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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.01.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-01-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110104022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911010402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911010402
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-01
- Tag 1911-01-04
-
Monat
1911-01
-
Jahr
1911
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BezuflS-Preis !ür L«ch»la uoo Lor orte durch «y«« TrLgrr und Svedueure Lmal tLalich «»Hau« gedrachi: 80 H lonarl., L.70uk viertrlitdrl öer aulrrri IZilialen u. L,^ aalMsslelltn abgedolir 70 monarl., L.EL vieneliLbrl. Lurch dt« Veit: luaarbald DruilLlanv» und der deitticheii Oolonieo »lerreliLdrt. Zt.L* mouall. iZtO au»1L>. Poftdelleüacld. ,ferner >u Belgien, LLnrmarl, den Donaultaaken, Italien, 4'uremdurg, illiederlanb«. Nor- «e«eu cesterreich Ungarn, Ütukland, Schweden, Lchwel» u. Lvanren. In allen udrigen Staaten nur direkt durch di« tdeicht'ttiiell« de« Blatte« ervt.Uich. La« Leipziger Tageblatt erlideint Lmal ltglich. Sonn» a. Aeteriag« nur m^gen». litdonne >enr»Ännadine i Änguüusvlatz 8, d« unlercn Trägern, Filialen, Lpedileuren und Lnnahmeuellen, lowic Boitämrern urro Bneilrügern. «tugelvertauidprel« »e, Morgen, eutgabe 10 ver r.drnd u«aab» T Sledakttvn und SeschättdOeLer Zobanniegaiie ijernlprecher: t4ÜUl- t4ültv, d4t»t. Abend-Ausgabe. MMerTagMalt Handelszeitung. Amtsblatt -es Aales und. dcs Aolizeiamtcs der Ltadt Leipzig. Lnzeiqea-Preis chr IMerare »u» Leio„, und ümgedun, di« 6geioalten, it) mm breit» Petit,ei> '«L ch, di« 74 nun bre>l« «eklamezell» l,F von »uswäN» äv lli«klamra l.llU Inleraie von Beddrden 'M -milchen Lei. dre 74 mm breit« Petii^eil, 40 SelchättSanzeigen mit BlaHvorichriitrn uub m der Ldendauägad« >u> Brene erdohl Nadalt naä> Tarit. Beilagegebub« 5 v. Taulenb exkl. Boltgebiidr. seltenem« Auirräg« kSnnen nicht zurück gezogen werden. ,Zür bas ltricheinen an deltlmmren Tagen unb Plätzen wir» keine Barantte übernommen «luzetgen-Annahme; Suguttudplatz d». bei iamtlichen Filialen u. allen Annoilcr». iT^peditlolien des In- i:nd Lutlande«. Haupr Atllal» verltu: Lari Dunck«« Herzogr Baor. HotbuL- Handlung Luyowftraft» IO tLet-vdoo VT. ittr. 4«L). Haupt-Iiltale Lre-dem Seeirr4. t iTeler-hou 4üLt. Ar. 4 Mittwoch üen 4. llanuar lSIl. los. Jahrgang. Line bemerkenswerte Nachwahl muh infolge des Todes des Zentrumsabgeordneten Alois Schmid im Reichstagswahlkreis Schwaben 6 fJmmenstadt-Lindau) stattsinden. Schmid war rm Jahre 1907 in der Stichwahl mit 13 836 Stimmen gegen den Nationalliberalen mit 10 831 Stimmen gewählt worden, und zwar mit Hilfe der etwa 2000 betragenden sozialdemokratischen Stimmen. In der Hauptwahl standen sich 12 012 Zen trumsstimmen und 10 633 nationalliberale Stimmen gegenüber. Es ist anzunehmen, dah die Chancen der Naitonalliberalen sich gegen 1907 noch gebessert haben, so dah letztere wohl Aussicht haben, das Mandat, das ne bereits mehrere Legislaturperioden hindurch be sessen haben, zurückzugewinnen. Dazu kommt, dah die Sozialdemokraten diesmal, nach der bekannten Kriegserklärung des Abgeordneten v. Vottmar, jeden falls nicht für den Zentrumsmann eintreten werden, fo dah dessen Aussichten ziemlich gering sind. Ob gleich der Wahlkreis zu 91 2 Proz. katholisch ist, haben die Nationalliberalen stets eine ansehnliche Stimmen zahl auf sich vereinigt. 187^ bis 1881 vertrat den kreis der bekannte Dr. Völck, der 1879 zusammen mit Schauh u. a. aus der nationalliberalen Fraktion aus trat. 1881 ging der kreis an das Zentrum verloren, das ihn jedoch bei den Septennatswahlen 1887 wieder an die Nationolliberalen zurüügeben muhte. 1890 trat das Zentrum wieder an die Stelle der Nationalli.be- ralen. und seit 1893 hatte den Wahlkreis der jetzt verstorbene Abgeordnete Schmid inne. Seit 1890 waren die Stimmenverhältnisse solgendermahen: National liberale Zentrum Deutsche liZotl-rpt. 2o;ial- demokrr. 1.890 «MM« 9318 9554 — 69 1893 . . 7929 9129 — 968 1898 8451 9343 641 706 Stichwahl 9606 10931 — 1903 . ... 9593 11017 - " i;i43 Zs« >7 . . . UM 12013 — 1999 Stichwahl 10831 13836 — — Die Zahlen zeigen, dah die Nationalliberalen gute Aussicht haben, das Mandat zurückzugewinnen. Als Kandidat der Nationalliberalen ist Rechtsanwalt Thoma-Augsburg ausgestellt. Obgleich natürlich die Neuwahl unmittelbar vor den allgemeinen Neu wahlen eine ziemlich undankbare Sache ist, jo werden die Nationalliberalen in Bayern doch alles daran- ietzen. um den Sieg über den Zentrumskandidaten danonzutragen. Die Lrmüllner Strstzenschlschr. Ein unerhörtes Vorkommnis, das die Welt in ungehure Aufregung versetzt, hat sich, wie schon in d-r gestrigen Abendausgabe und heutigen Morgen nummer van uns berichtet wurde, in den Strahen der englischen Metropole abgespielt. Bei dem Versuche der Behörden, der russischen Anarchisten habhaft zu werden, die, wie berichtet, am 17. De zember in einem Iuwelierladen des H o u n d s L i t ch - Diststrikt einbrachen und dabei fünf Polizistenüber den Haufen schos sen, ist es im Londoner Ostende zu einer regelrech ten S t r a h e n s ch l a ch t bekommen. An tausend Polizisten und zwei Abteilungen Ei a r d e t r u p p e n haben den Schlupfwinkel der Verbrecher beschossen, die sich wie Verzweifelte wehr ten. Nicht nur mit Revolvern, auch mit schwer stem Geschütz ist man den Anarchisten zu Leibe gegangen: das Haus, in dem sic sich verbarrikadierten, ging in Flammen auf. nachdem die Verbrecher noch vom Dach des brennenden Gebäudes aus den Kampf gegen die Uebermacht fortgesetzt hatten. Der Kanonen donner, die lohenden Flammen, der Kampflärm, die Schreie der Verwundeten vereinigten sich zu einem förmlichen Belagerungs- und Schlachtenbilde. Stun denlang tobte der Kampf, der. wie die vorliegenden Berichte erkennen lassen, mit dem Tode einiger der Verfolgten geendet hat. Heber den Gang der Ereignisse wird von infor mierter Seite folgender zusammenhängender Bericht gegeben: Die Polizei wurde im Laufe der Nacht benachrich tigt, dah sich die beiden gejuchten Mörder von Houndsditch „Peter, der Maler" und „Fritz" in dem Hause Sydney Street 100, die eine Neben straße der Commercial Road im Ostende ist, aufhiel ten. !lm 2 Uhr morgens drangen Detektive in das Haus ein und verhafteteneineFrau. Später, um 5 Uhr, machten mehrere bewaffnete Polizisten einen Versuch, die Männer zu verhaften, wurden aber durch Revolverfeuer zurückgetrieben. Nunmehr kamen Polizeioerstärkungcn, und inan zog einen Kordon um das Haus. Der Detektiv-Sergeant Leeson erhielt hierbei einen Schuh durch die Brust. Stunde um Stunde trafen Polizeiver- stärkungen ein, und gegen 10 Uhr rückte die erste Abteilung schottischer Gardctruppen mit scharfen Patronen vom Tower an. Sie besetzte alle Straßenecken, so daß den Verbrechern die Flucht abgeschniltcn war. Ric sige M e n s ch e n m a j j e n hatten sich in den Straßen angesammelt, wurden aber vom Polizei kordon in weiter Enijcrnunq gehalten In allen öffentlichen Lokalen der Stadt, in den Klubs und vor den Zeitungsbureaus folgten erregte Menschenknäuel Len von Minute zu Minute cintreffenden „S ch l a ch t v e r i ch l e n" mit unbeschreiblicher Auf regung. Die ganze Hauptstadt vergas; ihr Luncheon über dem außerordentlichen Ereignis. Gegen Mittag erschien der Minister des Innern Winston Churchill und griff tatkräftig in die Leitung der Belagerung ein. Er stellte Gardisten an verschiedenen, ihm besonders wichtig scheinenden Punkten auf und trieb Feuerwehrleute und Polizisten, die sich zu sehr dem feindlichen Feuer aussetzten, auf gedeckte Stel lungen zurück. Er selbst nahm später, umgeben von Offizieren, in einem Torweg dicht bei dem feindlichen Hause Aufstellung und setzte sich verwegen dem Feuer der Gegner aus, die. wie man damals noch glaubte, alzss einer ganzen Schar Anarchisten bestanden. Das Feuern auf beiden Seiten dauerte fort, ohne jedoch viel Schaden anzurichten. Gegen 1 Uhr sah man Rauch aus dem Hause dringen, und gegen 2 Uhr traf ein Marimgeschütz ein und begann knatternd ein en Bleihagel auf die Anarchist en bürg zu speien. Das Drama näherte sich dem Ende. Einmal machten die verzweifelten Belagerten einen Versuch, aus der Hintertür hervorzubrechen; ein Kugelhagel begrüßte sie, und sie stürzten in das Haus zurück. Das Maschinengeschützseuer trieb sie in die oberen Stockwerke. Man sah sie auf dem brennenden Dache, von wo sie unerschrocken weiterfeuerten. Nunmehr begann die Feuerwehr, Wasser strahlen auf das brennende Haus zu werfen, da die Nachbargrundstücke in Gefahr gerieten. Man hörte Krachen im Hause, wahrscheinlich explodierte die Munition. Aus allen Fenstern züngelten Flammen. In den anliegenden Häusern sah man todesbleiche Frauen und Kinder an den Fenstern. Die Feuerwehr stürzte herbei und trug sie in Sicherheit. Das Revolverfeuer hatte aufgehört. Nun stürzte die Feuerwehr in das brennende Haus, umgeben von Polizisten und Truppen mit Revolvern und Flinten: aber kein Schuß fiel auf sie. Das Drama war zu Ende, die Belagerten waren t o t. Die Feuerwehr fand zwei stark verkohlte Leichen und transportierte sie nach der Leichen halle. Der Minister Churchill, die Offiziere und die Truppen, darunter die reitende Artillerie mit ihren drei unbenutzten Geschützen, zog um 3 Uhr wieder ab, und die Feuerwehr löschte den Brand. Hierbei stürzte eine Mauer ein und verletzte vier Feuerwehrleute er heblich. Man hat bei dem ungeheuren Kraftaufwand we nigitens die Befriedigung, daß nur die beiden Böse wichter von der Rache Strahl getroffen wurden. Ein Trick. Die Polizei wandte in dem Kampfe mit den Ver brechern von Anfang an einen Trick an, den Conon Doyle in der dramatischen Bearbeitung seines Sherlock Holmes im spannendsten Augenblick der Erposilion entführt. Sherlock Holmes stellt eine Puppe, die ihin ähnelte, an das Fenster, in der sicheren Erwartung, daß sein Gegner gegen dieses Fenster zielen werde. Dieser List bediente sich die Polizei heute, indem sic an mehrere Fenster Puppen, in Polizeiuniformen gekleidet, stellt« und auf diese Weise die Schüsse der Anarchisten ablenkte. Diese Maßregel wo» kehr vraktisch; denn die Ziffer der Verwundeten ist verhältnismäßig gering. Wäh rend des Angriffs und des Kamvfes gingen die Krankenschwestern herum, um den Verwundeten Ver bände anzulegen. Die Maschinengewehre klapperten unaufhörlich. Die Dampfpfeifen der Feuerwehr heulten und die Gewehre der Soldaten knatterten jede Sekunde. Dazwischen schossen die Verbrecher aus ihren Pistolen auf die Schutzleute. Gewehre hatten die Verbrecher nicht zur Verfügung. Die Polizei wollte ihre verheirateten Schutzleute nicht der Gefahr aussetzen, und so wurden nur ledige Männer zum Angriff vorqeschickt. Allmählich beginnt sich die Aufregung über die erstaunliche Affäre zu legen, und es erscheint allen das Erstaunlichste daran, daß zwei verzweifelte Verbrecher von der gemeinsten Sorte die Themsestadt fast ebenso erschüttern konnten, als wenn ein« feindliche Armee plötzlich in ihrer Mitte erschienen wäre. Es gilt jetzt für sicher, daß die beiden gefundenen Toten Lie « in- zigen Gegner von tausend Mann Po lizeitruppen. zwei Abteilungen schot tischer Earüetruppen mit einem Maximgeschütz und einer Abteilung Feldartillerie mit drei Geschützen so wie von einem zahlreichen Feuerwchraufge bot mit Dampfspritzcn waren, welche große Wehrmacht von dein Minister des Innern und einem Trab von Offizieren befehligt wurde und einen halben Tag lang Bclagerungskrieg trieb. Die Londoner Straßenjchlacht und die Reooliitionärc in Paris und Berlin. Bei den in Paris lebenden russischen Revolutio nären herrscht die Besorgnis vor einer Rückwirkung der Londoner Vorgänge auf die in Paris und airdern Staaten des Kontinents lebenden Propagandisten. Sollten infolge der nunmehr vorauszusehenden Fluch: zahlreicher russischer Revolutionäre aus England sich deren Zahl in Frankreich so sehr vermehren, Saß etwa Paris zur Z e n t r a l st e l l e der allgemeinen Pro. paganda ausersehen würde, so wäre das französische Ministerium des Innern fraglos zur geeigneten A b - wehr genötigr. Man ist darum sehr gespannt, wel chen Verlauf die zu erwartende Untersuchung der eng lischen Behörden über die Vorgänge in jüngster Zeit nehmen wird. Was die deutschen Anarchisten betrifft, so sind sic lediglich Gernegroße; eure Be deutung im internationalen Anarchismus haben sie nicht. Sobald sich die Berliner Anarchisten nach der radikalen Seite hin mausern und der Propaganda der Tat zuneigen, ist, wie der „Berl. Lok.-Anz." ganz richtig ausführt, Deutschland kein Feld und Am enthaltsort mehr für sie. Unsere vorzüglich orgam sierte politische Polizei hält sich nicht lange mit sol chen gemeingefährlichen Individuen auf; sie schütteln dann den Staub von ihren Füßen und siedeln nach London über, wo sie das Asylrecht in Anspruch nehmen. Im Osten der englischen Riesenstadt ist eine ganze anarchistische Kolonie entstanden, die von russischen, italienischen und auch wenigen deutschen Anarchisten bevölkert wird. Die gefährlichste an archistische Gruppe, die London zurzeit beherbergt, ist die „K a v a r o ß a r u p p e", aus der die anarchisti schen Verbrecher von Houndsditch heroorgegangen sind und der sie auch aneehören. Schon wiederholt hatte die Berliner politische Polizei die Londoner auf die Gefährlichkeit dieser Gruppe hingcwicsen. Ungläubig hatten aber die Londoner Kollegen die Berliner ab gewiesen; sie meinten, daß sie die Mitglieder dieser Grupp« sämtlich kennten, und daß von diesen keine Gefabrzu fürchten sei. Zu spät hat die Lon doner Polizei einsehen müssen, wie recht die besser unterrichtete Berliner Polizei mit ihrer Warnung hatte, denn es ist festgestellt, daß alle Verbrecher de- unerhörten Freveltat in houndsditch der Kavaroß gruope angehörten, auch „Peter, der Maler" und sein Adjutant „Fritz". Hätten die Londoner damals zu oeariffen, das Blutbad wäre ihnen erspart aeblicbcn Hoffentlich hat es aber das eine,Gute im Gefolge, daß das Asylrecht für Anarchisten in England auf gehoben wird. politische Nachrichten. Die Aerztefrage in der Reichsversicherungsordnung. Uebcr die Lösung der Aerztefrage in der Reichs Versicherungsordnung ist in der Reichstags kommission eine Verständigung erzielt worden, der auch die Regierung zustimmen dürfte. Im Spätsommer üer Lieke. 36s Roman von B. Corony. zNasdruck verboten.) Auf Etelkas Antlitz war dann die höchste seelische Erregung und Spannung zu lesen. Ihr schmales, interessantes Gesicht bedeckte sich bald mit flammen- oer Röte, bald mit wahrer Leichenblässe. Ihre großen, leidenschaftlichen Augen schillerten im Glanz nerzehrender Fieberglut. Die Schlagadern des schlan ken Halses traten stark hervor und pulsierten sichtlich. Der üppige Mund verzog sich oft plötzlich wie im krampf, und die wunderbar kleinen Hände waren in unaufhörlicher Bewegung, entweder eine Blume ent blätternd oder die feinen, echten Spitzen des Taschen tuches zerknüllend und zerreißend. Nachts fand sie keinen Schlaf mehr und erhob sich am nächsten Tage uner^uickt, todmüde und furchtbar abgespannt von fruchtlosem Nachdenken. Diese lang sam dahinschleichenden Stunden der Dunkelheit und Einsamkeit wurden ihr zur unerträglichen Qual, wes halb sie es denn auch vorzog, die Zerstreuungen rast loser Geselligkeit zu suchen, um sich selbst und ihren pmnoollen Gedanken zu entfliehen. Aber auch im lautesten Festtrubel, in strahlend er leuchteten Sälen, bei rauschender Musik stürmten diese Gedanken, die sie bannen wollte, auf Etelka ein wie eine Schar Fledermäu,e. Sie war nicht mehr die leichtsinnige Weltdame. Ihr oft ostentativ zur Schau getragener Frohsinn und ihre bacchantische Fröhlich keit schienen dem Schärferblickenden nur der Deck mantel tiefer seelischer Depression zu sein. „Sie ist nicht mehr, was sie war", raunte man sich zu. und in die Verhältnisse näher Eingeweihte sagten wohl: „Die Affäre Rohling Gusenbauer liegt offenbar ichwer auf ihren Nerven. Sie hat ihn nun einmal ge liebt und kommt von dieser Leidenschaft nicht los. Ja — der Spätsommer des Frauenlebens zeitigt oft icbmere Gewitter." * * * Bankier Relf von Kronau kehrte mit seiner jungen Gemahlin von der Hochzeitsreise zurück und bezog eine vornehm eingerichtete Villa im Tiergartenoiertcl, zwischen ihm und seiner Stiefmutter fand k'in Ver kehr von Haus zu Haus statt. Eine Annäherung der beiden Frauen wäre selbstversiändlich unmöglich ge wesen: auch hatte Mary tiefe Trauer um die Mutter, lebte in völliger Zurückgezogenheit und besuchte weder Gesellschaften oder Konzerte, jo daß eine Begegnung ausgeschlossen blieb. Am Letzten des betreffenden Monats seiner Rück kehr ließ sich Rolf bei Frau von Kronau melden, schickte aber, um nicht abgewiesen zu werden, eine in versiegeltem Umschlag steckende Visitenkarte hinein, auf welcher vermerkt stand: „Schönste Mama! Ich schicke Dir die halbjährig« Miete für die Parterre- und Souterrainräume, die ich in Deinem Hause zu Gejchäsrszwecken inne habe, nicht wie sonst durch einen Bevollmächtigten, «andern überbringe sie selbst, weil ich etwas von Wichtigkeit mit Dir zu besprechen wünsche. Habe also die Liebens würdigkeit, trotz unserer letzten kleinen, ein wenig gereizten Unterhaltung meinen Besuch anzunehmen. Dein Dir jederzeit ergebener Stiefsohn." Etelka empfing den Unwillkommenen sehr kühl, der mir verbindlichem Lächeln sagte: „Ordnen wir also zuerst Las Geschäftliche!" Er zählte das mitgebrachte Geld auf und empfing eine von Frau von Kronau unterzeichnete Quittung, die er in »eine Brieftasche legte. „Und nun'?" fragte die Witwe. „Ich warte cuf die angekündigten wichtigen Mitteilungen." „Vor allem möchte ich mein Bedauern ausdrücken, daß unter üen vielen Gratulationen, die mir gelegent lich meiner Vermählung mit Miß Randolf .uglngen, kein Glückwunsch von dir war. Ich fühlte mich wirk lich gekränkt." „Ist Las alles, was du mir mitzuteilen hattest, dann war es unnötig, dich mit dem EelLc selbst hcr- zubcmühen." „Nein. Mama; ich kam nicht aus diesem Grunde allein. Erstens sehnte ich mich, dich lange Entbehrte wiederznsehen", rin mokanter Zug umspielte 'einen Mund, „und dann möchte ich dich bitten, einen gut gemeinten Rat von mir anzuhören." „Ich glaube nicht, eines solchen zu bedürfen." „Doch, doch, ü^ bedarfst seiner Mache dich end lich mit dem Gedanken an eine Verurteilung Rüh lings vertraut. Wenn man auch wirklich mildernde Umstünde gelten laßt, so sind ihm doch jedenfalls mehrere Jahre Zuchthaus gewiß." „Da dürftest du irren!" „Nein, denn er ist so aut wie überführ,. In der Beweisaufnahme findet sich kaum noch eine Lücke. Das muß dir, die du die Gerichtszeitiingen so aufmerk sam verfolgst, wohl bekannt sein. — Nun höre ich, daß du überall für Röhring eintrittst und die von niemand geteilte Ansicht äußerst, seine Schuldlosigkeit werde schon noch an den Tag kommen." „Ich glaube fest daran!" „stehst aber gänzlich vereinsamt mit dresem Glauben La." „Das kümmert mich nicht!" „Gut, habe Lerne Meinung, aber behalte sie für dich! Es gibt Leute, die genau wissen, wie du mit dem jungen Menichen standest, und die über dich lachen. Du tätest bester, die Welt nicht immer wieder an deine Liebestorhcit zu erinnern." „Nun ist es genug! Ich habe mir von oir keine Vorhaltungen machen zu lassen und dulde nicht, daß du ferner in solcher Weise zu mir sprichst. Die Art, wie du dir die Braut eines andern errangst, üer durch dich veranlaßt« Diebstahl meiner Briefe, das Preis geben meiner Geheimnisse, war gewiß auch nicht die Tat eines Ehrenmannes, sondern eine bodenlose Ge meinheit. Wenn Mary Randolf wüßte, wie .nL von wem das alles ins Werk gesetzt wurde, würde sic sich schämen, dir die Hand gereicht zu haben. Jetzt ver lasse mich! Meine Tür oleibt dir fortan verschlossen!" „Du bist ja kerne Frau, die auf die Stimme der Natur hört." „Deshalb drohtest du auch schon einmal, mich ent mündigen zu lasten." „Hätte ich darauf bestanden — und Gründ« gab cs genug anzuführen —, um so bester wäre es für dich und andere gewesen; vor allem aber für den hoch geachteten Namen, den üu trägst!" Erzürnt stanü Rolf auf „Vielleicht überlegst du dir meine Worte doch noch einmal!" sagte er mit schneidender Schärfe. „Eine Frau in deinen Jahren, wenn sie auch für schön gilt, macht sich direkt lächerlich durch so offen zur Schau getragene Leidenschaft für einen viel jüngeren Mann, zumal wenn bekannt ist. daß dieser schon längst nrchts mehr von ihr wissen wollte. Ich wiederhole dir: man lacht und spottet über die Torheiten, die du seinet wegen begingst und noch begehst, indem du niil wah rem Feuereifer und glühend vor Erregung die Partei eines überführten, vor der Verurteilung stehenden Fälschers und Mörders ergreifst und auf seine Schuld losigkeit schwörst. Wenn du dich so zum Gegenstand des allaemeinen Gespöttes machst, schäme ich mich an deiner Stelle." „Schäme dich nnr deiner eigenen Heldentaten wegen! Das genügt schon vollkommen. — — Und nun könnten wir wohl dieses ebenso zwecklose wcc un angenehme Gespräch abbrechen. Auf Niinmcrwiedcr sehen! Vielleicht findet man auch deine Verheiratung mit der ehemaligen Verlobten des „Fälschers und Mörders", die klug genug war, den reichen Bankier nicht auszuschlagen, nachdem die Aussicht auf eine reiche Erbschaft abermals scheiterte, etwas komisch. — Ich glaube ja gern, daß es sehr störend für deine Ruhe wäre, wenn Theo wider Erwarten doch plötzlich aus üer Hast entlassen würbe und als freier, von der An klage losgesprochener Mensch da stände. Dann de gönnen wohl alle Höllenqualen des eifersüchtigen Ehe mannes für dich!" „O nein? Dazu hätte ich wahrlich keinen Grund. Mary ist das reinste, hochdenkendstc Wesen von 4er Welt. Mögen Rühlings Vorzüge sie immerhin ge blendet haben, was sie von seinem Vorleben und der Art seiner Beziehungen zu dir erfuhr, brach den Zauber gänzlich. Frauen wie diese lieben nicht, wo sie verachten müssen. Auch hatte der Reichtum, den ich besitze, nichts mit ihrer Annahme mei".-r Wer bung zu tun. Nach Geld und Gut trachtete Mary nie Auch war ihr Witte ganz frei und unbeeinflußt. al<^ sie meine Braut wurde." „So schenkte sie dir also wohl ihr Herz'?" „Wenigstens ihre Achtung und ihr Vertrauen." „Nun, ich will deinen Glauben an die schöne Ame rikanerin nicht erschüttern." „Das würde dir auch nicht gelingen. Frauen von deiner Charakteranlage vermögen überhaupt so ganz anders fühlend« und geartete Wesen nicht zu oer stehen. Ich möchte dich bitten, künftig nicht mehr von meiner jungen Gattin zu sprechen." „Das Bedürfnis, es zu tun, liegt mir vollständig fern. Da mir aber jede Einmischung deinerseits in meine Angelegenheiten ebenso unerwünscht ist. er suche ich auch, alle mir zugedachten Ermahnungen, Warnungen und gutgemeinten Ratschläge in Zukunft für dich behalten zu wollen. Wir haben beide den unwiderstehlichen Drang, uns gegenseitig herzliche, liebenswürdige Dinge zu sagen; da dies aber ost wie jetzt zu Mißverständnissen führt, wird es bester sein, wenn wir unseren Verkehr möglichst einschränken oder gänzlich fallen lassen." „Ich werde dich nicht mehr mit meiner Gegenwart belästigen, um dir unwillkommene und mißachtete Warnungen auszudrängen. Wenn dn Befehle für
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