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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 05.10.1910
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-10-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19101005023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910100502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910100502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1910
-
Monat
1910-10
- Tag 1910-10-05
-
Monat
1910-10
-
Jahr
1910
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Bezugs-Prei» gebracht; UU maaatt., >rt. »,l unter» AUnl« len «dpelialt! TU 4 vnrch »tr «»Ul innerchald Drnilchian»« ua» »er bmechche» Ueianie» »terteliSdrt. >.«« ^g, »anatt. UL« ^g antlchl. P»ftbefte0ar». ferner m Belgien, Ltnemarl, den Donanllaate», Itall«, vnremdnra, Niederlande, «er» weoe», O«lerreicht llngar», gtnUland, r-chwede», Schw«, ». Spanie». An ^le» übrig», Staate» »ar »trat» durch dt» «elchPtglietle das Bl-uea erchüllln». Da« l!eu>»>«er lagedlan erlcheiai g»M lügllch, Sa»»- » Ael eiaa« «rr »ergent. «ldanaeuieut^itnnaome L«g»il,«platz 8^ de» anlere» Trüger». ipltale», Spediteure» und Ltmahmevellr». iowie Poltümleru a»d Brielrrüger» UtageOerkaasepret« »er Mora«»» «ügad, tt» der r.drn»-»«««»« U^ »ebattld» ,»» »rlchäfttzUeL« ^»d«»n>«gast, 0. gerntprecheri l««L 14««, 14SV4. Abend-Ausgabe. MipMrrTagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Votizeiamtes der Ltadt Leipzig. 2t nzeigen-Preis ch» Acherat« au» Neipel» and Umgedan, dl» Sgelpalten« iv mra drett» Petitzeile L dt, 7« au» drrU, «ev-megeU« l ^g »»» a»«würte Ütellamen 1.A) uCl Aller«, ,»» Bedürtxn « mnillch«, Teil die 74 w» drei»» BeNtzeil« 4t) «elchülttan,eigen mtt P agpprlchrifte» «l» t» »er Uvendauüaab« im Preil« erhöht. Xadati nach Tarit. Beilagegebühr ü ^tz ». Tausend exkl. Pollgedühr. ,Z«SrrreUi» Äuitrüa« kSuaen nicht zarütl- gezogr» werden, gür da« ^richetne» an beftimlilren tagen und Plätzen wir» lein» charantr» übernommen. Inzeigen- Annahme, Uug»tiu4pl»tz 8, 4«t iämtltchen Ailtalen u. allen Annonern» Uxpedtttaaen de« In» and Au«lande«. Panpr-Stllal» Derlt»! T««I Dun«»,. Herzogl. Vahr. Hast»^ handlang, LützawUiatze Ilt lTelephon VI. Är. 4M3), Hanvt-Ftltal« vrr«de»r Seeltratze 4, t (Telephaa 4cktUU Nr. 27S Mllimoch, ücn 5. vmover lSlo. 104. Zshrgsng. Reoolulian in portugsl. Londoner und Pariser Blätter bringen sensatio nelle Meldungen, daß in Portugal die Revolution ousgebrochen sei. Wieweit diese Nachrichten auf Wahrheit beruhen, ist bis jetzt unkontrollierbar; fest steht die Tatsache, daß seit Dienstag nachmittag der telegraphische Verkehr mit Lissabon bzw. mit ganz Portugal unterbrochen ist. Verschiedenen Meldungen zufolge hat dies seinen Grund in dem Ausbruch des schon vor einiger Zeit angekündigten Eisenbahner streiks, dem sich möglicherweise die Post- und Tele- graphenbeamien angeschlossen haben. Anderseits rönnen natürlich auch die Meldungen von einem Ausbruch der Revolution in Portugal nicht sonder lich überraschen. Rach Lage der politischen Dinge, die die letzte Wahlkampagne ergeben hat — der Aus schluß der Progrejslsten von der Regierung durch den König und die politische Unzufriedenheit der portu giesischen Bevölkerung überhaupt —, gewinnen die sensationellen Meldungen nur zu sehr an Wahrschein lichkeit, zumal durch die Ermordung des berühmten portugiesischen Irrenarztes Bombarda durch einen angeblich irrsinnigen Leutnant den Unzufriedenen ein Grund, besser gesagt wohl ein Signal für ihre Gewalttätigkeiten gegeben worden ist. Das Fazit aller Meldungen, mögen sie noch so übertrieben seiw ist jedoch, daß Portugal vor einer so schwierigen Lage sreht, daß ein guter Teil Optimismus dazu gehört, eine glückliche Wendung der Dinge zu erhoffen. Wir geben nachstehend die einzelnen Meldungen wieder: Paris, 5. Oktober. (Tel.) Der .Matin" erhielt ein drahtloses Telegramm von einem in den portu giesischen Gewässern liegenden Schiffe, das nach Saintes-Marics Le la mer im Departe ment Bauches du Nhöne geschickt war und dann nach Paris weilergsgeben worden ist. Zn dem Telegramm heißt es: Die Revolution ist in Lissabon ausge- broch en. Der Verkehr mit der Stadt ist unter brochen. Um 2 Uhr nachmittags hat das Bom bardement auf den Königspalast durch die Kriegsschiffe begonnen. Ein großer Teil der Land» arme« und di« gesamte Marine find auf seiten der Republikaner. Es ist unmöglich, Details zu geben. Ein gleiches Telegramm mit fast dem gleichen Wortlaut ist dem „Echo de Paris" zugegangen. Um 1 Uhr morgens erklärte das Pariser Bureau der „Daily Mail", daß es von seinem Londoner Stammhause ein Telegramm erhallen habe, wonach König Manuel Gefangener der Revolutionäre sei. Weitere Nachrichten waren bis 4 Uhr morgens in Paris nicht eingetroffen. Das Kabel zwischen Portugal nach Frankreich hat gestern nicht ein einziges Telegramm von Lissabon aus be fördert. Um 2 Uhr 50 Minuten nachts erhielt der „Matin" noch ein Londoner Telegramm der „Times", in dem es heißt: Man habe allen. Grund zu der An nahme, daß Portugal sich in einer schwie rigen Position befindet. Die telegraphische Verbindung mit Portugal habe gestern während des ganzen Tages nicht funktioniert. Jedoch glaube man, daß die Meldung vom Ausbruch der Revolution immerhin möglich sei. Man dürfe nicht vergessen, daß die P r o g r e ss i st e n sich mit den Liberalen und Revolutio nären am 23. September bei Eröffnung der Cortes durch den König fcrngehalten hätten. Paris, 5. Oktober. (Tel.) Wie aus Lissabon und Oporto gemeldet wird, haben gestern infolge der Ermordung des Abgeordneten Bombarda, eines bekannten anti-klerikalen Parteigängers, De monstrationen stattgefunden. Zugleich wird ge meldet, daß seit gestern mittag der Telegraphen- verkehr mit Lissabon vollständig stockt. Ob eine Absperrung der Grenze vorliegt oder ob es sich um einen Streik bandelt, ist bisher noch unbekann t. Paris, 5. Oktober. (Tel.) Dem „Figaro" wird gemeldet, der König habe Lissabon ver lassen. Der hiesige portugiesische Ge sa n d t c , der um :: Uhr morgens von einem Bericht erstatter von Ser hier eingegangenen Nachricht ver ständigt wurde, erklärte, daß er keinerlei der artige Meldungen erhalten habe, und er hoffe, daß diese u n r i cht i g seien. Er sei überzeugt, daß die Armee mit den Republikanern nicht zusam - mengehe. Mehrfach wird vermutet, Laß die Er mordung des Zrrenhausdirektors und republikanischen Deputierten Bombarda durch einen geisteskranken Offizier die Republikaner bestimmt hat, das Signal zur Revolution zu geben. Paris, 5. Oktober. (Telegr.) Eine beim hiesigen portugiesischen Konsulat von pri vater Seite eingetroffene Meldung bestätigt den Ausbruch der Revolution in Lissabon. ss Paris, 5. Oktober. (Tel.) Der hier weilende Führer der portugiesischen Republikaner Magel- haes Lima erklärte einem Mitarbeiter des „Matin": „Die Revolution überrascht uns nicht. Wir haben sie seit langem angekündigt. Wir hatten ge hofft. daß die Aenderung der Regicrungsform sich in Ruhe und Ordnung, lediglich durch die Wirkung des frei ausgedrückten Volkswillens voll ziehen werde. Die Hartnäckigkeit und Ver blendung der Machthaber hat dies nicht erlaubt." Berlin, 5. Oktober. (Tel.) Der „L.-A." meldet aus Hamburg: Seit Dienstag nachmittag stockt in Portugal der gesamte Hafen- und Eisenbahnverkehr. Ueber die Ursache ist nichts bekannt. Große Hamburger Firmen haben seit Dienstag mittag keine Nachrichten aus Lissabon be kommen. Wie die Kaiserliche Postdirektion in Ham burg mitteilt, hat seit gestern mittag der Verkehr mit Portugal und Lissabon nicht funktioniert. Leipzig, 5. Oktober. Das Kaiser!. Tele graphenamt Leipzig teilt auf eine Anfrage «it, daß auch bis heute nachmittag «ine telegra phische Verbindung mit Lissabon nicht herzu stellen ist. Die Depeschen nach Portugal werden aus eigene Gefahr des Absenders befördert. Der Mordprozeß Koppius. Leipzig, 5. Oktober. Im großen Schwurgcrichtssaal in der Elisenstraße begann heute früh der große Koppiu s P rozeß. Ein Sensation-Prozeß? Eigentlich kaum mehr, denn die scheußlichen Verbrechen der beiden Brüder sind ausführlich genug in allen Tageszeitungen behandelt worden, und durch das umfassende Geständnis der Leiden Verbrecher ist auch der Verhandlung viel an Reiz genommen Trotzdem. Man will die beiden Brüder wenigstens sehen, sie sind, so bedauerlich das für die Volkspsychologie ist, die „Helden des Tages". So war der Ansturm des Publikums zur Erlangung von Eintrittskarten gewaltig und die Karten bald vergriffen. * * * Ein halb zehn Uhr ist es. Dor dem Landgerichts gebäude zeigt sich nichts Auffälliges; auch auf dem Korridor des Gerichtsgebäudes ist nichts davon zu merken, daß dort oben heute zwei der furchtbarsten Verbrecher abgeurteilt werden sollen, die je eine Großstadt in ihren Mauern sah. Der Zuschauerraum füllt sich schnell, ebenso die Galerie. Fast überwiegend sind es Damen. Da sieht man die Anverwandten des ermordeten Ehepaares Friedrich und aus den drei vor der Zeugenbank be sonders ausgestellten Stuhlreihen sehr viele Damen aus den Kreisen der Geschworenen, der Richter und Juristen. Hier vorn sitzen auch die Sachverständigen und an der Seite sieht man die Personen, an denen die Brüder Koppius eine Reihe ihrer Verbrechen begingen: Die Briefträger Rübner und Froh- berger, Frau Wagner. Vorn an der Anklagebank stehen die beiden Ver teidiger Dr. Conrad Iunck und Dr. Hille- brandt im Gespräch mit dem Ministerialrefe- renten Geh. Rat Dr. Ortmann. Der Staatsan walt Dr. Mühle, der heute seine unendliche Arbeit um die Ergreifung der Verbrecher belohnt sieht, ist auch bereits im Saal. Um 10 Uhr erscheint der Gerichtshof und einige Minuten später kommt der Moment, auf den alle im Saal anwesenden Zuschauer mit Spannung gewartet haben: Karl Koppius wird in die Anklagebank geführt. Er ist sehr bleich und sieht im ersten Augenblick fast verlegen aus. Einen scheuen Blick wirft er nach dem überfüllten Zuschauerraum. Tiefes Schweigen herrscht in diesem Augenblick im Saal und erst langsam geht ein leises Flüstern und Raunen durch die Menge. Und wieder nach einigen erwartungsvollen Mi nuten wird der zweite, der jüngere Friedrich Koppius hereingeführt. Auch er ist infolge der Untersuchungshaft sehr bleich und sieht kränklich aus. Kein Blick trifft den älteren Bruder, den agons all der Verbrechen, an denen er gewissermaßen unter dem suggestiven Einfluß des Bruders teilgenommen. Er ist unzweifelhaft die schwächere Intelligenz. Bald, schon während der Eeschworenenauslosung, scheint sich aber die leise Verlegenheit des älteren Koppius gelegt zu haben. Er streicht sich Len Schnurrbart und betrachtet einzeln die Geschworenen. Ihm gilt nun für lange Zeit die Aufmerksamkeit des Gerichtshofes, der Geschworenen, aller im Saal An wesenden. Mit anfangs recht leiser, dann etwas stärker werdender Stimme erzählt Karl Koppius aus s e i n e m L e b e n. Es klingt wie Hohn, wenn dieser Verbrecher sagt, er habe stets großen Sinn für Häus lichkeir gehabt. Dabei war er aber ein passionierter Spieler. Dann gibt Koppius eine psychologische Er klärung zu seinem ersten Verbrechen, dein Uebersall auf den Eeldbriefträger Rübner. Im „Berliner Tageblatt" habe er einige Tage vor der Tat einen Artikel gelesen von einem Ueberfall auf einen Ber liner Geldbriefträger. Diese Schilderung habe ihn angeregt in dem Moment, als er in dem Hause am Nikolaikirchhof den Briefträger traf. Er schilderte dann ausführlich die Vorbereitungen zur Tat. Lebhafte Bewegung geht durch die Zuhörer menge, als «in Hammer den Geschworenen gezeigt wird, wie ihn der Verbrecher zum Niederschlagen Nübners gebrauchte, ein großer, schwerer Hammer, sasl ein Schmiedehammer. Karl Koppius macht alle diese detaillierten An gaben jetzt mit großer Ruhe, die geradezu zynisch wirkt. Er ist eitel, und man gewinnt den Eindruck, daß er sich heute als „Held" fühlt. Das tritt beson ders bei der Schilderung des lleberfalls auf Frau Wagner za.age, die er ermorden wollte. Er rühmt sich Lessen in ekelhafter Großsprecherei. Nichts von Reue oder auch nur von Scham ist diesem raffinierten Verbrecher gegeben. Er weidet sich ordentlich in den Details seiner Taten. Aber es gibt keine Sensation. * * oertranülungsberiüit. Um 10 Uhr begann vor dem Schwurgericht die Verhanolung gegen die Brüder Karl und Fritz Koppius. Für die Verhandlung sind zwei Tage in Aussicht genommen. Den Vorsitz in der Verhand luna führt Landgerichtsdirektor Dr. Müller, die Anklage vertritt Staatsanwalt Dr. Mühle, die Verteidigung der Angeklagten liegt in den Händen der Rechtsanwälte Dr. Conrad Junck und Dr. Hillebrand t. Als Sachverständige wohnen der Verhandlung bei Medizinalrat Dr. Thümmler, Professor Dr. Kockel, Privatdozent Dr. Lewen, Kommissionsrat Henze, Professor Dr. Hei nicke, Vie Kau im Spiegel. Von E. W. Appleton. (Autorisierte Uebersetzung.) Zu meiner Ucberraschung schien sich Herr Eoliby sehr ^ür diese Streitfrage zu interessieren. „so, so", sagte er, „und zu welchem Schlüße kamen die Herren?" „Sie schienen die Frage nicht entscheiden zu können." Herr Eoliby schaute nachdenklich auf den Boden. Dann sagte er: „Haben Sie im Hotel mit Herrn Le Noir darüber gesprochen?" „Nein, auf der Straße." „Hat vielleicht jemand Ihre Unterredung be lauscht?" „Das ist ganz ausgeschlossen, Herr Eoliby, wir sprachen beinahe im Flüsterton«." „Dann kann sich der Vorwurf des Barons auch nicht darauf beziehen. Somit war ich völlig Im Rechte als ich Sie dem Baron gegenüber in Schutz nahm. Aber er war ganz aufgebracht — seiner Sache bombensicher, wie er sich ausdrückte, wollte Ihnen gegenübergestellt werden und was derlei Unsinn mehr ist." „Warum auch nicht? Ich hätte mich nur gefreut, ihm auf seine Anschuldigungen die gebührende Ant wort zu geben." „Das glaube ich Ihnen schon. Aber ich wollte nicht, daß die Ruhe meines Hauses durch eine der artige Szene gestört würde. Ich sagte ihm das sehr deutlich. Ferner erklärte ich ihm, daß ich unbeschränk tes Zutrauen zu meinem Privatsekretär habe und gab meiner Ansicht unumwunden Ausdruck, daß er tn dieser Angelegenheit das Opfer irgendeiner Täu schung oder eines Mißverständnisses sei." „Ganz richtig", bemerkte ich. „Aber was mir an der Sache so seltsam vorkommt, ist, daß er mir einen Vorwurf gerade aus dem macht, was nur mir und Ihnen bekannt ist, nämlich aus der Vermutung, die ich nur Ihnen gegenüber äußerte" Er schien einen Moment verwirrt zu sein. Zuletzt sagte er: .Za, das scheint wirklich sehr bemerkenswert. Indes, lassen wir damit den Zwischenfall ruhen! Ihre Erklärung genügt mir vollständig, um mich zu überzeugen, daß Sie ganz korrekt gehandelt haben. Ich werde den Baron schriftlich davon in Kenntnis setzen. Trotz des kleinen Mißgeschicks in Dieppe habe ich da« größte Vertrauen zu Ihnen, Herr Lart. Seien Sie überzeugt davon. Und nun benötige ich Ihre Dienste für heute nicht mehr. Daher steht Ihnen der Heutige Tag völlig zur Verfügung." Mit diesen Worten erhob er sich und schüttelte mir freundschaftlich die Hand. Im nächsten Moment war er verschwunden. Ich blieb noch eine Weile stehen und überlegte mir die Vorkommnisse. Aber ich konnte nicht ins klare darüber kommen. Schließlich setzte ich meinen Hut auf und machte mich aus den Weg zu demjenigen, dem ich vor Begierde brannte, meine Erlebnisse zu er zählen. meinem Freunde Richard Hamilton. Zwanzigstes Kapitel. Ich traf Richard zu Hause. Er schien höchlich überrascht, mich schon wieder zu sehen. - „Was? Du bist schon wieder rm Lande?" sagte er. „Wie kommt denn das? Ist deine Mission schon zu Ende? Ist der lustige Einbrechersmann gefaßt?" Ich lachte. „Nein, Richard, soviel ich weiß, erfreut sich der lustige Einbrechersmann immer noch seiner goldenen Freiheit und wird wohl mit der angenehmen Aufgabe beschäftigt sein, Tausendfrankenscheine in brauchbare Münze umzuwechseln. Die Rollen sind vertauscht worden. Ich bin diesen Morgen um ein Haar selber nach Nummer Sicher eingebracht worden. Es ist ein fröhliches Erlebnis, deine Taschen von einem De tektiv umgekehrt zu sehen. Hast du das auch schon mitgemacht?" „Bis jetzt noch nicht. Aber für derartige boshafte Späßchen muß doch ein Grund vorgelegen haben. Hast du auf eigene Faust eine kleine Räuberei ausgeführt? Die Pariser Luft soll ein wenig demoralisierrend wirken, habe ich mir sagen laßen." „Vielleicht in andern Beziehungen", erwiderte ich. „Aber abgesehen von einigen wenigen zweideutigen Reden, zu denen man mich gezwungen hat. hat mein Gewißen noch kein Loch bekommen. Allerdings liegt die Zeit nicht mehr in unsichtbarer Ferne, wo du mit völliger Sicherheit mich als einen abgefeimten Lügner ansehen kannst, mein lieber Richard." Er »og die Augenbrauen in die Höhe und blickte mich überrascht an. „Mein lieber Freund", sagte er, „du bist heute morgen nicht bloß ein früher Vogel, sondern auch dein Lied ist mir nicht ganz verständlich." „Das glaub« ich dir. Aber lustig klingt es. was? Mein Wort darauf, ein wenig spagmachen hat mir unendlich wohl getan. Das Bewußtsein einer dunklen und beinahe verbrecherischen Existenz hat während der letzten oierundzwaiuig Stunden schwer auf mir ge. legen. Ich musi dir eine ganz« Menge erzählen, Richard. Es wird dir die Augen über mich öffnen. Hast du zurzeit viel zu tun?" „Allerdings, es sieht danach aus. Brauchst du lange zu deiner Beichte?" „Nicht so sehr. Ich hoffe, daß deine Wände keine Ohren haben." „Nein, das ist in diesem Geschäft strengstens ver boten. Ein Bekenntnis deiner Mißetaten wird nur mein Ohr erreichen. Und nun, sei so gut und schieße los!" „Gut, um also zu beginnen. Wie würde es dich berühren, wenn ich zum Anfänge dir eröffnen würde, daß ich ein Helfershelfer bei einem Diebstahle im größten Stile gewesen bin, allerdings erst nach der Tat?" „Es würde mich etwas ungewohnt berühren, das ist alles", sagte er, „als eine Art von Zeitvertreib, die für einen Oxforder Bakkalaureus nicht ganz an gebracht wäre." „Ganz richtig. Und was würdest du fernerhin sagen, wenn ich dir mitteilen würde, daß ich, als ich gestern abend Paris verließ, für 100 000 Pfund ge raubte Diamanten und derlei Zeug im Besitze hatte?" „Nun", erwiderte er mit mitleidigem Lächeln, „wenn ich ehrlich sein sollte, Ted, so wäre ich geneigt, dich einen Flunkerer zu nennen, und zur selben Zeit der Ansicht sein, daß du einen Sparren hast, wie sich das Volk ausiudrücken pflegt." „Ganz richtig, muß ich nochmals sagen, und ich könnte dich nicht dafür tadeln. Und doch bin ich gleichzeitig felsenfest davon überzeugt, daß es tar- lächlich der Fall gewesen ist. Erne schwarze Tasche, die nur Dokumente enthalten sollte, wurde mir im Grand Hotel eingehändigt. Ich bin aufrichtig über zeugt davon, daß diese Tasche, die mir in Dieppe aus der Hand gerißen wurde, die Juwelen enthielt, die gestern der Großfürstin Alexina von Rußland im Hotel Eontinental gestohlen worden sind. Ohne Zweifel hast du in den Morgenblättern schon von der Geschichte gelesen. Nicht?" „Großer Gott! Allerdings bade ich's gelesen. Und wem hättest du die lasche ausliefern sollen?' „Nun, Herrn Goliby natürlich." Richard pfiff leise vor sich bin. „Ted, mein Jung«, die Sache wird ernst." „Verflucht ernst", erwiderte ich. ..Und du bist von der Polizei durchsucht worden, sagst du? Wo denn?" „In Newhaven, heute morgen, und wenn diese Tasche in meinem Besitze vorgefunden worden wäre, wo wäre ich aller Wahrscheinlichkeit nach jetzt zu suchen?" ,Zm Loch, vorausgesetzt, daß deine Dorau^etzun- gen richtig find." „Im Loch, gewiß, daran hege ich nicht den ge ringsten Zweifel." „Wirklich eine nette Geschichte, und du hättest dann deinen alten Freund Richard Hamilton in das Land verwünscht, wo der Pfeffer wächst, weil er dich in eine solche Lage gebracht hat." „Nein, Richard, mach dir keine sorgen, du weißt übrigens selbst, daß ich es nicht getan haben würde." „Nein, das weiß ich nicht, und ich zweifle sehr daran. Was kann denn dieser Goliby für ein Herr sein? Was hat er denn gesagt, als du ihm den Ver tust der Tasche mitteiltest?" „Das ist eine lange, seltsame Geschichte, und ich fange am besten am Anfang an und erzähle sie dir in der richtigen Reihenfolge. Wenn ich sie stückweise erzähle, wirst du nur verwirrt. Was habe ich dir in meinem Briefe noch mitgeteilt?" „Daß du mit Vianaud, Le Noir und einem Detek tiv von Scotland Pard auf das Rathaus gegangen seiest und daß dort ein querköpfiger Beamter dich als den Mann bezeichnet habe, dem das Geld ausbezahlt worden ist." „Eanz recht, und ich denke, ich teilte dir auch mit, was Le Noir von einer sehr eigenartigen Unterhal tung mitangebört hattet „Ja, gewiß. Es handelte sich um den Baron Romer und unsere geheimnisvolle Freundin. Hast du sonst noch etwas von ihr gehört?" ,,Jawohl, aber alles zu seiner Zeit! Laß mich da beginnen, wo ich stehen geblieben war!" Ich erzählte ihm nunmehr von dem Herrn von Montpelier und der verräterischen Straßenangabe auf seiner Visitenkarte. Schon mein Bericht darüber ver setzte meinen Freund in Stimmung, und er bemerkte: „Die Sache scheint ja recht intereßant zu werden." Nun berichtete ich ihm meine kurze Unterredung mit Le Noir im Lesezimmer des Grand Hotel und wie der Herr von Montpelier, der von einer anderen Seite herkam, uns beisammen erblickt hatte. Ich erzählte ihm von der unverkennbaren Aufregung des Herrn, als er den Detektiv bei mir entdeckte, von der Art und Weise, in der er mich aus dem Hotel ge schoben und in die Droschke genötigt hatte, uno von seiner Ermahnung, die wertvolle schwarze Tasche nicht einen Moment aus den Augen zu laßen. „Hm", meinte Richard, „sehr auffallende Chose. Rechnung bezahlt, Droschke bereit, Handkoffer schon hineinge,chafst. Alles vorbereitet. Der Herr „von" auf Nadeln sitzend. Ob er wohl «in „von" ist, was meinst du?" „Das weiß der Kuckuck Romer ist ein Baron, nicht?" „Hm. ja, man sagt es. Nun, laß dich nicht auf halten!" (Fortsetzung folgt.)
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