, durch die schon dem Binnenhandel lste schlimmsten Fesseln angelegt wurden, so daß es gar kein Wunder war, daß die deutsche Flagge, die nicht einmal im eigenen Vaterland« die Frei heit des Stromes und der Lüfte genoß, des Weges in die freien Wogen der See verlustig gingen. . . . Am meisten von allen deutschen «trömen hatten Rhein und Elbe zu leiden, wohl deshalb, weil beide die verschiedensten Gebiete und so vieler Herren Länder durchströmten. Es war daher auch eine der ersten Bundeshandlungen der nach der napoleonischen Herrschaft wieder zu sich gekom menen deutschen Bundesländer, die Rheinschifs fahrtsabgaben zu regeln, aber trotzdem wurde d,e schiffahrt nicht frei, wie es ein Desiderium der Bundesverfassung gewesen, und erst vor vier Iah ren ist es gelungen, die RheinzölI« zu Falle zu bringen, ein Verdienst, welches dem Zollvereins verkehr, also mittelbar Preußen gebührt. Außerdem bestand auf der Elbe ein drückender Zoll, an welchem aller Schiffahrtsvcrkehr erlahmte. Preußen ging auch hier mit gutem Beispiel voran: es erleichterte seinerseits di« Zölle und Stromgefälle so viel als möglich . . . man ver langte ohne Einschränkung die volle Beseitigung des Elbzolles als ein deutsches Grundrecht und die Ver Handlungen des Bundesrats und des Reichstags führten endlich zu dem heißersehnten Resultate. . . Und jetzt ist das betreffende Gesetz publiziert und sind die Zollschranken für immer (? Red.) auf der freien Woge des Elbstromes von der Quelle bis in die deutsche See gefallen." Vierzig Jahre ruhmvoller gewerblicher Entwicke lung sind vergangen, seitdem die vorstehenden Zeilei- geschrieben wurden, die Preußens Verdienste um die Beseitigung des alten Zopfes ins hellste Lickt stellen Und jetzt ist es wiederum Preußen, das die ver- zweifelsten Anstrengungen macht, um den V-rkeh- auf den deutschen Wasserstraßen wieder durch Schiff fahrtszölle oder, was dasselbe bedeutet, Sckiffahrts abgaben zu unterbinden. Deutsches Kelch. Leipzig, 24. November. * Die Rückreise der deutschen Kronprinzessin. Die „Neue pol. Korresp." schreibt: Me jetzt feststeht, wird die deutsche Kronprinzessin auf ihrer Rückreise von Colombo nach Alexandrien den Dampfer „Lützow" benutzen. Nach Beendigung ihres aus 2 Monate berechneten Aufenthalts in Aegypten steht der Kronprinzessin das Stationsschiff „Loreley" zur Verfügung, das sich in Genua für diesen Zweck vor zubereiten hat. Nach Aegypten nimmt die Kron prinzessin in Cannes Ausenthalt. Der Rückkehr wird erst im Mai n. I. entgegengesehen. * Die Studien der kaiserlichen Prinzen. Prinz August Wilhelm, der in nächster Zeit die Referen- Vorprüfung ablegen wird, hat soeben die schrist lichen Prüfungsarbeiten eingereicht. — Prinz Joachim von Preußen, der in Potsdam mit seinen Plöner Studiengenossen von besonders dazu bestimm ten Offizieren für die Offizierprüfung vorbereitet wird, wird diese kurz vor dem Geburtstag des Kaisers ablegen. * Di« Plenarsitzung des Bundesrat» hat am 22. November dem Entwurf eines Gesetzes über die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres die Zustimmung erteilt, ferner den zweiten Nack tragsetat für dir Schutzgebiete 1910 angenommen, ebenso den Etat für das Auswärtige Amt, das Reichsamt des Innern, das Reichskolonialamt und die -Schutzgebiete. Schließlich wurde über die Wahl des Präsidenten und eines Mitgliedes bei der Dis- ziplinarkammer für elsaß-lothringische Beamte und Lehrer in Kolmar Beschluß gefaßt. * Der Reichsetat wird dem Reichstage am 30. No vember oder 1. Dezember zugehen. Die erste Etats lesung wird nicht vor dem 6. Dezember beginnen. * Di« erste Lesung de» Schiffahrtsabgabenge setzes wird voraussichtlich am 28. November statt finden. Der Reichskanzler v. Bethmann Holl weg wird selbst in dieser Beratung das Wort ergreifen. * Ausführuugsbestimmungen und -gesetze zum Reichsviebseuchengesetz. Die eingeforderten Gut. achten der Bundesregierungen zum Vor entwurf der Ausführungsbestimmungen des Reichs viehseuchengesetzes sind jetzt bei der zuständigen Reichs, behördc eingeganaen. Es findet daraufhin gegen wärtig «ine nochmalige Bearbeitung de»
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