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Der Vorsitzende Dr. Krause betonte in seiner Eröffnungsansprache, daß der Parteitag unter dem Zeichen der Bildung und der Disziplin stehen müsse. Reichstagsabgeordneter Bassermann beim Betreten der Rednertribüne mit stürmischem Beifall begrüßt, gibt zuerst einen groß zügigen Rückblick über die Geschichte der Partei und hebt die Hauptmomente der Ent wicklung der Nationalliberalen Partei hervor unter beständiger Beziehung auf gegenwärtige Verhältnisse. Wiederholt zitiert Bassermann in sehr geschickter Weise Aeußerungen Bennig sens, die zur Rechtfertigung der Parteipolitik, wie sie gegenwärtig durch ihn gemacht werde, dienen sollen und dienen können. Aus dem Rückblick auf die Vergangenheit zieht Bassermann die Folgerung, daß das eini gende Band für die Zukunft das alte Programm sein solle. Weiterhin geht er zu einer Besprechung der Gründe der gegen wärtigen Verstimmung und der Un zufriedenheit im Volke ein. Er bezeichnet es als eine unendliche Kurzsichtig keit der Regierung, daß sie sich 1909 nicht zu einer Reichstagsauf lösung habe aufschwingen können. Sie habe sich dadurch mitverantwortlich für die zer fahrene Situation der Gegenwart ge macht. Als weitere Gründe für die Unzufrieden heit führt Bassermann das preußische Wahl recht, die Unterdrückung der national liberalen Parteibewegung, namentlich in den Ostmarken, die mangelhafte aus wärtige Vertretung und andere an. Dann geht er zu einer Besprechung der Heilmittel über, die aus der zerfahrenen Situation herausführen sollen. Er bezeichnet als solche Heilmittel eine bessere Reichs finanzreform, aufgcbaut auf dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit, und eine gründliche Wahlreform in Preußen Außerdem müsse der Liberalismus in Gesetz gebung und Verwaltung die Stellung erhalten, die ihm gebühre. Hieran schloß Bassermann eine Kritik der politischen Parteien an. Er warnte davor, heute bereits über die Stich wahlen für die künftigen Reichstagswahlen zu sprechen, verwahrte sich gegen eine Ueber- tragung der Großblockpolitik auf das Reich und lehnte die Sozialdemokratie auf das entschiedenste ab. Den Kampf gegen die Konservativen im Osten müsse die Nationalliberale Portei führen, weil der Osten für sie Neuland und weil dort auch positive Erfolge zu erringen seien. Der springende Punkt bei den Wahlen liege jedenfalls nicht bei den Organisierten, sondern bei dem Treibholz. Eine Cammlungsparole, wie s»e jetzt vielfach gewünscht würde, sei gegenwärtig nicht zu rechtfertigen. Dem Zentrum stehe die Nationalliberale Partei nach wie vor ablehnend gegenüber. Eine tak tische Einigung mit demFreisinn sei an zustreben, wo immer sie möglich sei. Eine Rettung aus der gegenwärtigen Lage sehe er, Bassermann, nur in einem Zusammengehen der liberalen Parteien. Zum Schluß skizzierte Basiermann kurz in großen Zügen das Programm der nationallibe ralen Partei und wies nach, wiederum an der Hand von Zitaten aus Bennigsen, daß das nationalliberale Parteiprogramm auch heute noch dasselbe sei, wie früher. Die nahezu zweistündige Rede wurde mit minuten langem, stürmischem Beifall ausgenommen, der sich wiederholt«, als der Vorsitzende Ab geordneter Dr. Krause dem Abgeordneten Bassermann den Dank der Versammlung aus sprach. Händeklatschen und stürmische Bravo rufe folgten, und Basiermann verneigte sich wiederholt dankend. Das zweite Referat, das der Abgeord nete Fuhrmann über „Wirtschafts- und Sozialpolitik" halten wollte, mußte aus fallen, da Fuhrmann erkrankt ist. Nach der Frühstückspause wird in die Debatte ein getreten. Ueber die Begrüßung des Parteitages und über das Bild, das sich am Vorabend präsen tierte, erhalten wir noch nachstehenden tele graphischen Bericht: Ilx. Kassel, 30. September. Der 12. Allgemeine Vertretertag der national liberalen Partei, dem man mit Rücksicht auf die ge spannte politische Lage diesmal in allen politisch interessierten Kreisen mit größter Spannung ent gegensieht, nahm am Freitagabend mir einer Be grüßung der weit über 1000 Teilnehmer aus allen Teilen des Deutschen Reiches seinen Anfang. Im Mittelpunkt der Verhandlungen wird das Referat des Führers Ernst Bassermann über die inner politische Entwicklung im Reiche seit der Verabschie dung der Reichsfinanzreform stehen. Daneben sind noch zwei Spezialfragen auf die Tages ordnung gesetzt worden, nämlich die Stellung der na tionalliberalen Partei zur Wirtschafts- und Sozial politik einerseits und zur Mittelstandspolitik ander seits. Das erste Referat hat der Generalsekretär der nationalliberalen Partei Deutschlands Reichstags abgeordneter Fuhrmann übernommen, der aber infolge seiner Tätigkeit im Wahlkampf in Frankfurt a. Oder-Lebus an einer, schweren Heiserkeit leidet, so daß fraglich ist, ob er seinen Vortrag wird halten können. Ueber die Mittelstandspolitik wird der Ver treter der Stadt Kassel im preußischen Abgeordneten hause Dr. Schröder referieren. Schließlich sind auch noch, wie üblich, mehrere Volksversammlungen vorgesehen, in denen bekannte nationalliberale Poli tiker über die schwebenden politischen Fragen sprechen werden. Zn der Stadt Kassel herrscht seit heute eine Hotel kalamität sondergleichen, alle verfügbaren Hotels und Prioaträume sind mit Delegierten und den gleichfalls in außerordentlich starker Zahl erschienenen Presse vertretern besetzt. Die vorläufige Präsenzliste weist bereits gegen 1000 Namen auf. Die Parlamentarier der Partei sind nahezu vollzählig erschienen, so die Reichstagsabgeordneten Basiermann, Blankenhorn, Boltz, Buchsieb, O. Everling, Findel, Hagemann, Dr. Hernze, Horn, Dr. I unck, der neugewählte Ver treter für Lyck-Oletzko Kochan, Rimpau, Dr. Paasche, Schwabach, Dr. Osann, Sieg, Vogel, Sievers, Wach horst de Wente, der Vorsitzende des Deutschen Bauern bundes, und Wetzel: die Landtagsabgg. Dr. Fried berg. der Vorsitzende der nationalliberalen Fraktion im preußischen Abgeordnetenhause, Dr. Beumer. Boisly, Dr. Campe, Oberbürgermeister Castelmann- Bayrcuth. der Führer der bayrischen Nationallibe- ralen, Oberbürgermeister Fürbringer-Emden, Dr. Glatzel. Hintzmann, Macco. Maurer, Dr. Krause, der Vizepräsident des preußischen Abgeordnetenhauses, Lusenskp, Schiffer, Dr, Wendlandt, Dr. Röchling, Wamhoff: die Herrcnhausmitglieder Prof. Dr. Lö- ninq-Halle und Oberbürgermeister Dr. Schmidt-Er furt. Die badischen Nationalliberalen, die wahr scheinlich vielfach Angriffspunkte bilden werden wegen ihres Zusammengehens mit den Sozialdemo kraten, sind durch ihre Führer Obkirchner, Rebmann und Obcramtsrichter Koch-Mannheim vertreten. Die Zungliberalen sind gleichfalls in großer Zahl erschienen. Dagegen fehlt der Reichstaqsabg. Freiherr von Heul zu Herrnsheim, der be kanntlich nur aus der Fraktion, nicht aus der natio nalliberalen Partei seinen Austritt erklärt hat. Don sonstigen bekannten nationalliberalen Politikern nehmen an den Verhandlungen teil Korvettenkapitän v. Holleben. Admiral Kalau vom Hofe, Regierungs rat Prof. Dr. Leidi" Prof. Metqer-Berlin, Ehes redakteur der ...Köln. Ztg." Posse, Kreisarzt Dr. Tho- malla-Zohannisburg und der Frankfurter Bürger meister Dr. Varrentrapp. Auf dem Begrüßungsabend sprach im Namen der nationalliberalen Organisationen der Stadt Kassel und der Provinz Hesien-Nasiau Land- tagsabgeordneter Schröder Worte der Begrüßung. Er konstatierte mit großer Freude, daß nahezu 1000 Vertreter bereits angemeldet sind und daß wohl noch mehr zum Delegiertentag erscheinen werden. Auf diese große Zahl kann der Kasseler Delegiertentag mit Stolz blicken. Die Anziehungskraft hat wohl aber weniger die Tatsache gebildet, daß die Dele giertenoersammlung in der Stadt Kassel stattfindet, als vielmehr die ernste und schwere Zeit, in der wir uns gegenwärtig befinden, urft> zwar nicht nur wir als nationalliberale Partei, sondern tn gleicher Weise alle übrigen bürgerlichen Parteien zu sammen. Daher erklärt sich das gesteigerte po litische Interesse bei allen Parteien. Wir haben bereits am heutigen Freitag wichtige politische Arbeit geleistet und 8—9 Stunden uns über schwe bende Angelegenheiten ausgesprochen. Morgen wer den wir von neuem in die ernste Arbeit hinabsteigen. Es sind schwere Zeiten für uns, und wir können nur die Hoffnung aussprechen, daß das politische Ergebnis unserer Verhandlungen ein gutes sein und daß die nationalliberale Partei geeint und gestärkt aus den Kasseler Debatten hervorgehen möge. (Stürmischer Beifall.) Am Sonnabendvormitlag 10 Uhr nehmen die Ver handlungen des Delegiertentages ihren Anfang. politilche Nachrichten. Zur drohenden Metallarbeiteraussperrung. Mannheim, 1. Oktober. (Tel.) Zur bevorstehen den Aussperrung in der Metallindustrie nahm gestern eine stark besuchte Bertrauensmännerverjammlung des Metallarbeiterverbandes des Jndustriebezirkes Mannheim Stellung und beschloß, von jetzt ab alle Ueberstunden in den Betrieben, die bei der Aussper rung in Frage kommen, zu vermeiden. „Matin" und türkische Anleihe. Bukarest. 1. Oktober. (Tel.) Das hiesige Blatt „Epoca" behauptet, der Pariser „Matin" hätte von der türkischen Regierung während des Verlaufes der Verhandlungen wegen der neuen türkischen Anleihe die Summe von 10 Millionen Franken verlangt mit dem Bemerken, daß das Blatt dann für das Zu standekommen der Anleihe plädieren werbe. Da sie türkische Regierung dies jedoch ableknte, habe der „Matin" das Märchen von der Militärkonvention erfunden. Ein Bündnis zwischen Bulgarien, Serbien und Montenegro. Belgrad, 1. Oktober. (Tel) Wie die hiesigen Blätter melden, trägt sich König Ferdinand von Bulgarien mit dem Gedanken, ein Bündnis zwischen Bulgarien, Serbien und Montenegro unter dem Pro tektorat Rußlands herbeizuführen. Amerikanische Marinebauten. New York, 1. Oktober. (Tel.) Nach längeren Be ratungen mit dem Präsidenten Tast bewilligte das Ministerium 860 Millionen Mark für Marineneubau ten. Diese Ziffer stellt sich um 20 Millionen höher als im Vorjahre. Bom New Yorker Staatskonvent. New York, 1. Oktober. (Tel.) Die Führer der Demokraten aiff dem Konvent des Staates New York haben sich in Rochester in der vorgestrigen Nacht und während des gestrigen ganzen Tages mit der Aufstellungder Kandidaten für den Eou- verneursposten beschäftigt, konnten jedoch zu einer Sie Frau im Spiegel. Von E. W. Appleton. (Autorisierte Uebersetzung.) Als der Zug in Redhill einfuhr, bemerkte ich mit einem Male, daß die Londoner Morgenblätter schon angelangt waren. Ich kaufte mir den „Daily Tele graph" und vertiefte mich in die Zeitung, meine schlimmen Gedanken zu vergessen. Auf den ersten Blick siel mir die fettgedruckte Ueberschrift auf: Kolossaler Juwelendiebstahl in Paris. Die Diamanten der Großfürstin Alexina gestohlen. Verlust aus 100 000 Pfund geschätzt. Die Zeitung entfiel meiner Hand. Kaller Schweiß brach nur aus der Stirn. Hatte mir nicht Le Noir noch aufgetragen, ihn zu benachrichtigen, sobald ich von der Großfürstin Alexina hören würde? Das war ja noch kein Grund, mich über den Diebstahl mehr als jeder andere Leser zu entsetzen. Aber es fiel mir jetzt gleichzeitig das außerordentlich auf geregte Benehmen des Herrn von Montpelier ein, als er mich im Gespräch mit dem Detektiv gesehen hatte. Ich hatte ihm schon von Anfang an miß traut, jetzt war mein Verdacht zur Gewißheit ge worden. Ich erinnerte mich der ungewöhnlichen Weise, in der er mich aus dem Hotel hinausgedrängt, die schwarze Tasche in meine Hand genötigt und nnch ermähnt hatte, sie nicht einen Moment aus den Augen zu verlieren. Ich erinnerte mich auch des Ge wichtes und des Umfanges der Tasche. War es mög lich, daß ich in aller Harmlosigkeit ein Mitschuldiger . an diesem ungeheuerlichen Diebstahl geworden war? Und daß ich, bis nach meiner Ankunst in Dieppe, 100 000 Pfund gestohlenes Eigentum im Besitze ge habt hatte? Von diesem Gesichtspunkt aus war das Benehmen des Detektivs in Newhaven ganz erklärlich. Zn Paris war das Verbrechen gleich ruchbar geworden. Ave Hebel wurden in Bewegung gesetzt: irgendein Anhaltspunkt führte die Polizei zum Grand Hotel. Dort war sie benachrichtigt worden, daß ich das Hotel Hals über Kopf verlassen hatte, und zwar unter verdächtigen Begleitumständen. Dann war wohl sofort Scotland Yard in Kenntnis gesetzt und ersucht worden, alle von Frankreich anlausenden Dampfboote zu überwachen und jeden Passagier, der meiner Beschreibung entsprach, zu durchsuchen. Aber, wenn diese Theorien der Wirklichkeit ent sprachen, warum war ich nicht noch auf französischem Loden fcstgenommen worden? Ich hatte ihn ja erst um ein Uhr morgens verlassen. Da ging mir ein Licht auf. Kam da nicht wieder mein Doppelgänger ins Spiel? War am Ende Zavotte ebenfalls mit gefahren und war er — mit leeren Händen, unier- wegs, sagen wir in Rouen, verhaftet worden? War diese Verwechselung nicht gar von den Verschwörern vorhergesehen und beabsichtigt? Dann hatte «rn Mitschuldiger in Dieppe dem ahnungslosen Träger die gestohlenen Juwelen wieder abgenommen. Da war für mich ein Glück gewesen, denn sonst wäre ich in Newhaven verhaftet worden. Ich schauderte bei diesem Gedanken. Aber, wenn alles das stimmte, und der Herr von Montpelier in Wahrheit ein Spitzbube war, was hatte Herr Eoliby mit ihm zu tun? War er selber das Opfer einer Verbrecherbande? Welchen Zu sammenhang konnte er mit einem solchen Diebstähle oder überhaupt mit einem Verbrecher haben? Und doch hatten meine Instruktionen mit aller Bestimmt heit dahin gelautet, daß ich die Tasche ihm und keinem anderen übergeben sollte. Oder enthielt die Tasche gar nicht die gestohlenen Diamanten? Und sie war mir dann vielleicht aus irgendeinem Miß verständnis geraubt worden? Es war schwer zu entscheiden, welcher Ansicht ich den Vorzug geben sollte, ohne Bestimmteres zu wissen. Während ich über diese Fragen nach grübelte, lag der „Daily Telegraph" immer noch zu meinen Füßen. Vielleicht, fiel mir jetzt ein, konnte er mich ausklären. Daher nahm ich ihn wieder zur Hand und fand darin folgende Einzelheiten über das Verbrechen: „Das Hotel Continental war heute abend der Schauplatz eines der sensationellsten und kecksten Diebstähle der letzten Jahre. Die Großfürstin Alexina, die heute morgen von St. Petersburg ange kommen ist, hatte im ersten Stock des Hotels eine Reihe von Zimmern inne. Es ist bekannt ge worden, daß sie für den bevorstehenden Ball im Elysee ihre Diamanten und andere Juwelen von großer Seltenheit und bedeutendem Werte bei sich hatte. Durch irgendeine Nachlässigkeit wurden sie nicht in der Stahlkammer des Hotels abgegeben. Als die Großfürstin mit ihrer Suite beim Diner saß, wurden die Juwelen, während der momentanen Abwesenheit ihrer Dienerschaft, mit hervorragender Schnelligkeit und Gewandtheit aus ihrem Schlaf zimmer entwendet." Es folgte eine Beschreibung einiger der gc. stohlenen Juwelen, und der Artikel schloß mit den Worten: „Es wird versichert, daß die Polizei einen wich tigen Anhaltspunkt besitzt. Während ich dies schreibe, erfahre ich, daß im Zusammenhang mit der Affäre heute abend in Rouen bei der Ankunft des Schnell zuges nach Dieppe und London eine Verhaftung vor genommen wurde." Diese Nachricht benahm mir den letzten Zweifel an meiner Theorie, ich hatte die Juwelen von Paris nach Dieppe geschafft! Für den Rest der Reise blieb mir genügeird Stoff für meine Gedanken, das brauche ich wohl nicht erst zu versichern. Als wir in die Viktoriastation einfuhren, zeigte die Bahnhossuhr die achte Stunde. Ich holte meinen Handkoffer ab und wollte eben in erne Droschke em- steigen. In diesem Moment sah ich den Mann mit dem roten Backenbart gemächlich den Bahnsteig herunlerkommen, der in Vernon und in Rouen in mein Abteil hinecngedlickt hatte. Wer beschreibt mein Erstaunen, als ich zufällig bemerkte, daß er eine schwarze Tasche in der Hand trug, die aus ein Haar derjenigen glich, welche mir in Dieppe ab handen gekommen war? Mit einem Satze stürzte ich dem Manne nach, aber einen Augenblick später war er in der Menge verschwunden. Als ich in der Droschke saß, sagte ich mir, daß ich ihn doch nicht wegen des Aussehens seiner Hand tasche hätte überjallen können, und dankte meinem Schicksal, daß er entkommen war. Ich wußte ja, was die Tasche enthielt! Jetzt kann mich aber nichts mehr in Erstaunen setzen, dachte ich. Trotzdem war ich hocherstaunt, al, «ine halbe Stunde später in der Nähe der Villa .Liabenhorst" eine Droschke an mir vorbeisuhr und ich in ihrem In sassen wieder den Rotbärtigen erkannte. Der Wagen bog in den Wildwoodweg ein. Hol mich der Henker, sagte ich mir, wenn der Kerl nicht die gestohlenen Juwelen bei sich hat und damit in die Villa des Barons Romer fährt. Achtzehnte« Kapitell Mochte dem sein, wie ihm wollte, mir stand jetzt als erstes eine Aussprache mit dem bisher in keiner Weise gestrengen Herrn Goliby bevor. Durch die letzten Erlebnisse war ich gewitzigt worden und nun entschlossen, meinem Chef frank und frei vor die Augen zu treten. Ich wollte in meinen Erklärungen aufrichtig sein, ich batte ja in Wirklichkeit keinen Anlaß, mich zu entschuldigen. Zurückhaltung, Liese wertvolle Tugend, hatte ich bisher nicht gekannt. Aber meine neuesten Erfahrungen hatten mich eines Besseren belehrt. Und das war wirklich nötig ge wesen. Ich wollte es dem Augenblick überlasten, Herrn Goliby soviel oder so wenig mitzuteilen, als mir gut dünkte. Diese Ueberlegungen machten mich sicher und selbstbewußt. Ich beschenkte in wiedergewonnener guter Laune meinen Kutscher mit einem unerwartet reichlichen Trinkgeld, schloß das Eartenpförtchen auf und schlenderte erhobenen Hauptes dem Hause zu. Dort angelangt, begab ich mich in mein Zimmer uns klingelte. Kaum hatte ich dies getan, als der trüb selige Sawkins auf der Schwelle erschien. Bei dieser Gelegenheit indes spielte ein Lächeln um seine Lippen. „Sie find wieder zurückgekehrt, wie ich sehe, Herr Lart", begann er. „Jawohl. Wollen Sie Herrn Goliby Mitteilen, daß ich ihn gern sprechen möchte, wenn möglich, sofort." „Er ist noch nicht aufgestanden. Er ist nicht ganz auf dem Damm, offenbar durch die Versicherungs leute aufgebracht, die schon imstande wären, «inen Menschen zu Tode zu ärgern. Die sind auch mit gar nichts zufriedenzustellen. Wozu nehmen sie Versiche rungen an, wenn sie kein« Lust haben, zu bezahlen?" „Allerdings, Eie haben recht", erwiderte ich. „Es tut mir leid, zu hören, daß sie Schwierigkeiten machen." „Ja und wie! E, ist geradezu eklig. Haben Sie sich in Paris gut amüsiert, Herr Lart?" „Oh ja." „Die Damen sollen dort, wie ich hörte, sehr pikant sein, was?" Sawkins grinste wieder. Nicht übel", erklärte ich. „aber an unsere eng lischen Mädel können sie nicht hintippcn. Nein, wirklich nicht!" „Vielleicht etwa« freier im Umgang, nicht?" „Mag sein. Ich habe es nicht einmal beobachtet. Ich batte zuviel zu tun. Sobald Herr Golibv er- wacht, sagen Sie ihm. daß ich ihn gern sehen würde, nicht wahr, Sawkins, ich kann mich darauf Ver lusten?"